Mittwoch 19.6.2013
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Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
$Id: hilbert.tex,v 1.6 2013/06/22 23:06:35 hk Exp $<br />
§7 Hilberträume<br />
7.2 Orthonormalbasen<br />
In der letzten Sitzung hatten wir begonnen uns mit dem Begriff einer Orthonormalbasis<br />
eines Hilbertraums H über K ∈ {R, C} zu beschäftigen. Eine solche Orthonormalbasis<br />
ist eine Folge (u n ) n∈N normierter Vektoren in H die paarweise senkrecht aufeinander<br />
stehen und für die zusätzlich<br />
H = 〈{u n |n ∈ N}〉 = H<br />
gilt. Letztere Bedingung bedeutet explizit das es für jeden Vektor x ∈ H und jedes<br />
ɛ > 0 stets endlich viele λ 1 , . . . , λ n ∈ K mit<br />
∣∣ n∑ ∣∣∣ ∣∣∣ ∣∣ x − λ j u j < ɛ<br />
j=1<br />
gibt. Wir wollen zeigen, dass es in jedem unendlichdimensionalen, aber nicht zu großen,<br />
Hilbertraum stets eine solche Orthonormalbasis gibt. Wir beginnen damit den Begriff<br />
einer Orthonormalbasis näher zu untersuchen, zunächst einmal sieht unsere Definition<br />
völlig anders aus als der vertraute Basisbegriff in einem endlich erzeugten Vektorraums<br />
gemäß I.§11.3, ist u 1 , . . . , u n eine Basis eines solchen Vektorraums V so konnten wir<br />
jeden Vektor u ∈ V eindeutig als eine Linearkombination<br />
u =<br />
n∑<br />
λ k u k<br />
k=1<br />
mit geeigneten Skalaren λ 1 , . . . , λ n schreiben. Wir wollen uns überlegen das eine Orthonormalbasis<br />
eines Hilbertraums dieselbe Eigenschaft hat, man muss nur die endliche<br />
Linearkombination durch eine unendliche Reihe ersetzen.<br />
Lemma 7.11 (Charakterisierung der Orthonormalbasen)<br />
Seien K ∈ {R, C}, H ein Hilbertraum über K und (u n ) n∈N eine orthonormale Folge in<br />
H. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:<br />
(a) Die Folge (u n ) n∈N ist eine Orthonormalbasis.<br />
(b) Für jedes x ∈ H gilt<br />
∞∑<br />
x = 〈x|u n 〉u n .<br />
n=1<br />
18-1
Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
(c) Für alle x, y ∈ H gilt die sogenannte Parseval-Identität<br />
∞∑<br />
〈x|y〉 = 〈x|u n 〉〈y|u n 〉.<br />
n=1<br />
(d) Für jedes x ∈ H gilt die sogenannte Bessel-Identität<br />
∞∑<br />
||x|| 2 = |〈x|u n 〉| 2 .<br />
n=1<br />
Beweis: (a)=⇒(b). Sei x ∈ H. Für jedes n betrachten wir dann die Partialsumme<br />
x n :=<br />
n∑<br />
〈x|u k 〉u k ∈ H,<br />
k=1<br />
und müssen zeigen das die Folge (x n ) n∈N in H gegen x konvergiert. Für alle n, k ∈ N<br />
mit 1 ≤ k ≤ n gilt<br />
〈 n∑ ∣ 〉 ∣∣∣<br />
n∑<br />
〈x n |u k 〉 =<br />
j 〉u j u k = 〈x|u j 〉〈u j |u k 〉 = 〈x|u k 〉||u k ||<br />
j=1〈x|u 2 = 〈x|u k 〉<br />
da für 1 ≤ j ≤ n mit j ≠ k stets 〈u j |u k 〉 = 0 ist, und weiter ist auch<br />
Wir zeigen nun das<br />
j=1<br />
〈x − x n |u k 〉 = 〈x|u k 〉 − 〈x n |u k 〉 = 0.<br />
||x − x n+1 || ≤ ||x − x n ||<br />
für jedes n ∈ N gilt. Ist nämlich n ∈ N gegeben, so folgt mit dem Satz des Pythagoras<br />
Lemma 1.(b) wegen x − x n+1 ⊥ u n+1<br />
||x − x n || 2 = ||x − x n+1 + 〈x|u n+1 〉u n+1 || 2<br />
= ||x − x n+1 || 2 + |〈x|u n+1 〉| 2 · ||u n+1 || 2 ≥ ||x − x n+1 || 2 ,<br />
und damit ist tatsächlich ||x − x n+1 || ≤ ||x − x n ||. Die Folge (||x − x n ||) n∈N ist also<br />
monoton fallend, und konvergiert somit nach I.§6.Satz 3.(b) gegen<br />
lim ||x − x n|| = inf{||x − x n || : n ∈ N}.<br />
n→∞<br />
Sei jetzt ɛ > 0. Da wir 〈{u n |n ∈ N}〉 = H annehmen, gibt es ein n ∈ N und Skalare<br />
λ 1 , . . . , λ n ∈ K mit<br />
n∑<br />
∣∣ ∣∣∣ ∣∣∣ ∣∣ x − λ k u k < ɛ.<br />
k=1<br />
18-2
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Wieder nach dem Satz des Pythagoras ist wegen x − x n ⊥ ∑ n<br />
k=1 (〈x|u k〉 − λ k )u k<br />
n∑<br />
∣∣ ∣∣∣ ∣∣∣<br />
2 ∣∣ ∣∣ x − n∑<br />
∣∣∣ ∣∣∣<br />
2<br />
λ k u k =<br />
∣∣ x − x n + (〈x|u k 〉 − λ k )u k<br />
k=1<br />
d.h. es gilt<br />
k=1<br />
= ||x − x n || 2 +<br />
∣∣<br />
∣∣ n∑<br />
∣∣∣ ∣∣∣<br />
2<br />
(〈x|u k 〉 − λ k )u k ≥ ||x − x n || 2 ,<br />
k=1<br />
n∑<br />
∣∣ ∣∣∣ ∣∣∣<br />
||x − x n || ≤<br />
∣∣ x − λ k u k < ɛ.<br />
Dies zeigt inf{||x − x n || : n ∈ N} = 0 und somit ist lim n→∞ ||x − x n || = 0, die Folge<br />
(x n ) n∈N konvergiert also gegen x.<br />
(b)=⇒(c). Mit der Stetigkeit des Skalarprodukts nach Lemma 5 ergibt sich<br />
〈 n∑ ∣ ∣∣∣ n∑<br />
〉<br />
∑<br />
〈x|y〉 = lim 〈x|u j 〉u j 〈y|u k 〉u k = lim 〈x|u j 〉〈y|u k 〉〈u j |u k 〉<br />
n→∞ n→∞<br />
j=1<br />
k=1<br />
1≤j,k≤n<br />
n∑<br />
∞∑<br />
= lim 〈x|u j 〉〈y|u j 〉 = 〈x|u n 〉〈y|u n 〉.<br />
n→∞<br />
(c)=⇒(d). Aussage (d) ist der Spezialfall x = y von (c).<br />
(d)=⇒(a). Ist x ∈ 〈{u n |n ∈ N}〉 ⊥ , so gilt 〈x|u n 〉 = 0 für jedes n ∈ N, also ist auch<br />
||x|| 2 = ∑ ∞<br />
n=1 |〈x|u n〉| 2 = 0, d.h. x = 0. Dies zeigt 〈{u n |n ∈ N}〉 ⊥ = {0}, also ist nach<br />
Korollar 10 auch<br />
k=1<br />
j=1<br />
〈{u n |n ∈ N}〉 = 〈{u n |n ∈ N}〉 ⊥⊥ = {0} ⊥ = H.<br />
Damit ist das Lemma vollständig bewiesen.<br />
n=1<br />
Wir haben den Beweis der Implikation von (a) nach (b) ganz direkt geführt, man<br />
kann das Argument etwas verkürzen indem II.§6.Satz 6 verwendet wird. Aussage (b)<br />
dieses Satzes ist der Grund für die Bezeichnung ”<br />
Orthonormalbasis“, man kann jeden<br />
Vektor in eine ”<br />
unendliche Linearkombination“ der Basisvektoren entwickeln. Diese<br />
Darstellung ist auch eindeutig wie uns das nächste Korollar zeigen wird.<br />
Korollar 7.12 (Eindeutigkeit der Basisdarstellung)<br />
Seien H ein Hilbertraum über K ∈ {R, C} und (u n ) n∈N eine orthonormale Folge in H.<br />
(a) Ist (λ n ) n∈N eine quadratsummierbare Folge in K, gilt also ∑ ∞<br />
n=1 |λ n| 2 < ∞, so<br />
existiert in H der Grenzwert<br />
∞∑<br />
x := λ n u n<br />
und für jedes n ∈ N gilt λ n = 〈x|u n 〉.<br />
18-3<br />
n=1
Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
(b) Ist (u n ) n∈N eine Orthonormalbasis von H, so läßt sich jedes x ∈ H eindeutig in<br />
eine Reihe<br />
∞∑<br />
x = λ n u n<br />
n=1<br />
mit einer Koeffizientenfolge (λ n ) n∈N in K entwickeln und für jedes n ∈ N ist<br />
dann λ n = 〈x|u n 〉.<br />
Beweis: Ist (λ n ) n∈N eine Folge in K und konvergiert die Reihe<br />
x =<br />
∞∑<br />
λ n u n ,<br />
n=1<br />
so folgt mit der Stetigkeit des Skalarprodukts Lemma 5 für jedes k ∈ N die Gleichung<br />
〈 ∞ ∣<br />
∑<br />
〉 ∣∣∣ ∞∑<br />
〈x|u k 〉 = λ n u n u k = λ n 〈u n |u k 〉 = λ n ||u n || 2 = λ n .<br />
n=1<br />
Damit können wir nun zu den beiden Behauptungen des Korollars kommen.<br />
(a) Sind n, m ∈ N mit n ≤ m, so gilt<br />
∣∣ m∑ ∣∣∣ ∣∣∣<br />
2<br />
∣∣<br />
λ k u k = ∑<br />
m∑<br />
λ k λ l 〈u k |u l 〉 = |λ k | 2 ,<br />
k=n<br />
n≤k,l≤m<br />
n=1<br />
und somit erfüllt die Reihe ∑ ∞<br />
n=1 λ nu n die Cauchybedingung I.§7.Satz 8 für Reihen<br />
und ist somit konvergent. Die zweite Teilaussage von (a) haben wir bereits eingesehen.<br />
(b) Die Existenz einer solchen Reihendarstellung gilt nach Lemma 11 und die Eindeutigkeit<br />
haben wir zu Beginn dieses Beweises eingesehen.<br />
k=n<br />
Im nächsten Schritt können wir nun den Projektionssatz II.§6.Satz 6 auf den unendlichdimensionalen<br />
Fall erweitern. Wir nehmen an, dass wir einen abgeschlossenen<br />
Unterraum U eines Hilbertraums haben und eine Orthonormalbasis (u n ) n∈N von U<br />
kennen. Ist dann x ein beliebiger, so können wir das Lot von x auf U fällen, und der<br />
Lotfußpunkt x ∗ ∈ U ist dann die optimale Approximation von x in U. Den Punkt x ∗<br />
können wir nun explizit in Termen unserer Orthonormalbasis ausrechnen.<br />
Korollar 7.13 (Basisdarstellung von Lotfußpunkten)<br />
Seien H ein Hilbertraum und U ≤ H ein abgeschlossener Unterraum mit einer Orthonormalbasis<br />
(u n ) n∈N . Für jedes x ∈ H ist dann<br />
der Lotfußpunkt von x auf U.<br />
x ∗ :=<br />
∞∑<br />
〈x|u n 〉u n<br />
n=1<br />
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Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
Beweis: Nach Satz 8 existiert ein Lotfußpunkt x ∗ ∈ U von x auf U und es gilt x−x ∗ ⊥<br />
U. Nach Lemma 11 haben wir<br />
∞∑<br />
x ∗ = 〈x ∗ |u n 〉u n ,<br />
n=1<br />
und wegen x − x ∗ ⊥ U gilt für jedes n ∈ N stets x − x ∗ ⊥ u n , also 〈x|u n 〉 − 〈x ∗ |u n 〉 =<br />
〈x − x ∗ |u n 〉 = 0, d.h. 〈x|u n 〉 = 〈x ∗ |u n 〉 und es folgt<br />
∞∑<br />
〈x|u n 〉u n =<br />
n=1<br />
∞∑<br />
〈x ∗ |u n 〉u n = x ∗ .<br />
n=1<br />
Ist (u n ) n∈N eine Orthonormalbasis eines Hilbertraums H, so hatten wir in Lemma 11<br />
eingesehen das jedes x ∈ H die sogenannte Besselsche Gleichung<br />
||x|| 2 =<br />
∞∑<br />
|〈x|u n 〉| 2<br />
n=1<br />
erfüllt. Es ist naheliegend zu fragen was passiert wenn (u n ) n∈N nur eine orthonormale<br />
Folge aber nicht unbedingt eine Orthonormalbasis ist. Im folgenden Korollar zeigen wir<br />
das die Besselsche Gleichung dann in die sogenannte Besselsche Ungleichung übergeht.<br />
Korollar 7.14 (Besselsche Ungleichung)<br />
Seien H ein Hilbertraum und (u n ) n∈N eine orthonormale Folge in H. Für jedes x ∈ H<br />
gilt dann die Besselsche Ungleichung<br />
∞∑<br />
|〈x|u n 〉| 2 ≤ ||x|| 2<br />
n=1<br />
und genau dann besteht hier die Gleichheit wenn x ∈ 〈{u n |n ∈ N}〉 ist.<br />
Beweis: Nach Lemma 2.(a) ist U := 〈{u n |n ∈ N}〉 ≤ H ein abgeschlossener Unterraum<br />
von H und die Folge (u n ) n∈N ist eine Orthonormalbasis von U. Nach Korollar 13 ist<br />
x ∗ :=<br />
∞∑<br />
〈x n |x〉u n<br />
n=1<br />
der Lotfußpunkt von x auf U, und mit der Eindeutigkeitsaussage Korollar 12.(b) und<br />
der Besselschen Gleichung Lemma 11 ergibt sich<br />
∞∑<br />
|〈x|u n 〉| 2 = ||x ∗ || 2 .<br />
n=1<br />
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Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
Wegen x−x ∗ ⊥ U ist insbesondere x−x ∗ ⊥ x ∗ , also gilt nach dem Satz des Pythagoras<br />
Lemma 1.(b)<br />
||x|| 2 = ||(x − x ∗ ) + x ∗ || 2 = ||x − x ∗ || 2 + ||x ∗ || 2 ≥ ||x ∗ || 2 =<br />
∞∑<br />
|〈x|u n 〉| 2 ,<br />
und genau dann besteht hier die Gleichheit wenn ||x − x ∗ || = 0 ist, wenn also x = x ∗<br />
beziehungsweise x ∈ U ist.<br />
n=1<br />
Wie angekündigt kommen wir nun zum Beweis der Existenz von Orthonormalbasen,<br />
der Hilbertraum muss hierfür allerdings zwei Bedingungen erfüllen. Gibt es in<br />
einem Hilbertraum H überhaupt eine orthonormale Folge (u n ) n∈N , so sind die Vektoren<br />
u 1 , . . . , u n nach II.§6.Lemma 3 für jedes n ∈ N linear unabhängig also kann der<br />
Vektorraum H nach I.§11.Korollar 7.(b) nicht endlich erzeugt sein. Ein Hilbertraum<br />
der eine Orthonormalbasis besitzt muss also unendlichdimensional sein, er darf sozusagen<br />
nicht zu klein sein. Auf der anderen Seite kann er auch nicht zu groß sein, es ist<br />
allerdings schon etwas komplizierter exakt zu sagen was dies bedeutet. Wir fordern das<br />
H separabel im Sinne der folgenden Definition ist.<br />
Definition 7.3 (Separable normierte Räume)<br />
Ein normierter Raum E heißt separabel wenn es eine Folge (u n ) n∈N in E mit<br />
E = {u n |n ∈ N}<br />
gibt, d.h. für jedes u ∈ E und jedes ɛ > 0 existiert ein n ∈ N mit ||u − u n || < ɛ.<br />
Separable Räume sind in dem Sinne klein das sich ihre Elemente durch die Glieder eine<br />
Folge beliebig gut approximieren lassen. Erfreulicherweise trifft dies auf die meisten in<br />
Anwendungssituationen vorkommenden normierten Räume zu. Um zu beweisen das<br />
ein gegebener Raum separabel ist, ist es nicht nötig wirklich eine Folge anzugeben<br />
deren Abschluß der gesamte Raum ist, es reicht bereits eine Folge zu finden deren<br />
Aufspann diese Eigenschaft hat. Um dies wiederum einzusehen, müssen wir den in<br />
II.§4.1 eingeführten Begriff abzählbarer Mengen verwenden, eine nichtleere abzählbare<br />
Menge M war eine Menge die sich als eine Folge durchlaufen ließ, die also die Form<br />
M = {a n |n ∈ N} hat.<br />
Lemma 7.15 (Kriterium für separable normierte Räume)<br />
Seien E ein normierter Raum über K ∈ {R, C} und (u n ) n∈N eine Folge in E. Für jedes<br />
u ∈ E und jedes ɛ > 0 gebe es ein n ∈ N und Skalare λ 1 , . . . , λ n ∈ K mit<br />
Dann ist E separabel.<br />
n∑<br />
∣∣ ∣∣∣ ∣∣∣ ∣∣ u − λ j u j < ɛ.<br />
j=1<br />
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Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
Beweis: Im reellen Fall K = R setzen wir L := Q und dann ist L abzählbar und nach<br />
II.§2.Lemma 1.(a) gibt es für alle x ∈ KR, ɛ > 0 ein q ∈ Q = L mit |x − q| < ɛ. Im<br />
komplexen Fall K = C setzen wir dagegen L := Q + iQ, und dann ist L auch in diesem<br />
Fall abzählbar und sind z ∈ K = C, ɛ > 0, so schreiben wir z = a + ib mit a, b ∈ R<br />
und wieder nach II.§2.Lemma 1.(a) gibt es p, q ∈ Q mit |a − p| < ɛ/2 und |b − q| < ɛ/2,<br />
also ist w := p + iq ∈ L mit |z − w| = |(a − p) + i(b − q)| ≤ |a − p| + |b − q| < ɛ. Für<br />
jedes n ∈ N ist die Menge<br />
{ ∣ n∑<br />
}<br />
∣∣∣∣<br />
D n := λ j u j λ 1 , . . . , λ n ∈ L<br />
j=1<br />
aller Linearkombinationen der Vektoren u 1 , . . . , u n mit Skalaren aus L abzählbar, und<br />
damit ist auch<br />
∞⋃<br />
D :=<br />
n=1<br />
abzählbar, es gibt also eine Folge (v n ) n∈N in E mit D = {v n |n ∈ N}. Wir zeigen jetzt,<br />
dass {v n |n ∈ N} = E ist. Seien also u ∈ E und ɛ > 0 gegeben. Nach unserer Annahme<br />
gibt es dann ein n ∈ N und Skalare λ 1 , . . . , λ n ∈ K mit<br />
D n<br />
∣∣ n∑ ∣∣∣ ∣∣∣ ∣∣ u − λ j u j < ɛ 2 .<br />
j=1<br />
Weiter gibt es für jedes 1 ≤ j ≤ n ein µ j ∈ L mit<br />
und wir erhalten<br />
v :=<br />
|λ j − µ j | <<br />
ɛ<br />
2n||u j || + 1 ,<br />
n∑<br />
µ j u j ∈ D n ⊆ D = {v k |k ∈ N},<br />
j=1<br />
es gibt also ein k ∈ N mit v = v k . Weiter gilt<br />
∣∣ n∑ ∣∣∣ ∣∣∣<br />
||u − v k || ≤<br />
∣∣ u − λ j u j +<br />
∣∣<br />
j=1<br />
∣∣ n∑ ∣∣∣ ∣∣∣<br />
(λ j − µ j )u j < ɛ n∑<br />
2 + |λ j − µ j | · ||u j || ≤ ɛ 2 + ɛ 2 = ɛ,<br />
j=1<br />
und wir haben E = {v k |k ∈ N} gezeigt. Damit ist E separabel.<br />
j=1<br />
Nach diesem Lemma ist beispielsweise jeder endlich erzeugte normierte Raum separabel.<br />
Für ein nicht endlich erzeugtes Beispiel seien a, b ∈ R mit a < b und betrachte den<br />
Banachraum E = C[a, b] aller stetigen Funktionen f : [a, b] → R in der Supremumsnorm<br />
|| || ∞ . Dann haben wir für jedes n ∈ N das Monom u n : [a, b] → R; x ↦→ x n , der<br />
Aufspann 〈{u n |n ∈ N}〉 sind die Polynome auf [a, b] und nach dem Weierstrassschen<br />
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Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
Approximationssatz II.§4.Satz 1 gibt es für jedes f ∈ E und jedes ɛ > 0 ein solches<br />
Polynom p mit ||f − p|| ∞ < ɛ. Weiter ist jeder Hilbertraum der eine Orthonormalbasis<br />
besitzt auch separabel.<br />
Korollar 7.16 (Separabilität von Hilberträumen)<br />
Besitzt ein Hilbertraum eine Orthonormalbasis so ist er separabel.<br />
Beweis: Klar nach Lemma 15.<br />
Damit kommen wir schließlich zur Konstruktion von Orthonormalbasen.<br />
Satz 7.17 (Existenz von Orthonormalbasen)<br />
Jeder unendlichdimensionale, separable Hilbertraum besitzt eine Orthomormalbasis.<br />
Beweis: Sei H ein unendlichdimensionaler, separabler Hilbertraum. Da H separabel<br />
ist, existiert eine Folge (w n ) n∈N in H mit {w n |n ∈ N} = H. Im Fall w 1 ≠ 0 setzen wir<br />
v 1 := w 1 und im Fall w 1 = 0 können wir wegen H ≠ 0 ein v 1 ∈ H mit v 1 ≠ 0 wählen.<br />
Nun sei n ∈ N und es seien bereits linear unabhängige Vektoren v 1 , . . . , v n ∈ H mit<br />
{w 1 , . . . , w n } ⊆ 〈v 1 , . . . , v n 〉 gewählt. Dann können zwei verschiedene Fälle auftreten.<br />
Fall 1. Im ersten Fall ist w n+1 /∈ 〈v 1 , . . . , v n 〉. Dann setzen wir v n+1 := w n+1 und nach<br />
I.§11.Lemma 3.(a) sind auch die Vektoren v 1 , . . . , v n+1 linear unabhängig und es gilt<br />
{w 1 , . . . , w n+1 } ⊆ 〈v 1 , . . . , v n+1 〉.<br />
Fall 2. Im zweiten Fall ist dagegen w n+1 ∈ 〈v 1 , . . . , v n 〉. Da H unendlichdimensional,<br />
d.h. nicht endlich erzeugt, ist, gibt es nach I.§11.Lemma 4 einen Vektor v n+1 ∈ H<br />
so, dass auch v 1 , . . . , v n+1 linear unabhängig sind, und es ist wieder {w 1 , . . . , w n+1 } ⊆<br />
〈v 1 , ldots, v n 〉 ⊆ 〈v 1 , . . . , v n+1 〉.<br />
Induktiv wird so eine linear unabhängige Folge (v n ) n∈N in H konstruiert, die die<br />
Bedingung {w 1 , . . . , w n } ⊆ 〈v 1 , . . . , v n 〉 für jedes n ∈ N erfüllt. Wenden wir auf diese<br />
Folge das Gram-Schmidtsche Orthonormalisierungsverfahren an, so erhalten wir eine<br />
orthonormale Folge (u n ) n∈N in H mit {w 1 , . . . , w n } ⊆ 〈v 1 , . . . , v n 〉 = 〈u 1 , . . . , u n 〉 für<br />
jedes n ∈ N. Es folgen und {w n |n ∈ N} ⊆ 〈{u n |n ∈ N}〉 und<br />
H = {w n |n ∈ N} ⊆ 〈{u n |n ∈ N}〉,<br />
also ist H = 〈{u n |n ∈ N}〉 und (u n ) n∈N ist eine Orthonormalbasis von H.<br />
7.3 Fourierreihen und L 2 [−π, π]<br />
In diesem Abschnitt wollen wir noch einmal auf die Fourierreihen zurückkommen und<br />
die bisher entwickelte Theorie in einem konkreten Hilbertraum anwenden. Wir hatten<br />
bereits in einem Beispiel gesehen, dass die Menge<br />
R 2 [−π, π = {f : [−π, π] → C|f ist Riemann-integrierbar}<br />
18-8
Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
ein komplexer Vektorraum ist, auf dem durch<br />
〈f|g〉 = 1<br />
2π<br />
∫ π<br />
−π<br />
f(t)g(t) dt<br />
ein Skalarprodukt eingeführt wird. Im erwähnten Beispiel hatten wir das Skalarprodukt<br />
zwar ohne die Normierung mit dem Faktor 1/(2π) gewählt, aber dies spielt<br />
für die Eigenschaften eines Skalarprodukts keine Rolle. Die zugehörige Norm ist für<br />
f ∈ R 2 [−π, π] gegeben durch<br />
||f|| := ||f|| 2 := √ 〈f|f〉 = 1 √<br />
2π<br />
(∫ π<br />
−π<br />
|f(t)| 2 dt) 1/2<br />
.<br />
Dies erklärt auch die Bedeutung des Exponenten ”<br />
2“ in ”<br />
R 2 “, dieser wird verwendet<br />
da die Norm von f durch Integration des Betragsquadrats von f entsteht. Für jedes<br />
n ∈ Z haben wir die Funktion e n ∈ R 2 [−π, π] definiert durch<br />
e n : [−π, π] → C; t ↦→ e int ,<br />
und wir behaupten das (e n ) n∈N eine orthonormale Folge in R 2 [−π, π] ist. Streng genommen<br />
haben wir diese eigentlich nur mit der Indexmenge N statt Z definiert, aber<br />
diese kleine Ungenauigkeit wollen wir einmal ignorieren. Für alle n, m ∈ Z gilt<br />
〈e n |e m 〉 = 1<br />
2π<br />
Im Fall n ≠ m wird damit<br />
∫ π<br />
−π<br />
e int e imt dt = 1<br />
2π<br />
∫ π<br />
−π<br />
e i(n−m)t dt.<br />
〈e n |e m 〉 =<br />
∣<br />
1<br />
∣∣∣<br />
π<br />
2πi(n − m ei(n−m)t<br />
−π<br />
= 0,<br />
während im Fall n = m<br />
〈e n |e n 〉 = 1 ∫ π<br />
dt = 1<br />
2π −π<br />
gilt. Damit ist (e n ) n∈N tatsächlich eine orthonormale Folge in R 2 [−π, π]. Die Fourierkoeffizienten<br />
einer Funktion f ∈ R 2 [−π, π] ordnen sich jetzt in den Hilbertraumrahmen<br />
ein, für jedes n ∈ Z haben wir<br />
〈f|e n 〉 = 1<br />
2π<br />
∫ π<br />
−π<br />
f(t)e int dt = 1 ∫ π<br />
f(t)e −int dt =<br />
2π<br />
̂f(n).<br />
−π<br />
Das einzige Problem ist, dass unsere bisherige Theorie nicht direkt anwendbar ist da<br />
R 2 [−π, π] nur ein Prähilbertraum aber kein Hilbertraum ist, also nicht vollständig<br />
ist. Um doch einen vollständigen Raum zu erhalten, geht man zu einem erweiterten<br />
Integralbegriff über und wechselt vom Riemann-Integral zum sogenannten Lebesgue-<br />
Integral. Das Lebesgue-Integral ist leider noch abstrakter als das Riemann-Integral und<br />
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Mathematik für Physiker IV, SS 2013 <strong>Mittwoch</strong> 19.6<br />
daher wollen wir hier auf eine systematische Behandlung dieses neuen Integrals verzichten.<br />
In konkreten Beispielen spielt dieser Unterschied zwischen den Integralbegriffen<br />
sowieso keine Rolle, da die auftretenden Funktionen dann immer schon in R 2 [−π, π]<br />
liegen. Formal können die Lebesgue-integrierbaren Funktionen auf [−π, π] wie in der<br />
folgenden Definition eingeführt werden.<br />
Definition 7.4 (Lebesgue-integrierbare Funktionen auf [−π, π])<br />
Eine Funktion f : [−π, π] → C heißt Lebesgue-integrierbar wenn es eine Folge (g n ) n∈N<br />
von Treppenfunktionen gibt, die die folgenden beiden Eigenschaften hat:<br />
(a) Die Folge (g n ) n∈N ist eine L 1 -Cauchyfolge, d.h. für jedes ɛ > 0 existiert ein n 0 ∈ N<br />
mit<br />
||g n − g m || 1 = 1 ∫ π<br />
|g n (x) − g m (x)| dx < ɛ<br />
2π −π<br />
für alle n, m ∈ N mit n, m ≥ 0.<br />
(b) Die Folge (g n ) n∈N konvergiert fast überall punktweise gegen f, d.h. es existiert<br />
eine Lebesguesche Nullmenge N ⊆ R so, dass die Folge (g n (x)) n∈N für jedes<br />
x ∈ [−π, π]\N gegen f(x) konvergiert.<br />
In diesem Fall wird das Integral von f als<br />
∫ π<br />
−π<br />
∫ π<br />
f(x) dx := lim g n (x) dx<br />
n→∞<br />
−π<br />
definiert. Die Menge all dieser Funktionen bildet einen Vektorraum L 1 [−π, π] wobei<br />
Gleichheit als Gleichheit fast überall interpretiert wird.<br />
Jede Riemann-integrierbare Funktion ist auch Lebesgue-integrierbar mit demselben<br />
Integral, daher können wir unseren Prähilbertraum R 2 [−π, π] wie folgt zu einem Hilbertraum<br />
erweitern.<br />
Definition 7.5 (Der Hilbertraum L 2 [−π, π])<br />
Definiere<br />
L 2 [−π, π] := {f ∈ L 1 [−π, π]| : |f| 2 ist Lebesgue integrierbar}<br />
und für f, g ∈ L 2 [−π, π] sei<br />
〈f|g〉 := 1 ∫ π<br />
f(x)g(x) dx.<br />
2π −π<br />
Die Norm ist dann für f ∈ L 2 [−π, π] die sogenannte 2-Norm<br />
||f|| 2 = 1 √<br />
2π<br />
∫ π<br />
−π<br />
|f(x)| 2 dx.<br />
Das ”<br />
L“ in ”<br />
L 2 [−π, π]“ steht übrigens für ”<br />
Lebesgue“ da die Norm über das Lebesgue-<br />
Integral definiert ist, während das ”<br />
R“ in ”<br />
R 2 [−π, π]“ entsprechend für ”<br />
Riemann“<br />
steht. Der sogenannte Satz von Fischer besagt das L 2 [−π, π] ein Hilbertraum ist, der<br />
R 2 [−π, π] als einen dichten Teilraum enthält, d.h. es gilt R 2 [−π, π] = L 2 [−π, π].<br />
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