Kapitel vier – Textanalyse der Apokalypse und deren Aussage
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von Ängsten bezüglich <strong>der</strong> gegenwärtigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> zukünftigen gesellschaftlichen Situation dient. Er<br />
benennt sie als „Symbolik <strong>der</strong> Erfahrungsauslegung“. 15 Der symbolhafte Charakter apokalyptischer<br />
Texte gilt neben <strong>der</strong> Beschreibung des Untergangs <strong>der</strong> bekannten Welt als Hauptkriterium für ihre<br />
Bestimmung. Bernd U. Schipper nennt in seinem Text weitere Beispiele aus <strong>der</strong> Theologie, in <strong>der</strong>en<br />
Rahmen die Funktion <strong>der</strong> Apokalyptik als die <strong>der</strong> Verarbeitung von Weltangst benannt wird. Durch die<br />
Bestimmung <strong>der</strong> Funktion des Genres wird gleichzeitig ein Charakteristikum <strong>der</strong> Autoren<br />
apokalyptischer Texte festgelegt. Sie gehören zu einer Gruppe von Menschen, die die aktuellen<br />
gesellschaftlichen Entwicklungen für gefährlich halten <strong>und</strong> befürchten, dass diese die Zukunft<br />
beherrschen werden. Um ihre Angst vor <strong>der</strong> wahrgenommenen Bedrohung zu bannen, imaginieren sie<br />
in apokalyptischen Texten eine unausweichliche katastrophale Entwicklung, die zur völligen<br />
Vernichtung des Schlechten <strong>und</strong> zum Überleben des Guten führt. 16<br />
Die Frage nach den Erfahrungen, die <strong>der</strong> Produktion apokalyptischer Texte zugr<strong>und</strong>e liegen, wird von<br />
Vondung, so Bernd U. Schipper allerdings unter falschen Voraussetzungen gestellt. Zentral sei<br />
nämlich, dass sich die Bedeutung des Begriffs Apokalyptik vom griechischen Wort für ‚enthüllen’<br />
ableite <strong>und</strong> eben nicht vom Wort für ‚Weltende’. Damit sei die Funktion <strong>der</strong> Texte primär auf die<br />
Enthüllung ausgerichtet. 17<br />
Im folgenden Text stellt <strong>der</strong> Religionswissenschaftler weiter Charakteristika <strong>der</strong> Geisteshaltung <strong>der</strong><br />
Apokalyptik zusammen. Elementar für die Beschreibung <strong>der</strong> Apokalyptik ist das bipolare Denken. 18<br />
Das bedeutet eine klare <strong>und</strong> eindeutige Unterscheidung aller beschriebenen Phänomene in zwei<br />
semantische Fel<strong>der</strong> o<strong>der</strong>, entsprechend <strong>der</strong> klassischen Apokalyptik, zwei Äonen. Die absolut<br />
gewerteten Kriterien für die Unterscheidung sind ‚Gut‘ <strong>und</strong> ‚Schlecht‘. Die in <strong>der</strong> Apokalyptik<br />
vorgestellte Situation ist die des Übergangs zwischen den beiden Zuständen. Enthüllt wird also die<br />
Existenz des rein guten Daseins <strong>und</strong> zusätzlich dessen Nähe zur Gegenwart.<br />
Der Reichtum <strong>der</strong> Texte an Metaphern <strong>und</strong> symbolischer Sprache wird von Schipper mit dem Gegenstand<br />
<strong>der</strong> Beschreibung begründet. Für die Darstellung einer bis dato nicht existenten Wirklichkeit<br />
müsse die Sprache <strong>der</strong> meist transzendent gedachten Daseinsform angepasst werden. Um das rein<br />
Gute darzustellen, können nur Symbole für gutes in ihrer höchsten Potenz verwendet werden, da es<br />
keine real existierende rein gute Welt gibt.<br />
Als nächstes Charakteristikum benennt <strong>der</strong> Autor den Zeit <strong>und</strong> Geschichtsbegriff apokalyptischer<br />
Texte, in denen die Zukunft aus <strong>der</strong> Vergangenheit hergeleitet wird. Die dahinter stehende Logik ist<br />
die, dass von <strong>der</strong> Vergangenheit bis in das Jetzt hinein eine fortschreitend negative Entwicklung<br />
stattgef<strong>und</strong>en hat, aufgr<strong>und</strong> von <strong>der</strong>en Bestehen die Zukunft als weitere Steigerung bis hin zum<br />
Kollaps vorhergesagt wird. Auf den Zusammenbruch folgt dann die absolute Umkehr des Prozesses.<br />
Weiteres Kennzeichen des Genres ist <strong>der</strong> Rückgriff auf den einer Kultur innewohnenden Vorrat an<br />
Zeichen aus literalen Traditionen sowie auf das „[…] kulturelle[…] Gedächtnis <strong>der</strong> jeweiligen Religion<br />
[…]“. 19 Durch die Verwendung von Zeichen aus bestimmten kulturellen Vorräten wird an die jeweilig<br />
aktuellen Diskurse angeknüpft.<br />
Des Weiteren werden die Texte durch die Mischung verschiedener literarischer Genres<br />
15<br />
Ebd., S. 70.<br />
16<br />
Vgl. Schipper, Bernd U., a.a.O., S. 380.<br />
17<br />
Vgl. ebd.<br />
18<br />
Vgl. ebd., S. 381.<br />
19<br />
Ebd., S. 381.<br />
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