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KAPITEL<br />
5<br />
Der Aufstieg Asiens<br />
Sri Lanka fehlt der Wille<br />
zur Föderation<br />
Eine Zeit lang gab es Fortschritte in<br />
den Verhandlungen zwischen den<br />
separatistischen »Befreiungstigern«<br />
und der Regierung in Colombo. Doch<br />
die Falken haben sich wieder durchgesetzt.<br />
Auch die furchtbaren Folgen<br />
des Tsunami brachten die verfeindeten<br />
Parteien nicht zur Besinnung.<br />
N<br />
ördlich von Vavuniya endet die Autorität<br />
des Staates Sri Lanka. Hier beginnt<br />
das Verwaltungsgebiet der Libera -<br />
tion Tigers, der Befreiungstiger, die mit<br />
unverhohlener Genugtuung von sich behaupten:<br />
»Wir sind ein expandierender<br />
Staat.« Ein gnadenloser »Staat«, der Kin-<br />
3 Völker und Religionen<br />
Mehrheit singalesischer Buddhisten<br />
Mehrheit tamilischer Hinduisten<br />
aus Indien eingewanderte<br />
tamilische Plantagenarbeiter<br />
Regionen mit mehrheitlich<br />
muslimischer Bevölkerung<br />
Orte mit mehrheitlich<br />
christlicher Bevölkerung<br />
Landminen<br />
Zonen unter Kontrolle der<br />
Tamilischen Befreiungstiger (LTTE)<br />
streng abgeschottete<br />
Hochsicherheitszone<br />
Militärstützpunkte der Regierung<br />
bei und in LTTE-Gebieten<br />
vom Tsunami im Dezember 2004<br />
betroffene Küsten<br />
0 50 100km<br />
Kankesanturai<br />
Jaffna<br />
Mannar<br />
Puttalam<br />
Chilaw<br />
dersoldaten rekrutiert, seine inneren<br />
Gegner eliminiert und seinen Chef und<br />
Gründer Vellupillai Prabhakaran zur öffentlich<br />
angebeteten Kultfigur erhoben<br />
hat.<br />
Von der britischen Kolonialmacht gefördert,<br />
befanden sich die hinduistischen<br />
Tamilen – 18 Prozent der Bevölkerung gemäß<br />
der Volkszählung von 1981 – nach<br />
der Unabhängigkeit 1948 in einer heiklen<br />
Lage: Sie waren eine Minderheit, die von<br />
der Kolonialherrschaft profitiert hatte.<br />
Der neue Staat wurde nun von der<br />
buddhistischen singhalesischen Mehrheit<br />
beherrscht, die den Tamilen keine<br />
Chance gab. Diese versuchten vergebens,<br />
sich gegen ihre Diskriminierung mit parlamentarischen<br />
Mitteln zu wehren. Unter<br />
dem Eindruck von Pogromen griff die<br />
Colombo<br />
Kotte<br />
Moratuwa<br />
Medawacchiya<br />
Anuradhapura<br />
Kandy<br />
Negombo Kegalle<br />
Gampaha<br />
Kalutara<br />
Galle<br />
Elephant Pass<br />
Pooneryn<br />
Kilinochchi<br />
Mullaitivu<br />
Mankulam<br />
Vavuniya<br />
Trincomalee<br />
Horowupotana<br />
Habarana<br />
Polonnaruwa<br />
Kurunegala<br />
Ratnapura<br />
Matara<br />
Nuwara Eliya<br />
Hambantota<br />
Kalkudah<br />
Batticaloa<br />
Badulla<br />
Pottuvil<br />
Moneragala<br />
Wellawaya<br />
nach der Unabhängigkeit geborene Generation<br />
zu den Waffen und schuf eine<br />
gefürchtete Guerilla – die Liberation Tigers<br />
of Tamil Eelam (LTTE) .<br />
Für die große Masse der Tamilen sind<br />
die Tiger eine diktatorische Gewalt geworden,<br />
der sie ihre Sicherheit und ihre<br />
Emanzipation als Volk anvertraut haben.<br />
Dafür haben sie alte individuelle Freiheiten<br />
wie auch Rechtssicherheit und politischen<br />
Pluralismus aufgegeben. Im Jahr<br />
2003 haben die meisten tamilischen Parteien<br />
die Befreiungstiger als ihre einzigen<br />
Repräsentanten anerkannt. Wer die Unterwerfungsgeste<br />
verweigerte, wurde von<br />
der Guerilla bedroht.<br />
Die breite Masse der Singhalesen ist<br />
überzeugt, das kulturelle Erbe des Theravada-Buddhismus<br />
zu hüten und gegen<br />
eine indische Welt, der sie die Tamilen<br />
zurechnen, verteidigen zu müssen. Aber<br />
Neu-Delhi lehnt die Idee eines separaten<br />
Tamilenstaats in Sri Lanka entschieden<br />
ab. Im südindischen Bundesstaat Tamil<br />
Nadu, wo die LTTE ihre Nachhut-Basis<br />
hatten, leben 50 Millionen Tamilen.<br />
In Sri Lanka gibt es zwar auch Christen,<br />
aber sie spielen in dem Konflikt keine besondere<br />
Rolle. Die Muslime, auch Moors<br />
genannt, stellen 7 Prozent der Inselbevölkerung<br />
und sind die großen Verlierer. Sie<br />
sprechen Tamil, fühlen sich aber als Sri-<br />
Lanker. Sie leben vor allem in der Umgebung<br />
von Batticaloa und Trincomalee, einem<br />
der besten Naturhäfen Asiens. Sie<br />
werden wegen ihrer gesellschaftlichen<br />
Stellung beneidet und von den Tigern der<br />
Kollaboration mit der Regierung in Colombo<br />
bezichtigt. Um nicht unter deren<br />
Fuchtel zu leben, fordert die muslimische<br />
Minderheit ein eigenes föderales<br />
Gebiet nach dem Muster des indischen<br />
Unionsterritoriums Pondicherry, das als<br />
ehemalige französische Kolonie über ein<br />
eigenes Parlament und eine eigene Regierung<br />
verfügt.<br />
Bei den Friedensverhandlungen haben<br />
die LTTE zwar auf die Forderung nach einem<br />
separaten Staat verzichtet und einer<br />
föderativen Lösung zugestimmt. Aber ihr<br />
Vorschlag einer Interimsverwaltung, bei<br />
der Colombo nicht mitzureden hätte,<br />
ging weit über den Rahmen eines autono-<br />
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