Kapitel vier – Textanalyse der Apokalypse und deren Aussage
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Die Apokalyptik kann dabei Element diametral entgegengesetzter Weltdeutungen sein, sie kann<br />
sowohl als Aufruf zur Rückkehr zu traditionellen Gesellschaftsformen als auch zum Fortschritt in neue<br />
Strukturen des Zusammenlebens dienen. Immer aber geschehen diese Appelle unter <strong>der</strong> Behauptung<br />
<strong>der</strong> Enthüllung des ursprünglichen beziehungsweise eigentlichen Seins <strong>der</strong> Menschheit.<br />
Die Funktion des Zusammenbringens von Gruppen lässt sich auch für die Medien insgesamt<br />
feststellen. Für die Nachrichten waren sie expliziter Teil <strong>der</strong> Analyse des letzten <strong>Kapitel</strong>s, wobei<br />
beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong> Gruppenbindung durch eine gemeinsame Bedrohung betont wurde. Ebenso<br />
haben Katastrophenfilme die positive Wertung von Gruppenbildung im Blickfeld, wenn sie die<br />
Menschheit als vor einer von außen kommenden Bedrohung vereint darstellen.<br />
Die Behauptung <strong>der</strong> Erkenntnis <strong>der</strong> Wahrheit lässt sich auch auf die Medien übertragen. So nutzen die<br />
Katastrophenfilme ja die apokalyptische Argumentation <strong>und</strong> behaupten daher auch mit gleicher Stärke<br />
die Wahrheit des vertretenen Idealbilds von menschlichem Handeln. Die Nachrichten hingegen<br />
behaupten die Wahrheit aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> zu Anfang vorgestellten Formkriterien des Genres. Die<br />
angenommene objektive Berichterstattung über den Zustand <strong>der</strong> Welt muss, wenn die Nachrichten<br />
ihren Auftrag <strong>der</strong> politischen Information erfüllen wollen, schließlich wahr sein.<br />
Die Apokalyptik ist, so zeigt es die historische Darstellung, eine Reaktion auf die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Weltordnung. Zugleich stellt sie sich inhaltlich als Ankündigung <strong>der</strong> Wandlung dar. Gleiches gilt mit<br />
Sicherheit für die Nachrichten. Bezüglich <strong>der</strong> Katastrophenfilme lässt sich die Funktion <strong>der</strong> Reaktion<br />
auf Verän<strong>der</strong>ungen an <strong>der</strong> steigenden Anzahl solcher Produktionen in <strong>der</strong> Gegenwart ablesen.<br />
Inhaltlich stellen sie zwar fiktive Situationen des Wandels dar, berufen sich aber auf eher konservative<br />
Werte <strong>der</strong> Gesellschaftsordnung <strong>und</strong> wirken daher nicht o<strong>der</strong> nur in seltenen Fällen als Verkün<strong>der</strong><br />
einer sich än<strong>der</strong>nden Weltordnung. Vielmehr sind sie die Garanten <strong>der</strong> Ordnung, wenn sie die<br />
gr<strong>und</strong>legend religiöse Form des Auslösens <strong>und</strong> Bannens von Angst ausfüllen.<br />
I.2 Ermittlung <strong>der</strong> Funktion von <strong>Apokalypse</strong>n aus <strong>der</strong> <strong>Textanalyse</strong> heraus<br />
I.2.1<br />
Jürgen Brokoffs Thesen von Wahrheit <strong>und</strong> Gewalt <strong>und</strong> dem Ende des Diskurses<br />
Jürgen Brokoff hat 2001 seine literaturwissenschaftliche Dissertation über den Mo<strong>der</strong>nitätsbezug <strong>der</strong><br />
<strong>Apokalypse</strong> veröffentlicht. 49 Darin untersucht er den apokalyptischen Gehalt politischer Texte <strong>der</strong><br />
Weimarer Republik <strong>und</strong> entwickelt anhand des Materials zwei zentrale Thesen über apokalyptische<br />
Texte. Beide werden hier vorgestellt.<br />
Die erste These bezieht sich auf das Verhältnis von Wahrheit <strong>und</strong> Gewalt in apokalyptischen Texten.<br />
Jürgen Brokoff wertet die Darstellung <strong>der</strong> verschiedenen Katastrophen als Gewalt, die die Wahrheit<br />
<strong>der</strong> Vorhersagen bestätigt. Dabei ist die Vernichtung <strong>der</strong> Erde ein gewalttätiger Eingriff des<br />
transzendenten Gottes in die immanente Welt, wobei durch die transzendente Gewalt nicht von <strong>der</strong><br />
transzendenten Gerechtigkeit getrennt werden kann. 50 Die göttliche Gerechtigkeit richtet über die<br />
Treue <strong>der</strong> Menschen zu Gott. Dabei wird eindeutig zwischen Gläubigen <strong>und</strong> Nichtgläubigen<br />
unterschieden. Brokoff geht in seiner Analyse <strong>der</strong> <strong>Apokalypse</strong> als Redeform davon aus, dass absolute<br />
Gegensätze wie gläubig-ungläubig für das Genre <strong>der</strong> <strong>Apokalypse</strong> konstitutiv sind. 51 Das Neue<br />
Jerusalem, dessen Kommen die eigentliche Ursache <strong>der</strong> Vernichtung <strong>der</strong> Erde ist, ist, laut dem Autor,<br />
49<br />
BROKOFF, Jürgen, a.a.O.<br />
50<br />
Vgl. ebd., S. 16.<br />
51<br />
Vgl. ebd., S. 15f.<br />
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