Download der Zeitschrift - Bayerisches Staatsministerium für ...
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oben Hof Panorama.<br />
auch noch von Tauben, Singvögel und den Familienhund bevölkert<br />
war, »es fehlte an allem, an Feuerholz, Kartoffeln, an<br />
Licht.« Die kränkelnde Mutter Rosina versuchte ihre Lieben<br />
mit Altklei<strong>der</strong>sammeln und Spinnen durchzubringen, während<br />
ihr Ältester, <strong>der</strong> die Pfarrerslaufbahn zu ihrem Entsetzen<br />
geschmissen hatte, in einer Ecke über seinem Tintenfass<br />
hockte und wie ein Besessener schrieb, Exzerpte, kurze Texte,<br />
Briefe, Entwürfe – ohne jede Resonanz, ohne jeden Erfolg zunächst,<br />
nur getrieben von <strong>der</strong> abgrundtiefen Sicherheit, dass<br />
ein großer Schriftsteller in ihm steckte. Im mo<strong>der</strong>n verglasten<br />
»Jean-Paul-Café«, gleich um die Ecke, liest sich <strong>der</strong> Reisende<br />
fest im wun<strong>der</strong>baren neuen Brief-Auswahlband des Hanser-Verlags<br />
– wenn Jean Paul sein Lebtag nichts geschrieben<br />
hätte als die grandiosen Freundesbriefe aus den armseligen<br />
»Hoefer«Jahren, allein mit diesen Wun<strong>der</strong>werken an Einfallsreichtum,<br />
Eloquenz, Gelehrsamkeit und Witz hätte er<br />
den Genienachweis schon erbracht. Aber <strong>der</strong> große Roman<br />
»Siebenkäs« entstand schließlich später auch in Hof.<br />
DER DICHTERSTAR IN SCHWARZENBACH<br />
Fotos: TZ Fichtelgebirge, Harbich<br />
oben Eremitage in Bayreuth.<br />
oben Der Jean Paul Weg mit Texttafeln bei <strong>der</strong> Rollwenzelei, Jean<br />
Pauls Schreibrefugium in den letzten Jahren.<br />
perückenzeiten, seine republikanische Gesinnung, den Hass<br />
auf das Potentatentum <strong>der</strong> deutschen Zwergstaaterei gelernt<br />
haben, Stoff <strong>für</strong> viele <strong>der</strong> bösen Satiren aus seiner »Essigfabrik«<br />
genannten frühen Schaffensphase, die ihm kaum einen<br />
Heller einbrachte.<br />
LEIDEN UND SCHREIBEN IM »ABSCHEULICHEN« HOF<br />
Im »abscheulichen« Hof, »wo ich das Meiste gelitten, aber das<br />
Beste geschrieben«, war das Elend am krassesten. Man sieht<br />
es dem heutigen spitzweg-niedlichen Häuschen am Schlossplatz<br />
nicht an, durch welche Misere sich die Familie Richter<br />
nach dem Tod des Vaters zu kämpfen hatte. Eine einzige<br />
niedrige Stube gab es <strong>für</strong> die Mutter und ihre vier Söhne, die<br />
In Schwarzenbach, zwölf Kilometer südlich, trug <strong>der</strong> junge<br />
Richter dann doch noch zum Familieneinkommen bei. Dort<br />
nämlich taten sich mehrere aufgeklärte Kleinstadt-Honoratioren<br />
zusammen und finanzierten dem Hungerlei<strong>der</strong> die<br />
Schulmeisterstelle in einer erstaunlich liberalen privaten<br />
»Winkelschule« <strong>für</strong> ihren Nachwuchs. Die schäbige Eternit-<br />
Verplattelung und die Plastik-Gänschen an den Fensterscheiben<br />
des ehemaligen Hölzelschen Palais’ in einer stillen Gasse<br />
täuschen: Das Haus ist literaturgeschichtlich hochbedeutsam.<br />
Nicht nur betrieb Jean Paul hier im Obergeschoss zwischen<br />
1790 und 1794 sein kin<strong>der</strong>freundliches Pennal, hier<br />
entstanden die ersten großen Werke, die ihn bald zum Dichterstar<br />
<strong>der</strong> Goethe-Ära machen sollten: »Das Leben des vergnügten<br />
Schulmeisterleins Maria Wutz«, die großen Romane<br />
»Die unsichtbare Loge« und lange Partien des »Hesperus.«<br />
Im Haus des Handwerkerviertels befand sich eine lärmende<br />
Textilmanufaktur, trotzdem flogen ihm »100 000 000 000<br />
Ideen« durch den Kopf. »Unter mir wird jetzt gespuhlet – neben<br />
mir gezwirnt – draußen gehämmert... unter mir kratzt<br />
die Maus, die mein Stubenbursch ist.« Schwarzenbach ist<br />
ein angenehm verwinkeltes Örtchen, und <strong>der</strong> alles an<strong>der</strong>e als<br />
verpennte örtliche Kulturverein hat einen anregenden Jean-<br />
Paul-Stationenweg treppauf treppab angelegt. Außerdem hat<br />
er den schönsten Jean-Paul-Kalen<strong>der</strong> dieses Jubiläumsjahrs<br />
herausgegeben: großformatig, sehr apart illustriert und mit<br />
den stilblütenartigen Erkenntnissen <strong>der</strong> damaligen Winkelschul-Eleven<br />
versehen: »Der Mensch gehört zum Steinobst,<br />
weil er innen Knochen hat« o<strong>der</strong> »Die Amerikaner und die<br />
Fossilien sind unter unseren Füßen.« Wie <strong>der</strong> buchstabensüchtige<br />
Jean Paul auf zigtausend Seiten alles exzerpiert, gesammelt,<br />
gehortet hat, was zu einem Baustein seiner manchmal<br />
fast verrückt verschachtelten und aufgetürmten Literaturgebäude<br />
werden konnte, so auch diese Schülersprüche des späten<br />
18. Jahrhun<strong>der</strong>ts: in seiner Erziehungslehre »Levana« (»ein<br />
Schulmeister muß spaßhaft sein!«) lässt sich die »Bonmots-<br />
Anthologie meiner Eleven« nachlesen.<br />
aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE<br />
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