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SEITE 8<br />

VTB: Bedrohungen habe ich<br />

schon erlebt, aber ich hatte keine<br />

Angst, denn ich wusste, der Mann<br />

hat keine Möglichkeit, mir etwas<br />

anzutun. Wenn ich in den Bergen<br />

übernachtet habe, habe ich sehr<br />

aggressive Männer erlebt, die<br />

durch das Thema so emotional<br />

geworden sind, dass sie mit mir<br />

„per Du“ gesprochen haben, mit<br />

Fingern auf mich gezeigt haben:<br />

„Das ist unsere Tradition! Du bist<br />

eine Gefahr für diese Tradition!“<br />

Aber ich wusste, ich bin nicht allen,<br />

mein Fahrer ist dabei. In einer<br />

solchen Situation reise ich dann<br />

meist früher ab und bleibe statt<br />

vier nur zwei Tage. Ich versuche,<br />

meine Arbeit zumindest zu Ende<br />

zu bringen.<br />

AK: Gibt es so etwas wie Alltag<br />

bei dir und wie sieht der aus?<br />

VTB: Meine Arbeit <strong>hier</strong> in Saare<br />

Tabitha sieht so aus: Ich bin für<br />

die Weiterbildung von den KollegInnen<br />

zuständig. Ich überlege:<br />

wo sind die Lücken, wo muss<br />

noch verstärkt werden, und<br />

schaue, was ich beibringen kann,<br />

und dann mache ich eine entsprechendes<br />

Angebot. 2011 haben wir<br />

die genannten drei Workshops<br />

gemacht, 2012 sind es zwei.<br />

Nach sechs Monaten müssen<br />

alle KollegInnen ihre Erfahrungen<br />

rückmelden. Ein zweiter Teil ist<br />

das PSP-Programm in Maroua<br />

und Umgebung. Ich versuche,<br />

lokale Behörden und staatliche<br />

Akteure auf unsere Seite zu ziehen<br />

für unsere Mädchen <strong>hier</strong>. Der<br />

dritte Teil ist Kommunikation, die<br />

Erstellung von Broschüren und<br />

Plakaten. Ich schreibe Artikel für<br />

verschiedene Organisationen und<br />

betreibe Öffentlichkeitsarbeit für<br />

Saare Tabitha. Das sind die drei<br />

Ebenen meiner Arbeit. Aktuell<br />

arbeiten wir an einem Film: Rewbe<br />

Voela (Die Frau vom Norden),<br />

den ich vier Monate lang gedreht<br />

habe. Ich habe Menschen dazu<br />

gebracht, über ihre Schwierigkeiten<br />

zu sprechen. Der Film wurde<br />

möglich durch Mittel des BMZ<br />

und ÖED. Die Frauen sprechen in<br />

ihrer Muttersprache, wir haben<br />

<strong>hier</strong> die französischen Untertitel<br />

gemacht. Aktuell wird der Film in<br />

Deutschland fertiggestellt.<br />

Grundlage waren die Gesetzestexte<br />

<strong>hier</strong> in Kamerun. Viele Kolleginnen<br />

kannten diese Gesetze gar<br />

nicht. Sie wussten nicht, welche<br />

Konventionen Kamerun ratifiziert<br />

hat. Einen zweiten Workshop<br />

haben wir im Juni durchgeführt<br />

zum Thema Gender. Was bedeutet<br />

Gender <strong>hier</strong> in Kamerun? Wir<br />

haben die Teilnehmenden mit der<br />

Geschlechterteilung konfrontiert:<br />

Was tun die Frauen, was tun die<br />

Männer, welche Auswirkung hat<br />

die Nichtbildung der Mädchen?<br />

Der dritte Workshop zum Thema<br />

Kommunikation und Konfliktbewältigung<br />

ohne Gewalt mit 23<br />

Teilnehmenden von Saare Tabitha<br />

und NGO‘s hat im Dezember<br />

stattgefunden. Wie können wir<br />

mit Konflikten, die wir beobachten,<br />

umgehen, ohne dabei selbst<br />

Teil der Gewalt zu sein? Wir haben<br />

gelernt, Dialoge zu führen, ohne<br />

immer nur seine eigene Meinung<br />

durchzusetzen. Die Rückmeldungen<br />

über diesen Workshop<br />

waren sehr gut. Ein Ergebnis des<br />

Workshops war, dass 60 % der TN<br />

angaben, mit Genderkonflikten<br />

beschäftigt zu sein, und 33 %<br />

meinten, sie wären mit religiösen<br />

Konflikten konfrontiert. Das<br />

war eine erste Antwort auf die<br />

Herausforderungen in unserer<br />

Arbeit.<br />

AK: Kannst du uns die Situation<br />

der Frauen <strong>hier</strong> im Norden<br />

genauer beschreiben?<br />

VTB: Die Bildungsdichte ist <strong>hier</strong><br />

im Norden sehr unterschiedlich.<br />

Im Gebiet Mindif können drei von<br />

drei Mädchen weder lesen noch<br />

schreiben, obwohl dort die Grundschule<br />

kostenlos für alle ist. Die<br />

Ergebnisse meiner Arbeit zeigen,<br />

dass die Mädchen aus kulturellen<br />

Gründen von der Schule entfernt<br />

sind. Sobald sie eine Brust entwickeln,<br />

werden sie sehr schnell<br />

verheiratet. Dadurch haben sie<br />

keine Zeit und Möglichkeit, eine<br />

Grundschule abzuschließen. In<br />

der Gegend um Moska, Begide, in<br />

der Mafa-Zone, können zwei von<br />

drei Frauen ihren Namen nicht<br />

auf einen Zettel schreiben. Dort<br />

sind die Lebensbedingungen die<br />

Hauptgründe. Die jungen Frauen<br />

müssen morgens das Wasser im<br />

Tal holen. Sie gehen drei Stunden<br />

zur Wasserstelle und drei Stunden<br />

zurück. Von Januar bis Mai sind<br />

die Brunnen meist noch trocken.<br />

Das bedeutet, sie müssen noch<br />

warten, bis das Wasser immer<br />

wieder nachsickert. Wenn sie<br />

zurückkommen, ist es schon<br />

Nachmittag und dann müssen<br />

sie das Essen vorbereiten. Sie<br />

können <strong>als</strong>o gar nicht zur Schule<br />

gehen. In Moska gibt es eine<br />

christliche Privatschule, aber dort<br />

sitzen nur Jungs, keine Mädchen<br />

sind dabei. In Maroua ist es total<br />

anders. Hier wurden Sensibilisierungen<br />

durchgeführt und solche<br />

existentiellen Probleme gibt es<br />

<strong>hier</strong> nicht. Mindestens zwei von<br />

drei Mädchen können lesen und<br />

schreiben.<br />

AK: Du reist in die Dörfer und<br />

sprichst mit den politischen und<br />

religiösen Anführern. Wie erlebst<br />

du das selbst <strong>als</strong> Frau?<br />

VTB: Es ist eine Herausforderung,<br />

<strong>als</strong> Frau in einer solchen<br />

Gesellschaft zu arbeiten. Sobald<br />

du für Frauen eintrittst, ist das<br />

immer komisch für Menschen,<br />

die das nicht gewohnt sind. Ich<br />

werde zum Beispiel zu Sitzungen<br />

nicht begrüßt, weil ich eine Frau<br />

bin. Man nennt sie <strong>hier</strong> Silaua –<br />

die traditionellen muslimischen<br />

Chefs. Wenn ich mich zu einem<br />

Gespräch anmelde, sind sie<br />

alle da: 5-6 Männer. Ich fahre<br />

mit meinem Fahrer und er wird<br />

begrüßt, weil er ein Mann ist – ich<br />

werde nicht begrüßt. Das ist für<br />

mich manchmal nicht einfach.<br />

Aber ich habe auch gelernt,<br />

pragmatisch zu sein. Ich sage<br />

mir: Das ist so, ich kann es im<br />

Moment nicht ändern. Wichtig ist<br />

es für mich, die Männer am Tisch<br />

zu haben und dass sie bereit sind,<br />

die Probleme unserer Mädchen<br />

und Frauen zu hören und dabei<br />

mitzuwirken.<br />

AK: Geht das immer friedlich ab,<br />

oder hast du Bedrohung erlebt?<br />

AK: Wer Traditionen und Strukturen<br />

verändern will, der braucht<br />

einen langen Atem. Was, denkst<br />

du, hat sich in fünf Jahren verändert?<br />

Was ist deine Hoffnung,<br />

dein Ziel?<br />

<strong>GJW</strong> AKTUELL 1/2012

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