Download der Zeitschrift - Bayerisches Staatsministerium für ...
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simpliciushaftes Wesen nicht ablegen<br />
konnte, als ein selbst unter dem vierschrötigen<br />
Kriegervolk hervorstehendes<br />
Original: »Luckner, den man bei seinem<br />
komischen Auftreten <strong>für</strong> einen Marktschreier<br />
gehalten hätte und <strong>der</strong>, dem unverständlichen<br />
Kau<strong>der</strong>welsch seiner Berichte<br />
nach zu urteilen, nicht ganz bei<br />
Verstand schien, hatte von <strong>der</strong> Natur<br />
eine beson<strong>der</strong>e Gabe <strong>für</strong> den Kleinen<br />
Krieg erhalten; niemand war gerissener<br />
als er o<strong>der</strong> urteilte treffsicherer, um Nutzen<br />
aus <strong>der</strong> gegebenen Lage zu ziehen.«<br />
Was machte es da schon aus, dass Luckners<br />
Hirnkastl eine tatsächlich nur mit<br />
Militaria vollgestopfte Rumpelkammer<br />
war und ein kleines Stückchen Brieftext<br />
von ihm aussah, als hätten Kavallerie<br />
und Infanterie zusammen Orthographie<br />
und Grammatik sturmreif geschossen.<br />
Seine »Bersohn« – und gemeint war damit<br />
»Person« – konnte allemal auf »Genate«<br />
(Gnade) bei seinen durchlauchtigsten<br />
Gönnern zählen. Sie schätzten<br />
Luckners Kunst des »Handgemein werdens«,<br />
wie Goethe in seiner »Campagne<br />
in Frankreich« einmal das Geschehen<br />
auf dem Schlachtfeld verharmlosend genannt<br />
hat. So einer braucht nicht schreiben<br />
können, und sein auch von Grimmelshausen nicht treffen<strong>der</strong><br />
zu verspottendes Kau<strong>der</strong>welsch aus Fremdwörtern<br />
und Simplicius-Deutsch wird verstanden worden sein: »Bitte<br />
gantz unterthängst Emploieren Euw. Durchl. mich gleich<br />
auf unt sagrifficiert mus werden, ist mir die Einzigste unt<br />
größte Genad!«<br />
DAS HEISST, GANZ so harmonisch endete das Verhältnis zwischen<br />
Herzog Ferdinand und Luckner, <strong>der</strong> <strong>für</strong> seine Durchlaucht<br />
mehrfach die Kastanien aus dem Feuer geholt hatte,<br />
dann doch nicht. Nachdem nämlich <strong>der</strong> Siebenjährige<br />
Krieg beendet und <strong>der</strong> Hubertusburger Frieden geschlossen<br />
worden war, brauchte man Luckner plötzlich nicht mehr,<br />
nichts ist unnützer <strong>für</strong> einen Herrscher als ein teures Söldnerheer<br />
in Friedenszeiten. Am besten man löst es auf. Man<br />
kann es sich ja schnell wie<strong>der</strong> zusammenkaufen, wenn Not<br />
am Mann ist. Luckner jedenfalls legte man nahe, in Pension<br />
zu gehen. Mit 41 Jahren!<br />
rechts Porträt des<br />
Marschall Luckner,<br />
Kupferstich von<br />
Vérité.<br />
ZUM »COUSIN« DES KÖNIGS GEWORDEN<br />
Als dann aber 1789 in Paris die Revolution ausbrach und sich<br />
die Verhältnisse in jenem Frankreich, das Luckner sieben<br />
Jahre lang als Husarenanführer gepiesackt hatte, gründlich<br />
än<strong>der</strong>ten, witterte er plötzlich neuen Schlachtenqualm. Im<br />
Juli 1790 trat er gewissermaßen zum Vorstellungsgespräch<br />
vor die neu gegründete Nationalversammlung, <strong>der</strong> Präsident<br />
empfing ihn mit den Worten: »Frankreich war es müde, sie<br />
zum Feinde zu haben und schätzt sich heute glücklich, sie<br />
unter seinen Verteidigern zu wissen.« Es dauerte nicht lange<br />
und <strong>der</strong> einstige Feind wurde Oberkommandieren<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
französischen Rheinarmeen, und zwar im Rang eines Marschalls,<br />
was im Grunde eine Sensation war. »Er, <strong>der</strong> einfache<br />
Bürgersohn aus <strong>der</strong> Oberpfalz, war nun zum ,Cousin‘ des Königs<br />
geworden; so lautete nämlich die übliche Anrede <strong>für</strong> einen<br />
Marschall von Frankreich.« (Schwarzenbeck)<br />
UND ES WURDE ihm noch eine Ehre zuteil, wenn auch eher<br />
zufällig und ungewollt: Graf Nikolaus von Luckner wurde<br />
<strong>der</strong> Erstdruck <strong>der</strong> »Marseillaise« gewidmet, die später nicht<br />
nur die Erkennungsmelodie <strong>der</strong> Revolution, son<strong>der</strong>n auch<br />
Frankreichs Nationalhymne werden sollte. Geschrieben und<br />
komponiert hatte sie <strong>der</strong> Ingenieurhauptmann Rouget de<br />
Lisle in Straßburg, und dass er sie seinem obersten Befehlsherrn<br />
widmen würde, war eigentlich ganz normal. In späteren<br />
Drucken <strong>der</strong> »Marseillaise« fehlt diese Widmung denn<br />
auch, was Luckners Heimatstadt Cham nicht hin<strong>der</strong>t, ihre<br />
Art von Kapital aus dem »großen Sohn <strong>der</strong> Stadt« zu schlagen.<br />
Nicht nur, dass auf dem Marktplatz <strong>der</strong> Oberpfälzer<br />
Kreisstadt ein recht lustiger Brunnen anzuschauen ist, auf<br />
dem ein die Passanten nassspritzen<strong>der</strong> »Wildfang« Luckner<br />
mit dem Notenblatt <strong>der</strong> Marseillaise dargestellt ist, seit ein<br />
paar Jahren läutet auch allmittäglich das »Allons, enfants<br />
de la patrie« vom Glockenturm des Rathauses.<br />
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