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01.01 00 HEFT #5 - Schauspiel Hannover

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»Der Roboter wird zum Gefährten«<br />

Die technikphilosophin jutta weber über tendenzen der sozialen robotik und die normierung unseres miteinanders<br />

interview: judith gerstenberg<br />

»muss es bei der lösung gesellschaftlicher probleme immer ein a priori<br />

der technischen lösung geben?«<br />

Freude Ekel Angst<br />

wut<br />

Der Großmeister des britischen Humors, Alan Ayckbourn,<br />

entwarf 1987 in seiner Science-Fiction-Komödie<br />

»Ab jetzt« eine imaginäre Zukunft, in der sich ein Dienstleistungsroboter<br />

als Spiegel unserer Verfasstheit erweist.<br />

Seit 20. November läuft das Stück auf der Cumberlandschen<br />

Bühne. Ein Gespräch mit der Philosophin<br />

und Technikforscherin Jutta Weber über Geschichte,<br />

Wunsch und Wirklichkeit gegenwärtiger Roboterträume.<br />

-------------------------------------------------------<br />

Frau Weber, Sie sind Technikphilosophin und -forscherin<br />

mit besonderem Schwerpunkt »Robotertechnik«.<br />

Womit genau beschäftigen Sie sich?___<br />

Jutta Weber Ich führe Gespräche mit Robotikern,<br />

gehe ins Labor, um zu prüfen, wie der Stand der Forschung<br />

tatsächlich ist. Der ist meist weit unter dem, was<br />

in die Öffentlichkeit getragen wird, sei es durch Clips<br />

auf Webseiten oder Fernsehberichte. Das, was dort in<br />

einem Zwei-Minuten-Ausschnitt präsentiert wird, erfordert<br />

monatelange Arbeit. Noch gibt es massive, einfachste<br />

Fehlerquellen, die die Nutzungsmöglichkeiten<br />

von Robotern im Alltag sehr in Frage stellen. Auf Kongressen<br />

der traditionellen Technikphilosopie wird zu<br />

häufig die Frage erörtert: Was passiert, wenn die Maschine<br />

intelligent wird? Ich kann nur sagen: Wir müssen<br />

uns darum keine Sorgen machen. Auch seriöse Robotiker<br />

geben dies zu, wenn sie nicht gerade vor einer<br />

Fernsehkamera stehen. Außerdem betrachte ich die Geschichte<br />

der Technik, schaue, wo es Wendepunkte gab,<br />

an welcher Stelle die Forschung nicht weiterkam, wann<br />

und wohin sie ihr Interesse verlagerte. Früher, beispielsweise,<br />

haben sich Techniker nur für Maschinen<br />

mit rational-kognitiven Fähigkeiten interessiert. Seit einiger<br />

Zeit findet aber eine verstärkte Entwicklung hin<br />

zu so genannten sozialen, vermenschlichten und teilweise<br />

vergeschlechtlichten Artefakten statt. Die so genannte<br />

»Soziale Robotik« konzipiert die Maschine als<br />

Gefährten des Menschen in verschiedenen Rollen: als<br />

Altenpfleger, Therapeut, Kinderbetreuer, Haushaltshilfe,<br />

Kuschelersatz bis hin zum Liebesobjekt.---------------<br />

ekel<br />

Ein solcher Dienstleistungsroboter, genannt GOU<br />

3<strong>00</strong>F, spielt auch in der Science-Fiction-Komödie<br />

»Ab jetzt« von Alan Ayckbourn eine Rolle. Die Situationskomik<br />

entsteht durch eine fehlerhafte Software<br />

und den Versuch der Hauptfigur, die als Kindermädchen<br />

programmierte Maschine in seine Lebenspartnerin<br />

zu verwandeln. Das Stück entstand<br />

1987. Viele der dort entworfenen Zukunftsvisionen<br />

wie Vollverkabelung, Überwachungstechnik, Bildtelefon<br />

etc. haben wir längst eingeholt. Die Idee<br />

von GOU 3<strong>00</strong>F aber nicht. Dennoch wirkt sie auf<br />

mich wie ein längst überholter Traum der Science-<br />

Fiction-Literatur. Welches Menschenbild steht hinter<br />

der Idee der Sozialen Robotik? Das einer sich<br />

selbst steuernden Mechanik ist doch eines des 18.<br />

Jahrhunderts.___Weber Das mechanistische Bild ist<br />

in den Techno-Wissenschaften durchaus noch dominierend.<br />

Der Großteil der Robotik wird von Informatikern<br />

und Ingenieuren bestückt (ich wähle hier bewusst die<br />

männliche Form). Ihr Denken ist auf eine bestimmte<br />

Weise trainiert, und sie haben nun mal die Aufgabenstellung,<br />

bestimmte Konzepte auf Maschinen zu<br />

übertragen. Dafür müssen sie diese Konzepte in Algorithmen<br />

umsetzen. Ganz schnell wird klar, was umsetzbar<br />

ist und was nicht. Die ganze Geschichte der Künstlichen<br />

Intelligenz und Robotik lässt sich letztlich als einen<br />

permanent weiterentwickelten Versuch beschreiben,<br />

herauszufinden, was sich in Algorithmen umsetzen lässt.<br />

Von der Mitte des 20. Jahrhundert bis in die 1980er<br />

Jahre hinein hatte man ein emphatisches Konzept von<br />

Intelligenz als Repräsentation von Welt. Welt wurde als<br />

logisch geordnet begriffen. Aus diesem Ansatz hat sich<br />

der Schachcomputer entwickelt, der einen ganz rationalen,<br />

kognitiven Zugang zur Welt widerspiegelt. Man<br />

hat in einigen Bereichen damit sehr gute Erfahrungen<br />

gemacht, nämlich dort, wo genau diese Fähigkeiten gefragt<br />

sind: beim Rechnen – der Computer rechnet<br />

schneller als der Mensch –, aber andere, simpelste Tätigkeiten<br />

wie Treppensteigen, Trompete spielen, mit<br />

angst<br />

den Hüften wackeln konnten diese Maschinen noch<br />

nicht. In den 80er Jahren gab es da tatsächlich eine<br />

Wende: »Interaktion« wurde die Leitmetapher – insofern<br />

passt die Entstehungszeit des Stückes genau.-----<br />

-------------------------------------------------------<br />

Die Soziale Robotik bemüht sich um eine Vermenschlichung<br />

der Maschine, um emotionale Reaktionen,<br />

Spontaneität, Unvorhersehbarkeit. Das heißt<br />

doch, sie versucht eigentlich genau, die möglichen<br />

Fehlerquellen des Menschen auf den Roboter zu<br />

übertragen. Ist das lediglich eine sportive Herausforderung,<br />

weil das bislang noch nicht gelang, oder<br />

gibt es noch andere Gründe?___Weber Ingenieure<br />

sind sehr findig im Hinblick auf die so genannten hot<br />

spots der Gesellschaft – es geht schließlich auch um<br />

Forschungsgelder. Ich möchte gar nicht bezweifeln,<br />

dass sich auch Imaginationen und Wünsche ändern,<br />

aber wichtig scheint mir: Mit dem alten Ansatz konnte<br />

man bestimmte Tätigkeiten rationalisieren – Stichwort<br />

»Automobilfabrik«, wo man aber bald an Grenzen gestoßen<br />

ist, weil es doch noch weite Bereiche gab, die sich<br />

nicht automatisieren ließen. Das hat man lange auf sich<br />

beruhen lassen, aber neulich präsentierte VW ein Konzept<br />

von Co-botics, die den nun zunehmend älter werdenden<br />

Arbeitnehmern bei der Ausführung ihrer Arbeit<br />

helfen sollen. Ob das die wahre Motivation ist? Wahrscheinlicher<br />

scheint mir, dass wir uns der nächsten<br />

großen Welle der Rationalisierung gegenübersehen.<br />

Nur, darüber spricht man nicht gerne – und schon gar<br />

nicht auf Arbeitgeberseite. Das in meinen Augen etwas<br />

zu hoch gekochte Thema der Überalterung ist ein solcher<br />

hot spot. Daher die Forschung an den Pflegerobotern,<br />

die den Altenpflegern angeblich die monotonen<br />

Tätigkeiten abnehmen sollen, damit diese sich wieder<br />

mehr dem Zwischenmenschlichen widmen können. Ich<br />

denke, viele Ingenieure nutzen diese gesellschaftlichen<br />

Problemfelder, um Lösungsvorschläge durch Automatisierung<br />

zu suggerieren; der Markt dafür wächst an. Ob<br />

sich die Ingenieure tatsächlich so sehr um die Pflege<br />

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»Das ist ein Begriff, den es heute nicht mehr gibt.« Anonym

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