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Kapitel vier – Textanalyse der Apokalypse und deren Aussage

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Entscheidend ist, dass im Rahmen eines Diskurses eine neue Norm o<strong>der</strong> Ordnung eingeführt wird. 59<br />

Auch Jacques Derrida, auf den sich Brokoff in seiner Arbeit bezieht, fragt in seinem Text 60 nach <strong>der</strong><br />

Funktion <strong>der</strong> Verkündung <strong>und</strong> Androhung des Endes <strong>der</strong> Welt. Er vermutet hinter dieser Rede das<br />

Verbergen eines an<strong>der</strong>en Zwecks. 61 Die Funktion <strong>der</strong> Verkündung des Endes sieht <strong>der</strong> Autor in <strong>der</strong><br />

Verführung des Publikums. 62 Die durch einen apokalyptischen Text Angesprochenen werden also<br />

durch Weltuntergangsszenarien vom eigentlichen Inhalt <strong>und</strong> Zweck des Textes abgelenkt. Diese<br />

Einschätzung stimmt insofern mit Brokoffs These überein, als dass auch <strong>der</strong> von ihm bestimmte<br />

Zweck des Textes in <strong>der</strong> Struktur verborgen ist.<br />

Gleichzeitig nimmt Derrida, ähnlich wie Brokoff, wahr, dass die Rede vom Ende an<strong>der</strong>e Wahrheiten<br />

ausschließt, wodurch ein Zwang <strong>der</strong> ständigen Steigerung des apokalyptischen Diskurses entsteht.<br />

Derrida zählt in seinem Text die bisher verkündeten Enden kultureller Phänomene, natürlicher<br />

Lebensbedingungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Welt auf <strong>und</strong> endet mit <strong>der</strong> Feststellung:<br />

„Und wer auch immer dahin käme, das Ganze auf die Spitze zu treiben <strong>und</strong> das Raffinierteste<br />

[le fin du fin] zu sagen, nämlich das Ende des Endes [la fin de la fin], das Ende des Zwecks [la<br />

fin des fins], daß das Ende immer schon begonnen hat, daß man vielmehr zwischen Abschluß<br />

[clôture] <strong>und</strong> Ende [fin] unterscheiden müsse, so würde auch er, ob er will o<strong>der</strong> nicht, in das<br />

Gesamtkonzert mit einstimmen.“ 63<br />

Das Bestreiten <strong>der</strong> Wahrheit eines apokalyptischen Textes kann also, laut den vorgestellten Analysen,<br />

nur durch die Überbietung geschehen. Da die Gerechtigkeit beziehungsweise Wahrheit <strong>der</strong> Texte mit<br />

dem Ausmaß <strong>der</strong> angewendeten Gewalt zusammenfällt, geschieht die Überbietung einer<br />

apokalyptischen Darstellung durch die an<strong>der</strong>e, also durch die Steigerung <strong>der</strong> Gewalt.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> hier behandelten Mediengenres zeigt sich dieser Aspekt beson<strong>der</strong>s deutlich bei den<br />

Katastrophenfilmen. Wie schon festgestellt, ist <strong>der</strong> Fortschritt <strong>der</strong> Technologie gr<strong>und</strong>legend für dieses<br />

Genre. Die möglichst lebensechte Darstellung möglichst großer Zerstörung führt zur ständigen<br />

Steigerung des Einsatzes von Technologie bei <strong>der</strong> Herstellung solcher Filme. So gilt die Verwendung<br />

neuester technologischer Mittel auch als Qualitätskriterium von Katastrophenfilmen.<br />

Durch die Konzentration bei<strong>der</strong> hier vorgestellten Mediengenres auf Katastrophen zeigt sich auch,<br />

dass sie <strong>der</strong> apokalyptischen Logik <strong>der</strong> Gleichsetzung von Wahrheit <strong>und</strong> Gewalt folgen. Wo den<br />

Nachrichten Katastrophen als Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> Berichterstattung dienen <strong>und</strong> den Katastrophenfilmen als<br />

Voraussetzung <strong>der</strong> Erzählung, muss Wahrheit beziehungsweise Wirklichkeit o<strong>der</strong> Ideal mit Gewalt<br />

direkt verb<strong>und</strong>en sein.<br />

Das Streben nach dem diskursiven Regime ist für die Nachrichten konstitutiv. Das ständige Streben<br />

nach den neuesten <strong>und</strong> tiefgehendsten Erkenntnissen zu Themen des Diskurses <strong>und</strong> <strong>der</strong> Anspruch<br />

<strong>der</strong> Darstellung einer als objektiv angenommenen Wahrheit machen die Nachrichten unter diesem<br />

Aspekt zum apokalyptischen Genre par excellence. Auf <strong>der</strong> Ebene von fiktiven Erzählungen zur<br />

gesellschaftlichen Ideologie macht die Anlehnung <strong>der</strong> Katastrophenfilme an die Struktur <strong>der</strong><br />

Apokalyptik, also die <strong>Aussage</strong> über gesellschaftliche Werte vor dem Hintergr<strong>und</strong> des drohenden<br />

Weltuntergangs, Katastrophenfilme zu diskursiv unreflektierten <strong>und</strong> Dominanz anstrebenden<br />

Erzählungen.<br />

59<br />

Vgl. SCHIPPER, a.a.O., S. 383.<br />

60<br />

DERRIDA, Jacques: Von einem neuerdings erhobenen apokalyptischen Ton in <strong>der</strong> Philosophie. 2000.<br />

61<br />

Vgl. ebd., S. 22.<br />

62<br />

Vgl. ebd., S. 55.<br />

63<br />

Ebd., S. 50. Einfügungen in Klammern aus dem Original übernommen.<br />

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