Download der Zeitschrift - Bayerisches Staatsministerium für ...
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zwischen Paris und Versailles gelegen. Zur Erinnerung<br />
an die festfrohe Exilzeit bei Paris wurde das<br />
Schwabinger Schlösschen »Suresnes« genannt, <strong>der</strong><br />
einfacheren Aussprache wegen ist es aber auch als<br />
Werneckschlössl bekannt. Dass Paul Klee dort einmal<br />
inmitten einer Künstler-Wohngemeinschaft<br />
ein Atelierzimmer finden würde (1919), ist ein beson<strong>der</strong>er<br />
poetischer Akzent; sein Bild »Zerstörter<br />
Ort« (1920) (heute Städtische Galerie im Lenbachhaus)<br />
ist hier entstanden. Heute dient das Schlössl<br />
<strong>der</strong> Katholischen Akademie als Gästehaus.<br />
Der Schwabinger Geist hat also von Anfang an viel<br />
Französisches in sich aufgenommen. Albert Langen<br />
gründete seinen erfolgreichen Buchverlag in Paris; die<br />
Satirezeitschrift des Gil Blas illustré war das Vorbild<br />
<strong>für</strong> Langens Simplicissimus und seine Dichter<br />
oben Montmartre in Schwabing. Titelzeichnung <strong>für</strong> den Schwabing-Roman<br />
<strong>der</strong> Gräfi n Reventlow von Alphons Woelfl e (1913).<br />
oben Der Simplicissimus entstand nach einer Pariser Idee.<br />
Frank Wedekind, Ludwig Thoma, Thomas Mann sowie<br />
die Zeichner Thomas Theodor Heine, Olaf Gulbransson<br />
und Karl Arnold. Verlag und <strong>Zeitschrift</strong><br />
siedelten 1895 von <strong>der</strong> Seine an die Isar um, und Albert<br />
Langen wurde <strong>der</strong> wichtigste Arbeitgeber <strong>der</strong><br />
Schwabinger Bohème. Französische (und skandinavische)<br />
Literatur spielte damals eine große Rolle<br />
in Deutschland. Marcel Prévost machte mit seinen<br />
Demi-Vierges (Halbjungfrauen) 1895 Furore, und<br />
noch vor den ‚Klassikern‘ Anatole France, Guy de<br />
Maupassant und Emile Zola (den Heinrich Mann<br />
übersetzte und sehr schätzte) war Prévost mit 36<br />
Buchtiteln <strong>der</strong> Star unter den insgesamt 116 Übersetzungen<br />
aus dem Französischen im Verlag Albert Langen. Als fleißigste<br />
Übersetzerin erwies sich dabei die schöne Franziska (Fanny)<br />
Gräfin zu Reventlow, eine aus Norddeutschland nach Schwabing<br />
geflohene Lebenskünstlerin, die teilweise im Akkord schuftete, um<br />
mit den Übersetzungen sich und ihren außerehelichen Sohn Rolf,<br />
genannt Bubi o<strong>der</strong> die Maus, durchzubringen, aber immer brillante<br />
Arbeit ablieferte. In dem erst in diesen Tagen abgerissenen, legendären<br />
Eckhaus an <strong>der</strong> Kaulbachstraße 63 lebte sie, ganz mo<strong>der</strong>n,<br />
zwischen 1903 und 1906 mit mehreren Männern in einer Wohngemeinschaft<br />
mit verteilten Aufgaben zusammen. Ein junger Mann<br />
namens Franz Hessel war in dieser Runde eine Art Minnesänger,<br />
<strong>der</strong> freilich Liebespaaren lieber zusah als selbst ins Geschehen einzugreifen.<br />
Er ging <strong>der</strong> Gräfin ebenso auf die Nerven wie seiner späteren<br />
Frau Helen Grund, die ihn verständlicherweise mit dem französischen<br />
Autor Henri Pierre Roché betrog. Roché verwandelte<br />
diese ménage à trois 1953 in seinen ersten (und einzigen) Roman<br />
Jules et Jim, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um das Drehbuch bildete <strong>für</strong> den gleichnamigen<br />
Film (1962) von François Truffaut. Franz Hessel war es aber<br />
auch, <strong>der</strong> zusammen mit seinem Freund Walter Benjamin 1927 die<br />
ersten Romane <strong>der</strong> Recherche Marcel Prousts übertrug; und seine<br />
Liebe zu Paris war so groß, dass man den Flaneur Hessel in Berlin<br />
auch an schönen Sommertagen mit einem aufgespannten Regenschirm<br />
durch die Straßen gehen sah; als Grund da<strong>für</strong> soll er angegeben<br />
haben: »Es regnet in Paris!«<br />
| 28 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE COLLOQUIUM