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SEITE 13<br />
6. Lernen durch naturnahes,<br />
einfaches Leben<br />
Ja, manchmal ist es krass, Wind<br />
und Wetter ausgeliefert zu sein,<br />
voller Matsch, nass und an der<br />
Grenze seiner Leistungsfähigkeit<br />
ein Plätzchen für die Nacht zu<br />
suchen. Tatsächlich ist aber die<br />
Natur ein genialer Lehrmeister<br />
und Grenzerfahrungen ein anerkanntes<br />
Prinzip der Erlebnispädagogik.<br />
Wer die Zusammenhänge<br />
in der Natur begreift, wird auf<br />
dieser Basis auch komplexere<br />
Sachverhalte verstehen lernen.<br />
Wer Grenzerfahrungen gemacht<br />
hat, wird viele Herausforderungen<br />
besser und vor allem gelassener<br />
meistern. Und wer es schafft,<br />
mal ein paar Tage oder Wochen<br />
Verzicht zu üben, einfacher zu<br />
leben, mit weniger zurechtzukommen,<br />
der wird belastbarer und<br />
ausgeglichener sein.<br />
Jeder Mensch ist einzigartig und<br />
hat Begabungen und Fähigkeiten,<br />
die es zu entdecken gilt. Das<br />
stärkt den Selbstwert des Einzelnen<br />
und macht ein Team, das es<br />
gelernt hat die unterschiedlichen<br />
Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
der Einzelnen gemeinsam zu<br />
nutzen, zu einer starken Gemeinschaft,<br />
die zusammen viel<br />
mehr erreichen kann <strong>als</strong> die<br />
Summe der Einzelfähigkeiten.<br />
Viele Aktivitäten der Pfadfinder<br />
zielen darauf ab, genau das zu<br />
üben und weiter zu entwickeln.<br />
Für einen Pfadfinderführer heißt<br />
das, die Begabungen, Interessen<br />
und Bedürfnisse der Kinder und<br />
Jugendlichen herauszufinden, um<br />
ihnen zu helfen, diese erst mal<br />
selber zu entdecken und dann<br />
weiter zu entwickeln. Der erste<br />
Schritt muss <strong>als</strong>o sein, sich mit<br />
seinen Jugendlichen zu beschäftigen<br />
und sie zu kennen. Das geht<br />
natürlich schlecht oder gar nicht,<br />
wenn man in einer Gruppe 10<br />
oder gar 20 Jugendliche hat, um<br />
die man sich kümmern soll.<br />
2. Lernen in der Kleingruppe<br />
Das geht zufriedenstellend<br />
nur, wenn man sich in seiner<br />
Gruppe um nicht mehr <strong>als</strong> 6-8<br />
Kinder kümmern muss. Soll so<br />
eine Kleingruppe funktionieren,<br />
kommt es auf jeden an; jeder wird<br />
gebraucht. Das wiederum hilft<br />
den Kindern und Jugendlichen<br />
schneller, ihre Begabungen zu erkennen,<br />
und hilft ihnen, die Scheu<br />
zu überwinden, diese Fähigkeiten<br />
aktiv in die Gruppe einbringen.<br />
In vielen Sippen (so nennt man<br />
pfadfinderische Kleingruppen)<br />
gibt es dadurch schnell eine klare<br />
Aufgabenverteilung, da sich jeder<br />
auf die Stärken des anderen<br />
verlassen kann und muss. Die<br />
Kinder und Jugendlichen lernen<br />
in diesem kleinen geschützten<br />
Raum, wie sie besser miteinander<br />
umgehen können, oder dass<br />
jeder eine eigene Meinung hat<br />
und diese auch äußern soll und<br />
darf. Keiner wird übergangen<br />
oder ausgegrenzt und man tritt<br />
gemeinsam auf.<br />
3. Orientierung an Werten<br />
Das heißt aber auch, dass eine<br />
Orientierung an gemeinsamen<br />
Werten akzeptiert ist. Auch wenn<br />
es gesellschaftlich an manchen<br />
Stellen in Frage gestellt wird, orientieren<br />
sich Pfadfinder seit über<br />
100 Jahren an Werten, die man<br />
früher <strong>als</strong> „Ritterlichkeit“ hochhielt.<br />
Pfadfinder aller Altersstufen<br />
haben ein altersgerechtes Gesetz,<br />
das sie kennen (meist auswendig)<br />
und an das sie sich halten. Das<br />
versprechen sie im Rahmen einer<br />
feierlichen Versprechensfeier, bei<br />
der sie <strong>als</strong> äußeres Zeichen auch<br />
ihr H<strong>als</strong>tuch verliehen bekommen.<br />
Ein Pfadfinder verspricht<br />
u.a., dass er sich um eine intakte<br />
Beziehung zu seinem Gott, seinen<br />
Mitmenschen und zu sich selbst<br />
kümmert. So wird Zugehörigkeit<br />
und Verbindlichkeit geschaffen,<br />
sich mit den Werten und<br />
Zielen der Pfadfinderbewegung<br />
auseinanderzusetzen, das eigene<br />
Verhalten zu reflektieren und eine<br />
bewusste Entscheidung zu treffen.<br />
Im erweiterten Sinn gehört<br />
<strong>hier</strong> auch das Tragen dieser gemeinsamen<br />
Kluft dazu. Genauso<br />
seltsam wie Gesetz und Versprechen<br />
wirkt im ersten Moment auf<br />
manche die Kluft oder Tracht der<br />
Pfadfinder. Viele sehen darin eine<br />
Uniform und bringen Pfadfinder<br />
in die Nähe von Militär. Dagegen<br />
wehren sich Pfadfinder vehement,<br />
denn der Grund für die Kluft<br />
oder Tracht ist nicht Uniformität,<br />
sondern vielmehr ein Kasc<strong>hier</strong>en<br />
sozialer Unterschiede. Sozialen<br />
Stand und Reichtum schon am<br />
Äußeren ablesen zu können, soll<br />
unter Pfadfindern nicht möglich<br />
sein. Als Pfadfinder sollen alle<br />
Menschen gleich behandelt werden,<br />
unabhängig von Aussehen,<br />
Alter, Stand etc. Nicht zuletzt<br />
ist so eine Kluft funktionell und<br />
praktisch, ist ein Erkennungszeichen<br />
nach außen und stärkt das<br />
Gemeinschaftsgefühl.<br />
4. Lernen durch Erfahrung oder<br />
learning by doing<br />
Lernen bei Pfadfindern ist ein<br />
krasses Kontrastprogramm zu<br />
schulischem Lernen. Learning<br />
by doing ist ein Begriff, den<br />
Baden Powell, der Begründer<br />
der Pfadfinder, geprägt hat, und<br />
der längst nicht mehr nur in der<br />
Pfadfinderbewegung zu finden ist.<br />
Das schließt bewusst auch das<br />
„Fehler machen dürfen“ mit ein.<br />
Auch <strong>hier</strong> sind sich Pfadfinder und<br />
<strong>GJW</strong> einig. Der Punkt „handlungsorientiert“<br />
im UP TO YOU-Konzept<br />
beschreibt genau das: Lernen<br />
durch eigenes Handeln und<br />
Erleben. Das Ziel von „learning<br />
bei doing“ ist es, den Kindern und<br />
Jugendlichen Mut zum Entdecken<br />
neuer Fähigkeiten zu geben,<br />
ihnen dabei zu helfen, Frust und<br />
Misserfolge zu überwinden, und<br />
vor allem, sie zu selbstständigen<br />
Handeln zu animieren!<br />
5. Internationales Lernen oder<br />
Leben in Freundschaft zu allen<br />
Menschen<br />
Pfadfinder haben nur eine Welt.<br />
Politische Grenzen sind zweitrangig,<br />
und die Freundschaft zu allen<br />
Menschen ist Inhalt eines der<br />
Pfadfindergesetze. Die Idee dahinter<br />
ist die Völkerverständigung<br />
und ein aktiver Beitrag zu Frieden<br />
und Verständnis in unserer<br />
gemeinsamen Welt. Als Christen<br />
ist uns das eh große Anliegen und<br />
biblisch ist es allemal.<br />
Vielleicht hast du bis <strong>hier</strong>her<br />
gelesen und fragst dich, warum<br />
wir das alles im <strong>GJW</strong> aktuell<br />
schreiben? Dann wollen wir dir<br />
das <strong>hier</strong> zum Schluss noch kurz<br />
erklären. Uns begegnen in unserem<br />
gemeinsamen <strong>GJW</strong> immer<br />
wieder fragende oder vereinzelt<br />
auch kritische Menschen, die<br />
nicht so recht wissen, wie sie mit<br />
uns umgehen sollen. Schon unsere<br />
Kluft macht uns zu einer Art<br />
„Subkultur“ und grenzt uns ein<br />
bisschen ab. Einige wenige sehen<br />
uns gar <strong>als</strong> Konkurrenz für die<br />
eigene Arbeit, vor der man sich in<br />
Acht nehmen muss.<br />
All das versuchen wir zu verstehen,<br />
aber auch zu entkräften,<br />
um so zu einem noch besseren<br />
Miteinander zu kommen und um<br />
Synergien in unserer gemeinsamen<br />
Arbeit mit Kindern nutzen<br />
zu können. Dieser Einblick in unsere<br />
Pädagogik und Beweggründe<br />
für so manches andersartige<br />
Auftreten hilft euch hoffentlich,<br />
uns in unserer Andersartigkeit<br />
ein bisschen besser zu verstehen.<br />
Über jede Frage, kritische Anmerkung<br />
oder einfach nur ein nettes<br />
Gespräch freuen wir uns riesig<br />
und bedanken uns bei all den<br />
vielen, die uns schon bisher mit<br />
hineinnehmen und unterstützen.<br />
<strong>GJW</strong> AKTUELL 1/2012