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Download der Zeitschrift - Bayerisches Staatsministerium für ...

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HEUTE LASSEN SICH von den Schmidt’schen Trouvaillen<br />

und Schätzen nicht nur Jean-Paul-ergebene Gegenwartsautoren<br />

wie Brigitte Kronauer und Eckhard Henscheid bewegen<br />

(ein »writer’s writer« war <strong>der</strong> Dichter stets). Öfters schon<br />

kam Verfassungsgerichtspräsident Andreas Vosskuhle (»Was<br />

<strong>für</strong> ein Ort! Wieviel Herz und Begeisterung!«). Aber auch ahnungslose<br />

Neulinge und Kin<strong>der</strong> sind sehr willkommen – wie<br />

die Schülerin, die ins Gästebuch eintrug, sie sei »sehr insbirirt«<br />

und überlege sich nunmehr selbst ein Autorendasein.<br />

Eberhard Schmidt memoriert die langen Jean-Paul-Passagen,<br />

die er auswendig mit Aplomb vorzutragen pflegt, gern<br />

lauthals beim ländlichen Gassigehen mit Hündin Senta, und<br />

wenn er so, angetan mit seinen üblichen feuerrroten Jeans,<br />

durchs felsige Saaletal zur wildromantischen Einkehr Fattigsmühle<br />

wandelt, ein würdiger Nachfahre Jean-Paul’scher<br />

Enthusiasten und Exzentriker, könnte man sich einen größeren<br />

Glücksfall von Erbehüter kaum vorstellen.<br />

oben Die Waldschänke in Eckersdorf.<br />

oben Der Verlauf des Jean Paul Wegs.<br />

EBERHARD UND KARIN SCHMIDT waren es auch, die sich<br />

von Joditz aus die ersten Etappen des »Jean-Paul-Wegs«<br />

ausdachten, über Hof bis nach Schwarzenbach, den fleißige<br />

Wan<strong>der</strong>sleute heute fast 200 gewundene Kilometer bis nach<br />

Sanspareil westlich von Bayreuth nachpromenieren können.<br />

Nicht überall war <strong>der</strong> manische Fußgänger, die selbsternannte<br />

»Wan<strong>der</strong>ratte« Jean Paul allerdings selbst per pedes zuwege.<br />

Seine elfstündigen Gewaltmärsche von Hof nach Bayreuth<br />

zum Beispiel schuldeten sich eher <strong>der</strong> bitteren Armut seiner<br />

jungen Jahre – die Kutsche war viel zu teuer – und verliefen<br />

nicht über reizvolle Fichtelgebirgsaussichtspunkte wie <strong>der</strong><br />

touristisch konzipierte Pfad, son<strong>der</strong>n stracks auf <strong>der</strong> heute<br />

autobahnnahen und zersiedelten Direttissima über Münchberg.<br />

Wer dem Weg aber folgt, trifft allenthalben auf ingeniös<br />

ausgewählte Texttafeln, 160 Stationen insgesamt – <strong>für</strong> die<br />

Weiterführung waren die Bayreuther Kulturmanagerin Karla<br />

Fohrbeck und <strong>der</strong> Germanist Frank Piontek, ebenfalls zwei<br />

Überzeugungs-Jean-Paulianer, zuständig. Nicht nur kurze<br />

aphoristische Appetithäppchen aus Jean Pauls Werken lassen<br />

sich hier im Freien studieren, son<strong>der</strong>n lange anspruchsvolle<br />

Passagen, vom Satirischen bis zum düster Visionären,<br />

vom Poetischen zum Lebensweisen, vom »Lob <strong>der</strong> Schlachtschüssel«<br />

bis zu »Drei Wegen, glücklicher zu werden.« Die<br />

telefonbuchschweren Begleitbücher, in denen alle Stationstexte<br />

abgedruckt sind, eignen sich als Jean-Paul-Lesebücher<br />

<strong>für</strong>’s Hotelzimmer – <strong>für</strong> den Rucksack eher weniger.<br />

DICHTERWUT IM VOGTLÄNDER HOCHLAND<br />

oben Der Felsengarten in Sanspareil - die letzte Station des<br />

Jean Paul Wegs.<br />

und weil es so wenige gab, klebte und nähte sich das buchstabensüchtige<br />

Kind, das sich als »ein leeres durchsichtiges<br />

Geripplein ohne gelehrte Nahrung und Umleib« empfand,<br />

wenigstens aus Vaters alten Predigten eine eigene »Etui-Bibliothek«<br />

zusammen.<br />

Töpen und Zedtwitz, im windumfauchten, kargen Vogtlän<strong>der</strong><br />

Hochland, schon fast in Thüringen, liegen nicht am Jean-<br />

Paul-Weg, obwohl diese Nester ebenso wichtige wie problematische<br />

Orte <strong>für</strong> den werdenden Dichter waren. Hier wurde<br />

er mit jenen Feudalherrschaften konfrontiert, auf welche die<br />

zeitweilig große Not leidende Pfarrersfamilie <strong>für</strong>’s tägliche<br />

Brot angewiesen war. Im Zedtwitzer Landschloss (<strong>der</strong>zeit ein<br />

Altenheim), wo dem Vater gnädig ausgelesene Zeitungsbündel<br />

überlassen wurden, empfing die Patronatsherrin Freiin<br />

von Bodenhausen auch mal den kleinen Pastorensohn, »oben<br />

auf <strong>der</strong> Treppe, wo Paul, <strong>der</strong> sogleich hinaufschoss, nach <strong>der</strong><br />

Hofordnung ihr Kleid erschnappte und diesem den Zeremoniellkuß<br />

aufdrückte.« Und richtig nie<strong>der</strong>drückend müssen<br />

seine Jahre als Hofmeister, als herumgestoßener Hauslehrer<br />

im Gutshof zu Töpen, jetzt ein rosafarbenes schlösschenartiges<br />

Mietshaus, gewesen sein. Hier mag <strong>der</strong> »dürre Jüngling<br />

mit offener Brust und fliegendem Haar«, eine sehr schräge<br />

u nd r eb el l i sche Au f m a chu ng z u Spit z enjab ot- u nd P u<strong>der</strong>-<br />

Fotos: Renate Just, Dr. Karla Fohrbeck<br />

| 44 | aviso 3 | 2013 BIENVENUE RESULTATE

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