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Kapitel vier – Textanalyse der Apokalypse und deren Aussage

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wesentlich realistischer wahrgenommen als in Europa.<br />

Auf <strong>der</strong> politischen Ebene beruht die US-amerikanische Weltsicht darauf, dass die USA von <strong>der</strong><br />

Entstehung ihrer heutigen Form an, als neues <strong>und</strong> gelobtes Land betrachtet wurden, dessen<br />

Bevölkerung, dem Beispiel Israels entsprechend, einen exklusiven B<strong>und</strong> mit Gott hat. Damit einher<br />

geht die Vorstellung, eine Erneuerung <strong>der</strong> Welt müsse von den USA ausgehen. Die<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Problematik des technologischen Fortschritts <strong>und</strong> des Umweltschutzes<br />

verläuft an<strong>der</strong>s als in Europa. Auch in den USA ist die Angst vor <strong>der</strong> endgültigen Zerstörung <strong>der</strong> Erde<br />

durch den ständigen technologischen Fortschritt Teil des öffentlichen Diskurses. Die kulturelle<br />

Entwicklung, die daraus hervorgeht, enthält aber nicht die Botschaft, <strong>der</strong> vorsichtige Umgang mit<br />

natürlichen Ressourcen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verzicht auf Komfort zugunsten des Umweltschutzes könne die Erde<br />

retten, son<strong>der</strong>n generiert Hoffnung aus dem Glauben, außerirdische Lebensformen würden eine<br />

bestimmte Gruppe von Menschen retten. Eine 1996 durchgeführte Umfrage <strong>der</strong> Newsweek in den<br />

USA ergab, dass fast die Hälfte <strong>der</strong> US-Amerikaner an die Existenz von UFOs glaubt <strong>und</strong> davon<br />

ausgeht, dass die US-amerikanische Regierung die Wahrheit hierüber geheim hält. Beinahe die Hälfte<br />

dieser Gruppe geht davon aus, dass die UFOs von Außerirdischen geflogen werden, die Kontakt zur<br />

Erdbevölkerung suchen. 32 Zahlreiche Berichte über Entführungen von Menschen durch Außerirdische<br />

verweisen auf eine ähnliche Glaubensintensität wie sie schon Voraussetzung für die früheren<br />

Marienvisionen war. 33<br />

Für diese Art des apokalyptischen Glaubens spielen einige Medieninhalte eine wichtige Rolle. So<br />

waren verschiedene Science-Fiction-Serien elementare Bestandteile <strong>der</strong> Glaubensvorstellungen einer<br />

Gruppe namens Heavens Gate, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> 1997 einen Massenselbstmord verübten. In den<br />

Videobotschaften, die verschiedene <strong>der</strong> Gruppenmitglie<strong>der</strong> hinterließen, erklärten sie die Inhalte<br />

verschiedener Science-Fiction-Serien wie Star Trek zu Gegenständen ihres Glaubens. Dabei gingen<br />

sie davon aus, enthüllt zu haben, dass <strong>der</strong>en Erzählungen nicht rein fiktional seien. 34 Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> betrachtet, haben die Katastrophenfilme <strong>der</strong> neunziger Jahre einen an<strong>der</strong>en<br />

Realitätsbezug als im Zusammenhang mit dem europäischen Weltbild.<br />

Wo also die im Rahmen <strong>der</strong> europäischen Apokalyptik die Verantwortung für die Entwicklung <strong>der</strong> Erde<br />

vor allem bei den Menschen liegt, wird in den USA entwe<strong>der</strong> die Bedrohung <strong>der</strong> Erde o<strong>der</strong> die Rettung<br />

vor <strong>der</strong> Zerstörung viel stärker externalisiert. Diese Art <strong>der</strong> Wahrnehmung schließt direkter an<br />

traditionell religiöse Denkweisen an als diejenige, die in Europa den öffentlichen Diskurs dominiert.<br />

Im Orient geht die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Apokalyptik mit einer Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> traditionellen religiösen<br />

Strukturen einher. Das apokalyptische Material des Islam wurde wie alle an<strong>der</strong>en Bereiche auch von<br />

<strong>der</strong> ’ulamā archi<strong>vier</strong>t <strong>und</strong> verwaltet. Traditionell spielt es keine wichtige Rolle im muslimischen<br />

Glauben. Seit Beginn <strong>der</strong> achtziger Jahre jedoch wird dieses Material von Predigern <strong>und</strong> politischen<br />

Theoretikern, die von den religiösen Autoritäten nicht anerkannt werden, neu interpretiert. Sie bilden<br />

die Radikale Schule. Ihnen gegenüber stehen die ’ulamā <strong>und</strong> die Neokonservativen. Seit <strong>der</strong><br />

Neuinterpretation <strong>der</strong> Radikalen Schule arbeiten auch die ’ulamā <strong>und</strong> die Neokonservativen verstärkt<br />

mit apokalyptischem Material.<br />

Die wichtigste Neuerung <strong>der</strong> muslimischen Apokalyptik ist die Aufnahme biblischen Materials in die<br />

32<br />

Vgl. O’Leary, Stephen D., a.a.O., S. 395.<br />

33<br />

Vgl. ebd.<br />

34<br />

Vgl. ebd., S. 394.<br />

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