ORPHEOS BAKKIKOS: DAS VERSCHOLLENE KREUZ - carotta.de
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8<br />
FRANCESCO CAROTTA ET AL.<br />
Abb. 12: Orpheos Bakkikos, Zeichnung von A. Becker. 34<br />
Hier sind die Beine nicht über- son<strong>de</strong>rn nebeneinan<strong>de</strong>r, und nicht <strong>de</strong>r rechte Fuß<br />
ruht auf <strong>de</strong>m linken, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r linke ver<strong>de</strong>ckt <strong>de</strong>n rechten, welcher etwas weiter<br />
oberhalb am Stamm ansetzt, wie an <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>s rechten Knies und am spitzeren<br />
Winkel <strong>de</strong>s rechten Beins <strong>de</strong>utlich zu erkennen ist.<br />
Je<strong>de</strong>nfalls hat man einen Nagel an <strong>de</strong>n Füßen offensichtlich auch damals nicht<br />
sehen können. Trotz<strong>de</strong>m suggerierte es Reil auf indirekte Weise, in<strong>de</strong>m er die zwei<br />
dicken Pflöcke, die das Kreuz im Bo<strong>de</strong>n befestigen, „Nägel“ nannte – was absurd ist,<br />
<strong>de</strong>nn ihr Durchmesser entspricht <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s senkrechten Kreuzbalkens! Somit legte er in<br />
Verbindung mit seiner ikonographisch-akrobatischen Beine-Füße-Vision die unbelegte<br />
Behauptung Panofskys nahe, 35 es han<strong>de</strong>le sich um ein Drei-Nägel-Kruzifix.<br />
Dabei sind die Hän<strong>de</strong> sowohl beim Orpheos-Bakkikos-Stein als auch auf <strong>de</strong>m<br />
von ihm selbst angeführten Ichthys-Karneol (Abb. 5) am Querbalken gar nicht<br />
angenagelt, son<strong>de</strong>rn offensichtlich angebun<strong>de</strong>n – beim Jaspis von Gaza (Abb. 11)<br />
erkennt man sowohl die Handgelenk- als auch die Achselhöhlenbin<strong>de</strong>n, obwohl <strong>de</strong>r<br />
davorstehen<strong>de</strong> Kopf eine von ihnen ver<strong>de</strong>ckt –, sodass <strong>de</strong>r Gedanke völlig abwegig ist,<br />
dass bei angebun<strong>de</strong>nen Hän<strong>de</strong>n die Füße angenagelt seien. Auf seinem eigenen<br />
Vergleichsstück, <strong>de</strong>r Londoner Elfenbeinplatte, sind die Füße nicht angenagelt, an<strong>de</strong>rs<br />
als die Hän<strong>de</strong> (Abb. 8, i<strong>de</strong>m für Santa Sabina: Abb. 7). Bevor in <strong>de</strong>r christlichen<br />
Ikonographie Nägel an <strong>de</strong>n Füßen auftauchten, fan<strong>de</strong>n sich auch dort zuerst Stricke,<br />
wie bei <strong>de</strong>n Mitgekreuzigten auf einer Ampulle aus Monza (Abb. 13).<br />
Abb. 13: Detailansicht <strong>de</strong>s Mitgekreuzigten, Monza, Domschatz: Ampulle (Nr. 6). 5.–6. Jh.<br />
34<br />
Cf. Eisler 1921, Taf. 31.<br />
35<br />
S.o.; Anm. 29.