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ABSTRACT - Wirtschaft - Berner Fachhochschule

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<strong>ABSTRACT</strong>


Die gesellschaftliche Debatte zum jugendlichen Pornografiekonsum wird sowohl<br />

in der Berichterstattung der Medien dokumentiert, als auch von dieser<br />

beeinflusst. Dabei wird gerne auf den plakativen Begriff „Generation Porno“<br />

zurückgegriffen. Die neuen Medien ermöglichen die Vervielfältigung, Verbreitung<br />

und einen beinahe ungehinderten Zugang zu sexuellen Darstellungen von grosser<br />

Bandbreite. Insbesondere Jugendliche als fleissige MediennutzerInnen werden<br />

daher gewollt oder ungewollt mit allen möglichen pornografischen Inhalten<br />

konfrontiert. Inwiefern Inhalte als pornografisch definiert werden, hängt vom<br />

Zugang, respektive der jeweiligen sexuellen Sozialisation ab. Thematisiert wird<br />

der jugendliche Pornografiekonsum vor allem im Zusammenhang mit möglichen<br />

negativen Auswirkungen und Konsequenzen auf die sexuelle Entwicklung.<br />

Aktuelle Forschungen zeigen, dass der Fähigkeit zur Differenzierung zwischen<br />

pornografischer Fiktion und real gelebter Sexualität – also der Einschätzung des<br />

Realitätsgehalts pornografischer Darstellungen – eine Schlüsselfunktion<br />

zukommt.<br />

Ziel unserer Arbeit sind sowohl ein differenzierter Blick auf das Phänomen<br />

jugendlichen Pornografiekonsums, als auch die Dokumentation und Diskussion<br />

der Suchbewegung nach professionellem Umgang in der Praxis Sozialer Arbeit.<br />

Es wird aufgezeigt, dass Jugendschutz nicht lediglich über strafrechtliche<br />

Bestimmungen und durch Einsatz von Technik gelöst werden kann. Weiter wird<br />

diskutiert, welche Art der Begleitung Jugendliche durch erwachsene<br />

Bezugspersonen allenfalls benötigen, respektive unter welchen Bedingungen<br />

Unterstützung angezeigt ist. In der Folge wird der Rollenklärung der Sozialen<br />

Arbeit im Umgang mit jugendlichem Pornografiekonsum nachgegangen. Ebenso<br />

wird nach Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme gefragt sowie denkbare<br />

Formen der Ausgestaltung dargelegt.<br />

SozialarbeiterInnen, SexualpädagogInnen, politische AkteurInnen sowie weitere<br />

erwachsene Bezugspersonen Jugendlicher diskutieren neue alters- und<br />

entwicklungsgerechte Ansätze. Die Umsetzung wirft Fragen auf verschiedenen<br />

Ebenen auf: Während Fachkreise die Ausarbeitung geeigneter Settings,<br />

Methoden und Techniken angehen, wird auf breiterer gesellschaftlicher Ebene vor<br />

allem aus moralisch-ethischer Perspektive die Praxistauglichkeit diskutiert.<br />

Insbesondere das Zeigen sexueller Praxis polarisiert. Die Idee eines<br />

Sexuallehrfilms für SchülerInnen sowie weitere neue Ansätze, die in unserer


Arbeit genannt werden, zielen auf die Erlangung und/oder Förderung einer<br />

spezifischen Medienkompetenz im Umgang mit pornografischem Material ab.<br />

Handlungsleitende Zielsetzung ist dabei – gemäss aktuellem Fachdiskurs – die<br />

Befähigung Jugendlicher zu einem selbstbestimmten Umgang mit der eigenen<br />

Sexualität.


Generation Porno?!<br />

Rollenklärung und Konsequenzen<br />

für die Praxis der Sozialen Arbeit<br />

Bachelor-Thesis zum Erwerb<br />

des Bachelor-Diploms in Sozialer Arbeit<br />

<strong>Berner</strong> <strong>Fachhochschule</strong><br />

Fachbereich Soziale Arbeit<br />

Vorgelegt von<br />

Isabelle Beetschen<br />

Julia Rogger<br />

Bern, Dezember 2010<br />

Die BA-Thesis wurde für die Publikation formal überarbeitet aber im<br />

Inhalt nicht geändert.<br />

Gutachter: Prof. Salvatore Cruceli


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Abstract .................................................................................................. 1<br />

Inhaltsverzeichnis ..................................................................................... 5<br />

Vorwort ................................................................................................... 8<br />

1. Einleitung ...................................................................................... 10<br />

1.1 Themenwahl................................................................................ 10<br />

1.2 Fragestellung und Aufbau der Arbeit ............................................... 10<br />

1.2.1 Von den Hypothesen zur Fragestellung ...................................... 10<br />

1.2.2 Gliederung ............................................................................. 11<br />

1.3 Einbettung in einen theoretischen Bezugsrahmen ............................. 11<br />

1.4 Einbettung in die Forschung .......................................................... 12<br />

1.4.1 Methodenwahl ........................................................................ 12<br />

2. Sexualität ...................................................................................... 13<br />

2.1 Verständnis / Sinnkomponenten ..................................................... 13<br />

3. Jugend und Adoleszenz .................................................................... 14<br />

3.1 Körperliche Entwicklung / Pubertät ................................................. 15<br />

3.2 Kognitive Entwicklung ................................................................... 15<br />

3.3 Zwischenmenschliche Beziehungen ................................................. 16<br />

4. Sexuelle Entwicklung und sexuelle Identität ........................................ 16<br />

4.1 Sexuelle Skripte ........................................................................... 17<br />

4.2 Identität / sexuelle Identität .......................................................... 19<br />

5. Pornografie .................................................................................... 22<br />

5.1 Definition / Differenzierung ............................................................ 22<br />

5.2 Pornografien – Diversifikation des Materials ..................................... 27<br />

5.3 Porno Chic - Bilder in und aus der Pornografie .................................. 28<br />

5.3.1 Begriffsklärung ....................................................................... 28<br />

5.3.2 Die besondere Betonung der Frau ............................................. 29<br />

5.3.3 Heilige oder Hure – Konflikt für beide Geschlechter ..................... 32<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 5


5.4 Gesellschaftliche Dimension ........................................................... 33<br />

5.4.1 Diskussion – Emotionen vs. Sachlichkeit .................................... 33<br />

5.4.2 Meinungsbildung: Die Rolle der Medien ...................................... 35<br />

5.4.3 Der Umgang mit Pornografie – eine Generationenfrage? ............... 36<br />

5.4.4 Gesellschaftliche Veränderungsprozesse .................................... 37<br />

5.4.5 Die wirtschaftliche Bedeutung der Pornografie ............................ 38<br />

5.5 Recht ......................................................................................... 40<br />

5.5.1 Tatbestand, Tatobjekte und TäterInnen ..................................... 40<br />

5.5.2 Zum Strafgesetzbuchartikel und der Absicht der Gesetzgebung ..... 41<br />

5.5.3 Anzeigepflicht im Strafverfahren ............................................... 43<br />

5.5.4 Jugendschutz im Internet ........................................................ 43<br />

6. Umgang Jugendlicher mit Pornografie ................................................ 46<br />

6.1 Nutzung ..................................................................................... 47<br />

6.2 Auswirkungen des Pornografie-Konsums ......................................... 49<br />

6.2.1 Habitualisierungsthese ............................................................ 50<br />

6.2.2 Sozial-kognitive Lerntheorie ..................................................... 51<br />

6.2.3 Theorie der Exemplifikation ...................................................... 51<br />

6.2.4 Theorie des sozialen Vergleichs ................................................ 51<br />

6.2.5 Kultivierungsthese .................................................................. 52<br />

6.2.6 Pornografiekonsum und Aggressivität / sexuelle Gewalt ............... 52<br />

6.3 Auswirkungen auf Jugendliche ....................................................... 52<br />

7. Professioneller Umgang mit jugendlichem Pornografiekonsum ............... 60<br />

7.1 Auftrag / Rolle der Sozialen Arbeit .................................................. 60<br />

7.1.1 Bedarf .................................................................................. 62<br />

7.1.2 Auftragsklärung, Vernetzung und Abgrenzung ............................ 63<br />

7.2 Anschlusskommunikation .............................................................. 65<br />

7.2.1 Haltung ................................................................................. 66<br />

7.2.2 Gestaltung der Kommunikation ................................................. 68<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 6


7.3 Medien- und Pornokompetenz – Erweiterte Aufklärung ...................... 73<br />

8. Diskussion und Schlussfolgerungen ................................................... 78<br />

8.1 Gesellschaftlicher Kontext ............................................................. 78<br />

8.2 Ausgewählte Erkenntnisse zu den Fragestellungen ............................ 79<br />

8.2.1 Fragen zur Praxistauglichkeit der vorgestellten Ansätze ................ 84<br />

8.3 Abschliessende Gedanken ............................................................. 85<br />

Quellennachweis ..................................................................................... 87<br />

Abbildungen ........................................................................................ 94<br />

Anhang ................................................................................................. 95<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 7


VORWORT<br />

Mit besonderem Fokus auf die Jugend ist das Thema „Sexualisierung der<br />

Gesellschaft“ durch Pornografiekonsum aktuell in den Medien vertreten. Dabei<br />

wird mehrheitlich sehr plakativ und wenig differenziert berichtet. Ein<br />

besorgniserregendes Bild der Jugend wird gezeichnet. Oft scheint gänzlich<br />

vergessen zu gehen, dass eben dieselbe Erwachsenengesellschaft, die sich um<br />

Jugendliche sorgt und von der „Generation Porno“ spricht, Produzent und<br />

Konsument des pornografischen Materials ist. Jugendliche nutzen also ein<br />

Angebot, dass vorhanden ist, ja bereitgestellt wurde, um genutzt werden zu<br />

können – wann, wie, wo und von wem auch immer!<br />

Fachleute verschiedener Disziplinen wie (Sexual-)Pädagogik, Psychologie und<br />

Soziologie sind sich einig darüber, dass in der Gesellschaft ein vermehrter<br />

Pornografie-Konsum erfolgt. Uneinigkeit besteht jedoch darüber, welche<br />

Konsequenzen daraus folgen und wie weitreichend diese individuell und<br />

gesellschaftlich sind.<br />

Die neuen Medien, allen voran das Internet, spielen bei der massenhaften<br />

Verbreitung pornografischen Materials und dessen vermehrten Konsums durch<br />

einfachen Zugang eine entscheidende Rolle. Sie stellen die massgeblichen<br />

Vermittlungskanäle dar. Im world wide web kann auf die gesamte Bandbreite<br />

legaler und illegaler Pornografie zugegriffen werden; schnell gerät man mit<br />

einem Mausklick auf Inhalte, die interessieren, ebenso rasch aber auch auf<br />

solche, die schockieren. Insbesondere Jugendliche als fleissige<br />

MediennutzerInnen werden daher gewollt oder ungewollt mit allen möglichen<br />

pornografischen Inhalten konfrontiert.<br />

Ziel unserer Arbeit ist einerseits, Lesenden einen differenzierten Blick auf das<br />

Phänomen jugendlichen Pornografiekonsums zu ermöglichen, andererseits das<br />

Dokumentieren und Diskutieren der Suchbewegung nach professionellem<br />

Umgang in der Praxis Sozialer Arbeit.<br />

Wir danken Herrn Prof. Salvatore Cruceli für die anregende fachliche Begleitung,<br />

den vier beherzten Mädchen, die unseren Interviewfragen so offen begegnet<br />

sind, Herrn Marco Hort, für Ermutigung und Vernetzungshilfe sowie allen anderen<br />

Personen, die uns in der Zeit des Verfassen der vorliegenden Arbeit motivierend<br />

begleitet haben und uns mit Geduld begegnet sind.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 8


Wann immer möglich, haben wir uns für geschlechterneutrale und/oder<br />

geschlechtergerechte Formulierungen entschieden; wo nötig, wurden spezifische<br />

Ausdrücke verwendet.<br />

Der Begriff „Pornografie“ wird (ausser in Zitaten), in dieser Schreibweise<br />

verwendet. Der Kurzbegriff „Porno“ als solcher oder in Wortkombinationen wird<br />

dann benutzt, wenn dies der jeweiligen Ausdrucksweise entspricht 1 .<br />

1 Jugendliche benutzen beispielsweise die Wendung „voll porno“, nicht aber „voll<br />

pornografie“ oder dergleichen; es wird vom „Pornobusiness“, der „Pornoindustrie“,<br />

„Pornoproduzenten“ oder auch von „Pornostars“, „Pornodarstellern“ gesprochen. Weitere<br />

solche Begriffe sind: „Pornofilm“, „Softpornos“, „Porno-Rapper“, „Pornokompetenz“,<br />

„Porno Chic“, „Pornokultur“, „Pornosex“, „pornotypisch“, etc.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 9


1. EINLEITUNG<br />

1.1 THEMENWAHL<br />

Im Rahmen von Ausbildungspraktika in der Jugendarbeit ist uns die Bedeutung<br />

des Themas jugendlichen Pornografiekonsums, dessen möglichen Folgen und der<br />

Suchbewegung nach professionellem Handeln in der Sozialen Arbeit, bewusst<br />

geworden. Dabei stellten sich uns die folgenden Fragen: Wie gehen<br />

SozialarbeiterInnen im professionellen Umfeld mit dem Phänomen jugendlichen<br />

Pornografiekonsums um? Welche Kriterien sollten dabei beachtet werden?<br />

Welche Umstände sind förderlich, beziehungsweise hinderlich? Gibt es überhaupt<br />

verlässliche Antworten zu diesen Fragen?<br />

1.2 FRAGESTELLUNG UND AUFBAU DER ARBEIT<br />

1.2.1 VON DEN HYPOTHESEN ZUR FRAGESTELLUNG<br />

Aus unseren eigenen Praxiserfahrungen schliessen wir, dass der Sozialen Arbeit<br />

eine Rolle bezüglich gelingender (sexueller) Entwicklung Jugendlicher zukommt.<br />

Weiter gehen wir davon aus, dass Soziale Arbeit Jugendlichen im Umgang mit<br />

Pornografie Unterstützung bieten sollte. Eine Verhinderung der Konfrontation mit<br />

Pornografie ist weder faktisch durchsetzbar, noch erstrebenswert. Eine<br />

abschirmend-behütende, wertend-ablehnende, ja gar sanktionierende Haltung<br />

scheint uns kein geeigneter Zugang zu sein. Hingegen verspricht nach unserer<br />

Einschätzung ein akzeptierender, verständnisorientierter und fachlich<br />

kompetenter – wenn auch nicht gänzlich wertfreier – Ansatz Nachhaltigkeit.<br />

Diese Arbeit geht der Frage nach der geeigneten Form des Begleitens und<br />

allenfalls Schützens nach. Wir beziehen uns auf den Berufskodex der Sozialen<br />

Arbeit Schweiz, wonach Selbstbestimmung, Emanzipation und Empowerment an<br />

verschiedenen Stellen (Grundsätze, Grundwerte, beziehungsweise<br />

Handlungsprinzipien der Sozialen Arbeit) beschrieben werden (AvenirSocial,<br />

2010, S. 4-9). Auch in der Begleitung Jugendlicher in ihrer (sexuellen)<br />

Entwicklung erachten wir die genannten drei Handlungsmaximen als<br />

unentbehrlich.<br />

Aus diesen Hypothesen ergeben sich die folgenden Teilfragen:<br />

• Welches Verständnis von Sexualität können wir sinnvollerweise unserer<br />

Arbeit zugrunde legen?<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 10


• Wie definieren wir Pornografie als wissenschaftlich zu untersuchenden<br />

Gegenstand?<br />

• Wie und weshalb nutzen Jugendliche pornografisches Material? Welche<br />

Auswirkungen lassen sich unter besonderer Berücksichtigung der sexuellen<br />

Entwicklung gemäss aktuellem Forschungsstand konstatieren?<br />

• Welche Rolle kommt der Sozialen Arbeit im Umgang mit<br />

jugendlichem Pornografiekonsum zu? Wo liegen die Möglichkeiten<br />

und Grenzen der Einflussnahme?<br />

1.2.2 GLIEDERUNG<br />

Wir klären zuerst das für unsere Arbeit geeignete Verständnis von Sexualität und<br />

leiten dann zur sexuellen Entwicklung (Jugendlicher) über. In der Folge<br />

beleuchten wir den Gegenstand der Pornografie aus verschiedenen Blickwinkeln,<br />

um anschliessend auf die Nutzung pornografischen Materials und mögliche<br />

Auswirkungen auf Jugendliche zu sprechen zu kommen. Es folgen Möglichkeiten<br />

des professionellen Umgangs mit dem Phänomen jugendlichen<br />

Pornografiekonsums. Abschliessend erfolgen eine Diskussion und<br />

Schlussfolgerungen zu den jeweiligen Ergebnissen.<br />

1.3 EINBETTUNG IN EINEN THEORETISCHEN BEZUGSRAHMEN<br />

Die Soziale Arbeit stützt sich traditionellerweise auf verschiedene<br />

Bezugswissenschaften wie Pädagogik, Psychologie, Recht, Soziologie und weitere<br />

mehr. Die verschiedenen Bezüge, unter anderem zur sexuellen Entwicklung<br />

Jugendlicher, Mediennutzung und handlungstheoretischen Ansätzen der Sozialen<br />

Arbeit verlangen nach einem interdisziplinären Zugang. Auf diesem Hintergrund<br />

haben wir die Recherche für die vorliegende Arbeit durchgeführt. Einzelne<br />

Studien und/oder Werke gründen auf interdisziplinären Ansätzen, wo dies nicht<br />

der Fall war, haben wir diverse Blickwinkel und Zugänge zu berücksichtigen<br />

versucht.<br />

Uns entsprechen der lebensweltorientierte Zugang nach Thiersch sowie die<br />

traditionellen Handlungsmaximen nach Addams und Salomon (Humanistisches<br />

Menschenbild, Hilfe zur Selbsthilfe, Anfangen wo der/die KlientIn steht, etc.). An<br />

Müllers Ansatz schätzen wir die Multiperspektive. Dabei inspiriert uns die<br />

dahinterliegende Idee des Einnehmens verschiedener Blickwinkel, was unserer<br />

Ansicht nach einer differenzierten Meinungsbildung dient. Des Weiteren<br />

orientieren wir uns an Freires Prinzip der Bewusstseinsbildung. Dieser Zugang<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 11


scheint uns im Zusammenhang mit der Thematik jugendlichen<br />

Pornografiekonsums besonders geeignet. Zudem liefert sie eine Art „Gegenstück“<br />

auf Klientenseite zur obenerwähnten differenzierten Meinungsbildung auf<br />

SozialarbeiterInnenseite.<br />

1.4 EINBETTUNG IN DIE FORSCHUNG<br />

Die Ursprünge der Pornografieforschung sind in den USA zu verorten. Im<br />

deutschsprachigen Raum hat die Thematik bisher weniger Aufmerksamkeit<br />

erfahren, wobei sich interessierte WissenschaftlerInnen immer wieder auf<br />

dieselben, zeitlich etwas länger zurückliegenden, aber nach wie vor aktuellen<br />

Untersuchungen stützen. Resultate liegen zur Nutzung (Gründe, Häufigkeit, etc.)<br />

sowie zu den Auswirkungen von Pornografie vor. Die in dieser Arbeit<br />

berücksichtigten psychologischen Forschungen beziehen sich auf die Wirkung von<br />

Medien. Dies wurde mit den Methoden der qualitativen und quantitativen<br />

Befragung sowie mittels psychophysiologischen 2 Messungen erforscht.<br />

1.4.1 METHODENWAHL<br />

Entgegen unserem ursprünglichen Wunsch, mussten wir auf einen<br />

wissenschaftlich verwertbaren empirischen Teil dieser Arbeit verzichten.<br />

Einerseits waren uns klare zeitliche Grenzen gesetzt. Andererseits hätten Setting<br />

und allfällige Ergebnisse einer von uns durchgeführten Untersuchung<br />

wissenschaftlichen Standards nicht genügt. Es liegt in der Natur der Thematik,<br />

dass bei Befragungen die Gefahr von Verzerrung durch sozial erwünschtes<br />

Beantworten besonders gross ist. Deshalb entschlossen wir uns zur<br />

Konzentration auf bereits vorhandenes Forschungsmaterial sowie auf das<br />

Studium von Fachliteratur.<br />

Nichts desto trotz haben wir ein Gruppeninterview mit vier Mädchen geführt und<br />

transkribiert. Dieses verwenden wir nun im Anhang zur Illustration unserer<br />

Arbeit.<br />

2 Anhand Körperfunktionen werden psychische Abläufe abgebildet.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 12


2. SEXUALITÄT<br />

2.1 VERSTÄNDNIS / SINNKOMPONENTEN<br />

Wir werden in diesem Abschnitt nicht den Versuch wagen, Sexualität zu<br />

definieren. Es soll nicht darum gehen aufzuzeigen, was Sexualität alles sein<br />

kann, respektive was alles sie beinhaltet. Ziel ist es vielmehr, ein ausgewähltes<br />

Verständnis von Sexualität zu vermitteln, von dem aus wir unsere weitere<br />

Herangehensweise an das gewählte Thema „Generation Porno?“ als passend<br />

erachten. Sexualität soll im Rahmen unserer Arbeit keinesfalls als rein physisches<br />

Phänomen verstanden werden. Sielert bezeichnet Sexualität als „allgemeine auf<br />

Lust bezogene Lebensenergie“ (Sielert, 2005, S. 41), die<br />

• sich des Körpers bedient<br />

• aus vielfältigen Quellen gespeist wird (körperlichen, gesellschaftlichen,<br />

sexuellen und nicht-sexuellen)<br />

• ganz unterschiedliche Ausdrucksformen kennt (von der Genitalität über die<br />

Zärtlichkeit, Leidenschaft, Erotik, Geborgenheit bis zur Geilheit und allen<br />

aggressiven oder gewaltsamen Beimischungen)<br />

• in verschiedenster Hinsicht sinnvoll sein kann (…)<br />

(Sielert, 1993, S. 32)<br />

Weiter erläutert er die verschiedenen Sinnaspekte, respektive Funktionen der<br />

Sexualität:<br />

• Identität<br />

• Beziehung<br />

• Lust<br />

• Fortpflanzung<br />

(Sielert, 1993, S. 32, 45) sowie in (Sielert, 2005, S. 49-52)<br />

Sielert verwendet die Begriffe „Funktion“ und „Sinn“ synonym (Sielert, 2005, S.<br />

49). Auch Gloël, der von „Sinnkomponenten“ der Sexualität spricht, übernimmt<br />

diese Aufteilung nach Sielert. Die vier Aspekte unterstehen keiner<br />

Wertigkeitshierarchie. Einzelne können zu verschiedenen Zeitpunkten<br />

unterschiedlich im Zentrum und/oder in unterschiedlichen Verbindungen stehen.<br />

Gloël weist in Anlehnung an Sielert darauf hin, dass die oben aufgeführte<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 13


Reihenfolge in vielen, jedoch nicht allen Fällen so durchlaufen wird (Gloël, 2010,<br />

S. 4). So individuell und dynamisch die Kombinationen und Gewichtungen der<br />

Sinnkomponenten von Sexualität sein können, so vielfältig wird jeder Mensch<br />

von gesellschaftlichen Bedingungen in seinem sexuellen Erleben beeinflusst<br />

(Gloël, 2010, S. 5).<br />

Der Mensch ist bereits vorgeburtlich ein sexuelles Wesen. Sexuelle Sozialisation<br />

setzt im Kleinkindsalter ein, erlangt aber vor allem im Jugendalter eine ganz<br />

neue Bedeutung.<br />

3. JUGEND UND ADOLESZENZ<br />

Nach einer relativ umfassenden Definition der Jugend durch Wilfried Ferchhoff,<br />

„fängt [diese] mit der (…) Pubertät (…) an und endet, wenn man nicht nur<br />

juristische, nicht nur anthropologische und biologische und nicht nur<br />

psychologische, sondern auch soziologische Massstäbe anlegt, mit dem Eintritt in<br />

das Berufsleben und/oder mit der Heirat“ (Ferchhoff, 2007, S. 87).<br />

Schröder definiert die Pubertät als „(…) die körperlichen Veränderungen bei der<br />

Entwicklung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale“ (Exner,<br />

Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S. 91). Unter Adoleszenz wird vor allem<br />

die kulturelle Dimension des Reifungsprozesses verstanden. Sie stellt in<br />

westlichen Ländern eine Art Moratorium im Übergang vom Kindes- ins<br />

Erwachsenenalter dar, in welchen die Heranwachsenden lernen sollen, mit sich<br />

selber, den Mitmenschen, sowie gesamtgesellschaftlichen Anforderungen zu<br />

Recht zu kommen. Dies geschieht durch die aktive Auseinandersetzung mit<br />

körperlichen und kognitiven Veränderungen, Bezugspersonen, der eigenen<br />

(Geschlechter-)Rolle sowie eigenen und gesellschaftlichen Wertmassstäben. Es<br />

geht um die Ausbildung einer relativ stabilen Identität und den damit<br />

zusammenhängenden Fragen der Lebensorientierung. Schliesslich führt der<br />

Prozess zur Ablösung vom Elternhaus (Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder,<br />

2005, S. 91; Bibliographisches Institut (Mannheim). Redaktion Schule und<br />

Lernen, 2002, S. 193).<br />

„Körperliche, psychische und sozialkulturelle Entwicklungs- und<br />

Reifungsprozesse“ (Ferchhoff, 2007, S. 87) der Adoleszenz können<br />

interindividuell etwas früher oder später eintreten, weshalb in der Regel<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 14


estimmte Altersspannen bezeichnet werden, in denen typische<br />

Entwicklungsschritte stattfinden (Mietzel, 2002, S. 322).<br />

Die Adoleszenz ist nach Schröder in drei Phasen unterteilbar:<br />

• frühe Adoleszenz: Beginnt mit dem Einsetzen der Pubertät (zwischen 9<br />

und 13) und dauert bis ins Alter von 14/16 Jahren.<br />

• späte Adoleszenz: Zeitraum zwischen 14/16 und 18/19 Jahren.<br />

• Postadoleszenz: Junges Erwachsenenalter bis 25/30 Jahre.<br />

(Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S. 91-92)<br />

Die Jugendphase hat sich gegenüber früher verlängert. Biologische Gründe<br />

führen zu einem früheren Einsetzen der Pubertät, gleichzeitig verlängerte sich die<br />

Ausbildungszeit. Der Übergang ins Berufs- und Familienleben erfolgt somit später<br />

(Ferchhoff, 2007, S. 87-89; Mietzel, 2002, S. 354-355).<br />

3.1 KÖRPERLICHE ENTWICKLUNG / PUBERTÄT<br />

Durch eine vermehrte Ausschüttung der Hormone Östrogen und Androgen<br />

beziehungsweise Testosteron wird die Pubertät eingeleitet. Erste Auswirkung ist<br />

ein deutlich sichtbarer Wachstumsschub. Darauf folgt die Entwicklung der<br />

primären (♀: Wachstum der Eierstöcke, der Gebärmutter, der Scheide und der<br />

Schamlippen / ♂: Wachstum der Hoden, des Hodensacks und des Penis) und<br />

sekundären Geschlechtsmerkmale (♀: Rundung der Hüften, Wachsen der Brüste<br />

und Brustwarzen und der Körperbehaarung / ♂: Männlicher Muskelaufbau,<br />

Wachstum der Körperbehaarung und Stimmbruch), sowie die Geschlechtsreifung<br />

(ersten Regelblutung (Menstruation) / Auftreten des ersten Samenerguss<br />

(Ejakulation)). Jugendliche erlangen somit die sexuelle Reife (Mietzel, 2002, S.<br />

321; 351-356). Diese starken körperlichen Veränderungen setzen auch<br />

innerpsychische Prozesse in Gang. Das eigene Aussehen wird zum wichtigen<br />

Thema. Besonders in der frühen Adoleszenz fühlen sich nicht wenige Jugendliche<br />

in ihrem „neuen“ Körpergefühl verunsichert (Mietzel, 2002, S. 357). Die<br />

Jugendlichen lernen langsam, mit diesen körperlichen Veränderungen<br />

umzugehen und sich in ihrem Körper wieder zu Recht zu finden (Zimbardo &<br />

Gerrig, 2004, S. 449).<br />

3.2 KOGNITIVE ENTWICKLUNG<br />

Etwa zeitgleich mit dem Einsetzen der Pubertät bildet sich laut Jean Piaget die<br />

Fähigkeit zur formalen Operation aus (Mietzel, 2002, S. 321). Dies umfasst unter<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 15


anderem logisches, auf Fakten bezogenes Schlussfolgern und hypothetisches<br />

oder abstraktes Denken, strategisches Vorgehen, Nachdenken über komplexe<br />

Zusammenhänge und die Fähigkeit zur Reflexion über sich und andere. Sie legen<br />

den Fokus primär auf ihr eigenes Denken und die Individualität der eigenen<br />

Person. Jugendliche überschätzen dabei auch gerne die eigene Wichtigkeit<br />

(jugendlicher Egozentrismus) sowie die eigene Unverwundbarkeit, was zum<br />

typischen jugendlichen Risikoverhalten führt. Diese kognitiven Veränderungen<br />

wirken sich auch entscheidend auf weitere Entwicklungsprozesse im Jugendalter<br />

aus (Mietzel, 2002, S. 326-329; Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 456; Resch, 1995).<br />

3.3 ZWISCHENMENSCHLICHE BEZIEHUNGEN<br />

Mit steigendem Alter orientieren sich die Heranwachsenden vermehrt an sozial<br />

gleichgestellten Gleichaltrigen, so genannten Peer-Groups. Die Familie bleibt<br />

dabei ein zentraler Bezugspunkt für die Jugendlichen; mit ihr werden finanzielle,<br />

schulische Angelegenheiten, oder Fragen der Ausbildung, der Berufswahl<br />

besprochen. Mit Freunden wird dagegen über Beziehungen zu Gleichaltrigen oder<br />

Sexualität gesprochen und vorwiegend die Freizeit verbracht. Ein Gefühl des<br />

Vertrauens und der Solidarität entsteht (Baacke, 2007, S. 15-17). Bourne und<br />

Ekstrand zitieren Sullivan, der davon ausgeht, dass Peer-Groups dem<br />

Jugendlichen als „Zuflucht vor dem Druck, den Eltern und Schule auf ihn<br />

ausüben“, dienen (Bourne & Ekstrand, 2005, S. 341). Das soziale Netzwerk der<br />

Jugendlichen weitet sich durch die gleichaltrige Bezugsgruppen (Cliquen) deutlich<br />

aus. Diese werden langsam zum Experimentier- und Lernraum für spätere stabile<br />

sexuelle Partnerschaften (Bourne & Ekstrand, 2005, S. 341).<br />

4. SEXUELLE ENTWICKLUNG UND SEXUELLE IDENTITÄT<br />

Die persönliche Sexualität bildet sich auf der Grundlage der erfahrenen<br />

Möglichkeiten zur Lustempfindung, enthält jedoch weitere Aspekte, die während<br />

der sexuellen Entwicklung des Menschen nach und nach an Bedeutung erfahren.<br />

Dazu zählen sozial geteilte Normen und Symbole der Sexualität, persönliche<br />

Wahrnehmungen, Gefühle, Emotionen, Fantasien und Vorstellungen, die „in<br />

enger Verbindung mit der persönlichen Sexualität stehen“ (Gehrig, 2006). Ein<br />

hilfreicher Ansatz zur Verbindung dieser innerpsychischen und gesellschaftlichen<br />

Dimension ist das „sexuelle Skript“ von Simon und Gagnon. Sexualität ist dabei<br />

nicht durch biologische Triebe determiniert, sondern in weiten Teilen<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 16


gesellschaftlich konstruiert 3 (Simon & Gagnon, 2005, S. 8). Ihr Ansatz verbindet<br />

eine kulturelle, interpersonelle und innerpsychische Dimension der Sexualität<br />

(Lautmann, 2002, S. 182).<br />

4.1 SEXUELLE SKRIPTE<br />

Durch soziale Interaktionen erfahren Kinder unbewusst soziale Normen der<br />

Sexualität. Die auf Nachahmung von Beobachtetem Verhalten folgenden<br />

Reaktionen des sozialen Umfeldes weisen das Kind auf „erwünschtes“ oder<br />

„unerwünschtes“ Verhalten hin. Innerhalb dieser Interaktionen wird auch die zum<br />

biologischen Geschlecht passende Geschlechterrolle 4 erlernt (Zimbardo & Gerrig,<br />

2004, S. 527). Kinder entdecken und konstruieren dabei die sexuelle Welt in<br />

kleinen Teilen, wohlbewusst, dass ihnen von der Erwachsenenwelt noch Dinge<br />

vorenthalten werden. Nach und nach wachsen die einzelnen Puzzleteile zu einem<br />

vorläufigen 5 Gesamtbild heran (Escoffier & Jackson, 2007, S. 10). Dieses Bild<br />

enthält kulturelle Konventionen sexueller Aktivitäten, „wie man sich verhalten<br />

soll; wann, wo und wie es getan werden soll; mit wem oder womit; warum und<br />

aus welchem Anlass“ (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527). Welches Verhalten als<br />

natürlich oder unnatürlich beziehungsweise als pervers gilt (Simon & Gagnon,<br />

2005, S. 3). In sexuellen Normen spiegeln sich gesellschaftlich geteiltes Wissen<br />

und geteilte Vorstellungen zur Sexualität wieder (Krahé, Bieneck, Steinberger-<br />

Olwig, 2004, S. 5). Diese gesellschaftlichen Szenarios der Sexualität werden vom<br />

Individuum jedoch nicht einfach übernommen (Lautmann, 2002, S. 182).<br />

In der Verbindung mit individuellen Aspekten, bilden sich kognitive Schemata des<br />

Sexualverhaltens, sogenannte „sexuelle Skripte“ heraus. Sexuelle Skripte<br />

entstehen durch individuelle Bedeutungs- und Sinnzuschreibungen 6 und<br />

beinhalten Vorstellungen und Einstellungen zur Sexualität. Sie sind Drehbücher<br />

dessen, wie Sexualität abzulaufen hat und was wir in der Sexualität als<br />

3 Interessante Ausführungen zu dieser einzigartigen menschlichen Fähigkeit sind bei<br />

Berger & Luckmann zu finden: Im Gegensatz zu anderen Lebewesen ist der Mensch in<br />

der Lage, sich aus zwei Perspektiven heraus wahrzunehmen: 1. Ein Körper sein, 2. Einen<br />

Körper haben. Die beiden Formen der Selbsterfahrung gilt es in Balance zu bringen<br />

(Berger & Luckmann, 2009, S. 53).<br />

4 „Erfahrungen (…) was es bedeutet, ein Mädchen oder ein Junge zu sein“ (Mietzel, 2002,<br />

S. 233), wie man sich passend zu seiner Geschlechterrolle (rollentypisch) verhält, werden<br />

zu kognitiven Schema (sog. sozialen Skripts) geordnet (Mietzel, 2002, S. 233-235).<br />

5 Die persönlichen Vorstellungen von Sexualität entwickeln über das ganze Leben hinweg<br />

immer weiter.<br />

6 Wie Berger & Luckmann erläutern, geht es um den Prozess vom „einfachen<br />

Verständnis“ zum „Selbstverständnis“ gesellschaftlicher Präskripte; d.h. die<br />

Internalisierung wird mit „Eigen-Sinn“ verbunden (Berger & Luckmann, 2009, S. XV).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 17


angenehm empfinden (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527; Simon & Gagnon,<br />

2005, S. 4; 14). Unsere spezifischen sexuellen Wünsche, Phantasien und<br />

Vorlieben in Bezug auf spezifische erotische Situationen, sexuelle Praktiken oder<br />

Erwartungen und Präferenzen in Bezug auf einen Sexualpartner werden durch<br />

diese Skripte gelenkt (Schmidt, 2005, S. 99-101). Zudem werden aktuelle<br />

sexuelle Situationen, in der Regel unbewusst, anhand von schon bestehenden<br />

persönlichen Skripts subjektiv beurteilt. Dies gilt auch für die grundlegende<br />

Beurteilung einer Situation als „sexuell“ oder „nicht sexuell“ (Ertel, 1990, S. 57).<br />

Sexuelle Skripte dienen uns also als Orientierung und Wegweiser persönlicher<br />

„sexueller Empfindungen und Aktivitäten“ (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527).<br />

Auf der interpersonellen Ebene strukturieren Skripte die sexuelle Interaktion und<br />

„ermöglichen ein Handeln in wechselseitiger Bezogenheit“ (Lautmann, 2002, S.<br />

182). Trotz gesellschaftlich vorgegebenen Rahmenbedingungen können Skripte<br />

der Sexualität interindividuell unterschiedlich ausgeprägt sein. Durch<br />

verschiedene sexuelle Biografien bringen die Sexualpartner andere Fertigkeiten,<br />

Wünsche und Fantasien in die gemeinsam gelebte Sexualität mit (Clement, 2009,<br />

S. 66). Dies führt notwendigerweise dazu, dass Sexualpartner ihre sexuellen<br />

Skripte aufeinander abstimmen müssen, um Irritationen und Differenzen zu<br />

überwinden (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527). Ein gemeinsames Szenario für<br />

den Ablauf sexueller Interaktionen wird ausgehandelt (Lautmann, 2002, S. 182).<br />

Die menschliche sexuelle Entwicklung beginnt nicht erst in der Pubertät, sondern<br />

weit früher, durch den vorgeburtlich angelegten Erregungsreflex 7 (Gehrig, 2006).<br />

Bereits kurz nach der Geburt können die Kleinkinder dabei beobachtet werden,<br />

wie sie ihren eigenen Körper erkunden und dabei sehr früh das reizvolle Spiel mit<br />

ihren Genitalien entdecken. Im Alter von etwa zwei Jahren beginnen Kinder, sich<br />

den Geschlechtsorganen und der Geschlechtszugehörigkeit von sich und<br />

Gleichaltrigen auseinanderzusetzen (Mietzel, 2002, S. 372-373). Diese genitalen<br />

Spiele von Kindern werden von Erwachsenen oft als sexuelle Aktivitäten<br />

gedeutet. Die Kinder lernen dabei erst durch die sexuellen (und teilweise<br />

moralischen) Zuschreibungen und Benennungen ihrer Aktivitäten durch<br />

Erwachsene, dass sich diese Tätigkeit von andern (angenehmen) Aktivitäten<br />

irgendwie unterscheiden muss (Simon & Gagnon, 2005, S. 10). Sie erfahren in<br />

7 Es existieren Ultraschallbilder, auf welchen der erigierte Penis vom männlichen<br />

Ungeborenen deutlich sichtbar ist.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 18


der Interaktion mit beziehungsweise der Reaktion aus ihrem Umfeld, die<br />

Unterschiede zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, und damit<br />

zusammenhängend der Bedeutung von Intimität in der eigenen Sexualität<br />

(Gehrig, 2006). Die in der frühen Kindheit zunächst einfachen Skripte entwickeln<br />

sich durch die Interaktion mit erwachsenen Bezugspersonen und Gleichaltrigen<br />

als auch durch Beobachtung medial vermittelter Rollenbilder immer weiter aus<br />

(Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527; Simon & Gagnon, 2005, S. 75). Während der<br />

Adoleszenz wird sich der Jugendliche durch die körperlichen Veränderungen und<br />

den damit zusammenhängenden sozialen Zuschreibungsprozessen seiner selbst<br />

als sexuelles Wesen bewusst (Simon & Gagnon, 2005, S. 33). Durch erste<br />

praktische sexuelle Erfahrungen mit sich und andern erweitern und differenzieren<br />

sich die sexuellen Skripte weiter aus. Sie werden vom Individuum aktualisiert,<br />

modifiziert, oder auch verworfen (Simon & Gagnon, 2005, S. 75; Lautmann,<br />

2002, S. 182). Skripte stehen in unmittelbarer Verbindung mit der Bildung der<br />

Identität, respektive der sexuellen Identität.<br />

4.2 IDENTITÄT / SEXUELLE IDENTITÄT<br />

In der Adoleszenz geschieht, unter anderem auch durch die ausgeprägte<br />

körperliche Veränderung, eine verstärkte Auseinandersetzung mit der<br />

persönlichen Sexualität sowie der damit zusammenhängenden Erwartungen, die<br />

an sie als Frau oder Mann gestellt werden. Dies ist eine von verschiedenen<br />

Facetten der Identitätsbildung (Schäfers & Scherr, 2005, S. 83).<br />

Zimbardo und Gerrig beschreiben nach Erikson die Auseinandersetzung mit der<br />

eigenen Identität, die Bewältigung einer Identitätskrise, als die zentralste<br />

Aufgabe des Jugendalters (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 343). Sie wird definiert,<br />

als „(…) Erfahrung eines Individuums, eine einzigartige, kohärente und von<br />

inneren (psychischen) oder äusseren (Umgebungs-)Veränderungen relativ<br />

unabhängige Einheit zu sein“ (Bibliographisches Institut Mannheim, 2002, S.<br />

173). Die Erlangung der eigenen Ich-Identität entsteht durch die Interaktion mit<br />

den verschiedenen Bezugspersonen. Nach Erikson stellen sich dabei die<br />

Jugendlichen selbst in Frage. Sie sind durch Rollenerprobung auf der Suche, wer<br />

sie sind und wer sie zukünftig sein wollen (Selbstbild). Gelingt dieser Prozess<br />

nicht, versinkt der Jugendliche in Orientierungslosigkeit (Zimbardo & Gerrig,<br />

2004, S. 471).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 19


Abels bezieht sich auf George Herbert Mead, nach welchem Identitätsbildung auf<br />

der Auseinandersetzung mit Rollenerwartungen des Umfelds basiert.<br />

Voraussetzung dafür, ist die Fähigkeit zur Rollenübernahme. Dies bedeutet, seine<br />

eigenen Absichten zu kennen und sich dabei auch in die Rolle, Absichten,<br />

Erwartungen und möglichen Reaktionen des Gegenübers hineinversetzen zu<br />

können. Man lernt sich durch die Augen anderer zu sehen. Die Person wird sich<br />

ihrer selbst in der Interaktion bewusst. Das Individuum kann sich dadurch aktiv<br />

mit den Rollenerwartungen auseinandersetzen und diese bewusst einhalten, oder<br />

auch ablehnen. Es ist sich selbst und seiner eigenen Identität bewusst (Abels,<br />

2007, S. 333-340).<br />

Nach Bourne und Ekstrand betrachtet Kohlberg die Fähigkeit, eigene moralische<br />

Urteile zu treffen, als Voraussetzung zur Bildung einer Ich-Identität. Gemäss<br />

diesem Modell leisten Menschen im Jugendalter einen Entwicklungsschritt von<br />

einer so genannten „konventionellen Konformität“ zu „selbstakzeptierten<br />

moralischen Grundsätzen“. Das bedeutet, dass sie sich nicht mehr aus Angst vor<br />

Sanktionen oder Ablehnung anpassen, sondern weil sie ihr Handeln an Kriterien<br />

des Wohles der Gesellschaft und/oder an eigenen moralischen Prinzipien<br />

orientieren. Dieser Schritt zeichnet sich deutlich durch das in Frage stellen,<br />

geltender Werte und Normen durch die Jugendlichen aus. Eigene bisherige<br />

Massstäbe werden mit andern verglichen, verteidigt oder verworfen. Damit<br />

können eigene Standpunkte gebildet werden, welches als Bestandteil der<br />

Identität zu sehen ist (Bourne & Ekstrand, 2005, S. 341-343).<br />

Diese drei Ansätze der Identitätsbildung zeigen deutlich, dass die Ausbildung der<br />

Identität der Interaktion mit anderen Personen bedarf. Geprägt wird der<br />

Jugendliche dabei besonders durch die Sozialisationsinstanzen Familie, Schule,<br />

Freundeskreis und (Massen)Medien und deren Vorbildrolle. Diese ermöglichen<br />

Orientierung und Identifikation. Jugendliche imitieren, vergleichen und<br />

identifizieren sich mit anderen, lehnen sich gegen die Erwartungen der<br />

Erwachsenenwelt auf und finden sich durch wiederholte Selbsterprobung dabei<br />

selbst (Baacke, 2007, S. 254-255).<br />

Heranwachsende bilden im Rahmen der Identitätsentwicklung auch ihre<br />

spezifische persönliche sexuelle Identität und Sexualmoral heraus. Die<br />

individuelle sexuelle Identität setzt sich nach Weinand (Weinand, 2010, S. 3-7)<br />

aus folgenden vier Aspekten zusammen:<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 20


• Biologisches Geschlecht<br />

• Geschlechtsidentität 8<br />

• Geschlechterrolle<br />

• Sexuelle Orientierung 9<br />

Die Normen der Sexualität sind stark von der herrschenden Kultur geprägt<br />

(Weinand, 2010, S. 3). Das Individuum setzt sich im Prozess der<br />

Moralentwicklung in der Adoleszenz mit diesen ungeschriebenen sozialen<br />

Vorgaben auseinander und entwickelt seine persönliche Sexualmoral (vgl.<br />

Kohlbergs Moralentwicklung).<br />

Im Verlaufe der Adoleszenz gewinnt die jugendliche Sexualität zunehmend an<br />

Reife. Durch die Fähigkeit zur Rollenübernahme rückt auch das Wohl des<br />

Partners zunehmend ins Zentrum. Jugendliche Sexualpartner lernen, sich über<br />

ihre sexuellen Bedürfnisse, Wünsche, Vorstellungen, Grenzen und Ängste<br />

auszutauschen beziehungsweise ihre sexuellen Skripte aufeinander<br />

abzustimmen, die gemeinsame sexuelle Praxis auszuhandeln. Intimität zu zweit<br />

wird mehr und mehr bewusst gelebt und der Wunsch sich längerfristig zu binden<br />

wächst (Gehrig, 2006; Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527). Die Fähigkeit zur<br />

Intimität, das heisst sich emotional, moralisch und sexuell an einen Partner, eine<br />

Partnerin zu binden, in der Beziehung Verzicht zu üben und Verantwortung zu<br />

übernehmen, gehört nach Erikson zur zentralen Entwicklungsaufgabe im jungen<br />

Erwachsenenalter (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 471).<br />

Die Adoleszenz ist sowohl für Jugendliche, als auch für ihre erwachsenen<br />

Bezugspersonen eine herausfordernde Zeit. Vielfältige biopsychosoziale Faktoren<br />

beeinflussen die Entwicklung und können diese fördern oder erschweren.<br />

Pornografie ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, dass für unsere Arbeit<br />

ganz im Sinne von Gloël als „sozialisationsbedingten Einfluss“ (Gloël, 2010, S. 5)<br />

zu verstehen ist.<br />

8 Es geht um die Empfindung, „ob man sich als Mann oder als Frau fühlt“ (Weinand,<br />

2010, S. 6).<br />

9 Nach Weinand charakterisiert als „die Hauptzielrichtung der romantischen, emotionalen<br />

und sexuellen Interessen einer Person in Hinblick auf die gewünschten<br />

Geschlechtspartner“, also nicht nur die Frage nach der Wahl des Geschlechts des<br />

Sexualpartners (Weinand, 2010, S. 7).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 21


5. PORNOGRAFIE<br />

5.1 DEFINITION / DIFFERENZIERUNG<br />

Um den Begriff „Pornografie“ herleiten zu können, gehen wir an dieser Stelle von<br />

der ursprünglichen Schreibweise „Pornographie“ aus. Etymologisch lässt sich der<br />

Begriff aus dem Griechischen „porneia“ (Unzucht) oder auch „porne“ (Hure)<br />

sowie „graphein“ (schreiben) zurückführen und kann folglich wörtlich mit „über<br />

Huren schreiben“ 10 übersetzt werden (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S.<br />

447).<br />

Das Unterfangen, Erotik und Pornografie möglichst trennscharf voneinander<br />

abzugrenzen, erweist sich als schwierig: Entweder fliessen Wertungen, implizite<br />

Annahmen über Funktionen oder Einschränkungen in die Differenzierung ein.<br />

Beispiele dafür sind die Auffassung von Erotik als kunstvolle Darstellung des<br />

Sexuellen, Pornografie als gezieltes Mittel zur sexuellen Erregung oder<br />

Definitionen von Pornografie als sexuelle Darstellung mit Fokus auf menschliche<br />

Genitalien (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 447-448). Solche<br />

Differenzierungen erweisen sich als problematisch, weil a) Werte nicht universelle<br />

Gültigkeit besitzen, b) Pornografiekonsum verschiedene Funktionen erfüllt<br />

(insbesondere bei Jugendlichen, vgl. Unterkapitel „Nutzung“) und c) Einengung in<br />

beschreibenden Definitionen gewisses Pornografiematerial ausschliesst.<br />

Aus eigenen Praxiserfahrungen in Gesprächen mit Jugendlichen wissen wir, dass<br />

der Begriff „Porno“ oftmals für verschiedenstes Material verwendet wird. Dieses<br />

Phänomen ist nicht lediglich mit Undifferenziertheit zu erklären, sondern<br />

massgeblich durch subjektive moralische und ästhetische Werthaltungen<br />

beeinflusst. Individuelle Werthaltungen ihrerseits werden wiederum von<br />

gesellschaftlich gültigen Normen und Werten geprägt. Will man Pornografie als<br />

wissenschaftlichen Gegenstand untersuchen, so kommt man um eine Definition<br />

nicht herum. Allerdings sollte diese den oben beschriebenen Schwierigkeiten<br />

Rechnung tragen. Wir fragen:<br />

1. Macht die Unterscheidung zwischen Erotik und Pornografie Sinn 11 ?<br />

10 Vogel verwendet diese wörtliche Übersetzung, ebenso Gernert (Gernert, 2010, S. 98);<br />

bei Zillmann lautet die Übersetzung „Schriften über Huren“ (Charlton, Hesse, Schwan, &<br />

Zillmann, 2004, S. 566).<br />

11 Ein weiterer Versuch der Abstufung durch sprachliche Regelung unternimmt Herbert<br />

Selg unter dem Begriff „Erotografie“. Ziel ist die Unterscheidung verschiedener<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 22


2. Wie kann der Gegenstand ohne Bewertung, spezifische Verknüpfung,<br />

implizit unterstellte Wirkung und / oder Ausschluss gewissen Materials<br />

definiert werden?<br />

3. Wie lässt sich eine solche Definition begründen?<br />

Frage 1: Nach Zillmanns Ansicht macht die Unterscheidung zwischen Erotik und<br />

Pornografie keinen Sinn, da die Differenzierung wiederum auf Werthaltungen und<br />

/ oder impliziten Vorannahmen über die Funktion basieren würde. Er betrachtet<br />

die Begriffe „Erotik“ und „Pornografie“ als synonym verwendbar. Als Antwort auf<br />

Frage 2 schlägt er folgende Definition vor:<br />

Definition<br />

Pornografie wird definiert als Darstellungen sexuellen Verhaltens jeglicher Art,<br />

das von jeder denkbaren Zusammensetzung handelnder Akteure ausgeführt<br />

wird.<br />

Subkategorie: Zwangshaltige Pornografie<br />

Darstellungen aller Formen körperlicher Gewalt oder Drohungen mit dem Ziel,<br />

Personen gegen ihren Willen zur Teilnahme an sexuellen Handlungen zu<br />

bewegen, werden als zwangshaltige Pornografie definiert.<br />

Subkategorie: Gewalthaltige Pornografie<br />

Sexuelle Darstellungen, welche das vorsätzliche Zufügen von Schmerzen durch<br />

körperliche Gewalt gegen Personen, die diesen Handlungen nicht zustimmen,<br />

beinhalten, werden als gewalthaltige Pornografie definiert.<br />

(Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 568-569)<br />

Zillmann beantwortet Frage 3 mit den „enormen interindividuellen<br />

Unterschieden“ (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 567) in den<br />

Wahrnehmungen und Wertungen sexueller Darstellungen. Dieser nicht<br />

vermeidbare Umstand, den Zillmann als „definitorisches Problem der<br />

Mehrdeutigkeit“ (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 568) bezeichnet,<br />

lässt seines Erachtens jede Definition von Pornografie, die den unter Frage 2<br />

beschriebenen Kriterien nicht Rechnung trägt, unbrauchbar werden. Er plädiert<br />

Darstellungen durch eine klarere begriffliche Bestimmung. Da sich der Begriff allerdings<br />

bisher nicht durchgesetzt zu haben scheint (anhand der konsultierten aktuellen<br />

Fachliteratur), gehen wir nicht näher darauf ein. Mehr Informationen sind zu finden in<br />

folgender elektronischer Quelle: http://www.fsf.de/php_lit_down/pdf/selg_tvd01.pdf<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 23


daher für beschreibende Kategorien, für „darstellungsorientierte Definitionen“<br />

(Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 568); die Bedingung des<br />

Nichtausschliessens steht allerdings einer griffigen, übersichtlichen und klar<br />

strukturierenden Definition diametral gegenüber. Vogel bezieht sich in erster<br />

Linie auf Zillmanns Definition. Weiter erwähnt sie eine beschreibende, somit<br />

einschränkendere Form in Anlehnung an Faulstich, 1994: „Charakteristisch für<br />

Pornographie ist eine offene und detaillierte Darstellung sexueller Aktivitäten,<br />

d.h. die Geschlechtsorgane – insbesondere der erigierte männliche Penis bzw. die<br />

geöffnete weibliche Vagina – werden unverhüllt während des<br />

Geschlechtsverkehrs gezeigt“ (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 448).<br />

Selbst wenn eine Definition bezüglich Form der sexuellen Darstellung und<br />

Darstellenden (Anzahl, Geschlecht), visuell oder audio-visuell, beschrieben wird:<br />

Sobald die Einschränkung auf die besondere Betonung primärer<br />

Geschlechtsmerkmale erfolgt, ergibt sich das Problem des Ausschlusses von<br />

(illegalem) Nischenmaterial der Pornografie 12 .<br />

Der Definitionsversuch der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter<br />

Deutschland zeigt das von Zillmann beschriebene Problem der Mehrdeutigkeit<br />

beispielhaft auf:<br />

Was ist Pornografie?<br />

Diese Frage ist bisher nur unbefriedigend gelöst. Eine gesetzliche Definition existiert<br />

nicht. Grundsätzlich ist zwischen sog. harter und einfacher Pornografie zu unterscheiden.<br />

Von der Rechtsprechung wird die sog. einfache Pornografie definiert als grobe<br />

Darstellung des Sexuellen in drastischer Direktheit, die in einer den Sexualtrieb<br />

aufstachelnden oder die Geschlechtlichkeit in den Schmutz ziehenden oder lächerlich<br />

machenden Weise den Menschen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher<br />

Begierde oder Betätigung jedweder Art degradiert. Zu berücksichtigen sind dabei auch<br />

die vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Kriterien der aufdringlich vergröbernden,<br />

anreißerischen, verzerrenden, unrealistischen Darstellung, die ohne Sinnzusammenhang<br />

mit anderen Lebensäußerungen bleibt oder gedankliche Inhalte zum bloßen Vorwand für<br />

provozierende Sexualität nimmt (BGHSt 23, 40, 44).<br />

Der Begriff der sog. harten Pornografie ist in §§ 184 a und b Strafgesetzbuch (StGB)<br />

bestimmt: zur harten Pornografie werden pornografische Schriften gezählt, die<br />

Gewalttätigkeiten, sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren oder den sexuellen<br />

Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben.<br />

Wissenschaftliche Werke gelten von vorneherein als nicht pornografisch. Dagegen ist eine<br />

Trennung von Pornografie und Kunst nicht möglich, so dass nach den Umständen des<br />

Einzelfalls auch ein Kunstwerk als pornografisch eingestuft werden kann. Für die<br />

Bewertung, ob es sich um eine pornografische Darstellung handelt, sind nicht die<br />

subjektiven Zielvorstellungen und Tendenzen des Verfassers maßgeblich. Vielmehr<br />

kommt es allein auf den objektiven Gehalt und die Art der Darstellung an. Eventuell sind<br />

beigefügte Erläuterungen und Andeutungen zu berücksichtigen, keinesfalls jedoch die<br />

12 Ein Beispiel dafür ist der Verzehr von Fäkalien oder auch sado-masochistische<br />

Darstellungen bekleideter AkteurInnen.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 24


Ziele und Vorstellungen des Herstellers. Auch bei Kinderpornografie (= pornografische<br />

Darstellung einer Person unter 14 Jahren, § 184 b Absatz 1 StGB) wird ein objektiver<br />

Maßstab angesetzt, d.h. maßgeblich ist grundsätzlich das tatsächliche Alter des<br />

Darstellers. Unerheblich ist sowohl eine unwahre Behauptung über das Alter des Kindes<br />

als auch die Tatsache, dass das Kind aus der Sicht des Betrachters älter wirkt. Auf die<br />

Sicht des Betrachters ist nur dann abzustellen, wenn die Person, die Gegenstand der<br />

Darstellung ist, wie ein Kind wirkt, auch wenn sie tatsächlich älter ist. In diesem Fall wird<br />

auch von Kinderpornografie ausgegangen.<br />

(fsm, 2010)<br />

In diesen Ausführungen finden wir die von Zillmann beschriebenen Probleme: Auf<br />

Werthaltungen und / oder impliziten Vorannahmen über die Funktion beruhende<br />

Definitionen. Es wird von einem „objektiven Gehalt“ und der „Art der<br />

Darstellung“ gesprochen; diese Beurteilung erfolgt jedoch wiederum durch eine<br />

oder mehrere Person/en und erhält somit subjektiven Charakter. Eine Möglichkeit<br />

besteht darin, die subjektive Definition als solche zu benennen ebenso wie die<br />

Haltung gegenüber der Thematik Pornografie. Dies tut beispielsweise Alice<br />

Schwarzer, die sich wie folgt äussert: „Reden wir also darüber, was eine<br />

Feministin wie ich unter Pornografie versteht. Mit Erotik oder Nacktheit hat das<br />

wenig zu tun (auch wenn es oft schwer zu trennen ist). Pornografie ist zu<br />

erkenne an der Verknüpfung von Lust auf Sex mit Lust auf Erniedrigung und<br />

Gewalt“ (Schwarzer, 2000, S. 126). So sieht das auch Dines, wenn sie davon<br />

spricht, dass es in pornografischem Sex nicht darum gehe Liebe zu machen,<br />

sondern darum dass der Mann der Frau Hass entgegenbringe (Dines, 2010, S.<br />

xxiv). Ihr Verständnis von Pornografie bezieht sich nach eigenen Aussagen<br />

hauptsächlich auf „gonzo“ 13 ; dieses Genre beinhaltet nach Dines Ansicht<br />

Hardcore- und Gewaltszenen, in denen Frauen degradiert und gedemütigt<br />

werden (Dines, 2010, S. xi).<br />

Zur Schwierigkeit im Umgang mit der Sprache und dem Begriff der Pornografie<br />

äussert sich auch Nussbaum dahingehend, dass beschreibend kommuniziert<br />

werden sollte, wenn sie wie folgt ausführt:<br />

„Schon per Definition ist Pornografie durch die häufige Verknüpfung mit dem<br />

Aspekt des Obszönen ein stark wertgeleiteter Begriff, was in Diskussionen um<br />

Pornografie zu ungenauen, missverständlichen Begriffsverwendungen führt.<br />

13<br />

Pornografischer Film ohne jegliche Rahmenhandlung, der ausschliesslich und<br />

unmittelbar sexuellen Verkehr in jeglicher Form zeigt (vgl. Dines, 2010; Gernert, 2010),<br />

durch Gespräche mit Jugendlichen während den Praktika sowie durch eigene Recherche<br />

über die Pornoclipplattformen (youporn.com u.ä.) überprüft.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 25


(…) Nicht alles, was Jugendliche (und auch Erwachsene) als pornografisch<br />

bezeichnen, entspricht denn auch tatsächlich etwas Pornografischem.<br />

Vorteilhafter wäre deshalb ein sorgfältiger Umgang mit dem Begriff der<br />

Pornografie, wobei besser über konkrete (pornografische) Inhalte anstatt<br />

unklarer Ausdrücke gesprochen würde. Nur so wird es möglich sein, dass sich<br />

sowohl Erwachsene wie auch Jugendliche differenziert und klar ausdrücken,<br />

um eine inhaltliche, sachliche Diskussion zu führen“ (Nussbaum, 2009, S.<br />

12).<br />

Diese Aussagen Nussbaums weisen auf die bereits betonte Schwierigkeit der<br />

Gegenstandsklärung hin. Gleichzeitig stellt und dieser Zugang vor neue<br />

Probleme: Es bleibt offen, wer schliesslich die Definitionsmacht inne hat, Inhalte<br />

als pornografisch, beziehungsweise nicht-pornografisch zu bezeichnen. Es stellt<br />

sich auch die Frage der Tauglichkeit dieses Zuganges in der Gesprächs- und<br />

Beratungssituation. Der mit diesem Zugang verbundene hohe Anspruch bezüglich<br />

differenzierter Artikulation stellt eine zusätzliche Hürde dar. Die Voraussetzung,<br />

dass Jugendliche und beispielsweise deren Eltern (wenn von Erwachsenen die<br />

Rede ist) sich „differenziert und klar ausdrücken, um eine inhaltliche, sachliche<br />

Diskussion zu führen“, scheint wenig realitäts-, respektive lebensweltorientiert<br />

und damit im alltäglichen Zugang kaum praktikabel; ein solcher Umgang könnte<br />

bestenfalls als Fernziel angestrebt werden. Die Konzentration auf konkrete<br />

Inhalte führt uns wiederum zu einem beschreibenden Zugang, der letztlich im<br />

Gespräch, jedoch kaum über eine vorgängige, eng gefasste Definition erfolgen<br />

kann.<br />

Für den Rahmen dieser Arbeit stellen sich uns folgende Probleme:<br />

• Die verschiedenen zitierten AutorInnen und/oder Studienergebnisse<br />

vertreten subjektive Definitionen von Pornografie.<br />

• Einige zitierte AutorInnen und/oder Studienergebnisse äussern sich nicht<br />

zu konkreten Definitionen von Pornografie.<br />

• Im schweizerischen (straf)rechtlichen Verständnis ist eine spezifische<br />

Definition zu berücksichtigen 14 .<br />

14 Auf die rechtliche Definition von Pornografie in der Schweiz wird in einem separaten<br />

Abschnitt dieser Arbeit eingegangen.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 26


5.2 PORNOGRAFIEN – DIVERSIFIKATION DES MATERIALS<br />

Gernert betont die vielfältigen und äusserst unterschiedlichen Angebote und<br />

spricht daher vom Plural, also „Pornografien“ (Gernert, 2010, S. 79). Da<br />

Internetinhalte aber immer nur einen oder wenige Klicks entfernt sind, ist der<br />

Zugriff auf diese Vielfalt jederzeit ohne weiteres möglich. Viele Plattformen wie<br />

beispielsweise „youporn“, „redtube“, „tube8“, „xnxx“, „89“ präsentieren<br />

kategorisierte Übersichtsgalerien 15 (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz,<br />

Schröder, 2005, S. 39), von welchen aus dann auf Links zu Bilder und<br />

Filmszenen zugegriffen werden kann. Auch besteht die Gefahr mit Inhalten in<br />

Kontakt zu geraten, die nicht explizit gesucht wurden. Was mit anfänglicher<br />

Neugier und Interesse an detaillierter Darstellung sexueller Praxis zwischen<br />

gleichwertigen Beteiligten begonnen haben könnte, kann im schlimmsten Fall zur<br />

ungewollten Konfrontation mit erschreckendem und illegalem pornografischem<br />

Material im Internet führen. Dabei sind der Abgründigkeit tatsächlich keine<br />

Grenzen gesetzt: Pornografie mit Exkrementen, inzestuöse Handlungen,<br />

Tierschändung (Sodomie, Zoophilie), Kindern (Pädophilie), Erniedrigung und<br />

Gewalt (ohne oder ohne sichtbare Zustimmung aller Beteiligter, Viktimisierung),<br />

Mord („Snuff“), postmortale Schändung/Störung des Totenfriedens (Nekrophilie).<br />

Im legalen Bereich gilt der Grundsatz der <strong>Wirtschaft</strong>sfreiheit und die<br />

Pornoindustrie ist mächtig. Dementsprechend werden auch aggressiv<br />

„Neukunden geworben“, unter anderem mit „kostenlosen Muster“, die über<br />

Seiten wie youtube, youporn, freesix 16 und dergleichen angeboten werden. Auch<br />

die legalen Inhalte zeigen längst nicht mehr „nur“ diverse Vorspiele, Oral-,<br />

Vaginal- und Analverkehr zwischen zwei Akteuren; gefragt sind „Gonzos“, in<br />

denen jegliche Rahmenhandlung fehlt und ausschliesslich und unmittelbar<br />

sexueller Verkehr in jeglicher Form gezeigt wird. Es bilden sich immer wieder<br />

neue Trends wie beispielsweise „gang bang“-Szenen, in denen unterschiedlich<br />

viele männliche Akteure gleichzeitig oder in kurzer Abfolge mit derselben Frau<br />

auf verschiedenste Art und Weise sexuell verkehren. Ein anderer Trend ist das<br />

„gagging“, bei dem männliche Akteure den Penis beim Oralverkehr so tief und<br />

fest in den Rachen und Hals der weiblichen Darstellerinnen stecken, dass diese<br />

würgen, husten und/oder sich übergeben. Die Darstellungen wirken auch dann<br />

gewaltsam, wenn eine Akteurin einwilligt und mit der Technik vertraut ist, weil<br />

15 Kurzworte wie „anal“, „bizarr“, „teen“, etc. werden zur Kennzeichnung verwendet.<br />

16 Diese Plattform wurde mittlerweile aufgehoben. Sie bot unter vielem anderem auch<br />

Tierpornografie an.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 27


der Würgreflex nur bis zu einem gewissen Mass unterdrückt werden kann und<br />

soll (!); Darstellerinnen beginnen zu speicheln und nach Atem zu ringen, das<br />

Make-Up läuft ihnen durch den angeregten Tränenfluss über das Gesicht 17 . Wir<br />

belassen es an dieser Stelle bei den genannten Beispielen, obschon es den<br />

Pornoproduzenten diesbezüglich nicht an „Kreativität“ fehlt (vgl. Dines, 2010;<br />

Gernert, 2010, durch Gespräche mit Jugendlichen während den Praktika sowie<br />

durch eigene Recherche über die Pornoclipplattformen (youporn.com u.ä.)<br />

überprüft.). Angesichts solcher Trends scheinen die Haltungen einiger<br />

Feministinnen wie Schwarzer und Dworkin, so Gernert, dass es in Pornografie<br />

explizit um Macht und Erniedrigung gehe, nachvollziehbar. Gernert zählt zur<br />

Anschauung die wiederholt benutzten Begriffe 18 zur Anpreisung vieler Clips auf<br />

Pornografieplattformen auf: Frauen würden „gedemütigt“, „geschändet“ oder<br />

„vernichtet“ werden (Gernert, 2010, S. 121). Schwarzer selbst formuliert ihr<br />

Pornografieverständnis so: „Pornografie ist zu erkennen an der Verknüpfung von<br />

Lust auf Sex mit Lust auf Erniedrigung und Gewalt.“ (Schwarzer, 2000, S. 126).<br />

Schwarzer kritisiert aber in diesem Zusammenhang nicht die Szenen eines Films,<br />

sondern Fotos, die als kunstvolles Gut in Museen gastiert oder aber von<br />

Modefotografen geschossen wurden.<br />

5.3 PORNO CHIC - BILDER IN UND AUS DER PORNOGRAFIE<br />

5.3.1 BEGRIFFSKLÄRUNG<br />

Das führt uns zu einem weiteren Phänomen im Zusammenhang mit Pornografie:<br />

Die Welle des sogenannten „Porno Chics“ 19 . Gernert verortet den Begriff beim<br />

britischen Medienwissenschaftler Brian McNair, dessen Ausführungen den Einzug<br />

der Pornokultur in die Popkultur seit Anfang der Neunzigerjahre aufzeigen (vgl.<br />

Gernert, 2010, S. 150-151). Mittlerweile kann von einer partiellen<br />

pornografischen Kolonialisierung der Lebenswelten Jugendlicher gesprochen<br />

werden. Der Begriff „porno“ in der Verwendung als Wertadjektiv ist für viele<br />

Jugendliche gleichbedeutend geworden mit „anziehend, attraktiv“, aber auch<br />

„eklig“ und spiegelt damit die Ambivalenz der Empfindungen in Bezug auf<br />

Pornografie wider (vgl. Gernert, 2010, S. 171, 199). Der Porno Chic wird von<br />

17 An diversen Stellen auch beschrieben von Dines und Gernert, z.B. (Dines, 2010, S.<br />

xviii) und (Gernert, 2010, S. 79-80).<br />

18 Vor allem werden englische Begriffe wie „humiliate“, „disgrace“ sowie „destroy“<br />

verwendet.<br />

19 In Dines „Pornland“ ist diesem Phänomen unter dem Titel „Pop Goes the Porn Culture –<br />

Mainstreaming Porn“ ein ganzes Kapitel gewidmet (Dines, 2010, S. 25-46).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 28


etlichen Prominenten, wie DesignerInnen, FotografInnen und KünstlerInnen,<br />

Models, MusikerInnen, SchauspielerInnen und anderen mehr zelebriert. In ihrer<br />

Rolle als bewunderte Vorbilder prägen auch sie jugendliche Lebenswelten mit<br />

Körperkult, Styling, Songtexten, Performances oder dem Bekanntwerden<br />

pikanter Details aus ihrem Privatleben. Körper werden komplett rasiert oder<br />

epiliert und manipuliert. Total „en vogue“ sind Plateau-Stilettos 20 , wie sie sehr<br />

häufig in pornografischen Darstellungen zu sehen sind. Frauenarzt, Lady Bitch<br />

Ray 21 , Lady GaGa, Orgi, Rammstein und Sido sind einige Beispiele aktuell sehr<br />

beliebter MusikerInnen, die ohne Umschweife dem Porno Chic huldigen 22 . Für<br />

SchauspielerInnen war es früher peinlich, wenn im Laufe ihrer Karriere bekannt<br />

wurde, dass sie mal in einem Pornofilm mitgespielt haben; heute kurbelt ein<br />

bisschen „porno“ 23 die Karriere zusätzlich an. Für Dines personifiziert<br />

Radiomoderator Howard Stern 24 „(…) the porn culture wie live in, and for this he<br />

is well rewarded; in 2006 he was the second-highest paid celebrity in the world,<br />

with an income of $ 302 million.“ (Dines, 2010, S. 45-46).<br />

5.3.2 DIE BESONDERE BETONUNG DER FRAU<br />

Wir gehen auf das Frauenbild in pornografischem Material speziell ein, weil<br />

Frauen, respektive Darstellungen von Frauen oft anders verwendet werden als<br />

die von Männern. Gemeint sind die spezifische Betonung des gesamten äusseren<br />

Erscheinungsbildes, sowie die Verobjektivierung der weiblichen Person in<br />

gewissen pornografischen Materialien. Von männlichen Darstellern ist oftmals<br />

lediglich der erigierte Penis in irgendeiner Form sexueller Handlungen zu sehen;<br />

der restliche Körper, insbesondere aber das Gesicht wird nicht selten gar nicht<br />

gezeigt. Dadurch wirken männliche Pornodarsteller anonymer, distanzierter und<br />

gewisser Weise auch weniger „zur Schau gestellt“. Die Austauschbarkeit ist<br />

20 Damenschuh mit extrem hohem Absatz hinten und Erhöhung im vorderen Fussbereich.<br />

21 Lady Bitch Ray versteht sich selbst als Emanze; zusammen mit anderen weiblichen<br />

Prominenten wie beispielsweise Charlotte Roche, aber auch vielen anderen mehr, will sie<br />

als moderne, sexy Feministin verstanden werden (vgl. Gernert, 2010, S. 187).<br />

22 Neu an diesem Phänomen ist eher die Verbreitung und das Ausmass, denn auch ein<br />

Frank Zappa oder eine Madonna verbanden/verbinden ihre Musik mit pornografischen<br />

Elementen. Rapper wie Ice-T und Snoop „Doggy“ Dogg sind längst selbst im<br />

Pornobusiness tätig. Der von Snoop erschaffene „Pimp-Style“ beeinflusst auch heute<br />

noch viele Rapper, die sich wie Nobelzuhälter zurechtmachen (vgl. Gernert, 2010, S.<br />

115).<br />

23 Einerseits durch „zufällig“ publik gewordene Heimvideos oder auch die Übernahme<br />

einer entsprechenden Rolle in der Verfilmung des Lebens eines Pornostars.<br />

24 Howard Stern ist bekannt für höchst provokative Radiomoderation, Intermezzi mit<br />

Pornostars während laufender Sendungen, etc. Sein Werdegang wurde sogar verfilmt:<br />

http://www.imdb.com/title/tt0119951/<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 29


sowohl bei männlichen, als auch bei weiblichen Pornodarstellenden gegeben (vgl.<br />

Dines, 2010, S. xxiv). Die „Gesichtslosigkeit“ der Männer kann aber noch<br />

spezifischer erklärt werden: Ein möglicher Grund dafür kann der grosse Anteil<br />

des pornografischen Materials von Männern für Männer sein:<br />

„Er (der männliche Konsument) kann sich als Subjekt in dem dargestellten<br />

Szenario selbst verorten, kann auch über die Objekte, die als aktiv Handelnde<br />

dargestellt werden, verfügen. Da die Objekte meist Frauen sind, wird das<br />

Muster der Beherrschung von Frauen sichtbar. Der männliche Konsument<br />

gewinnt Macht über die weiblichen Darsteller.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk,<br />

Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 313).<br />

Während die Gesichter der Frauen oft vom Stöhnen und Schreien zeugen, so<br />

zeigen die Gesichter der Männer ebenso oft kaum (Er-)Regung (vgl. Dines, 2010,<br />

S. xxiv); auch das könnte als Darstellung der Überlegenheit und Bewahrung der<br />

Kontrolle des Geschehens durch den männlichen Darsteller gedeutet werden.<br />

Ähnlich muss der von Gernert interviewte jugendliche Ric das sehen, wenn er<br />

sagt: „Das Geile an Gangbang (ist), dass die Frau einfach nur Mittel zum Zweck<br />

ist“. Auf die Frage, ob das denn in Ordnung gehe, meint Ric: „Joa“ und doppelt<br />

auf die nächste Frage, wie das mit Mädchen, die er selbst treffe sei, wie folgt<br />

nach: „Die sind ja sowieso alles nur Schlampen, die meisten“ (Gernert, 2010, S.<br />

96). Angesichts solcher Äusserungen eines Jugendlichen könnte man versucht<br />

sein, die oft spürbare Aufgeregtheit und Besorgnis in der Diskussion über<br />

mögliche Auswirkungen jugendlichen Pornografiekonsums, zu teilen. Aber dabei<br />

ginge vergessen, dass nicht eine Mehrheit Jugendlicher so spricht und/oder auch<br />

denkt. Auch würde ein ebenso einfacher wie falscher Weg der monokausalen<br />

Erklärung beschritten. Klärung trotz Komplexität und Multikausalität des<br />

Phänomens scheint uns Böhnischs Zugang zu schaffen:<br />

„So filtern sich Jugendliche aus Filmen oder anderen medialen Darstellungen<br />

das heraus, was ihren Schlüsselproblemen der Pubertät und des<br />

Erwachsenwerdens entgegenkommt. Dazu gehört bei Jungen die Suche nach<br />

männlicher Geschlechteridentität. Diese Suche ist gespalten. Sie schwankt –<br />

gerade im Verhältnis zu Mädchen und Frauen – zwischen Überlegenheits- und<br />

Unterlegenheitsgefühlen, zwischen Abwertung und Anziehung (…). Diese<br />

Spaltung setzt sich auch in den Lebensbereichen fort: Während die Jungen<br />

und junge Männer in den Cliquen sexistisch protzen – vor allem auch mit<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 30


pornographischem Hintergrund – zeigen die meisten von ihnen gleichzeitig<br />

grossen Respekt ‚ihren‘ Mädchen und Frauen gegenüber. (…) Alles, was in der<br />

sozialen Wirklichkeit für Männer so schwer geworden ist, weil nicht mehr<br />

selbstverständlich, scheint im Pornographiekonsum erreichbar: Die ständige<br />

Verfügung über männliche Potenz, der mühelose Zugang zu Frauen, die<br />

Realisierung all jener sexuellen Männerstereotype, die unter Männern<br />

kursieren, aber durchaus auch von Frauen signalisiert werden. Das<br />

skandalisierte Bild der Abwertung und Benutzung der Frau, welche die Pornos<br />

vermitteln, ist dagegen äusserlich, bildet sich nicht so in den Tiefenstrukturen<br />

der Männer ab. Die Männerseele hat hier ihre eigenen Botschaften, die von<br />

der inneren Gespaltenheit des Mannes der Frau gegenüber bestimmt sind und<br />

den Pornographiekonsum zu einem Ereignis der Bedürftigkeit machen.“<br />

(Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 303-304)<br />

Auch scheint sich der Porno Chic insbesondere in der Freizeitgestaltung junger<br />

Frauen abzubilden: „pole dancing“ 25 wird als sexy Workout angepriesen und<br />

bringt auch gleich noch einen Tick Verruchtheit mit. Auch Gogo Dance, laut<br />

Migros Klubschule-Beschreibung eine „energiegeladene, körperbetonte und sehr<br />

sexy Tanzform“ scheint aktuell den Geschmacksnerv zu treffen (Klubschule<br />

Migros, 2010). Wollen Mädchen und Frauen durch das Erlernen solcher<br />

Fähigkeiten gefallen und werden damit im weitesten Sinne zu Opfern der Folgen<br />

des vermehrten und verbreiteten Pornografiekonsums? Oder haben sie um ihrer<br />

selbst willen Lust dazu? Die Meinungen gehen auseinander: Laut Gernert reicht<br />

die Bandbreite von einer Rosalind Gill, Geschlechtertheoretikerin, die eine „neue<br />

Weiblichkeit“ zu erkennen glaubt, bis zu einer Ariel Levy, Journalistin, die<br />

pornochicbefürwortende Frauen als „Female Chauvinist Pigs“ bezeichnet<br />

(Gernert, 2010, S. 156-157). Weiter erwähnt Gernert in diesem Zusammenhang<br />

einen Bericht der American Psychological Association von 2007 zur<br />

Sexualisierung von Mädchen: „Der männliche Blick, stellt die<br />

Psychologievereinigung fest, bestimme die Sicht auf Frauen in Musikvideos, in<br />

Filmen, in der Sportberichterstattung, in der Werbung und in Magazinen“<br />

(Gernert, 2010, S. 169). Böhnisch sieht das etwas anders. Er spricht Frauen eine<br />

aktive Rolle zu und erwähnt in diesem Zusammenhang den wachsenden<br />

25 Tanztechnik an der Stange, wie sie in Stripclubs praktiziert wird.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 31


Frauenpornografie-Markt 26 an, der sich vom gängigen Pornografiemarkt abhebe,<br />

indem beispielsweise „auf wiederkehrende Choreographien sexueller Stellungen“<br />

(Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 302) verzichtet<br />

werde. Allerdings muss an dieser Stelle nochmals konstatiert werden, dass es<br />

sich beim Löwenanteil der verbreiteten und frei zugänglichen Pornografie eben<br />

gerade nicht um solches Material handelt. Und auch die transportierten Bilder,<br />

also der Porno Chic im Alltag, spiegelt nicht ein emanzipiertes Frauenbild wider.<br />

5.3.3 HEILIGE ODER HURE – KONFLIKT FÜR BEIDE GESCHLECHTER<br />

Ein Konflikt, der beiderlei Geschlechtern zu schaffen macht, beschreibt Gernert<br />

als den „uralten Gegensatz: Heilige versus Hure“ als „Drahtseilakt“, als „extrem<br />

schmalen Grat“, auf dem Mädchen wandeln müssen. Man könnte meinen, dass<br />

die oft erwähnte gesteigerte Gelassenheit im Umgang mit Sexualität mithelfen<br />

würde, diesen Gegensatz zu nivellieren. Paradoxerweise scheint gerade durch<br />

das vorherrschend transportierte Bild der Frau in der Pornografie dies nicht der<br />

Fall zu sein (Gernert, 2010, S. 185). Sexuell begehrt werden verachtete Frauen,<br />

geliebt hingegen Mutterbilder. Engelfried zitiert dazu Gambaroff, 1990:<br />

„Die „inzestuöse Bindung des Mannes an seine Mutter“ führt „zu einer<br />

Desexualisierung seiner Beziehungen zu geliebten Frauen, die ähnlich wie die<br />

Mutter, idealisiert, aber nicht begehrt werden dürfen.“ (…) Es ist dem Mann<br />

nicht gelungen, den zuvor benannten Konflikt positiv zu bewältigen. (…)<br />

Vernachlässigt und somit tabuisiert wird folglich der dringend notwendige<br />

Blick auf die Bedeutung des Vaters 27 bzw. anderer männlicher<br />

Bezugspersonen, für die Aneignung von Männlichkeiten und den Umgang mit<br />

Mädchen und Frauen. (…) Pornografie birgt die Möglichkeit in sich (…)<br />

Unterlegenheitsgefühle, die z.B. in der Auseinandersetzung mit der Mutter<br />

und dem Vater entstanden sind, durch die Projektion auf zu Objekten<br />

gemachten Frauen zu verdrängen.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann,<br />

Lenz, Schröder, 2005, S. 314-317)<br />

Pornografie wird in Bezug auf dieses Doppelbild der Frau also nicht als ursächlich<br />

für die Entstehung, sondern eher als eine Art Ventil, Bewältigungsform<br />

26 Frauen produzieren Pornografie für Frauen. In Anlehnung an Schwarzers „PorNo“-<br />

Kampagne werden unter dem Motto „PorYes“ feministische Sexfilme befürwortet (vgl.<br />

Gernert, 2010, S. 187).<br />

27 In diesem Zusammenhang ist das interessante Fallbeispiel von einem Jungen namens<br />

„Ric“ in Gernert zu finden (Gernert, 2010, S. 95ff).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 32


eschrieben. Dass dabei von „Projektion“ und „verdrängen“ gesprochen wird,<br />

zeugt allerdings nicht von einer möglichen Lösung des Konflikts. Wird Pornografie<br />

als eine Art parasoziales Medium (vgl. Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann,<br />

Lenz, Schröder, 2005, S. 304) verstanden, wie Engelfried dies tut, werden<br />

Zusammenhänge zu direkten sozialen Interaktionen sichtbar: So zitiert<br />

Engelfried Menzel, 1993 und stellt die „Offensivkraft weiblicher<br />

Selbstbestimmung“ der „Pazifizierung männlicher Sexualität“ gegenüber. Sie<br />

erläutert Menzels Sicht wie folgt: „Nach Menzel birgt folglich das Herausfiltern<br />

des aggressiven Moments aus der Partnerschaft die Gefahr, dass Jungen und<br />

Männer diese Seiten z.B. in der Pornografie oder durch sexuelle Gewalt<br />

ausleben.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S.<br />

324). Selbst in der Produktionsszene der Pornografie scheint es kritische<br />

Stimmen zu aktuellen Entwicklungen zu geben. So leide der Wert der Frau nach<br />

Produzent, Darsteller und Regisseur Lars Rutschmann bei und durch die<br />

Karrieren der Pornodarstellerinnen. Er hält insbesondere das Genre „Gangbang“<br />

für problematisch: Diverse Internetseiten würden Männer zu Drehs mit „AO-<br />

Nutten“ („Alles ohne“ – kein Kondom) einladen, wodurch Freier zu Darstellern<br />

würden. Laut Psychologie Dolf Zillmann könne auch die Wertschätzung der<br />

Ehefrau unter dem Pornografiekonsum des Ehemannes leiden; nämlich dann,<br />

„wenn der Mann vor lauter sexgeilen Pornoflittchen die eigene Partnerin<br />

übersehe“ (Gernert, 2010, S. 98-99).<br />

5.4 GESELLSCHAFTLICHE DIMENSION<br />

5.4.1 DISKUSSION – EMOTIONEN VS. SACHLICHKEIT<br />

Die gesellschaftliche Debatte zur „Generation Porno“ verläuft sehr emotional:<br />

Rasch ist von Verboten die Rede, vom Staat werden Massnahmen zum<br />

Jugendschutz gefordert. Gernert erklärt Reporter Walter Wüllenweber („Stern“-<br />

Artikel „Voll Porno“) sowie Bernd Siggelkow (Buchautor 28 und Betreiber der<br />

freikirchlichen Institution „Arche“ 29 ) als wesentlich mitverantwortlich für das<br />

Schüren der hitzigen Diskussion. Kritik äussert Gernert 30 insbesondere<br />

gegenüber Siggelkow, der unter anderen auch Spendengelder vom Porno-Rapper<br />

„Frauenarzt“ annimmt. Siggelkow und sein Umfeld seien stark von christlichen<br />

28 Unter anderen „Deutschlands sexuelle Tragödie“ vom Herbst 2008<br />

29 Eine Art Kinder- und Jugendhilfswerk<br />

30 U.a. Gunter Schmidt kritisiert Siggelkows Sichtweise und bezeichnet diese als<br />

undifferenziert.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 33


Werten geprägt und streben denn auch nach entsprechenden Idealen. Trotz oder<br />

gerade wegen ihrer grossen Empörung, weigern sich viele Erwachsene, eine<br />

detailliertere Auseinandersetzung mit der Materie anzustreben. Gernert beruft<br />

sich auf Aussagen von Faulstich und Schmidt, wenn er ausführt, dass oftmals<br />

lieber Vorurteile weitergepflegt werden, weil Gefühle wie Scham, Ärger und<br />

Angst das Denken und Handeln leiten (Gernert, 2010, S. 14, 17-22). Das<br />

Phänomen jugendlichen Pornografiekonsums mag ein neueres sein, nicht aber<br />

der gesellschaftliche Umgang mit Veränderungen und Entwicklungen des<br />

Sexuellen: Bereits in der 1920er Jahren war die Gefahr der „sittlichen<br />

Verwahrlosung“ der modernen Jugend das pädagogische Thema der Zeit, das<br />

zwischen den sich gegenüberstehenden Entwicklungen einer sexuellen<br />

Liberalisierung, beziehungsweise einer Verstärkung der Moralkontrolle diskutiert<br />

wurde (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 56-57).<br />

Anhand dieses Rückblicks wird offensichtlich, dass „sexuelle Verwahrlosung“<br />

historisch betrachtet ein relativer und wertender Begriff ist, der sich stets an den<br />

Normen orientiert, die 1. gesellschaftlich gültig und 2. durch die sich äussernde<br />

Person vertreten werden. Gernert hält es ohnehin für passender von „sexueller<br />

Verunsicherung“ zu sprechen und meint damit eine denkbare Auswirkung<br />

jugendlichen Pornografiekonsums auf das sexuelle Empfinden Heranwachsender<br />

(Gernert, 2010, S. 86-87). Auf diesen und weitere Aspekte wird an anderer<br />

Stelle in dieser Arbeit näher eingegangen. Zurück zu den gesellschaftlichen<br />

Ängsten: Die Redewendung „monkey see, monkey do“ benutzt Gernert, um<br />

vereinfacht auszudrücken, welche Befürchtungen mit jugendlichem<br />

Pornografiekonsum verknüpft sind; es handle sich dabei um die „Pornopanik“ des<br />

21. Jahrhunderts. Dass diese aufgeregte und pessimistische Haltung wenig<br />

hilfreich ist, leuchtet ein. Gernert bezieht sich auf Schmidt, der „Disziplin und<br />

Gelassenheit“ als notwendig erachte, (…) um die Dinge wissenschaftlich genau zu<br />

untersuchen“. Fehlen diese Voraussetzungen, so besteht die Gefahr,<br />

irgendwelchen Spekulationen über Ursache-Wirkungszusammenhängen<br />

aufzusitzen (Gernert, 2010, S. 71-72). Die frühere Masturbationspanik kehrt im<br />

Pornografie-Gewand zurück: Sexualaufklärer Oswalt Kolle fürchtet eine<br />

„Masturbationsgesellschaft“, in der hauptsächlich virtuelle Sexualität gelebt<br />

würde. Eine andere Befürchtung ist die fehlende Verknüpfung von Sexualität und<br />

Liebe (Gernert, 2010, S. 11-12, 140). Die für wissenschaftliche Untersuchungen<br />

nötige Haltung kann kaum von einer Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 34


eingefordert werden; im Gegenzug kann aber die Wissenschaft mittels<br />

Erkenntnissen Aufklärungsarbeit leisten.<br />

5.4.2 MEINUNGSBILDUNG: DIE ROLLE DER MEDIEN<br />

Die Frage nach der gesellschaftlichen Meinungsbildung kennt keine einfache<br />

Antwort. Zweifellos spielen aber die Medien eine Rolle in diesem Prozess. Ein<br />

Phänomen wie das des jugendlichen Pornografiekonsums wird unter anderem<br />

durch Bekanntmachung der Medien breiten Teilen der Gesellschaft überhaupt<br />

bekannt und in dieser Form wahrnehmbar. Verschiedenste Akteure der Medien<br />

berichten in unterschiedlicher Weise und erreichen differente<br />

Gesellschaftsmitglieder, deren Meinungsbildung wiederum von vielen weiteren<br />

Faktoren abhängt. Wie steht es nun aber um die Rolle der Medien im konkreten<br />

Bezug auf jugendlichen Pornografiekonsum? Lautmann führt wie folgt aus: „Auf<br />

gesellschaftlicher Ebene werden allerlei Veränderungen – am häufigsten: die<br />

Medien – benannt und angeklagt. Das Stichwort ‚Medien‘ liefert den Einstieg zu<br />

überzeugenden Antworten, nicht weil sie die Pluralisierung ‚verschuldet‘ hätten,<br />

sondern weil sie sie sichtbar machen.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann,<br />

Lenz, Schröder, 2005, S. 79). Dass bei dieser Sichtbarmachung aber teilweise<br />

bewusst auf Überzeichnung und plakative Darstellung gesetzt wird, ist nicht von<br />

der Hand zu weisen. Hipeli und Süss weisen darauf hin, dass aus strategischer<br />

Intention in den „Boulevardmedien“ ein überzogenes Bild Jugendlicher<br />

„gezeichnet wird". Dieses „folgt klassischen publizistischen Auswahlkriterien,<br />

wonach negative Schlagzeilen eine höhere Aufmerksamkeit der Rezipienten in<br />

Aussicht stellen“ (Hipeli & Süss, 2009, S. 53). Pfiffner nennt Medienstrategien<br />

nach Bosshard, 2005:<br />

• Skandalisierung<br />

• Personen<br />

• negative Ereignisse (…)<br />

• Bedeutsamkeit<br />

• Provokation / Überzeichnung<br />

(Pfiffner, 2008)<br />

Die Medien sind nicht lediglich Aufzeigende des Phänomens jugendlichen<br />

Pornografiekonsums, sondern gleichzeitig Beteiligte. Indem sie pornografisches<br />

Material verbreiten und allgemein zugänglich machen, werden sie zu<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 35


Mitgestaltenden gesellschaftlicher Entwicklungen. Dazu Lenz: „Als Reaktion auf<br />

die mediale Sexualisierung wurde Mitte der 1970er Jahre die Pornographie für<br />

Erwachsene freigegeben 31 .“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz,<br />

Schröder, 2005, S. 134). Insbesondere das Internet ist das Medium der Medien<br />

in Bezug auf Pornografie. Ein pointierter Exkurs zur Internet-Pornografie mit<br />

Böhnisch:<br />

„Mit dem digitalen, das heisst sozial entbetteten Medium des Netzes und der Möglichkeit,<br />

in ihm aktiv pornographisch zu agieren – im Kontrast zum Passivkonsum der Pornovideos<br />

– sind die Grenzen zwischen Verantwortung und Verantwortungslosigkeit nicht nur<br />

einfach weiter hinausgeschoben worden, sondern haben eine qualitative Verschiebung<br />

erfahren. Nun existieren zwei Welten nebeneinander und sind gleichzeitig in der<br />

Virtualität vereinbar. (…) Das virtuelle Netz und seine Abstraktionen entziehen sich der<br />

herkömmlichen Pornographiekritik. Denn in der Internet-Pornographie wirken ja<br />

dieselben Muster digitaler - sozial abstrakter – Vergesellschaftung und sozial entbetteter<br />

Legitimation, wie wir sie im neuen globalisierten Kapitalismus – der ja das Netz generiert<br />

und gleichzeitig von ihm lebt – antreffen. (…) Es (das Internet) zwingt geradezu zur<br />

Externalisierung. Es kennt keine Grenzen, nur ‚links‘; der Einzelne wähnt sich in der Mitte<br />

des Universums. Es ist eine unendliche Szene von Millionen Egozentrierten, die<br />

untereinander ohne sozialemotional riskante Empathie und antisoziales Abspaltungsrisiko<br />

in Kontakt kommen und sich lösen können, die andere nach ihren Wünschen nutzen,<br />

manipulieren und gebrauchen können, mit dem grundlegenden Unterschied, dass die<br />

Begriffe ‚nutzen‘, ‚gebrauchen‘, ‚manipulieren‘ ihre soziale Bindung verloren und damit<br />

ihren sozialethischen Sinn eingebüsst haben. (…) Hier gelte es alles auszuprobieren, was<br />

machbar sei, und da sei doch das Thema zweitrangig: Ob nun Pornographie, Kriegs- oder<br />

Börsenspiel, die Inhalte treten hinter diesem Prinzip zurück.“<br />

(Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 306-308)<br />

5.4.3 DER UMGANG MIT PORNOGRAFIE – EINE GENERATIONENFRAGE?<br />

Die Differenzen zwischen den Generationen widerspiegeln sich sowohl in der<br />

unterschiedlichen Medien-, insbesondere der Internetnutzung, als auch<br />

hinsichtlich der Sexualität, insbesondere des Umgangs mit Pornografie. Gernert<br />

formuliert wie folgt: „Die ‚Generation Porno‘, die vor allem eine ‚Generation<br />

Internet‘ ist, könnte den Vertretern der ‚Generation Schnurtelefon‘ den Weg auf<br />

die andere Seite der digitalen Kluft weisen. Aber wieso sollte sie?“ (Gernert,<br />

2010, S. 248). Es ist nicht im Interesse Jugendlicher, alles mit den Erwachsenen<br />

zu teilen; sie suchen nach Gegensätzen, Freiräumen und Gelegenheiten, sich<br />

abzugrenzen. Andererseits interessieren sich Jugendliche zunehmend für die<br />

Erwachsenenwelt. Im Gegenzug wollen Erwachsene zwar Bescheid wissen über<br />

das Tun und Lassen Jugendlicher, nicht aber alle eigenen Räume ihrer<br />

Lebenswelt zugänglich machen, beziehungsweise thematisieren. Existiert<br />

überhaupt eine „Generation Porno“? Laut Gernert könnte ebenso gut von einer<br />

31 Diese Angabe bezieht sich im entsprechenden Text auf Deutschland.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 36


„Generation iPod“, „Generation Internet“, „Generation Casting“ oder „Generation<br />

Alcopop“ gesprochen werden; es handle sich um eine Generation mit äusserst<br />

vielseitigem Medienumfeld und Konsumgewohnheiten, der Pauschalbegriffe nicht<br />

gerecht würden. Die Generation davor wurde von Journalisten als „Generation<br />

Fernsehen“ bezeichnet (Gernert, 2010, S. 11). Auch Hipeli und Süss äussern sich<br />

zur Generationen-Namengebung und beziehen sich auf Palfrey und Gasser, 2008,<br />

wenn sie von „digital natives“, eine weitere Bezeichnung, die im Trend liegt,<br />

sprechen (Hipeli & Süss, 2009, S. 49). Laut Hardinghaus und Krahe ist Pro<br />

Familia-Sozialpädagoge Michael Niggel der Meinung, dass es womöglich „das<br />

Zeitalter Porno“ gebe, nicht aber lediglich die „Generation Porno“ (Hardinghaus &<br />

Krahe, 2010, S. 7).<br />

5.4.4 GESELLSCHAFTLICHE VERÄNDERUNGSPROZESSE<br />

Die Jugend, deren Verhalten sowie Charakteristika von Jugendbewegungen<br />

können als Indikatoren für gesellschaftliche Entwicklung gesehen werden. Trifft<br />

dies auch auf den Umgang mit Pornografie zu? Und handelt es sich in diesem<br />

Falle hauptsächlich um ein jugendbezogenes Phänomen? Zillmann beschreibt<br />

Pornografie als „ein Element der so genannten sexuellen Revolution“, welches<br />

durch einen „Grossteil der westlichen Welt, insbesondere europäische Kulturen<br />

(…) stillschweigend hingenommen oder sogar offen begrüsst“ wurde (Charlton,<br />

Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 566). Dass sich verschiedene Themen<br />

aktueller gesellschaftlicher Veränderungen in den Bereichen Sexualität, Medien,<br />

Emanzipierung der Frau sowie Erfolgskultur miteinander verbinden und so zu<br />

neuen Zugängen führen, erläutert Böhnisch wie folgt:<br />

„Vor allem bei der Jugend, die in einer Gesellschaft mit öffentlicher Sexualität<br />

und Pornographie aufwächst, scheint sich diese Entwicklung abzuzeichnen.<br />

Pornographische Medien sind für Jungen und Mädchen längst kein Tabu mehr,<br />

vor allem haben sie ihre männliche Exklusivität verloren. Die Überlegenheits-<br />

/Unterlegenheitsthematik vermischt sich mit der neuen erfolgskulturellen<br />

Thematik des Gelingens oder Versagens.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk,<br />

Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 305)<br />

Was bedeutet das in Bezug auf die Möglichkeiten der Beeinflussung von<br />

Entwicklungsprozessen Jugendlicher im gesellschaftlichen Kontext? Schröder<br />

betont die Grenzen der Sexualaufklärung auf gesellschaftlicher Ebene; es gelte,<br />

die „begrenzte Reichweite (zu) akzeptieren und die interaktiven Prozesse nur von<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 37


den Rahmenbedingungen her (zu) begünstigen“. Wie Böhnisch weist Schröder<br />

aber auch darauf hin, dass sich die Verantwortlichkeiten verschoben haben und<br />

meint damit die auffällige „individuelle Verantwortung für ein Gelingen 32 von<br />

sexuellen Beziehungen.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder,<br />

2005, S. 353-354). Berger und Luckmann gehen so weit, dass sie missglückte<br />

Sozialisation (im Allgemeinen) in unmittelbare Verbindung mit dem „Phänomen<br />

des ‚Individualismus‘“ setzen (Berger & Luckmann, 2009, S. 182). Da Sexualität<br />

zweifelsohne ein Teil der Sozialisation darstellt, scheint sich diese Aussage mit<br />

den vorangehenden zu decken.<br />

Gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie die erwähnte Erfolgskultur sowie der<br />

Individualismus beeinflussen die Sozialisation. Es mag verschiedene Gründe für<br />

das Entstehen solcher Rahmenbedingungen geben. Welche Rolle dabei der<br />

<strong>Wirtschaft</strong> zukommt, wird im nächsten Abschnitt diskutiert.<br />

5.4.5 DIE WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DER PORNOGRAFIE<br />

Lautmann spricht von Mikroprozessen, respektive neuen Sexualformen.<br />

Allerdings scheinen seine Aussagen in Bezug auf Pornografie nicht ohne<br />

Bedenken geäussert: „Worin nun könnten die gesellschaftlichen Mikroprozesse<br />

bestehen, in denen sich die neuen Sexualformen etabliert haben? Sind es etwa<br />

die Initiativen von kommerziellen Unternehmen? (Im Bereich Pornografie und<br />

Prostitution gewiss (…).)“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz,<br />

Schröder, 2005, S. 82). Welchen Ursprungs ist die grosse Lust auf<br />

pornografisches Material? Und welche Regeln bestimmt die Beziehung zwischen<br />

Pornografie und <strong>Wirtschaft</strong>? Dass Angebot und Nachfrage in reziprokem<br />

Verhältnis stehen, steht ausser Frage. Trifft im Falle von pornografischem<br />

Material der wirtschaftliche Grundsatz zu, wonach die Nachfrage das Angebot<br />

bestimmt? Verschiedene Fachleute sehen den Ursprung des wirtschaftlichen<br />

Erfolgskurses der Pornografie in der sexuellen Revolution. So auch Funk und<br />

Lenz: „Vor allem als Begleiterscheinung zur sexuellen Revolution der 1960er<br />

Jahre entwickelte sich die Erstellung und der Vertrieb der Pornographie zu einem<br />

umsatzstarken <strong>Wirtschaft</strong>szweig (…) und dies führte nachhaltig zu einer<br />

Kommerzialisierung des Sex.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz,<br />

Schröder, 2005, S. 38). Von da an schien nichts und niemand den<br />

wirtschaftlichen Erfolgskurs der Pornografie mehr zu stoppen, stoppen zu wollen<br />

32 Diese Aussage impliziert aber auch ein potentielles individuelles Misslingen!<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 38


oder auch stoppen zu können. Indes scheinen sich moralische Zweifel an diesem<br />

üppigen Angebot zu halten, ja zunehmend zu verhärten. Wie kommt es zu solch<br />

sich entgegenstehenden Entwicklungen? Mit Doppelmoral alleine wäre weder eine<br />

wissenschaftlich redliche noch befriedigende Antwort gefunden. Vielmehr zeigt<br />

der Siegeszug der Pornografie auf, wie wirtschaftlich bedeutend gewordene<br />

Zweige Eigendynamik entwickeln. Böhnisch findet dafür klare Worte:<br />

„Der Sprung vom tabuisierten Hintertürartikel zum offenen und<br />

marktgängigen Markenprodukt vollzog sich innerhalb von fünfzehn Jahren in<br />

den 1980er und 1990er Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit der industriellen<br />

Vermarktung der Pornographie ist der moralische Konsens gegen ihre<br />

Verbreitung ausgehöhlt. Was marktöffentlich ist, liegt jenseits der Grenzen<br />

von gut und böse.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder,<br />

2005, S. 305)<br />

Dines bezeichnet Pornografieproduzenten als Architekten eines gigantischen und<br />

unkontrollierten gesellschaftlichen Experiments, deren Folgen zwar nach wie vor<br />

unklar, von der Autorin selbst aber vermutet, genannt und gefürchtet werden<br />

(Dines, 2010, S. x) Sie bringt es wie folgt auf den Punkt: „What turns these<br />

people on is making money“. (Dines, 2010, S. xvi). Dines betont, dass<br />

Pornografieproduzenten knallharte Geschäftsleute durch und durch sind und<br />

keineswegs eine Art sexuelle Revolutionäre, die für sexuelle Freiheit der<br />

Gesellschaft kämpfen. Ähnlich wie Böhnisch führt sie aus: „It needs to be<br />

understood as a business whose product evolves with a specifically capitalist<br />

logic“ (Dines, 2010, S. 46). Dines erläutert weiter die Macht des Pornobusiness,<br />

vergleicht dieses mit der Tabakindustrie und ist überzeugt davon, dass eben<br />

nicht die Nachfrage das Angebot bestimmt. Vielmehr schaffe die Pornoindustrie<br />

durch gezielte Marketingstrategien nicht nur ein Image, sondern eine Umgebung,<br />

in der sich die Produkte verkaufen lassen:<br />

As a major industry, the porn business does not just construct and sell a<br />

product; it constructs a world in which the product can be sold: the<br />

technologies, the business models, the enthusiastic consumers, the complaint<br />

performers, the tolerant laws, even the ideologies that proclaim porn to be<br />

the apogee of empowerment and liberation.“ (Dines, 2010, S. 46).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 39


Einzelne Pornografieproduzenten leiden am Erfolg der Pornoindustrie: Die<br />

Massenverbreitung mit ungehindertem und kostenlosen Zugang über Internet<br />

schadet dem Business mittlerweile sogar (Dines, 2010, S. xvii). Dines hält<br />

verlässliche Zahlenangaben für schwierig zu finden, nennt aber dennoch<br />

eindrückliche Schätzungen, um eine Vorstellung des Businessumfanges zu<br />

vermitteln: „(…) the global industry has been estimated to be worth around $96<br />

billion in 2006 (…) pornography revenues rival those of all the major Hollywood<br />

studios combined. There are 420 million Internet porn pages, 4.2 million porn<br />

Web sites, and 68 million search engine requests for porn daily“ (Dines, 2010, S.<br />

47). Um insbesondere die Grösse der Pornoindustrie im Internet aufzuzeigen,<br />

nennt auch Vogel nennt Zahlen nach Renner, 2004: „Die Anzahl erotischer und<br />

pornographischer Internetseiten ist in den letzten sechs Jahren um 1800% auf<br />

260 Millionen Einzelseiten bzw. auf 1,3 Millionen Websites gestiegen.“ (Groeben,<br />

Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 449).<br />

Auch für das Pornobusiness gilt die rechtlich festgehaltene <strong>Wirtschaft</strong>sfreiheit.<br />

Dieser sind allerdings auch gewisse Grenzen gesetzt.<br />

5.5 RECHT<br />

5.5.1 TATBESTAND, TATOBJEKTE UND TÄTERINNEN<br />

Im Basler Kommentar wird Justice Potter Stewart, US Supreme Court Jacobellis<br />

vs. Ohio, 1964 zitiert: „I may not be able to define pornography; but I know it<br />

when I see it.“ (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1192). Schweizer Recht definiert<br />

den Begriff der Pornografie nicht im eigentlichen Sinne. Zwar wird eine<br />

Unterscheidung zwischen „weicher“ und „harter“ Pornographie gemacht, nicht<br />

aber klar bestimmt, was „der Begriff des Pornographischen selbst“ ist (Meng &<br />

Schwaibold, 2007, S. 1198). Laut Meng und Schwaibold werden „Darstellungen<br />

oder Darbietungen sexuellen Inhalts, „die sexuelles Verhalten aus seinen<br />

menschlichen Bezügen heraustrennen und dadurch vergröbern und aufdringlich<br />

wirken lassen“ (Botschaft, 1985, 1089) als pornografisch bezeichnet (Meng &<br />

Schwaibold, 2007, S. 1198). Weitere Indikatoren seien das Zeigen von „(…)<br />

Sexualität in fortschreitender Steigerung (…)“ sowie „die krasse und primitive<br />

Darstellung sexueller Akte (…) die jede andere Bedeutung vermissen lassen.“<br />

(Meng & Schwaibold, 2007, S. 1199). „Weiche Pornographie“ bewege sich<br />

zwischen Kunst und Erotika einerseits, „harter Pornographie“ andererseits;<br />

„tatbeständlich ist nur die krud vulgäre (…) Darstellung von auf sich selbst<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 40


eduzierter Sexualität, die den Menschen zum blossen Sexualobjekt erniedrigt<br />

(…) wie etwa das Aneinanderreihen sexueller Akte (…).“ (Meng & Schwaibold,<br />

2007, S. 1199). „Harte Pornografie“ sei daran zu erkennen, dass nebst dem<br />

beschriebenen „pornographischen Charakter einer Darstellung (…) der Einbezug<br />

von Kindern, Tieren, menschlichen Ausscheidungen (…) oder Gewalttätigkeiten“<br />

erfolge (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1200).<br />

Chen-Christen, Kunz und Levin beziehen sich auf die Angaben der Fachstelle für<br />

Aids- und Sexualfragen St. Gallen, 2003, wenn sie die folgenden Kriterien für die<br />

Definition von Pornografie im juristischen Sinne nennen:<br />

• Stimulierungsabsicht<br />

• Anstandsverletzung<br />

• Isolierung der Sexualität<br />

• Unrealistische Darstellung<br />

• Aufdringlichkeit<br />

• Degradierung des Menschen zum Objekt<br />

(Chen-Christen, Kunz, Levin, 2007, S. 7)<br />

Das Gesetz nennt folgende Tatobjekte:<br />

• Schriften<br />

• Ton- oder Bildaufnahmen<br />

• Abbildungen<br />

• andere Gegenstände solcher Art<br />

• pornographische Vorführungen<br />

(Meng & Schwaibold, 2007, S. 1202)<br />

Laut Gesetz komme „jedermann (…) als Täter in Frage“. Meng und Schwaibold<br />

weisen daraufhin, dass sich aufgrund dieser Abfassung bereits „(…) Kinder ab 10<br />

Jahren (…) strafbar machen“ können (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1198).<br />

5.5.2 ZUM STRAFGESETZBUCHARTIKEL UND DER ABSICHT DER GESETZGEBUNG<br />

Der einschlägige Artikel des schweizerischen Strafgesetzbuchs zu Pornografie<br />

lautet wie folgt:<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 41


Art. 197 33<br />

1. Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen,<br />

andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person<br />

unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio<br />

oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder<br />

Geldstrafe bestraft.<br />

2. Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1 öffentlich<br />

ausstellt oder zeigt oder sie sonst jemandem unaufgefordert anbietet, wird mit<br />

Busse bestraft. Wer die Besucher von Ausstellungen oder Vorführungen in<br />

geschlossenen Räumen im Voraus auf deren pornografischen Charakter hinweist,<br />

bleibt straflos.<br />

3. Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle<br />

Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder<br />

Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt,<br />

anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit<br />

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Gegenstände<br />

werden eingezogen.<br />

3 bis Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft,2 wer<br />

Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle Handlungen<br />

mit Kindern oder Tieren oder sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten zum<br />

Inhalt haben, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft<br />

oder besitzt. Die Gegenstände werden eingezogen.<br />

4. Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu<br />

drei Jahren oder Geldstrafe. Mit Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden.<br />

5. Gegenstände oder Vorführungen im Sinne der Ziffern 1–3 sind nicht<br />

pornografisch, wenn sie einen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen<br />

Wert haben.<br />

(Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2010)<br />

Meng und Schwaibold kommentieren die Absicht der Gesetzgebung dahingehend,<br />

dass es „in einem liberalen, aufgeklärten und säkularisierten Staat“ nicht<br />

33 Letztmalige Änderung im Jahre 2001 (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1196)<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 42


„Aufgabe des Strafrechts“ sein könne, „eine öffentliche Sittenmoral<br />

durchzusetzen“. Das „Bestimmtheitsgebot und die Besinnung auf die Funktion<br />

des Strafrechts als ultima ratio verlangen die klare Erkennbarkeit der durch eine<br />

Strafnorm geschützten Rechtsgüter und eine möglichst eindeutige Umschreibung<br />

der verbotenen Handlungen“. So sei es das Ziel der Revision des<br />

Sexualstrafrechts gewesen, „die zu schützenden Rechtsgüter – namentlich die<br />

sexuelle Integrität und Selbstbestimmung“ herauszuarbeiten. Ein Hauptziel sei<br />

„der (vorbeugende) Jugendschutz“, also „die ungestörte sexuelle Entwicklung<br />

von Kindern und Jugendlichen (…)“ (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1197).<br />

5.5.3 ANZEIGEPFLICHT IM STRAFVERFAHREN<br />

Kommen SozialarbeiterInnen mit Jugendlichen in Kontakt, die sich im Sinne des<br />

StGB-Artikels 197 strafbar machen, so stellt sich die Frage nach der<br />

Anzeigepflicht oder einer allfälligen Entbindung davon. Laut Angaben des okaj<br />

zürich sind „grundsätzlich (…) nur die Angestellten der Strafbehörden<br />

verpflichtet, Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben,<br />

anzuzeigen (Art. 302 StPO)“. Kantone sind aber befugt, Behörden und<br />

Angestellte des Kantons sowie der Gemeinden zur Anzeige ihnen bekannt<br />

gewordener strafbarer Handlungen zu verpflichten. Eine Beschränkung dieser<br />

Pflicht könnte allenfalls durch Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 168ff. StPO)<br />

erfolgen. Ebenso ist der Kanton in der Lage Einschränkungen für<br />

Anzeigeverpflichtete vorzusehen, deren berufliche Aufgabe das persönliche<br />

Vertrauensverhältnis zu Beteiligten, respektive deren Angehörigen voraussetzt.<br />

Hingegen müssen beispielsweise JugendarbeiterInnen im Dienste einer Gemeinde<br />

Straftaten anzeigen, die ihnen während ihrer Arbeitszeit bekannt werden, es sei<br />

denn, sie seien ausdrücklich von der kantonalen Anzeigepflicht befreit (okaj<br />

zürich. Dachverband der Jugendarbeit, 2010, S. 123).<br />

5.5.4 JUGENDSCHUTZ IM INTERNET<br />

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Gesetze finden auch auf Sachverhalte<br />

im Internet Anwendung.“ (KOBIK, 2007)<br />

Hipeli und Süss sind der Ansicht, es sei „klar die Aufgabe des<br />

Jugendmedienschutzes, Kinder und Jugendliche vor illegalen medialen Inhalten<br />

und nichtaltersgerechten Medieninhalten zu schützen“. Als Mittel nennen sie<br />

„gesetzliche Massnahmen und Verbote, Alterslimiten und –verifikationen,<br />

Selbstkontrollen der Anbieter sowie Filter-Software“. Dass diese<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 43


Schutzmassnahmen nicht richtig greifen sehen sie hauptsächlich in den „digitalen<br />

interaktiven Medien (…)“ begründet, da deren Kontrolle schwierig sei. Während<br />

also die „Erfolgsaussichten des Jugendmedienschutzes“ bezüglich Filmen im Kino<br />

und auf Video oder DVD und Fernsehen „noch am höchsten“ seien, so sehe dies<br />

bei Videospielen schon anders aus und finde seine Grenzen schliesslich in Bezug<br />

auf Internet und Mobiltelefone (Hipeli & Süss, 2009, S. 57-59). Gernert berichtet<br />

von seinem Austausch mit den Jugendschutzbeauftragten der Netzwerkplattform<br />

„SchülerVZ“. Diese seien mit „überwältigenden Datenmengen“ von Fotos, Mails<br />

und Links konfrontiert und damit „vor eine fast unlösbare Aufgabe“ gestellt<br />

(Gernert, 2010, S. 221). Auch Andreas Hauenstein, einem Mitgründer der<br />

„Lokalisten“ 34 , berichtet von riesigen Datenvolumen (3 Millionen Nachrichten, bis<br />

zu 250‘000 Fotos) sowie von weiteren Problemen wie datenschutzrechtliche<br />

Gründe und technische Machbarkeit. Da eine ganzheitliche Überprüfung<br />

„wirtschaftlich sinnvoll nicht zu leisten“ (Gernert, 2010, S. 221) sei, wird, wie bei<br />

vielen anderen Netzwerken auch, auf eine Art Selbstkontrolle über einen Button<br />

mit Meldefunktion gesetzt. Die Dringlichkeit einer genaueren Überprüfung eines<br />

Profils hängt beispielsweise mit der Häufigkeit der Meldungen zusammen; der<br />

nächste Schritt ist dann die detaillierte Überprüfung durch MitarbeiterInnen.<br />

Ohne weitere Ausführungen wird an dieser Stelle sichtbar, welchen Aufwand die<br />

Kontrolle solcher Netzwerkplattformen bedeutet. Im gleichen Moment muss<br />

bedacht werden, dass die Weitergabe, respektive das Versenden eines Links oder<br />

Fotos als solche gar nicht nötig sind: Im „wild wide web“ reicht die Eingabe eines<br />

Begriffs in eine Suchmaschine (und Ausschalten eines allfälligen<br />

Jugendschutzfilters), um binnen Sekunden über einen unwesentlichen Umweg an<br />

dasselbe Material zu gelangen. Die wesentliche Unterscheidung liegt in diesem<br />

Fall laut Gernert aber im Umstand begründet, ob Jugendliche eine aktive Suche<br />

starten oder aber zufällig in einem Netzwerkportal auf einschlägige Links, Fotos<br />

oder dergleichen stossen. Weil Jugendliche auf Zurechtweisungen nicht selten<br />

mit Trotz reagieren und sich beispielsweise nach einer Profillöschung mit anderen<br />

Angaben wieder neu anmelden, suchen die Jugendschutzbeauftragten von<br />

„SchülerVZ“ die Zusammenarbeit mit ihnen, ihren Eltern und Schulen (Gernert,<br />

2010, S. 221-224).<br />

34 Von Jugendlichen rege genutzte Internetplattform<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 44


Im nationalen Kampf gegen „cybercrime“, also gegen strafrechtlich relevante<br />

Internetinhalte, ist das KOBIK, die schweizerische Koordinationsstelle zur<br />

Bekämpfung der Internetkriminalität, tätig. Das KOBIK ist Anlaufstelle und<br />

Kompetenzzentrum für Privatpersonen, die Öffentlichkeit, Behörden und<br />

Internetservice-Provider und ist in die Teilbereiche „Monitoring“, „Analyse“ und<br />

„Clearing“ gegliedert. Strafrelevante Internetinhalte werden also gemeldet oder<br />

von KOBIK-MitarbeiterInnen selbst bei Recherchen entdeckt, detailliert geprüft<br />

und analysiert und allenfalls an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden im Inund<br />

Ausland weitergeleitet. KOBIK entstand aufgrund der interkantonalen<br />

Arbeitsgruppe zur Bekämpfung des Missbrauchs der Informations- und<br />

Kommunikationstechnik (BEMIK) im Jahr 2001; die rechtliche Grundlage bildet<br />

eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Kantonen, ebenfalls aus dem<br />

Jahr 2001. Das KOBIK hat ein Meldeformular eingerichtet:<br />

http://www.cybercrime.ch/cgi-bin/trystart_d.pl. Dazu ist dem Jahresbericht 2009<br />

folgendes zu entnehmen: „Die Meldungen aus der Bevölkerung konzentrierten<br />

sich in erster Linie auf die harte Pornografie (17.8%) sowie auf Pornografie<br />

infolge fehlender Alterskontrolle (14.9%).“ Eine mögliche Zugangsbeschränkung<br />

zu Websites mit pornografischen Angeboten wäre der „Adult-Checker“ 35 . Das<br />

KOBIK gibt an, dass mit dem Bundesgerichtsurteil 6P.122/2004 vom 08.03.2005<br />

festgehalten wurde, „dass (…) einfaches Anklicken eines Warnhinweises nicht<br />

genügt, um den Jugendschutz des Art. 197 Ziff. 1 StGB zu gewährleisten“.<br />

Schweizerische Betreiber von Websites mit pornografischen Inhalten ohne<br />

jegliche Alterskontrolle würden sich folglich strafbar machen. Gleichzeitig weist<br />

das KOBIK aber auch darauf hin, dass „mit den zur Zeit auf dem Markt<br />

erhältlichen „Adult-Checker“ Programmen keine hundertprozentige Sicherheit<br />

erlangt werden“ könne, „dass es sich bei den Benutzern tatsächlich um<br />

erwachsene Personen handelt.“ Nicht nur an technische, sondern auch räumlichrechtliche<br />

Grenzen ist zu denken: „Da sich Sachverhalte im Internet jedoch<br />

häufig über verschiedene Staaten erstrecken, ist nicht immer einfach erkennbar,<br />

welches staatliche Recht anwendbar und welche Justizbehörde für dessen<br />

Durchsetzung zuständig ist“ (KOBIK, 2007).<br />

Es wird klar, dass auch auf anderen Ebenen etwas für den Jugendschutz im<br />

Bereich der Medien getan werden muss. Ab 2011 bis 2015 werden laut<br />

35 Altersnachweissystem, das zwecks Jugendschutzes Minderjährigen den Zugang zu<br />

bestimmten Websites verwehren soll.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 45


Bundesratsbeschluss vom 11.06.2010, SR 311.039.1 zwei Programme, einerseits<br />

„Jugend und Gewalt“, andererseits „Jugendmedienschutz und<br />

Medienkompetenzen“ auf gesamtschweizerischer Ebene umgesetzt und vom<br />

Bund mit 8,65 Millionen Franken unterstützt (Vollmer, 2009, S. 17).<br />

Um Jugendliche zu begleiten, anstatt „überzubehüten“ oder aber gänzlich der<br />

Eigenverantwortung zu überlassen, ist es wichtig, sich mit deren Zugängen zu<br />

und Nutzung von Pornografie und deren möglichen Konsequenzen<br />

auseinanderzusetzen.<br />

6. UMGANG JUGENDLICHER MIT PORNOGRAFIE<br />

Die Studien zur Nutzung von Pornografie durch Jugendliche und der damit<br />

verbundenen Wirkungen beziehen sich vorwiegend auf die Phase der frühen und<br />

späten Adoleszenz, also etwa das Alter zwischen 9/13 und 18 beziehungsweise<br />

19 Jahren. Dieser Lebensabschnitt junger Menschen ist wie bereits erwähnt,<br />

durch rasante körperliche, psychische und soziale Veränderungen geprägt, zu<br />

welchen auch wichtige Schritte der sexuellen Entwicklung zählen. Sexualität wird<br />

während der Adoleszenz ein relevantes Thema. Im nächsten Kapitel soll deshalb<br />

der Frage nachgegangen werden, inwiefern in dieser Zeit auch pornografische<br />

Inhalte an Interesse gewinnen, wie und wozu pornografische Medien von<br />

Jugendlichen genutzt werden und welche möglichen negativen Auswirkungen aus<br />

dem Konsum von Pornografie für Jugendliche folgen.<br />

Die Schwierigkeiten verschiedener Interpretationen des Begriffs der Pornografie<br />

und dessen Abgrenzung zur Erotik schlagen sich auch in den folgenden<br />

Untersuchungen zur Nutzung von Pornografie und deren Wirkungen auf<br />

Jugendliche nieder. Auch hier stellen sich die Fragen, welches Verständnis von<br />

Pornografie den Forschungen zu Grunde liegt und welche sexuellen Darstellungen<br />

von den Jugendlichen als pornografisch bezeichnet werden. In den folgenden<br />

Erläuterungen verschiedener Studienergebnissen, wird ersichtlich, dass<br />

Jugendliche, vermutlich vorwiegend die Mädchen, Erotische Darstellungen<br />

(Anblick nackter Personen oder Softerotik-Angebote im Fernsehen) bereits als<br />

pornografisch einstufen. Viele Untersuchungen stützen sich denn auch auf<br />

Zillmanns Definition, die auf eine Abgrenzung zwischen Erotik und Pornografie<br />

verzichtet und somit den Jugendlichen die Definition überlässt (z.B. Altstötter-<br />

Gleich, Ertel). Andere AutorInnen (z.B. Peter & Valkenburg) beziehen sich auf<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 46


klar ab- und auch begrenzende Definitionen, wie sie beispielsweise von Vogel<br />

vertreten wird, wobei die Fokussierung auf die Genitalien in den Vordergrund<br />

gestellt wird. So soll die Nennung soft-erotischer Inhalte im Vornherein<br />

ausgeschlossen werden.<br />

6.1 NUTZUNG<br />

Laut einer US-amerikanischen Studie von Braun und Rojas sind 55.4% der<br />

befragten Jugendlichen zwischen 11 und 22 Jahren (n = 433) bereits mit<br />

pornografischen Inhalten im Internet konfrontiert worden. Auf die Frage, warum<br />

sie mit solchen Materialien in Kontakt kamen, antwortete über die Hälfte (50.2<br />

%), aus sexueller Neugier (sexual curiosity) die Seiteninhalte aufgerufen zu<br />

haben. Beinahe ebenso viele sind durch Zufall (accidental exposure) auf<br />

pornografische Inhalte gestossen (46.3 %). An dritter Stelle wurde die<br />

Informationssuche (information seeking) (17.4 %) genannt (Braun-Courville &<br />

Rojas, 2009, S. 3-4).<br />

In einer qualitativen Studie von Grimm et al. aus dem Jahre 2010 differenziert<br />

sich der gewollte Konsum von pornografischen Internetinhalten nach folgenden<br />

Motiven: Lernen / Wissensgewinn, sexuelle Erregung und soziale Motive 36<br />

(Grimm, Rhein, Müller, 2010, S. 255).<br />

Zur sexuellen Erregung werden die Pornofilme dabei vorwiegend alleine zur<br />

Masturbation, selten gemeinsam mit dem Freund/der Freundin zur Vorbereitung<br />

gemeinsamer sexueller Aktivitäten geschaut. In der Peer-Group dagegen wird<br />

Pornorafie zur gemeinsamen Belustigung über Darstellungen, oder als Mutprobe<br />

geschaut (Schmidt & Matthiesen, 2010, S. 4-5). Die Peer-Group fungiert oft als<br />

„Lieferant und Partner“ für die Nutzung von pornografischem Material (Weber,<br />

2009, S. 17). Jungen nutzen gemäss Schmidt und Matthiesen die Pornografie<br />

weitaus am häufigsten zur Erregung bei der Masturbation. Solitärer<br />

Pornografiekonsum ohne Selbstbefriedigung existiert dabei kaum. „Über den<br />

Pornokonsum von Jungen zu sprechen, heisst (deshalb für Schmidt auch) über<br />

Masturbation zu sprechen.“ (Schmidt & Matthiesen, 2010, S. 4-5).<br />

Auf das Motiv des Wissensgewinn hin, äusserten in einer Interviewreihe des<br />

Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie der Universität<br />

36 „Kenntnisse über Pornos gilt v.a. bei Jungen als symbolisches Kapital in der Peergroup“<br />

(Grimm, Rhein, & Müller, 2010, S. 255).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 47


Hamburg einige Jungs, dass „man sich skills abgucken“ und „Ideen bekommen<br />

kann, (…) vor allem im Hinblick auf Stellungen, wie man eine Frau erregen und<br />

befriedigen kann, wie man Oralsex macht“. Es fielen Aussagen wie: „Da sieht<br />

man was, was man gut brauchen kann“, Oder „Beim ersten Mal wird es (die<br />

Erfahrung mit Pornographie) mir eine Stütze sein“. Das Gesehene wird laut<br />

Schmidt und Matthiesen „durchaus mit der Freundin erprobt“ (Schmidt &<br />

Matthiesen, 2010, S. 8). Jugendliche machen sich im Internet vorwiegend auf die<br />

Suche nach sexueller Praxis. „Es fehlt vor allem jenes spezifische Wissen, das<br />

wichtig ist, sich selbst und andern Lust zu bereiten“ (Sielert, 1993, S. 25).<br />

Altstötter-Gleich haben in ihrer quantitativ angelegten Untersuchung 11 - 18<br />

Jährige Jugendliche (n = 1352) unter anderem nach der Art der gesehenen<br />

pornografischen Internetinhalte befragt. Die Jugendlichen gaben dabei an, auf<br />

folgende Kategorien von Pornografie gestossen zu sein:<br />

• 33 % Erotik, Softpornos (Darstellung nackter Personen, Striptease,<br />

Petting, „normaler“ Geschlechtsverkehr)<br />

• 6 % mittlere Pornografie (sado-masochistische, Fisting 37 - und<br />

Dehnungspraktiken, Gruppensex und Gang-Bang, Bukakke 38 , Praktiken<br />

mit Fäkalien und Urin)<br />

• 15 % Gruppen (Geschlechtsverkehr von Personen fortgeschrittenem<br />

Alters oder Korpulenten, Bisexualität, Homosexualität, Teenagersex)<br />

• 9 % Sexpraktiken (Masturbation, Oralverkehr, Analverkehr, Umgang mit<br />

Sexspielzeugen)<br />

• 16 % harte Pornografie (Sodomie inkl. Sexuelle Gewalt an Tieren,<br />

Nekrophilie, sexuelle Gewalt, sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle<br />

Verstümmelung)<br />

(Altstötter-Gleich, 2006, S. 21;25)<br />

Die Inhalte der Sparte „harte Pornografie“ wurden von den Jugendlichen beinahe<br />

durchwegs negativ bewertet. Es seinen Gefühle des Ekels, der Wut und Angst<br />

ausgelöst worden (Altstötter-Gleich, 2006, S. 29).<br />

Und wie oft wird das genannte Material genutzt? Eine nichtrepräsentative<br />

Befragung des Instituts für Publizistik in Mainz, die immerhin über 350<br />

37 Einführen der Faust in Vagina oder Anus<br />

38 Sammeln des Spermas von verschiedenen Männern in einem Gefäss, welches<br />

anschliessend – freiwillig oder unfreiwillig – durch weitere AkteurInnen ausgetrunken,<br />

respektive diesen eingeflösst wird.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 48


Jugendliche (darunter viele Gymnasiasten) befragte, kam zum Schluss, dass<br />

beinahe die Hälfte der männlichen Jugendlichen fast täglich pornografische<br />

beziehungsweise erotische Filme vor allem aus dem Internet konsumieren. Bei<br />

den Mädchen sind es lediglich 3%, wobei sich deren Angaben vorwiegend auf frei<br />

zugängliche Softerotik-Angebote im Fernsehen beziehen. Soziodemographische<br />

Unterschiede in der Nutzungshäufigkeit, mit Ausnahme des „Geschlechts“,<br />

konnten in dieser Studie keine festgestellt werden (Weber, 2009, S. 16). Eine<br />

laufende Studie des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie der<br />

Universität Hamburg bestätigt, dass die Hälfte der 16-19 Jährigen Jungen<br />

zumindest wöchentlich Pornografie aus dem Internet konsumiert (Schmidt &<br />

Matthiesen, 2010, S. 3). Dieser deutliche Unterschied bezüglich<br />

Geschlechterverteilung der regelmässigen Konsumenten, könnte unter anderem<br />

auch auf die bereits erwähnten sozialen Motive des jugendlichen<br />

Pornografiekonsums (Weber, 2009, S. 17) und genderspezifische sexuelle<br />

Skripte 39 zurückzuführen sein.<br />

Jeder zweite Jugendliche ist schon mit pornografischen Inhalten im Internet<br />

konfrontiert worden. Besonders männliche Jugendliche rufen dabei das<br />

pornografische Material absichtlich auf, nicht wenige tun dies regelmässig. Eine<br />

Analyse möglicher negativer Auswirkungen des Pornografiekonsums drängt sich<br />

daher auf.<br />

6.2 AUSWIRKUNGEN DES PORNOGRAFIE-KONSUMS<br />

Die Diskussion über mögliche Auswirkungen der Pornografie wird sehr kontrovers<br />

geführt. Auf der einen Seite die Befürchtung, Pornografie führe zu moralischer<br />

und sozialer Dekadenz, auf der andern Seite, die Überzeugung, Pornografie sei<br />

ein Ausdruck sexueller Revolution und diene als Ventil. Die Forschung indes<br />

beschränkte sich in ihren Untersuchen fast ausschliesslich auf mögliche negative<br />

Folgen des Pornografiekonsums. Studien der Psychologie und<br />

Medienwirkungsforschung dazu gibt es zahlreiche, besonders aus den USA (Ertel,<br />

1990, S. 12-13;43; Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 566). Die<br />

Aussagekraft vieler Untersuchungen zur Wirkung von Pornografie ist allerdings<br />

kritisch einzuschätzen. Viele Untersuchungen fanden unter Laborbedingungen<br />

statt. Oft wurde von einfachen Korrelationen auf Kausalitäten geschlossen. Der<br />

39<br />

Während Pornografiekonsum den männlichen Status unterstreicht, scheinen<br />

pornografiekonsumierende Frauen eher durch eine inakkurate Sexualmoral zu befremden<br />

(Ertel, 1990, S. 57-58).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 49


Einfluss nicht bewusster oder nicht deklarierter Werthaltungen der AutorInnen,<br />

respektive der ForscherInnen lässt sich zudem niemals gänzlich ausschliessen.<br />

Solche Mechanismen können zu Verzerrungen führen, werden sie bei der<br />

Settingplanung nicht berücksichtigt (Ertel, 1990, S. 12-13;43; Grimm, Rhein,<br />

Müller, 2010, S. 15-16). Aussagekräftige Forschungsergebnisse über die<br />

Auswirkungen von Pornografie auf jugendliche Konsumenten liegen nur wenige<br />

vor. Der vermehrte Pornografiekonsum unter Jugendlichen ist erst durch die<br />

Möglichkeit des leistungsfähigen Internetzugangs aufgekommen und das<br />

„Phänomen“ dadurch noch relativ neu. Zudem bleiben der Forschung aus<br />

rechtlichen und ethischen Bedenken psychophysiologische Untersuchungen<br />

verwehrt. Deshalb stützen sich sämtliche Untersuchungen jugendlicher<br />

Pornografiekonsumenten auf qualitative oder quantitative Befragungssettings<br />

(Grimm, Rhein, Müller, 2010, S. 32).<br />

Im Folgenden stützen wir uns vorwiegend auf international anerkannte<br />

Veröffentlichungen des Psychologen Henner Ertel (1990) und des<br />

Medienwirkungsforschers Dolf Zillmann (2004) zur Wirkung des<br />

Pornografiekonsums auf Erwachsene. Ihre Untersuchungen erstreckten sich<br />

jeweils über einen längeren Zeitraum und fanden nicht ausschliesslich unter<br />

Laborbedingungen statt. Selbst wenn diese Untersuchungen noch Fragen offen<br />

lassen, ist ihre Aussagekraft für diese Arbeit bedeutsam und nützlich. Soweit<br />

vorhanden, stützen wir uns ergänzend auf aktuelle europäische<br />

Studienergebnisse zu möglichen Auswirkungen des Pornografiekonsums auf<br />

Jugendliche (Peter & Valkenburg, 2006; 2009 a&b; 2010 a&b sowie Stulhofer,<br />

Schmidt, Landripet, 2009).<br />

Folgende Thesen zur Wirkung von Pornografiekonsum sind mehrfach untersucht<br />

worden (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 572-579 sowie Groeben,<br />

Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 454-456):<br />

6.2.1 HABITUALISIERUNGSTHESE<br />

Die Habitualisierungsthese legt nahe, dass durch einen wiederholten Konsum von<br />

Pornografie ein Gewöhnungseffekt (Habitualisierung) auftritt, durch welche der<br />

Rezipient eine immer grössere Stimulation benötigt, um dieselben Reaktionen<br />

und Gefühle wie zu Beginn zu erzielen. Ertel und Zillmann konnten durch ihre<br />

Untersuchungen bestätigen, dass besonders bei einem sehr regelmässigen<br />

Konsum von Pornografie (sieben Filme pro Woche und mehr) eine gewisse<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 50


Gewöhnung einsetzt. Dieser Habitualisierungseffekt ist bei Gewaltpornografie<br />

jedoch deutlich geringer. Zillmanns Vermutung, es setze eine qualitative „Porno-<br />

Spirale“ ein (der Rezipient sucht nach immer ausgefallerenen und härteren<br />

Stimuli), konnte von Ertel nicht nachgewiesen werden. Dagegen verweist dieser<br />

auf die Möglichkeit einer quantitativen „Pornospirale“ (Anstieg der<br />

Konsummenge) (Ertel, 1990, S. 475; 479 sowie Charlton, Hesse, Schwan,<br />

Zillmann, 2004, S. 576). Dabei spielt auch das Alter des Erstkontaktes mit<br />

pornografischem Material eine entscheidende Rolle (Ertel, 1990, S. 479).<br />

6.2.2 SOZIAL-KOGNITIVE LERNTHEORIE<br />

Vertreter der sozial-kognitiven Lerntheorie (Bandura u.a.) gehen davon aus, dass<br />

beobachtetes Verhalten bei erwarteter Belohnung nachgeahmt wird. In der<br />

Pornografie mündet jegliches sexuelle Verhalten in euphorischen Gefühlen. Diese<br />

signalisieren dem Rezipienten eine Belohnung, falls er das beobachtete sexuelle<br />

Verhalten nachahmt (stellvertretende Konditionierung) (Charlton, Hesse,<br />

Schwan, Zillmann, 2004, S. 576). Ertel konnte diesbezüglich keine bedeutenden<br />

Effekte feststellen (Ertel, 1990, S. 475).<br />

6.2.3 THEORIE DER EXEMPLIFIKATION<br />

Die Theorie der Exemplifikation ist verwandt mit dem Ansatz der sozialkognitiven<br />

Lerntheorie. Die Neurobiologie geht davon aus, dass häufig<br />

beobachtetes Verhalten im Gehirn als „normal“ gespeichert wird (Charlton,<br />

Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 576). Menschen, die oft pornografische Filme<br />

gesehen haben, überschätzen die Häufigkeit der in Partnerschaften gelebter,<br />

auch abweichender, sexueller Praktiken (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S.<br />

454 sowie Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 576). Die<br />

pornografischen Medien werden mit steigendem Konsum zunehmend als<br />

realistisch empfunden (Ertel, 1990, S. 478).<br />

6.2.4 THEORIE DES SOZIALEN VERGLEICHS<br />

Das Betrachten von scheinbar makellosen und nahezu perfekt proportionierten<br />

(nicht selten chirurgisch manipulierten) DarstellerInnen in Pornofilmen führt zu<br />

Minderwertigkeitskomplexen der eigenen Person und zu Unzufriedenheit mit dem<br />

persönlichen Sexualleben. Wird Pornografie mehrfach konsumiert, wird die<br />

Attraktivität des eigenen Partners / der eigenen Partnerin geringer eingeschätzt.<br />

Der Effekt konnte besonders bei der Untersuchungsgruppe der Frauen bestätigt<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 51


werden (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 456 sowie Charlton, Hesse,<br />

Schwan, Zillmann, 2004, S. 571).<br />

6.2.5 KULTIVIERUNGSTHESE<br />

Der Kultivierungsthese zu Grunde liegt die Annahme, dass das durch die<br />

Pornografie vermittelte Bild von Frauen und Geschlechterrollen sowie der<br />

Sexualität und Partnerschaft von den Konsumenten übernommen werden. Die<br />

Darstellung der Frauen „als jederzeit willige und verfügbare Sexualobjekte“ wird<br />

durch die Pornofilme kultiviert. Bei langzeitigem und intensivem Konsum von<br />

Pornografie sind laut Vogel vermehrt sexistische Äusserungen und feindselige<br />

Einstellung gegenüber Frauen (Misogynie) zu beobachten (Groeben, Gimmler,<br />

Six, Vogel, 2007, S. 454). Nach intensivem Pornografiekonsum schätzten Männer<br />

wie Frauen darüber hinaus eine Vergewaltigung als weniger schwere Straftat ein.<br />

Zillmann bezieht sich auf Malamuth, wenn er ausführt, dass die<br />

Vergewaltigungsbereitschaft dagegen nur bei psychotischen, nicht einfühlsamen<br />

und sozial inkompetenten Personen steige (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann,<br />

2004, S. 577-578).<br />

6.2.6 PORNOGRAFIEKONSUM UND AGGRESSIVITÄT / SEXUELLE GEWALT<br />

• Ein bestehender Zusammenhang zwischen dem Konsum von Pornografie<br />

und aggressivem Verhalten ist sehr umstritten. Kriminalstatistisch ist<br />

jedenfalls kein Nachweis möglich (Grimm, Rhein, Müller, 2010, S. 19).<br />

• Eine Metaanalyse von 30 empirischen Untersuchungen ergab hingegen,<br />

dass gewalthaltige Pornografie Aggression fördert, Nacktheit sie dagegen<br />

reduziert (Allen/D’Alessio/Brezgel et al. in Grimm, Rhein, Müller, 2010, S.<br />

20).<br />

• Die Bereitschaft zu sexuelle Gewalt wird durch Pornografiekonsum nur bei<br />

bestehender persönlicher Prädisposition verstärkt. Auch bei massivem<br />

Konsum ist keine praktische Umsetzung sexueller Gewalt in der<br />

Partnerschaft erkennbar (Ertel, 1990, S. 212;218ff).<br />

6.3 AUSWIRKUNGEN AUF JUGENDLICHE<br />

Können diese Erkenntnisse aus der Forschung mit Erwachsenen auf die<br />

Jugendliche übertragen werden? Wahrscheinlich nicht ohne weiteres<br />

beziehungsweise nur mit Vorbehalt. Denn Jugendliche stehen in ihrer (sexuellen,<br />

kognitiven und moralischen) Entwicklung an einem andern Punkt als Erwachsene.<br />

Dies lässt Zillmann befürchten, dass Pornografie „als faktische Sexualerziehung<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 52


für Jugendliche, einen stärkeren Einfluss auf die Bildung sexueller Einstellungen“<br />

(Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 581) haben könnte. Lautstarke<br />

Warnungen vor sexueller Verrohung und Verwahrlosung von Jugendlichen durch<br />

Pornografiekonsum im Internet bahnen sich denn auch ihren Weg in die<br />

Tagespresse. Gernert spricht in diesem Zusammenhang von einer regelrechten<br />

medialen „Pornopanik“ (Gernert, 2010, S. 71).<br />

Peter und Valkenburg (2010 a) 40 gehen davon aus, dass der von den<br />

Jugendlichen eingeschätzte Realitätsgehalt 41 der pornografischen Darstellungen<br />

im Internet eine wichtige Erklärung dafür liefern könnte, inwieweit dieses<br />

Material auf die Jugendlichen einwirken kann. Die pornografischen Inhalte<br />

werden dabei durch häufigen Konsum auch von Jugendlichen zunehmend als<br />

realistisch empfunden (Peter & Valkenburg, 2010 a, S. 21-22). Dies stützt die<br />

Aussagen von Ertel, welcher zudem anführt, dass besonders ein niedriges<br />

Einstiegsalter einen Einfluss auf die Konsummenge haben kann (Ertel, 1990, S.<br />

479).<br />

Konsumieren Jugendliche viel Pornografie und schätzen dabei das gesehene<br />

Material als relativ realistisch ein, korreliert dies in Studien von Peter und<br />

Valkenburg mit folgenden Variablen:<br />

• Recreational and instrumental attitudes toward sex 42 : “Sex is primarily<br />

physical;” “The main goal of sex is that you yourself have a good time;”<br />

“Sex is a game between males and females;” “It is okay to seduce<br />

somebody, although you know that you do not want a relationship with<br />

him/her;” “Sex is a physical need, like eating;” “It is okay to have sexual<br />

relationships with more than one partner.” (Peter & Valkenburg, 2006, S.<br />

15)<br />

• Notice of woman as sex objects 43 : “Unconsciously, girls always want to be<br />

persuaded to have sex,” “Sexually active girls are more attractive<br />

partners,” “There is nothing wrong with boys being interested in a women<br />

40 Online-Wiederholungsbefragung in drei Etappen niederländischer Jugendlicher im Alter<br />

von 13 bis 20 Jahren (n= 2,341)<br />

41 „Glaubhaftigkeit“ und „Wahrscheinlichkeit“, dass dies in der sozialen Realität so<br />

stattfindet / angenommene Nützlichkeit der erhaltenen „Information“ (Peter &<br />

Valkenburg, 2010 a, S. 23)<br />

42 Es besteht eine instrumentelle Einstellung gegenüber Sex. Sex dient in erster Linie der<br />

eigenen Entspannung.<br />

43 Frauen werden als Sex-Objekte wahrgenommen.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 53


only if she is pretty”; “An attractive woman asks for sexual advance,” and<br />

“There is nothing wrong with boys being primarily interested in a woman’s<br />

body.” (Peter & Valkenburg, 2009 a, S. 16)<br />

Peter und Valkenburg weisen jedoch deutlich darauf hin, dass die Ursachen<br />

dieser Zusammenhänge noch nicht gänzlich geklärt sind und es weiterführender<br />

Forschung bedarf. Ist der Pornografiekonsum wirklich der Auslöser solcher Bilder,<br />

oder ist es nicht auch möglich, dass Jugendliche mit solchen Einstellungen sich<br />

stärker von Pornografie angezogen fühlen und sie deshalb auch öfter nutzen?<br />

(Peter & Valkenburg, 2006, S. 21; 2009 a, S. 26).<br />

Weiter sind Peter und Valkenburg der Frage nachgegangen, ob der häufige<br />

Konsum von pornografischen Internetinhalten bei den Jugendlichen ebenso zu<br />

einer reduzierten Zufriedenheit mit dem eigenem Sexualleben führt (Theorie des<br />

sozialen Vergleichs). Ihre Untersuchung ergibt Hinweise darauf, dass dies<br />

besonders bei Jugendlichen mit wenig sexueller Erfahrung zutreffen könnte<br />

(Peter & Valkenburg, 2009 b, S. 24).<br />

Häufiger Pornografiekonsum führt dagegen laut Peter und Valkenburg nicht, wie<br />

vermutet und oft befürchtet, zu vermehrtem sexuellem Risikoverhalten 44 bei<br />

Jugendlichen. Hier besteht ein deutlicher Unterschied zur erwachsenen<br />

Probandengruppe. Diese nahmen durch vielfachen Pornografiekonsum ein<br />

kleineres Risiko für ungeschützten Geschlechtsverkehr wahr. Diese Diskrepanz<br />

könnte darauf zurückzuführen sein, dass Jugendliche heute, im Gegensatz zur<br />

Stichprobe der Erwachsenen, vermehrt für die Themen „sexuell übertragbare<br />

Krankheiten“ und „unerwünschte Schwangerschaften“ sensibilisiert sind (Peter &<br />

Valkenburg, 2010 b, S. 16).<br />

Peter und Valkenburg empfehlen im Zusammenhang mit der bedeutsamen<br />

Variable „des eingeschätzten Realitätsgehalts“, Jugendliche in erster Linie über<br />

die fiktiven Anteile pornografischer Inhalte aufzuklären (Peter & Valkenburg,<br />

2010 a, S. 26-27).<br />

Eine gewisse Wirkung pornografischer Darstellungen auf die Einstellungen und<br />

Vorstellungen zu Sexualität von Jugendlichen lässt sich unter bestimmten<br />

Bedingungen (Alter des Erstkontaktes, Konsumhäufigkeit, Grad des<br />

44 Dazu zählen Peter & Valkenburg beispielsweise den ungeschützten Geschlechtsverkehr.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 54


zugeschriebenen Realitätsgehalts) nicht ausschliessen. Sind diese Einflüsse<br />

jedoch so stark, dass gar eine pornotypische Umschreibung der sexuellen Skripte<br />

Jugendlicher durch Pornografiekonsum hervor geführt wird? Wie in Unterkapitel<br />

„Sexuelle Skripte“ bereits ausgeführt, beeinflussen unsere intrapsychischen<br />

Skripte, was wir als sexuell erregend empfinden. Sie beeinflussen somit auch den<br />

individuellen Umgang mit Pornografie (Ertel, 1990, S. 57).<br />

Eine rückblickende Befragung kroatischer Studenten hatte zum Ziel<br />

herauszufinden, ob sich durch Pornografiekonsum das sexuelle Skript von<br />

Jugendlichen insofern „pornotypisch zuspitzt“ (Stulhofer, Schmidt, Landripet,<br />

2009, S. 21), als dass sich ihre individuellen Vorstellungen „vom besten Sex“ mit<br />

den Skripten der Pornografie decken (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S.<br />

16).<br />

Exkurs: Sexuelle Skripte der Pornografie vs. real gelebte Sexualität<br />

Pornografie ist nach Ertel als „fiktive Scheinwelt, die primär kollektive männliche<br />

Sexualfantasien widerspiegelt“, zu verstehen. Szenarien pornografischer Filme „weisen<br />

erstaunlich viele Gemeinsamkeiten mit spontan produzierten sexuellen Fantasien auf“<br />

(Ertel, 1990, S. 474). Ihre Drehbücher sind von den sexuellen Skripten und sexuellen<br />

Fantasien des Produzenten (meist männlichen Geschlechts) geprägt (Escoffier & Jackson,<br />

2007, S. 62).<br />

Pornofilme sind jedoch nicht als Realitätsausschnitt, sondern „als sexuelle Gegenrealität“,<br />

als Symbolwelt „zu verstehen“ (Ertel, 1990, S. 474), in welcher „alle Schwierigkeiten und<br />

problematischen Aspekte von Sexualkontakten“ ausgeblendet werden. Es existieren<br />

keinerlei Hindernisse, Widerstände und Unstimmigkeiten zwischen den Sexualpartnern<br />

(Ertel, 1990, S. 105). Dabei „ist das dominante Motiv pornografischer Medienangebote<br />

die zufällige Begegnung eines Mannes und einer Frau, die sofort von nicht zu<br />

bändigender Lust überwältigt werden und ohne grosse Umschweife sexuelle Handlungen<br />

in all ihren (mehr oder weniger 45 ) gebräuchlichen Formen aufnehmen – typischerweise<br />

Fellatio 46 , gefolgt von Cunnilingus 47 und dann von Verkehr in unterschiedlichen<br />

Stellungen.“ (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 570).<br />

Die Inhalte pornografischer Filme „vermitteln (den männlichen Betrachtern) sexuelle<br />

Grandiositätsfantasien“. Sie haben somit eine „kompensatorische und rückversichernde“<br />

Funktion (Ertel, 1990, S. 105).<br />

Ertel hat in seiner Studie folgende Kategorien von Fantasien, Fiktionen und Mythen<br />

hervorgebracht (Ertel, 1990, S. 94-104), die „Vorstellungen von Sexualität (und<br />

Gender)“ (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 16) wiederspiegeln:<br />

● Instant-Verführungsfiktionen, sexuelle Veni-Vidi-Vici-Mythen und Fastfood-<br />

Sexualitäts-Fiktionen<br />

● Extreme Simplifizierung der Darstellung von Sexualkontakten<br />

● Unverbindliche Sexualkontakte<br />

● Pseudokonsensuelles Verhalten<br />

● Garantie sexueller Gratifikation<br />

● Mythos der Hypersexualität / Nymphomania-Mythos<br />

● Mythen sexueller Dominanz, Macht und Kontrolle<br />

45 Anmerkung der Autorinnen<br />

46 Oralbefriedigung des männlichen Penis<br />

47 Orale Stimulation der weiblichen Genitalien<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 55


● Sexuelle Kontrollverlust-Fiktionen<br />

● Mythen sexueller Konventionsverletzung und Grenzüberschreitung<br />

● Sexuelle Überwältigungs- und Vergewaltigungsmythen<br />

(Ertel, 1990, S. 94-104)<br />

Diese Fiktionen beinhalten auch sämtliche Geschlechtsstereotype sexuellen Verhaltens.<br />

„Ein Grossteil pornografischer Medienangebote stellt Frauen als breitwillige, vielleicht<br />

sogar übermotivierte Sex-Partnerinnen dar, die offensichtlich gewilligt sind, die Wünsche<br />

jedes Mannes im Umkreis zu befriedigen“. Dabei wird der Anschein erweckt, Frauen<br />

hätten sich dabei vom männlichen Sexualpartner dominieren zu lassen (Charlton, Hesse,<br />

Schwan, Zillmann, 2004, S. 570). Jedoch wird auch der Mann in der Pornografie meist<br />

unvorteilhaft als triebgesteuert dargestellt und auf seine genitale Potenz reduziert<br />

(Sielert, 1993, S. 67).<br />

Nach Lukesch bezeichnet Heer Pornografie als „präzise Karikatur der (ehelichen)<br />

Sexualität“. Sie „schneidet alles weg, was vor oder nach der Kopulation passiert oder<br />

passieren könnte“ (Lukesch, 2009, S. 77). Zudem fehlen in der pornografischen<br />

Sexualität sämtliche Formen von Blickkontakt, Zärtlichkeit (Berührungen, Schmusen,<br />

Kuscheln), Genuss, Humor, Fantasie und Scham. Kommunikation findet höchstens als<br />

„Dirty Talk“ statt (Lukesch, 2009, S. 80-81). Pornografie zeichnet sich nach Weidinger<br />

besonders durch eine „leistungsorientierte und mechanistische Sexualität“ (Weidinger,<br />

2008) aus, die auf den reinen Lustaspekt der Sexualität fokussiert ist und soziale oder<br />

emotionale Aspekte ausklammert (Sielert, 1993, S. 67). Heer geht gar noch weiter in der<br />

Aussage, dass es nicht einmal um echte Lust, sondern vielmehr darum gehe, „dass er<br />

(der Mann) am Schluss kommt“ und zwar gut sichtbar 48 (Lukesch, 2009, S. 78). Diese<br />

„cum shots“ dienen dabei in erster Rolle als „Echtheits-Beweis“ für den männlichen<br />

Orgasmus, welcher in der Pornografie mit Befriedigung gleichgesetzt wird (Lukesch,<br />

2009, S. 79 sowie Ertel, 1990, S. 97). Heer ist überzeugt, dass der weibliche Orgasmus<br />

dagegen durch die Darstellerinnen (beinahe) ausnahmslos gespielt wird (Lukesch, 2009,<br />

S. 78).<br />

Die Befürchtung des Pornografiekonsums Jugendlicher geht meist darauf hin, dass ihre<br />

„Bilder vom Sex im Sinne der Sexual- und Geschlechterstereotype der Pornografie<br />

verzerrt, entstellt oder korrumpiert“ werden (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 21).<br />

Die Skripte der Pornografie sind der romantischen Liebe diametral entgegengesetzt, die<br />

sich unter anderem durch eine beständige Verbindung von Liebe und Sexualität<br />

auszeichnet und von vielen Leuten immer noch als Ideal hochgehalten wird (Clement,<br />

2009, S. 22). Die durch Pornografie implizierten Bilder widersprechen nicht nur dem<br />

gesellschaftlichen Idealbild der Sexualität, sondern auch der gelebten sexuellen Realität<br />

(Lukesch, 2009, S. 77-88 sowie Ertel, 1990, S. 104).<br />

Zumindest physisch betrachtet beinhaltet das durchschnittliche amerikanische sexuelle<br />

Skript eine Steigerung von der Umarmung zum Küssen, gefolgt vom Petting (zuerst<br />

stimulierende Berührungen des Oberkörpers, später der Geschlechtsteile, teilweise auch<br />

mit Formen der Oralbefriedigung verbunden) bis es letztlich zum Geschlechtsverkehr<br />

kommt (Simon & Gagnon, 2005, S. 15).<br />

Eine Aktuelle Untersuchung der Universität Potsdam zu sexuellen Skripten im Jugendalter<br />

ergab, dass sich die individuellen sexuellen Skripte unter anderem dadurch auszeichnen,<br />

dass jugendlicher Geschlechtsverkehr erst nach längerer Bekanntschaft und dann vor<br />

allem im häuslichen Rahmen stattfindet. Der Wunsch nach einer Weiterführung der<br />

Beziehung nach dem ersten Geschlechtsverkehr mit dem Partner wird von Jugendlichen<br />

beiderlei Geschlechts geäussert (Krahé, Bieneck, Steinberger-Olwig, 2004, S. 22-23).<br />

48 Dazu Heer:„Merkwürdigerweise kommt er immer und ausnahmslos ante portas, an der<br />

frischen Luft, und niemals in“ der Frau, oftmals nicht durch den Geschlechtsverkehr,<br />

sondern durch abschliessende Onanie (Lukesch, 2009, S. 78).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 56


In der Studie von Stuhlhofer et al. konnten keine generellen Hinweise auf die<br />

negative Beeinflussung des sexuellen Skripts durch Pornografiekonsum<br />

nachgewiesen werden (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 21). Auch hier<br />

stützen sie die Erkenntnisse vorangegangener Forschungen von Ertel (Ertel,<br />

1990, S. 475). Stuhlhofer et al. führen dieses Ergebnis darauf zurück, dass die<br />

sexuellen Skripte bereits im Verlaufe der kindlichen Entwicklung gebildet werden<br />

und daher die gesehenen pornografischen Inhalte auf eine bereits „vorhandene<br />

Struktur des Begehrens“ treffen (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 21).<br />

Schmidt führt dazu aus, dass bereits Vorpubertierende, vor ihrem ersten Kontakt<br />

mit pornografischem Material, unter anderem durch diverse Medien (Magazine,<br />

TV-Soaps, etc.) erfahren haben, „was es zwischen Mann und Frau gibt: Flirt;<br />

Anmache und Reaktionen darauf; Verliebtsein, Trennung; wann und wie mann<br />

oder frau die Augen schliesst, wenn der Mund des oder der Geliebten sich<br />

nähert; wie die Hand sich unters T-Shirt schiebt; wie man Körper, Outfit und<br />

Auftreten ästhetisiert, erotisiert, sexuiert usw.“ (Schmidt, 2005, S. 116). Zu<br />

diesem Flirt- und Vorlustscripting liefert Pornografie lediglich weitere „Bilder über<br />

den Ablauf intimen oder sexuellen Geschehens“ (Schmidt & Matthiesen, 2010, S.<br />

8). Die vorangegangenen Generationen Heranwachsender hatten kaum Zugang<br />

zu Anschauungsmaterial des sexuellen Geschehens. Sie waren mit den Worten<br />

von Schmidt „underscripted“, wogegen heute bereits Kinder durch<br />

Medieneinflüsse „overscripted“ sind (Schmidt, 2005, S. 117). Andererseits<br />

vermuten Stuhlhofer et al., dass Jugendliche sich besonders diejenigen<br />

Pornofilme ansehen, welche ihrem persönlichen sexuellen Skript am besten<br />

entsprechen (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 21).<br />

Die Medienwirkungsforschung liefert Hinweise, dass die Jugendlichen den<br />

pornografischen Bildern nicht einfach ausgeliefert sind. Jugendliche sind in ihrer<br />

Medienkompetenz deutlich versierter als ihre Eltern. Gernert verweist dabei auf<br />

die Aussage Tapscotts 49 , der die „Generation Internet“ als „fitter, kritischer,<br />

kreativer und engagierter“, als je eine Generation zuvor, beschreibt (Gernert,<br />

2010, S. 45).<br />

Medien sind für Jugendliche Mittel zur Kommunikation, haben Einfluss auf ihre<br />

Verhaltensweisen, „bieten Orientierung“ und Informations- sowie<br />

„Identifikationsangebote“ (Wenger, 2008, S. 36). Dabei werden Medienpersonen<br />

49 Autor und Auftraggeber umfassender Studien zur „Generation Internet“.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 57


auch als Vorbilder wahrgenommen, ihr Verhalten wird dabei jedoch von den<br />

Jugendlichen nicht einfach übernommen (Wenger, 2008, S. 38). Dies bestätigt<br />

auch die qualitative Studie des Instituts für Sexualforschung und Forensische<br />

Psychiatrie der Universität Hamburg, in der 17- bis 19-jährige Jugendliche über<br />

ihre Beziehungs- und sexuellen Erfahrungen sowie über die Nutzung des<br />

Internets für Beziehungen und Sexualität befragt wurden (Schmidt & Matthiesen,<br />

2010). Ein Grossteil der Jugendlichen scheint den gezeigten Sex der Pornografie<br />

denn auch von ihrer eigenen Sexualität unterscheiden zu können. Einige<br />

Jugendliche äusserten sich dahingehend, dass die eigene Erfahrung „eine ganz<br />

andere Schiene“ sei, „weil es (in der Pornografie) immer nur um das Eine geht“,<br />

„keine Liebe im Spiel ist“, oder es „keine Gefühle oder keine Zärtlichkeit“ gebe<br />

und „alles nur gespielt ist“, „dass es in der Realität schöner ist, weil man nicht<br />

darauf bedacht sein muss, besonders lange durchzuhalten und alle möglichen<br />

akrobatischen Stellungen durchzuführen und das Publikum zu begeistern,<br />

sondern dass es einfach spontan ist“ (Schmidt & Matthiesen, 2010, S. 10). Ein<br />

Mädchen stellte zudem sarkastisch fest, dass „man (von der Pornografie<br />

wenigstens) lernen (könne), wie man einen Orgasmus vorspielt“ (Schmidt &<br />

Matthiesen, 2010, S. 9).<br />

Welche Erfahrungsquellen haben diesen Jugendlichen ermöglicht, den fiktiven<br />

Anteil der Pornografie als solchen zu erkennen?<br />

Detaillierte Angaben zum sexuellen Geschehen erhalten die wenigsten von ihren<br />

Eltern oder aus dem Aufklärungsunterricht der Schule. Hoffman hat in ihrer<br />

quantitativen Studie nachgewiesen, dass sich 66% der Jugendlichen über<br />

Sexualität bei ihren Freunden informieren, 31% das Fernsehen und 27% das<br />

Internet als Informationsquelle nutzen. Hoffman weist jedoch darauf hin, dass<br />

dieses „Wissen, das im Freundeskreis ausgetauscht wird oder welches über<br />

Medien vermittelt wird, nur bedingt brauchbar“ ist (Hoffmann, 2009, S. 12).<br />

Manche, besonders jüngere Jugendliche, lassen sich denn auch von den<br />

gesehenen pornografischen Darstellungen verunsichern. Gernert stellt dar, wie<br />

sich Jungs viele Fragen zu ihrer Penisgrösse stellen und Mädchen beruhigt sind<br />

zu erfahren, dass sie bestimmte Dinge, die sie aus der Pornografie kennen, in<br />

ihrer Beziehung nicht nachmachen müssen (Gernert, 2010, S. 65). Andere,<br />

besonders ältere Jugendliche, äussern sich im Gespräch mit Sexualpädagogen<br />

der deutschen Fachstelle pro familia erstaunt, dass manche gesehenen<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 58


Techniken in ihren eigenen Praxisversuchen innerhalb der Beziehung so gar nicht<br />

umsetzbar gewesen seien und wundern sich, weshalb. Manche in<br />

pornografischen Filmen gezeigten Techniken bergen ohne gezielte Vorbereitung<br />

gar ein ernsthaftes Verletzungsrisiko (Gernert, 2010, S. 67). Diese<br />

Feststellungen schliessen wieder an der von Peter und Valkenburg geforderten<br />

Aufklärung zum Realitätsgehalt pornografischen Materials an.<br />

Offensichtlich zeigen sich individuelle Unterschiede in der Einordnung medialer<br />

Inhalte durch Jugendliche. Diese dürften besonders auf das im Laufe ihrer<br />

Entwicklung erworbene Wissen und ihre Medienkompetenz zurückzuführen sein.<br />

Kognitive Fähigkeiten und das durch Sozialisation und Allgemeinbildung<br />

erworbene Rahmungswissen, ermöglichen den Jugendlichen, mediale Inhalte<br />

richtig einzuordnen, das heisst auch zwischen Realität und Medialität<br />

beziehungsweise Fiktionalität unterscheiden zu können (Groeben, Gimmler, Six,<br />

Vogel, 2007, S. 34-38). Medien-„Rezipient/innen/en gründen ihr Urteil hierbei<br />

vorwiegend auf drei Aspekte, nämlich dem Genre beziehungsweise der<br />

Werkkategorie des Medienangebotes (…), dem Realismus der formalen<br />

Darstellung (Wie lebensecht wirkt das Dargestellte?) und der Plausibilität des<br />

Inhalts (Könnte so etwas wirklich passieren?).“ (Charlton, Hesse, Schwan,<br />

Zillmann, 2004, S. 82). Zur Beurteilung dieser Aspekte greifen Rezipienten auf<br />

ihre kognitiven Konzepte, Begriffe, Wissensbestände oder Schemata zurück, die<br />

ihnen „als Deutungsmuster zur Verfügung stehen“ (Charlton, Hesse, Schwan,<br />

Zillmann, 2004, S. 139). Konsumiert ein Jugendlicher ohne eigene sexuelle<br />

Erfahrung pornografische Filme, sind diese Einschätzungen über den<br />

Realitätsgehalt des Dargestellten für ihn erheblich schwerer zu treffen, da die<br />

sexuellen Inhalte für ihn „nicht aus eigener Anschauung vertraut sind, so dass er<br />

keine entsprechenden Vergleichsprozesse durchführen kann.“ (Charlton, Hesse,<br />

Schwan, Zillmann, 2004, S. 82). Wissensbestände des Allgemein- und des<br />

Medienwissens erlangen deshalb an Bedeutung, um Jugendliche zu befähigen,<br />

solche Filmdarstellungen korrekt interpretieren und das Gezeigte verstehen zu<br />

können (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 139).<br />

Zu<br />

diesem für die Interpretation notwendigen Allgemeinwissen zählt:<br />

• Faktenwissen, „das Kenntnisse über Eigenschaften bestimmter Objekte,<br />

über Situationen und Ereignisse umfasst“ (deklaratives Wissen)<br />

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• Wissen darüber, „wie man eine Information verarbeitet, wie man mit einer<br />

Beobachtung umgeht“ (prozedurales Wissen)<br />

(Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 138).<br />

Weiter benötigen Kinder und Jugendliche spezifische Medienkompetenzen, wie<br />

beispielsweise:<br />

• Medien-Wissen über Rahmenbedingungen einzelner Medien, ihrer<br />

Arbeitsweisen, Absichten und Wirkungsweisen<br />

• Reflexions- und Bewertungskompetenzen, also die Fähigkeit Medieninhalte<br />

und die eigene Mediennutzung kritisch zu analysieren<br />

• Nutzungs- und Verarbeitungskompetenzen, wie beispielsweise die<br />

„Fähigkeit zu funktional angemessener und persönlich verträglichen<br />

Rezeption und Verarbeitung medialer Inhalte“ (Groeben, Gimmler, Six,<br />

Vogel, 2007, S. 283).<br />

(Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 34-38)<br />

Charlton gibt zu bedenken, dass bei der Filminterpretation oft „auf ein so grosses<br />

Erfahrungswissen zurückgegriffen werden muss, wie es Kindern grundsätzlich<br />

noch nicht zur Verfügung steht“. Sogar Erwachsenen falle es je nach Filmgenre<br />

und Rezeptionssituation schwer, den Realitätsgehalt des Medium richtig<br />

einzuschätzen (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 142). Gerade<br />

deshalb ist die Anschlusskommunikation über Medieninhalte und Darstellungen<br />

unerlässlich und ein wichtiger Faktor zur Entwicklung eines kompetenten<br />

Medienumgangs (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 39-40).<br />

7. PROFESSIONELLER UMGANG MIT JUGENDLICHEM<br />

PORNOGRAFIEKONSUM<br />

7.1 AUFTRAG / ROLLE DER SOZ<br />

IALEN ARBEIT<br />

Wie bereits im Abschnitt „Von den Hypothesen zur Fragestellung“ dargelegt,<br />

kommt aus unserer Sicht der Sozialen Arbeit zweifelsohne eine Rolle hinsichtlich<br />

der Gestaltung von Rahmenbedingungen einerseits und direkter Interventionen<br />

andererseits zur Unterstützung der sexuellen Entwicklung Jugendlicher zu. In<br />

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diesem Teil unserer Arbeit stützen wir diese Hypothese mit fachlichen<br />

Erläuterungen und gehen der Auftrags- und Rollenklärung nach.<br />

Laut IFSW-Definition werden „alltägliche persönliche und gesellschaftliche<br />

Probleme 50 “ zum „Gegenstandsbereich“ Sozialer Arbeit (IFSW - International<br />

Federation of Social Workers, 2006, S. 2). Gesellschaftliche, respektive soziale<br />

Probleme werden durch verschiedene VertreterInnen der Sozialwissenschaften<br />

wie Merton, Fuller und Myers, Blumer, Spector und Kitsuse definiert (vgl.<br />

Schetsche, 1996). Auf diese Definitionen gehen wir nicht ein, da diesen eine<br />

beobachtende Rolle zugrunde liegt. Soziale Arbeit als handlungsorientierte<br />

Wissenschaft fasst dagegen andere Definitionen. Staub-Bernasconi zitiert dazu<br />

Obrecht, der soziale Probleme beschreibt als „jenes Bündel von praktischen<br />

Problemen, die sich für ein Individuum im Zusammenhang mit der Befriedigung<br />

seiner Bedürfnisse nach einer befriedigenden Form der Einbidung in die sozialen<br />

Systeme seiner Umwelt ergeben“ (Staub-Bernasconi, 2007, S. 182). An anderer<br />

Stelle bezeichnet Staub-Bernasconi die „geführte Gegenstandsdiskussion“<br />

Sozialer Arbeit als „uferlos“ (Staub-Bernasconi, 2007, S. 180); sie spricht damit<br />

einerseits die nicht festzulegende Zielgruppe, andererseits die unzähligen<br />

Themen, die probelamtisch werden können an 51 . Galuske spricht von der<br />

„Allzuständigkeit der Sozialpädagogen“. Gemeint ist damit, dass „innerhalb eines<br />

Feldes (…) das Themen- und Aufgabenspektrum sozialpädagogischer Beratung<br />

prinzipiell nicht begrenzt“ ist. Sobald Alltägliches problematisch wird, kann es<br />

Gegenstand sozialpädagogischer Beratung werden (Galuske, 2007, S. 169).<br />

Galuske zitiert Sickendiek, Engel und Nestman, 1999, für die „(…)<br />

sozialpädagogische Beratung weitaus näher an der konkreten Lebensrealität“ sei;<br />

sie „hält sich nicht selten in eben dieser auf, wird deshalb mit dem alltagsweltlich<br />

komplexen Geflecht aus materiellen, sozialen, psychischen und<br />

alltagspraktischen Belastungen weitaus direkter konfrontiert als psychologische<br />

Beratung, die sich auf den ‚dritten Ort‘ (Thiersch) innerhalb der Beratungsstelle<br />

zurückzieht“ (Galuske, 2007, S. 170). Dass sich aus aktuellen Phänomenen ein<br />

50<br />

In der englischen Originalfassung ist von „social problems“ die Rede<br />

(http://www.ifsw.org/f38000138.html).<br />

51 Hier wird wiederum die Differenz im Zugang zwischen Soziologie und Sozialer Arbeit<br />

sichtbar: Während aus soziologischer Sicht je nach Zugang gewisse Kriterien erfüllt sein<br />

müssen, um von einem „sozialen Problem“ sprechen zu können (oder von einer<br />

„konstruierten Problematisierung“ die Rede wäre), geht Soziale Arbeit davon aus, dass<br />

alltägliche Probleme für ein Individuum und/oder dessen Umfeld als solche empfunden<br />

werden können und keiner weiteren Kriterienprüfung unterzogen werden müssen, um<br />

Gegenstand Sozialer Arbeit zu werden.<br />

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Auftrag für die Soziale Arbeit ergibt, belegt Galuske nochmals explizit mit einer<br />

Äusserung von Thiersch, 1977:<br />

„Die in den Widersprüchen der modernen Gesellschaft angelegten Konflikte,<br />

Sinnverlust, Apathie, Insuffizienz usw. zeigen sich unmittelbar im Alltag der<br />

Betroffenen, in der Komplexität der politischen, psychologischen, rechtlichen,<br />

sozialen Schwierigkeiten; diese Konflikte waren immer Gegenstand<br />

sozialpädagogischer Beratung.“ (Galuske, 2007, S. 171).<br />

Müller schliesst sich dieser Ansicht an, wenn er sagt, dass von<br />

SozialarbeiterInnen geführte Jugendtreffs nicht lediglich der Freizeitgestaltung<br />

dienen, sondern auch „qua Einrichtung“ spezifische Rahmenangebote sowie<br />

freiwillige Beratung. Ziel der Sozialen Arbeit mit Jugendlichen soll die Herstellung<br />

von passenden Settings sein, „in denen Angebote der ‚Beratung‘ etc. ‚abgeholt‘<br />

werden können, ohne dass sich die Jugendlichen dadurch „klientifiziert“ oder<br />

„pädagogisiert“ fühlen.“ (Müller, 2009, S. 152). Der Weg von der Allzuständigkeit<br />

zum spezifischen Bedarf wird im folgenden Abschnitt dargelegt.<br />

7.1.1 BEDARF<br />

Informelle Bildung zur Stärkung bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben<br />

ist laut voja (Vernetzte offene Kinder- und Jugendarbeit Kanton Bern) Teil des<br />

fachlichen Auftrags der (offenen) Kinder- und Jugendarbeit (voja). Eine dieser<br />

bedeutsamen Entwicklungsaufgaben im Kindes- und Jugendalter ist die sexuelle<br />

Entwicklung. Laut Ergebnissen der BZgA-Studie zur Jugendsexualität gewinnen<br />

professionelle Ansprechpartner für Jugendliche an Bedeutung 52 , während mit<br />

steigendem Alter der Kinder die Bedeutung der Eltern als Vertrauenspersonen<br />

und Instanz der Wissensvermittlung abnimmt. Ähnlich nimmt auch die<br />

Wichtigkeit der Schule als Ansprechpartner für sexuelle Themen im steigenden<br />

Jugendalter ab (BZgA, 2010). Andererseits führt Winter aus, dass sexuelle<br />

Bildung in der Familie teilweise wenig oder keine Aufmerksamkeit erfährt und<br />

„sexualpädagogische Themen im Schulunterricht randständig“ sind<br />

beziehungsweise dafür im Lehrplan nur wenige Lektionen eingeplant werden<br />

können, sollte Sexualpädagogik in Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe<br />

„durchgängig“ anzutreffen sein (Winter, 2008, S. 586). Ob es nun beschränkte<br />

Ressourcen der Eltern sind oder die Favorisierung familienexterner<br />

52 Offenbar ist diese Tendenz deutlicher bei Mädchen, als bei Jungen festzustellen.<br />

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Ansprechpartner durch Jugendliche, der Bedarf nach professionellen<br />

sexualpädagogischen Angeboten nimmt zu.<br />

Eine besondere Herausforderung ist die Ausgestaltung unter Berücksichtigung<br />

der rechtlich geschützten elterlichen Vorrangstellung in der Erziehung: Es handelt<br />

sich dabei um einen eigentlichen Balanceakt, da aus verschiedenen Gründen<br />

(faktische Abwesenheit, Unvermögen, Ängste, Hemmungen, Kultur / Tradition,<br />

Unwillen, etc.) ergänzend oder gar ersetzend Sexualerziehung geleistet werden<br />

soll. Gleichzeitig muss dabei und soll auf eine Vielfalt an Willensbekundungen der<br />

Eltern Rücksicht genommen werden (Sielert, 1993, S. 153).<br />

7.1.2 AUFTRAGSKLÄRUNG, VERNETZUNG UND ABGRENZUNG<br />

Unter Artikel 15 „Handlungsmaxime bezüglich interprofessioneller Kooperation“<br />

unter Absatz 1: „Professionelle Sozialer Arbeit kooperieren im Hinblick auf die<br />

Lösung komplexer Probleme interdisziplinär und setzen sich dafür ein, dass<br />

Situationen möglichst umfassend und transdisziplinär in ihren Wechselwirkungen<br />

analysiert, bewertet und bearbeitet werden können“ (AvenirSocial). Gleichzeitig<br />

gilt aber auch, dass spezifische sexualpädagogische Institutionen die<br />

Zusammenarbeit mit der Sozialen Arbeit, die mit Jugendlichen in Kontakt steht,<br />

suchen sollte. Galuske argumentiert mit einer Aussage Thierschs, dass<br />

Beratungsangebote idealerweise dort zu lokalisieren sind, „wo die Adressaten<br />

ohnehin vorbeikommen, in Ladenlokalen, Jugendhäusern (…)“ (Galuske, 2007, S.<br />

172). So können möglichst viele Jugendliche erreicht werden. Sielert ist der<br />

Ansicht, dass JugendarbeiterInnen aufgrund des institutionellen Rahmens „(…)<br />

anders, oft direkter, emotionaler, in dichten, ganzheitlich ansprechenden<br />

Situationen arbeiten“ können, „als das in der Schule möglich ist. (…) In der<br />

Schule muss ich ein aufgetauchtes Pornoheft verschwinden lassen,<br />

Personsorgeberechtigte können damit aufklärend arbeiten.“ (Sielert, 2005, S.<br />

171). Auch Gloël ist der Meinung, dass sich „freie Träger“ besser eigenen „als die<br />

Institution Schule“, da dieser oftmals der passende Rahmen fehle, um „intime<br />

Themen, wie die eigene Sexualität, zu besprechen. (…) Pädagoginnen und<br />

Pädagogen (der freien Träger) stehen zumeist unter Schweigepflicht und bieten<br />

eine Anonymität, die der auf Leistung und Bewertung ausgelegte „Lernraum<br />

Schule“ in der Regel nicht bietet.“ (Gloël, 2010, S. 59). Trotz optimalen<br />

Bedingungen zeigen sich bisher Schwierigkeiten in der praktischen<br />

Ausgestaltung. Das äussert sich beispielsweise darin, dass viele Institutionen der<br />

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Jugendhilfe in ihrer Arbeit vorwiegend auf zwei passive sexualpädagogische<br />

Strategien zurückgreifen:<br />

1. Zugänglichmachen von Informationen (durch Auslegen von Materialien und<br />

Broschüren etc.)<br />

2. Erst durch Fragen, Äusserungen oder grenzwertiges Verhalten Jugendlicher<br />

wird Sexualität zum Thema, wird darauf reagiert (antworten, aufgreifen,<br />

einschreiten usw.)<br />

(Winter, 2008, S. 590)<br />

Eine aktive, agierende Sexualpädagogik ist dagegen selten anzutreffen. Diese<br />

wird immer noch vorwiegend an externe Fachstellen für Sexualpädagogik (z.B.<br />

<strong>Berner</strong> Gesundheit – kurz „BeGes“) delegiert (Winter, 2008, S. 587). Solche<br />

Fachstellen können laut Winter den aktuellen Bedarf an sexualpädagogischen<br />

Angeboten und/oder Beratung kaum bewältigen. Während der Bedarf an<br />

professionellen Ansprechpersonen steigt, existieren zu wenige Institutionen.<br />

Auch an ausgebildeten Fachpersonen fehlt es. Somit bleibt es bei „kurzen<br />

Einheiten ausserhalb des gewöhnlichen Alltags. Damit einher geht (...) der Preis<br />

massiver zeitlicher Beschränkung und der Zwang zur inhaltlichen Punktlandung“,<br />

die allerdings oft nicht gelingt, weil externe Fachleute die Kinder und<br />

Jugendlichen nicht genügend kennen (Winter, 2008, S. 590). Auf Nachfrage<br />

bestätige die BeGes die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage (besonders<br />

für sexualpädagogische Einheiten für Schulklassen). Die momentane Wartezeit<br />

beträgt mindestens ½ - ¾ Jahr. Somit ist die frühzeitige Planung externer<br />

fachlicher Unterstützung durch SexualpädagogInnen unerlässlich (Lenz, 2010).<br />

Dass diese Voraussetzung jedoch die einzige Chance auf professionellen Umgang<br />

mit Jugendsexualität darstellt, scheint prekär. Winter meint dazu: „Natürlich<br />

kann es sinnvoll und auch professionell sein, sich Unterstützung von aussen zu<br />

holen – aber wieso gerade beim „Allerweltsthema“ Sexualität?“. Es folgt die<br />

provokative Frage, ob denn gleich eine externe Spielpädagogin oder ein<br />

Pizzapädagoge beigezogen werde, wenn in Jugendeinrichtungen gemeinsam<br />

gespielt oder gekocht werden soll; warum gerade die Sexualität nicht als „ein<br />

allgemeines, durchgängiges, gewissermassen auch „normales“<br />

Querschnittsthema“ (Winter, 2008, S. 591) beibehalten werden könne. Diese<br />

Delegation nach aussen ist nach Ansicht von Winter fragwürdig und<br />

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wiederspiegelt personelle Unsicherheiten und konzeptionelle Unzulänglichkeiten<br />

(Winter, 2008, S. 591). Ein Bedürfnis der SozialarbeitenrInnen nach<br />

Weiterbildungen im Bereich der Sexualpädagogik lässt sich beispielsweise am<br />

Angebot der <strong>Fachhochschule</strong> für Soziale Arbeit Luzern ablesen. Diese bietet<br />

umfassende weiterbildende Lehrgänge zur professionellen Handlungskompetenz<br />

im Bereich der Sexualität an, welche sich an Professionelle der Sozialen Arbeit<br />

richtet, „die in ihrer pädagogischen oder beraterischen Arbeit mit Fragen der<br />

Sexualität konfrontiert sind“ (HSLU, 2008, S. 5). Externe Institutionen mit<br />

„ausgesprochener sexualpädagogischer Kompetenz“ bleiben auch nach einer<br />

Stärkung der internen Sexualpädagogik bedeutende Kooperationspartner. Sie<br />

werden bei Veranstaltungen und Projekten zugezogen, „(…) bieten Fortbildungen<br />

(…) und fachspezifische Supervision“ für JugendarbeiterInnen an und dienen<br />

Jugendlichen durch ein themenspezifische Informations- und Beratungsangebot<br />

als kompetente Anlaufstelle für Fragen der Sexualität (Winter, 2008, S. 592). So<br />

könnte interprofessionelle sowie interinstitutionelle Kooperation umgesetzt<br />

werden. Gleichzeitig kann auf diesem Weg das Handlungswissen der<br />

SozialarbeiterInnen erweitert werden. Diesen Anspruch erachten wir als logische<br />

Konsequenz einer Haltung von Selbstbestimmtheit, Emanzipation und<br />

Empowerment – nicht lediglich den KlientInnen Sozialer Arbeit gegenüber,<br />

sondern auch in Bezug auf die eigene professionelle Identität. Den Vorteil der<br />

Unabhängigkeit betont auch Winter, wenn er darlegt, dass in diversen „(…)<br />

Einrichtungen der Jugendhilfe bisweilen Gelingendes zu finden ist.“ Er nennt dazu<br />

konkrete Bedingungen für eine gelingende sexualpädagogische Praxis in<br />

Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe: Aktive Ansätze, die konzeptionell und<br />

institutionell verankert werden, anstatt als reines Dienstleistungsangebot,<br />

beispielsweise für die Schule zu „fungieren“ (Winter, 2008, S. 592).<br />

7.2 ANSCHLUSSKOMMUNIKATION<br />

Jugendlichen stehen verschiedene Quellen für Informationen zur Sexualität zur<br />

Verfügung. Nebst Familie, Schule und Jugendarbeit, bestehen auch vielfältige<br />

mediale Zugänge zu sexueller Bildung. Nicht alle davon sind aber verlässlich;<br />

ohne professionelle Anregungen und Ergänzungen, kann dies zu einer latenten<br />

Verunsicherung und Orientierungslosigkeit Jugendlicher führen (Winter, 2008, S.<br />

586-587). Nussbaum bezeichnet „(…) Eltern und Lehrpersonen als<br />

Erziehungsverantwortliche und wichtigste Sozialisationsinstanzen (…).“<br />

(Nussbaum, 2009, S. 11). Die Thematisierung gewisser Aspekte der Sexualität<br />

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stellt sowohl Eltern, wie auch Lehrpersonen vor besondere Herausforderungen.<br />

Ganz konkrete Informationen zur sexuellen Praxis, Selbstbefriedigung, Geilheit,<br />

Pornografie etc. lösen offenbar Hemmungen aus, oder aber Eltern und/oder<br />

Lehrpersonen fühlen sich in diesen Themenbereichen zu unsicher, um sich auf<br />

ein Gespräch einzulassen. So bleibt Jugendlichen vor allem der Austausch mit der<br />

Peergroup. Dieses Gefäss wird denn auch rege genutzt und geschätzt, bietet<br />

aber wie die bereits erwähnten medialen Quellen nicht immer reliable Angaben<br />

(Nussbaum, 2009, S. 11). Wermuth bringt die Notwendigkeit dessen, was in<br />

sozial- und sexualpädagogischen Fachkreisen als „Anschlusskommunikation“<br />

bezeichnet wird, in klaren Worten auf den Punkt: „Die Begegnung mit der<br />

pornografischen Fi(c)ktion lässt bei Jugendlichen Fragen entstehen, auf die sie<br />

weder alleine noch zusammen mit anderen Jugendlichen Antworten finden.“<br />

(Wermuth, 2010, S. 20). Auch Gloël ist der Meinung, dass „insbesondere vor<br />

dem ersten Geschlechtsverkehr“ Jugendliche auf den beschränkten<br />

Realitätsgehalt pornografischer Darstellungen hingewiesen werden sollten. Bei<br />

kritikloser Übernahme der vermittelten Bilder der Pornografie besteht die Gefahr<br />

der Enttäuschung 53 beim ersten Geschlechtsverkehr 54 . Es geht darum, dass<br />

Pornografie als einziges „Modell für gelingende Sexualität“ schlicht nicht taugt<br />

(Gloël, 2010, S. 45-46). Das Entwickeln von „Entscheidungskompetenzen“ stärkt<br />

den eigenen Orientierungssinn und damit den selbstbestimmten Umgang mit der<br />

eigenen Sexualität, so Nussbaum nach Aussagen der Schweizerischen Stiftung<br />

für sexuelle und reproduktive Gesundheit, 2008 (Nussbaum, 2009, S. 9).<br />

7.2.1 HALTUNG<br />

Aus der BZgA-Studie geht ein besonders wichtiges Kriterium für den Zugang zu<br />

Jugendlichen bezüglich deren Fragen zu sexueller Aufklärung hervor: Es geht um<br />

die Notwendigkeit des Gefühls Jugendlicher, völlig ernstgenommen zu werden.<br />

(BZgA, 2010). Angesichts kontroverser Zugänge und unterschiedlicher<br />

Auswirkungen, die der Pornografiekonsum auf Jugendliche haben kann, könnte<br />

man versucht sein, sich diese mehrdeutige, unkontrollierbare und oft<br />

problematische Informationsquelle aus der Welt der Jugendlichen zu verbannen<br />

53 Enttäuschung kann in diesem Sinne auch als Befreiung von Trugbildern verstanden<br />

werden. Es kann und sollte aber nicht Ziel der JugendarbeiterInnen sein,<br />

Heranwachsende im Sinne einer „Kind-fasst-die-heisse-Herdplatte-an-Pädagogik“<br />

auflaufen zu lassen.<br />

54 Die ersten Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr sind ohnehin fragil und werden oft als<br />

eine Art Schlüsselerlebnis, das sowohl positiv, als auch negativ konnotiert werden kann,<br />

empfunden.<br />

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und damit scheinbar Sicherheit zu erreichen. Abgesehen davon, dass dies nicht<br />

möglich ist, wäre es nach Gloël auch nicht im Sinne der Sozial- und<br />

Sexualpädagogik: „Eine auf sexuelle Selbstbestimmung ausgerichtete<br />

Sexualpädagogik kann (…) weder zum Ziel haben, Pornographie aus den Leben<br />

der Jugendlichen zu entfernen noch kann sie das Ziel verfolgen, Pornographie<br />

gänzlich zu verbieten.“ (Gloël, 2010, S. 58). Das entspricht auch einer<br />

wünschens- und erstrebenswerten Grundhaltung der SozialarbeiterInnen. So<br />

kommt denn auch den Menschenrechten und der Menschenwürde – und damit<br />

der Selbstbestimmung – im neuen Berufskodex Professioneller Sozialer Arbeit<br />

Schweiz (Fassung für die Vernehmlassung) eine tragende Rolle zu:<br />

• Art. 8, Abs. 3<br />

Lit. a)<br />

Selbstbestimmung: Das Anrecht der Menschen, im Hinblick auf ihr<br />

Wohlbefinden ihre eigene Wahl und Entscheidung zu treffen, geniesst<br />

höchste Achtung, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die Rechte und<br />

legitimen Interessen Anderer.<br />

Lit. d)<br />

Ermächtigung: die eigenständige und autonome Mitwirkung an der<br />

umgebenen Sozialstruktur setzt voraus, dass Individuen, Gruppen und<br />

Gemeinschaften ihre Stärken entwickeln und sich zur Wahrung ihrer<br />

Rechte ermächtigen.<br />

• Art. 10, Abs. 2<br />

Lit. a)<br />

Anforderungen bewältigen: Die Professionellen der Sozialen Arbeit<br />

motivieren ihre Klientinnen und Klienten, von ihren Rechten, Ressourcen<br />

und Fähigkeiten Gebrauch zu machen, damit diese selbst auf ihre<br />

Lebensbedingungen Einfluss nehmen können.<br />

(AvenirSocial)<br />

Nach Galuske beinhaltet sozialpädagogisches Beratungshandeln „drei zentrale<br />

Dimensionen“: Akzeptanz des Klienten, Sachkompetenz und Partizipation<br />

(Galuske, 2007, S. 171). Werden diese Dimensionen auf die Beratung und<br />

Unterstützung Jugendlicher mit Pornografiekonsum-Erfahrung bezogen, so<br />

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könnte das wie folgt aussehen: SozialarbeiterInnen akzeptieren die<br />

gesellschaftlich geprägten sowie individuell wahrgenommenen und<br />

ausgestalteten Lebenswelten Jugendlicher; dies zeigt sich vor allem in einer<br />

respektvollen und ernstnehmenden Haltung der SozialarbeiterInnen.<br />

Wie sich diese Haltung in zwischenmenschlicher Kommunikation, sei dies im<br />

Gespräch zu zweit oder auch in Gruppendiskussionen, äussern kann, zeigen wir<br />

im nächsten Abschnitt auf.<br />

7.2.2 GESTALTUNG DER KOMMUNIKATION<br />

Wermuth erachtet es als notwendig, dass kompetente Erwachsene „gelassen und<br />

sachlich mit Kindern und Jugendlichen über Erfahrungen und Fragen im<br />

Zusammenhang mit Pornografie sprechen.“ (Wermuth, 2010, S. 22). Auch Geers<br />

betont „Humor und Gelassenheit anstelle von Aufgeregtheit und<br />

Kulturpessimismus“ (Geers, 2009, S. 24). Die Grundvoraussetzung für eine<br />

konstruktive Auseinandersetzung mit Pornografie ist die Gestaltung einer<br />

vertrauensvollen und angenehmen Gesprächsatmosphäre, die zum Austausch<br />

einlädt (Geers, 2009, S. 22). Dazu braucht es Authentizität, Sachlichkeit,<br />

Ehrlichkeit und insbesondere Bereitschaft seitens Sozial- und<br />

SexualpädagogInnen (Gloël, 2010, S. 58). Wie gelingt dies angesichts einer<br />

Thematik, die eng an Norm- und Wertvorstellungen genknüpft ist, die nur allzu<br />

leicht dazu verleitet, Verbindungen herzustellen, die zwar naheliegend<br />

erscheinen, einer fundiert wissenschaftlichen Prüfung aber nicht standhalten?<br />

Einige Bemühungen scheinen von vornherein schwierige Voraussetzungen zu<br />

schaffen: In einem Hinweisdokument des NWSB (Netzwerk Schulische<br />

Bubenarbeit) für Schulen, ist zu lesen:<br />

„Übergriffige Jungen konsumieren in der Regel häufig Pornografie - individuell<br />

oder als Gruppe. Gemeinsamer Pornografiekonsum baut die Hemmung vor<br />

Sexualität in der Gruppe ab, stellt also eine Vorstufe zu Übergriffen als<br />

Gruppe dar. Es gibt verschiedene Arten von Pornografie. Der Konsum härterer<br />

oder gewalttätiger Pornografie sollte als Warnzeichen interpretiert werden.“<br />

(Halbright, Decurtins, Geu, 2007, S. 3).<br />

Auch wenn sich diese Äusserung spezifisch auf Jungen bezieht, die bereits<br />

übergriffig geworden sind, so finden sich darin doch heikle Verknüpfungen, die<br />

eben einer aufgeregten, pessimistischen und zu wenig differenzierten Haltung<br />

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Vorschub leisten. Gerade in Hinweisdokumenten, die sich zwar an Fachleute<br />

richten, jedoch nicht an solche mit explizitem sexualpädagogischem Hintergrund,<br />

kann nicht per se vorausgesetzt werden, dass solche Aussagen richtig<br />

eingeordnet werden. Der Sachverhalt des Pornografiekonsums der Täter mag<br />

richtig sein. Um aber treffende Schlussfolgerungen zu ziehen, müsste man<br />

wissen, unter welchen Bedingungen der Pornografiekonsum zum beobachteten<br />

problematischen Verhalten führt, respektive unter welchen nicht.<br />

Zum Gestaltungsrahmen betont Nussbaum die Wichtigkeit<br />

geschlechterspezifischer Angebote. Sie begründet dies damit, dass „generell (…)<br />

im Pornografiekonsum von Jugendlichen eindeutige Unterschiede zwischen den<br />

Geschlechtern feststellbar“ (Nussbaum, 2009, S. 10) seien. Gleichzeitig hebt sie<br />

aber den Aspekt der Sozialen Erwünschtheit hervor:<br />

„Zweifellos hat Offenheit in Zusammenhang mit dem Thema<br />

Sexualität/Pornografie (…) Grenzen. (…) Möglicherweise beantworten<br />

Mädchen die entsprechende Frage nach ihrem Pornografiekonsum im Sinne<br />

der Sozialen Erwünschtheit eher mit Nein (Tendenz zum Nein-Sagen).<br />

Umgekehrt kann die Überlegung angestellt werden, dass Jungen ihren<br />

Pornografiekonsum eher bestätigen (Tendenz zum Ja-Sagen), möglicherweise<br />

auch aus der Überlegung, dass dies von ihnen erwartet wird<br />

(Gruppenzugehörigkeit, Männlichkeit).“ (Nussbaum, 2009, S. 8).<br />

Nichts desto trotz geht Nussbaum davon aus, dass der Zugang zu Pornografie<br />

und deren Konsum bei Mädchen ein anderer sei als bei Jungen. Differenzen<br />

werden beispielsweise in der Sprache und im Interesse an Sexualität und<br />

Pornografie deutlich, wenn sich Jungen eher „auf einer mehr funktionellen,<br />

technischen Ebene bewegen“, Mädchen dagegen „einen emotionaleren Zugang“<br />

haben (Nussbaum, 2009, S. 10). Aus diesen Ausführungen sind mindestens zwei<br />

mögliche Schlüsse zu ziehen: Einerseits scheinen gendergerechte<br />

Umgangsformen in Angeboten und Gesprächen mit Jugendlichen angebracht.<br />

Andererseits könnte diese differente Ausgestaltung der Angebote aber auch dazu<br />

beitragen, sozialisationsbedingte Unterschiede und den Grad der<br />

Berücksichtigung sozialer Erwünschtheit zusätzlich zu verstärken. Ein nicht zu<br />

unterschätzender Faktor ist aber die Wahrung der Privat- und Intimsphäre<br />

Jugendlicher, die mittels Geschlechtertrennung besser geschützt werden kann.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 69


Im Kontakt mit den Jugendlichen gelte es, „die Grenze zur Intimität“ (Geers,<br />

2009, S. 22) zu respektieren; so sollten Fragen durch Fachpersonen in der Arbeit<br />

mit einer Gruppe Jugendlicher nicht direkt die individuelle, persönliche Ebene<br />

Jugendlicher ansprechen. Ein Beispiel: Auch wenn Rückmeldungen zu allgemein<br />

angenommenen Gründen des Pornografiekonsums genannt werden, so kann<br />

davon ausgegangen werden, dass diese (oder zumindest einige davon) für viele<br />

Jugendliche zutreffen. Ein zentrales Element der Anschlusskommunikation ist der<br />

„Realitätsabgleich“ (Geers, 2009, S. 23), wie Geers es bezeichnet: Wie in dieser<br />

Arbeit bereits mehrfach dargelegt wurde, liefert Pornografie verschiedenste<br />

Bilder mit unterschiedlichstem Realitätsbezug von Sexualität. Hier gilt es die<br />

Jugendlichen beim Ein- und Zuordnen zu unterstützen, Verunsicherungen<br />

aufzuklären und auf Verzerrungen in pornografischem Material hinzuweisen<br />

(Geers, 2009, S. 23). Sexualpädagogik müsse es sich „zur Aufgabe machen,<br />

Unterschiede gelebter Sexualität zu akzentuieren, um den Eindruck zu<br />

vermeiden, die in Pornos dargestellte Sexualität stelle die einzige Möglichkeit<br />

dar, wie Sexualität real gelebt werden kann“ (Gloël, 2010, S. 58).<br />

In Anlehnung an Müller eignen sich die sozialpädagogischen Interventionen in<br />

Form von „Angeboten“ oder auch „Gemeinsamem Handeln“. Beiden eigen ist der<br />

„Verzicht auf Machtausübung“, die mittels „informierter Zustimmung“<br />

gewährleistet sein muss: Beide Formen werden nicht aufgezwungen; sie dürfen<br />

auch abgelehnt werden, ohne dass dies negative Konsequenzen für<br />

AdressatInnen hat (Müller, 2009, S. 142). Freiwilligkeit der AdressatInnen setzt<br />

in der Regel voraus, dass diese einen Nutzen erkennen können in<br />

sozialpädagogischen Angeboten, sodass diese dann zu gemeinsamem Handeln<br />

führen. Müller zitiert in diesem Zusammenhang Meinhold, 1987:<br />

„(…) Damit es überhaupt zu einer Begegnung zwischen Anbietern und<br />

potentiellen Nutzern kommt, müssen die Klienten in dem Rahmenangebot von<br />

Anfang an brauchbare und wertvolle Hilfen erkennen können. Darüber hinaus<br />

soll die Nutzung des Angebots den Mitarbeitern und Klienten genügend<br />

Anlässe bieten, um gemeinsame Bedarfssituationen auszuhandeln.“ (Müller,<br />

2009, S. 151).<br />

Eine weitere Ausdifferenzierung nimmt Müller bezüglich sozialpädagogischen<br />

Angeboten vor: Sie beabsichtigen entweder die Änderung von Fähigkeiten einer<br />

Person oder aber die Veränderung einer Situation. Müller zitiert dazu Alice<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 70


Salomon: „Alle Fürsorge besteht darin, dass man entweder einem Menschen hilft,<br />

sich in der gegebenen Umwelt einzuordnen, zu behaupten, zurechtzufinden –<br />

oder dass man seine Umwelt so umgestaltet, verändert, beeinflusst, dass er sich<br />

darin bewähren, seine Kräfte entfalten kann“ (Müller, 2009, S. 153). Dass die<br />

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dennoch nicht unbeachtet bleiben sollen,<br />

betont Galuske in Anlehnung an Thiersch, 1977 unter „Spezifische<br />

Handlungsintention“ wie folgt:<br />

„Sozialpädagogische Beratung ist Beratungshandeln in der Komplexität<br />

alltäglicher Problemlagen und Problemlösungsstrategien und „weit stärker als<br />

andere Beratungsansätze (…) eine Intervention, die auf die Belebung von<br />

Alltagstechniken der Konflikt- und Krisenbewältigung gerichtet ist und dabei<br />

notwendigerweise den gesellschaftlichen Kontext nicht ausklammert.““<br />

(Galuske, 2007, S. 170).<br />

In dieser Arbeit wurde bereits dargelegt, dass es kaum möglich ist, die aktuelle<br />

Situation, also den leichten und ungehinderten Zugang Jugendlicher zu<br />

pornografischem Material und den damit gesteigerten Konsum dessen, zu<br />

verändern. Folglich müssen sich sozialpädagogische Angebote auf die<br />

Veränderung, Stärkung der Fähigkeiten und Bewältigung Jugendlicher<br />

konzentrieren.<br />

Wir unterstreichen hier nochmals den Wert jener Ansätze, die im Umgang mit<br />

jugendlichem Pornografiekonsum auf Selbststärkung abzielen. Da wir davon<br />

ausgehen, dass insbesondere die Bewusstseinsbildung ein zentrales Moment im<br />

weiteren Gestalten des eigenen Umganges mit Sexualität und/oder<br />

Pornografiekonsum ist, weisen wir an dieser Stelle auf die bewusstseinsbildende<br />

Gesprächsführung in Anlehnung an Freire und Rogers hin. Mittels Erweiterung,<br />

Differenzierung und Integration kann „(…) Problemen der Bildung von Begriffen,<br />

Bildern, Codes und Werten (…)“, die das Erleben und Erkennen beeinträchtigen<br />

können, begegnet werden. Ziel ist die Weiterentwicklung/Veränderung von<br />

Interpretations- und Artikulationskompetenzen. Durch „Verbalisierung von<br />

Gefühlen, Normen und Gesetzmässigkeiten (…)“ sollen „kognitive und<br />

wertbezogene Aha-Erlebnisse und Einsichten“ erfolgen, um eine „(…) dialogische<br />

rekonstruktive Entschlüsselung oder Deutung von Alltagssituationen,<br />

Lebensphasen, kritischen Lebensereignissen (…)“ zu ermöglichen.<br />

SozialarbeiterInnen können mit non-direktiven Gesprächstechniken sowie mit<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 71


Bildmaterial arbeiten (Staub-Bernasconi, 2007, S. 275-276). In der konkreten<br />

Umsetzung sind vor allem eine wertschätzende, anerkennende und<br />

anteilnehmende Haltung sowie die non-direktive Gesprächsführung wichtig. Als<br />

Teiltechniken werden von Staub-Bernasconi die folgenden genannt:<br />

• Ansprechen – Vorstellen – Einstieg in eine Gesprächssituation – u.a. auch<br />

im Rahmen aufsuchender Arbeit;<br />

• sorgfältig formulierte Einstiegsfragen, die den Gesprächspartner abholen;<br />

• Nachfragen nach weiteren Sachverhalten, nach Wahrnehmungen,<br />

Gefühlen, Beurteilungen, Zusammenhängen (Erklärungen).<br />

• Aufgreifen sich widersprechender Aussagen;<br />

• gemeinsame Rückschau auf das Gespräch – wie geht es weiter?<br />

(Staub-Bernasconi, 2007, S. 326-327)<br />

Welche weiteren Techniken können zur Anwendung kommen? Galuske zitiert<br />

Nestmann, 1982:<br />

„Nicht festgelegt auf ein gelerntes oder trainiertes therapeutischberaterisches<br />

Konzept ist sie (die Beratung, d.V.) auf offen für die<br />

themengerichtete Auswahl und Praktizierung von Beratungsmethoden oder<br />

Vorgehensweisen, die die klassischen Therapieformen und Beratungskonzepte<br />

auf Erziehung, Lernen, alltäglicher Interaktion etc. übernommen und<br />

verabsolutiert haben.“ Genannt werden:<br />

• Aufmerksames aktives Zuhören (…)<br />

• Reflexion von Vergangenem<br />

• Planung von Zukünftigen (…)<br />

• Konfrontation mit Überlegungen zum Überdenken (…)<br />

• Alternativen aufzeigen<br />

• Zusammenfassen<br />

• Anbieten von eigenen Interpretationen (…)<br />

• Provozieren etc. (…)<br />

(Galuske, 2007, S. 172)<br />

Ein einfaches Rezept mit Geling-Garantie kann an dieser Stelle nicht geboten<br />

werden. Das situativ adäquate Anwenden des sozialarbeiterischen<br />

Instrumentariums stellt eine der herausfordernden Grundbedingungen der Praxis<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 72


der Sozialen Arbeit dar – so auch im Umgang mit dem Phänomen jugendlichen<br />

Pornografiekonsums. Ein auswendiggelerntes Set an Methoden und Techniken<br />

greift ohnehin zu kurz, in einem Themenbereich der Privats- und Intimsphäre<br />

zweifellos tangiert werden. Es braucht Willen, Mut und Feingefühl, eine offene<br />

Haltung einzunehmen, ohne die eigenen Grenzen zu missachten. An<br />

SozialarbeiterInnen wird im Allgemeinen die Forderung gestellt, Jugendliche<br />

einerseits mit dem eigenen Hintergrund an Lebenserfahrung zu begleiten,<br />

andererseits durch gezielte Aneignung immer wieder neuer, aktueller<br />

Kompetenzen zu unterstützen und anzuleiten; ein eigener kritischer Umgang mit<br />

Medien und Medienmaterial wie Pornografie wären also Kompetenzen, über die<br />

SozialarbeiterInnen zumindest in einem gewissen Masse (vgl. Aussagen von<br />

Geers, 2009 im nächsten Abschnitt) selbst verfügen müssen, um Jugendlichen<br />

diese vermitteln zu können. Die Einbindung Jugendlicher in den<br />

Kompetenzenerwerb anderer Jugendlichen, also ein peer-to-peer-Ansatz, würde<br />

einen echten partizipativen Zugang ermöglichen. Darauf wird im nächsten<br />

Abschnitt näher eingegangen.<br />

7.3 MEDIEN- UND PORNOKOMPETENZ – ERWEITERTE AUFKLÄRUNG<br />

Exner und Schmidt-Apel zitieren Zacharias, 2001: „Kindheiten sind heute<br />

Medienkindheiten. Jugendzeit ist Medienzeit“ (Exner, Lindner, Schmidt-Apel,<br />

Schröder, 2005, S. 203). Deshalb hat Jugendarbeit den Auftrag, Bildungsdefizite<br />

in der Mediennutzung Jugendlicher abzubauen und sich gemeinsam mit ihnen mit<br />

Inhalten auseinanderzusetzen (Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S.<br />

197-204). Ein gelingender Umgang mit Pornografie bedingt den kritischen<br />

Umgang mit Medien. Nussbaum fordert daher, dass Jugendliche nicht lediglich<br />

durch Zugangsbeschränkungen geschützt werden, sondern insbesondere durch<br />

Vermittlung von Medienkompetenz im Umgang mit Pornografie gestützt werden<br />

(Nussbaum, 2009, S. 9). Da viele Jugendliche bereits versiert mit den neuen<br />

Medien umgehen, gilt es, diese Ressource zu nutzen und darauf aufzubauen:<br />

Dabei können beispielsweise die beinahe grenzenlosen Möglichkeiten der<br />

Bildmanipulation thematisiert und „entlarvt“ werden (Geers, 2009, S. 24). Das<br />

Erkennen, Nutzen und Ausbauen jugendlicher Kompetenzen im Umgang mit den<br />

neuen Medien allein führt noch nicht zum Ziel. Die Verbindung mit dem<br />

eigentlichen Thema Pornografie(konsum) erfordert von professioneller Seite<br />

„Selbstreflexion und Auseinandersetzung“ (Wermuth, 2010, S. 22). Geers steht<br />

in diesem Zusammenhang vor offenen Fragen und bezieht eine wesentliche<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 73


davon auf sich selbst, wenn er fragt, „(…) mit wie viel und mit welcher<br />

Pornografie“ er sich „als Sexualpädagoge auseinandersetzen“ müsse, „um<br />

mitreden zu können.“ (Geers, 2009, S. 24). Ähnliche Fragen stellt sich auch<br />

Sielert:<br />

„Weil Erziehung sich im pädagogischen Bezug ereignet, sind Persönlichkeit<br />

und sexuelle Identität der Erziehenden ganz besonders wichtig. Daraus folgt,<br />

dass sich Sexualerziehende sich selbst kennen lernen sollten. (…) Ich sollte<br />

wissen, wovon ich rede, wissen, wie Pornografie heute aussieht (…). Aber wo<br />

ist für mich die Grenze der Professionalität, was muss ich mir nicht ansehen?<br />

Für die meisten besteht die Grenze bei der Tötungs- und Kinderpornografie.<br />

(…) Ziel ist Professionalität in dem Sinn, dass ich im Wissen um meine<br />

eigenen Grenzen und Trübungen handeln kann, dass ich meine Grenzen<br />

kenne und mich doch auskenne, um fundiert urteilen zu können und<br />

Möglichkeiten von Lernangeboten zu geben.“ (Sielert, 2005, S. 167).<br />

Medien- und Pornokompetenz 55 gehen Hand in Hand. Die Verbindung von<br />

„Bewährtem“ mit neuen Ansätzen und Erweiterungen in der sexualpädagogischen<br />

Arbeit, sind als notwendige Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen des<br />

Sexuellen zu verstehen. Ideen zur Ausgestaltung neuer Wege einer gelingenden<br />

und aktuellen sexualpädagogischen Praxis werden lanciert. So fordert Wermuth<br />

bedürfnis- und entwicklungsstandentsprechende Angebote:<br />

• Sexualerziehung von Anfang an<br />

• Altersentsprechendes Thematisieren von sexueller Praxis und Lust<br />

• Ein Sexfilm für Jugendliche!<br />

(Wermuth, 2010, S. 21)<br />

Was Wermuth mit „von Anfang an“ meinen könnte, spricht auch Nussbaum an.<br />

Ihre Untersuchung belegt, „(…) dass Pornografie bereits in der sechsten Klasse<br />

zur (Medien-)Realität von Kindern und Jugendlichen gehört – ein Drittel der 12-<br />

Jährigen ist schon mit Pornografie in Kontakt gekommen.“ Daraus folgert sie,<br />

dass sexualpädagogische Angebote bereits vor dem Eintritt in die Pubertät<br />

einsetzen müssten (Nussbaum, 2009, S. 9).<br />

55 „Pornokompetenz“ wird sowohl als Trendbegriff an akademischen Lehrstätten wie auch<br />

in der breiten Öffentlichkeit verwendet. Der Begriff kann als Spezifizierung der<br />

Medienkompetenz verstanden werden. Die ursprüngliche Herkunft konnte im Rahmen<br />

unserer Recherchen für die vorliegende Arbeit nicht geklärt werden.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 74


Zur Diskussion steht die Gewichtung des Themas Pornografie in<br />

sexualpädagogischen Angeboten. Geers ist der Ansicht, dass vor allem ein<br />

kompetenter Hintergrund geschaffen werden muss. Pornografie sollte nicht<br />

andere Inhalte verdrängen oder überlagern, da es „eine Menge Falsch- und<br />

Halbwissen (…)“ gebe (Geers, 2009, S. 22). Die gesteigerte Konfrontation mit<br />

sexuellen oder eben auch pornografischen Darstellungen und Inhalten bedeutet<br />

nicht per se bessere Aufklärung. Daher hält er es für wichtig, den<br />

sexualpädagogischen Fokus nicht auf Pornografie zu legen, sondern „zu Beginn<br />

einer sexualpädagogischen Einheit Aufklärung im klassischen Sinne zu betreiben<br />

(…)“ (Geers, 2009, S. 23). Was aber meint „im klassischen Sinne“? Sielert<br />

erläutert seine Einschätzung der klassischen Sexualerziehung, wobei er deren<br />

Fokussierung auf die „Schattenseiten“ betont. Sie laufe daher Gefahr, „(…) ihre<br />

Sexualfreundlichkeit einzubüssen“ oder versuche „(…) sich schadlos zu halten“<br />

und spreche „(…) nur die Sprache der Liebe“, betone „(…) allenfalls noch die<br />

lustvollen, Kraft spendenden und Beziehung stiftenden Seiten.“ Er hofft auf „(…)<br />

einen dritten Weg (…), der den Schatten der Sexualität nicht umgeht, aber auch<br />

dort nicht endet, sondern möglichst viele Auswege eröffnet.“ (Sielert, 2005, S.<br />

155). Er spricht von einer „Sexualitätsprävention“ bis zu den 70er-Jahren, später<br />

sei Sexualpädagogik dann zu einer „Präventionspädagogik“ geworden, die sich<br />

vor allem auf „Gefahrenabwehr“ konzentriert habe. Die Tendenz zur<br />

„Gefahrenabwehr“ – oder anders formuliert „Präventionsarbeit“ – wird mit der<br />

Thematik jugendlichen Pornografiekonsums, respektive dessen möglichen<br />

Konsequenzen, erneut deutlich: Die Ängste um negative Auswirkungen des<br />

jugendlichen Pornografiekonsums lassen wie bei anderem, irgendwie auffälligem<br />

oder abweichendem Verhalten Jugendlicher, Rufe nach Prävention im Rahmen<br />

der Jugendarbeit laut werden (Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S.<br />

255). Was aber soll durch Prävention verhindert werden? Mögliche,<br />

wissenschaftlich noch nicht gesicherte, Gefahren oder ein für die<br />

Erwachsenengeneration moralisch abwegiges Verhalten (Exner, Lindner,<br />

Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S. 259)? Sielert bezieht sich auf Angaben von<br />

Glück, 1990, wenn er sagt, dass im Jahre 1990 noch 45% der Eltern nicht<br />

wollten, dass Pornografie und Prostitution in der Schule thematisiert würden. So<br />

wurde dem Jugendschutz eine bewahrende und abschirmende Aufgabe anstelle<br />

„(…) einer aktiven, stark machenden Auseinandersetzung“ (Sielert, 2005, S.<br />

155) zugesprochen. So verkommt der Präventionsbegriff aufgrund<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 75


gesellschaftlicher Verlegenheit zur Heilsbotschaft und zum Allzweck-Joker (Exner,<br />

Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S. 256), der nach Lindner dann zum<br />

Einsatz kommt, „wenn es zu spät ist, d.h. wenn der Fall, den man eigentlich<br />

verhindern wollte, bereits eingetreten ist.“ (Exner, Lindner, Schmidt-Apel,<br />

Schröder, 2005, S. 259). Da Kinder- und JugendarbeiterInnen in der Regel einen<br />

kontinuierlichen Zugang zu denselben Jugendlichen pflegen, eröffnet dies die<br />

Chance auf einen längerfristigen Ansatz im Sinne von „Bildung statt Prävention“.<br />

Das heisst: Weg von der Durchsetzung „unreflektiert bestimmten<br />

Normalitätserwartungen“ hin zu einer längerfristigen, “bildungsorientierten<br />

offensiven, positiven Auseinandersetzung um soziale Werte und<br />

Verhaltensorientierungen“ (Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S.<br />

260-261). Ein aktiver Zugang bedeutet unter anderem neue Wege<br />

einzuschlagen. Gerade an der Thematik Jugendlichen Pornografiekonsums lässt<br />

sich das nach Nussbaum festmachen. Wie Wermuth ist sie der Ansicht, dass dem<br />

Bedürfnis Jugendlicher nach gezeigtem Sex nachgekommen werden sollte. Sie<br />

führt wie folgt aus:<br />

„Es müsste eine Form gezeigter Sexualität – etwa in Form eines informativen<br />

Sexfilms für Jugendliche – gefunden werden, wobei darin unterschiedliche<br />

Dimensionen menschlicher Sexualität beachtet und betont werden müssten.<br />

(…) Es liegt in der Verantwortung der Erwachsenen Kindern und Jugendlichen<br />

geeignete Angebote gezeigter Sexualität zu machen anstatt aus moralischen<br />

(Hinderungs-)Gründen, Scham und Unfähigkeit hinzunehmen, dass sich<br />

Heranwachsende zu Aufklärungszwecken mit pornografischen Bildern der<br />

Sexualität begnügen müssen.“ (Nussbaum, 2009, S. 11).<br />

Auf politischer Ebene wird mit Forderungen auf die Diskrepanz zwischen dem<br />

jugendlichen Bedürfnis und vorhandenem Angebot reagiert. Insbesondere die<br />

JUSO Schweiz fordert neue Ansätze zur Erlangung sexueller Selbstbestimmung.<br />

Sie sehen eine Möglichkeit im Zeigen konkreter sexueller Praxis (eine Art<br />

Lehrfilm zur Sexualität). Im Anhang dieser Arbeit ist das entsprechende<br />

Positionspapier zu finden.<br />

Welche Kriterien müsste ein solcher Sexfilm erfüllen, um den Jugendlichen<br />

Interessen zu entsprechen und gleichzeitig eine gelingende sexuelle Entwicklung<br />

der Jugendlichen zu unterstützen? Chen-Christen, Kunz und Levin haben durch<br />

eine Bedürfnisabklärung bei Jugendlichen und Fachpersonen, Kriterien für<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 76


jugendgerechte erotische Literatur beziehungsweise jugendgerechtes erotisches<br />

Bildmaterial definiert:<br />

(Abb. 2)<br />

(Chen-Christen, Kunz, Levin, 2007, S. 16)<br />

Werden diese Kriterien auf das Medium des Filmes übertragen, stellen sich<br />

folgende Probleme: Einerseits müssten die zwingenden Kriterien des<br />

Bildmaterials eingehalten werden, andererseits bedingt der dargestellte zeitliche<br />

Ablauf in einem Film auch die Beachtung der Muss-Kriterien des Textes.<br />

Inwiefern also eine Übertragbarkeit dieser Kriterien auf einen Film erfolgen kann,<br />

bleibt fraglich. Sicher müssten weitere Überlegungen zur Bestimmung von<br />

Kriterien angestellt werden. Bezüglich der Einhaltung der gesetzlichen<br />

Bestimmungen zu StGB-Artikel 197, Abs. 5 im Abschnitt „Recht“, kann davon<br />

ausgegangen werden, dass ein Sexual-Lehrfilm sui generis einen<br />

wissenschaftlichen Wert aufweist, da er zu Bildungszwecken eingesetzt würde.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 77


Auch Gloël denkt, dass im sexualpädagogischen Feld neue Angebote geschaffen<br />

werden müssen, „die nicht nur leicht zu erreichen sind, sondern die Jugendlichen<br />

in ihrer Entwicklung begleiten.“ Seine Vorstellung beinhaltet die Einbindung,<br />

Stärkung und Befähigung erwachsener Bezugspersonen. Gloël bezieht sich auf<br />

die von ihm befragten jungen Erwachsenen, wenn er deren reflektierten Umgang<br />

mit der eigenen Biographie als „Porno-Konsument“ betont. Diese Erkenntnis hält<br />

er für motivierend, auch Angebote der Peer-Edukation zum Thema<br />

„Pornographie“ zu erwägen (Gloël, 2010, S. 59). Auch Wermuth hält letzteren<br />

Ansatz für denkbar. Im Gruppengespräch am Runden Tisch der vbgbern,<br />

Quartierarbeit Gäbelbach/Holenacker, äussert er sich entsprechend. In<br />

Anlehnung an das Projekt „Peacemaker“ 56 gegen Jugendgewalt könnte er sich ein<br />

Projekt „Sexmaker“ ähnlichen Aufbaucharakters vorstellen (Beetschen & Rogger,<br />

2010).<br />

8. DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN<br />

Zum Aufbau des letzten Teils der Arbeit gehen wir wie folgt vor:<br />

Einleitend stellen wir in möglichst kurzer Form die gesellschaftliche Ausgangslage<br />

nochmals dar. Zur Gliederung greifen wir auf die Teilfragestellungen zurück, wie<br />

sie bereits in der Einleitung festgehalten wurden. Ausgewählte Erkenntnisse aus<br />

den einzelnen Kapiteln werden nochmals dargelegt. Im Recherche- und<br />

Schreibprozess haben sich viele Fragen ergeben, die im Rahmen dieser Arbeit<br />

nicht (mehr) beantwortet werden konnten. Es handelt sich dabei um Fragen zur<br />

Praxistauglichkeit der aktuell zur Diskussion stehenden neuen<br />

sexualpädagogischen Ansätze; diese haben noch keine Erprobung in der Praxis<br />

erfahren. Antworten könnten daher nicht auf der Basis von Evaluationsdaten<br />

erfolgen, sondern wären lediglich Mutmassungen. Die abschliessenden Gedanken<br />

bilden den Schlusspunkt.<br />

8.1 GESELLSCHAFTLICHER KONTEXT<br />

Die gesellschaftliche Debatte zum jugendlichen Pornografiekonsum, die sowohl in<br />

der Berichterstattung der Medien dokumentiert, als auch von dieser beeinflusst<br />

wird, stellt die Initialzündung zur Entscheidung für die Themenwahl der<br />

56<br />

Artikel zum Projekt „Peacemaker“ auf „Beobachter“-Online: „Jugendgewalt:<br />

Friedensstifter auf dem Pausenplatz“:<br />

http://www.beobachter.ch/familie/artikel/jugendgewalt-friedensstifter-auf-dempausenplatz/<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 78


vorliegende Arbeit dar. Die neuen Medien ermöglichen die Vervielfältigung,<br />

Verbreitung und einen beinahe ungehinderten Zugang zu sexuellen Darstellungen<br />

von grosser Bandbreite. Medialisierung und Sexualisierung der Gesellschaft<br />

stehen in Zusammenhang.<br />

Den plakativen Begriff „Generation Porno“, den die Medien als Aufhänger nutzen,<br />

haben wir bewusst als Haupttitel gewählt und mit „?!“ versehen, um anzudeuten,<br />

dass der Begriff nicht unkritisch übernommen wurde. Uns scheint ein<br />

unvoreingenommener und differenzierter Zugang der SozialarbeiterInnen zu<br />

Jugendlichen unerlässlich, um überhaupt das nötige Vertrauen für eine<br />

Arbeitsbeziehung schaffen zu können. Es hat sich gezeigt, dass, wenn schon in<br />

dieser bildhaften Art gesprochen werden soll, eher von einem „Zeitalter Porno“<br />

die Rede sein müsste. Erwachsene müssen vor allem selbst Verantwortung für<br />

gesellschaftliche Entwicklungen und Produkte (welcher Art auch immer)<br />

übernehmen: Sie stellen Pornografie her, konsumieren diese und machen sie<br />

leicht zugänglich. Während unter dem Credo der <strong>Wirtschaft</strong>sfreiheit profitiert<br />

wird, greifen strafrechtliche Bestimmungen und Jugendschutz zu kurz. Wir<br />

erachten es als elementar, dass sich mehr Bewusstsein dieser Doppelmoral auf<br />

gesellschaftlicher Ebene entwickelt. Ansonsten werden die von Fachleuten<br />

geforderten neuen Ansätze nicht ernsthaft diskutiert. Vielmehr verharrt man<br />

dann in einer ablehnenden Haltung, aus der heraus lediglich kritisiert und<br />

dramatisiert werden kann. Eine reaktionäre Haltung und die Forderung nach<br />

offensichtlich obsolet gewordenen Idealbildern 57 der Jugend ist kaum zielführend.<br />

Es muss um eine ehrliche Standortbestimmung gehen, aus der heraus aktiv und<br />

konstruktiv agiert werden kann.<br />

8.2 AUSGEWÄHLTE ERKENNTNISSE ZU DEN FRAGESTELLUNGEN<br />

Wie definieren wir Pornografie als wissenschaftlich zu untersuchenden<br />

Gegenstand?<br />

Es konnte keine vollumfänglich befriedigende wissenschaftliche Definition<br />

vorgenommen werden.<br />

Inwiefern Inhalte als pornografisch definiert werden, hängt vom Zugang,<br />

respektive der jeweiligen sexuellen Sozialisation ab. Im Rahmen der<br />

57 Wie es die Formulierung nahelegt, kann es sich dabei immer nur um Vorstellungen und<br />

niemals die Abbildung der Realität handeln. Dieses Phänomen wird unter anderem<br />

anhand des immer wieder verwendeten Begriffs der „sexuellen Verwahrlosung“ deutlich.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 79


vorliegenden Arbeit wurde klar, dass die Gegenstandsbestimmung der<br />

Pornografie eine grosse Herausforderung darstellt. Zwar existieren im<br />

juristischen Sinne Bestimmungskriterien, nicht aber eine eigentliche Definition.<br />

In nichtjuristischen Definitionsansätzen mit beispielsweise beschreibendem<br />

Zugang, fliessen Wertungen, implizite Annahmen über Funktionen oder, je nach<br />

Detailliertheit, Einschränkungen mit ein. Einerseits ist bei der wissenschaftlichen<br />

Gegenstandsbestimmung Sachlichkeit und Klarheit gefragt, andererseits lassen<br />

sich moralisch-ethische Konnotationen im Zusammenhang mit Sexualität<br />

und/oder Pornografie nicht gänzlich ausschliessen.<br />

Wie und weshalb nutzen Jugendliche pornografisches Material?<br />

Unsere Hypothese, dass Pornografie in jugendliche Lebenswelten Einzug gehalten<br />

hat, bestätigt sich. Jugendliche kommen mit Pornografie in Berührung. Die<br />

Konfrontation kann beabsichtigt oder ungewollt stattfinden. Ungewolltes in<br />

Kontakt kommen mit pornografischem Material kann damit erklärt werden, dass<br />

strafrechtliche Bestimmungen und Jugendschutz mit den aktuellen technischen<br />

Möglichkeiten nur unzureichend eingehalten werden. Die Gründe bewusster<br />

Nutzung sind vor allem Informationsbeschaffung zur sexuellen Praxis und<br />

sexuelle Neugierde, beziehungsweise Lustgewinn (vorwiegend als Unterstützung<br />

bei der Selbstbefriedigung). Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Jugendund<br />

Adoleszenzphase geht mit einem gesteigerten Interesse an Sexualität<br />

einher. Die Bildung einer (sexuellen) Identität ist nur eine der<br />

Entwicklungsaufgaben dieser Zeit. Die biopsychosozialen Wechselwirkungen<br />

führen zu einer erhöhten Vulnerabilität. Heranwachsende benötigen in dieser<br />

herausfordernden Lebensphase Raum zur Entfaltung, gleichzeitig aber auch<br />

Begleitung und die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit erwachsenen<br />

Bezugspersonen. Zunehmende Autonomiebestrebungen äussern sich auch in der<br />

wachsenden Bedeutung der Peergroup. So lassen sich wohl auch soziale Motive<br />

wie Unterhaltung, Mutproben und Statusgewinn als weiteren gängigen<br />

Nutzungsgrund für Pornografie erklären. In aktuellen Untersuchungen zeigen sich<br />

auffällige geschlechterspezifische Differenzen, wobei sozialisationsbedingte<br />

Faktoren sicherlich eine Rolle spielen. Es ist unklar, in welchem Masse<br />

Verhaltensanpassungen aufgrund Sozialer Erwünschtheit insbesondere bei<br />

Mädchen mitschwingen.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 80


Welche Auswirkungen lassen sich unter besonderer Berücksichtigung der<br />

sexuellen Entwicklung gemäss aktuellem Forschungsstand konstatieren?<br />

Thematisiert wird der jugendliche Pornografiekonsum vor allem im<br />

Zusammenhang mit möglichen negativen Auswirkungen und Konsequenzen auf<br />

die sexuelle Entwicklung. Gefürchtet werden Verzerrungen wie beispielsweise ein<br />

problematisches einseitiges Bild der Sexualität und damit zusammenhängend der<br />

Geschlechterrollen, fehlende Verknüpfung von Sexualität und Liebe sowie<br />

sexuelles Risikoverhalten. Aktuelle Forschungen zeigen, dass die Fähigkeit zur<br />

Differenzierung zwischen pornografischer Fiktion und real gelebter Sexualität –<br />

also dem eingeschätzten Realitätsgehalt pornografischer Darstellungen eine<br />

Schlüsselfunktion zukommt. Inwiefern Jugendliche über diese Kompetenz<br />

verfügen, hängt einerseits mit ihren kognitiven Fähigkeiten zusammen,<br />

andererseits mit dem Stand eigener sexuellen Erfahrung.<br />

Die beschriebenen sexuellen Skripte sind dynamisch und vielfältig gespeist. Sie<br />

lassen sich in der Regel nicht monokausal erklären oder prägen. Insofern<br />

relativieren Untersuchungsergebnisse aus der Skripttheorie die befürchteten<br />

einschneidenden Auswirkungen jugendlichen Pornografiekonsums; vielmehr ist<br />

dieser als einer von vielen sozialisationsbedingten Faktoren auf dem Weg zur<br />

sexuellen Identitätsbildung zu verstehen.<br />

Welche Rolle kommt der Sozialen Arbeit im Umgang mit jugendlichem<br />

Pornografiekonsum zu? Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen der<br />

Einflussnahme?<br />

Da Jugendschutz, wie bereits angetönt, nicht lediglich über strafrechtliche<br />

Bestimmungen und Technik gelöst werden kann, benötigen Jugendliche<br />

Begleitung. Hierbei kommen verschiedene erwachsene Bezugspersonen in Frage,<br />

wie Eltern, Lehrpersonen, SexualpädagogInnen, etc. Wie bereits aufgezeigt<br />

wurde, bestehen bei den verschiedenen Bezugspersonen unterschiedliche<br />

Hinderungsgründe. Daraus wurde gefolgert, dass sich unsere Hypothese<br />

bestätigt, wonach Sozialer Arbeit eine Rolle im Umgang mit jugendlichem<br />

Pornografiekonsum zukommt, im Sinne der Gestaltung von Rahmenbedingungen<br />

und Interventionen für gelingende sexuelle Entwicklung. Die Ausgestaltung<br />

dieser Rolle untersteht einerseits den zeitlichen, finanziellen und personellen<br />

Ressourcen, andererseits stellt sich auch die Fragen nach den Möglichkeiten und<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 81


Grenzen der Umsetzung durch die jeweilige Fachperson. Wir halten die folgenden<br />

Kriterien für fundamental:<br />

• Vernetzung (interpersonelle, interdisziplinäre und interinstitutionelle<br />

Zusammenarbeit)<br />

• Aktiver eigenständiger (fachlich und institutionell verankerter) Zugang<br />

• Bedarfsorientierung (in Bezug auf Jugendliche, erwachsene<br />

Bezugspersonen und bereits etablierte Angebote)<br />

Es scheint uns wichtig, nochmals auf die sozialarbeitsspezifischen<br />

Handlungsmaximen zu sprechen kommen. Die Schwierigkeit im Umgang mit<br />

Werthaltungen der verschiedenen Beteiligten kommt gerade bei persönlichen, ja<br />

intimen Themen besonders zum Tragen. Wir sind überzeugt, dass ein toleranter<br />

und verstehender Zugang notwendig ist, um überhaupt Kommunikation aufbauen<br />

zu können. Toleranz und Verständnis sollen aber nicht gleichbedeutend sein mit<br />

Ignoranz und kritikloser Akzeptanz. Wenn Jugendlichen einen selbstbestimmten,<br />

emanzipierten und selbstsicheren Umgang mit der eigenen Sexualität entwickeln<br />

sollen, müssen professionelle AnsprechpartnerInnen „Reibungsfläche“ bieten.<br />

Gleichzeitig kommt ihnen auch eine Rolle als relativierende, entlastende, aber<br />

auch stützende Instanz zu. So kann Jugendlichen beispielsweise vermittelt<br />

werden, dass es völlig in Ordnung ist, nicht alles zu wissen. Auch der Umgang<br />

mit verschiedenen Wissensinhalten kann relativiert werden; einerseits bezüglich<br />

deren Bedeutung für die Realität, andererseits in Bezug auf deren Wichtigkeit für<br />

die eigenen sexuellen Erfahrungen. Nebst klärenden Gesprächen, die zur<br />

Relativierung und Entlastung beitragen können, braucht es auch die Bestärkung<br />

in den Bestrebungen zu einem selbstbestimmten Umgang mit Sexualität. So<br />

sollen beispielsweise Mädchen darin bestärkt werden, nur sexuellen Praktiken<br />

nachzugehen und/oder zuzustimmen, die von ihnen selbst gewünscht und als<br />

lustvoll 58 empfunden werden. Damit dies gelingen kann, muss die Achtsamkeit<br />

sich selbst gegenüber gefördert werden: Die Fähigkeit zur Einschätzung, was<br />

physisch und psychisch gut tut und was nicht, soll helfen, jeglicher Form von<br />

Druck bewusst begegnen zu können. Anhand dieser Beispiele wird klar, dass es<br />

SozialarbeiterInnen nicht darum gehen kann, völlig neutral und wertfrei zu sein,<br />

denn so wäre es nicht möglich, die oftmals notwendige Stellung zu beziehen.<br />

58 Es geht nicht um die Orientierung am schieren Lustprinzip ohne Beachtung der<br />

vernunftgemäss zu erwartenden Konsequenzen; vielmehr ist die subjektive Empfindung<br />

von Stimmigkeit gemeint.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 82


Vielmehr sollte verständnisorientiert die eigene Position transparent und<br />

authentisch vertreten werden. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass aus<br />

einer solchen Haltung heraus gehandelt werden kann, wenn sowohl fachliche<br />

Kompetenz angeeignet wurde, als auch eine persönliche Auseinandersetzung<br />

stattgefunden hat. Oftmals scheint der Weg zur fachlichen Wissensvermehrung<br />

einfacher und klarer zu gehen; hier stellt sich vor allem die Frage nach dem<br />

„Wo“. In Bezug auf die Entwicklung der eigenen Haltung steht das „Wie“ im<br />

Zentrum. Während ein Teil dieses Prozesses im direkten Austausch (zum Beispiel<br />

über Vernetzung mit Fachpersonen) und über entsprechende Rückmeldungen<br />

erfolgen kann, ist Achtsamkeit gegenüber den eigenen Empfindungen wichtig.<br />

Diese können innerlich ablaufen, aber auch über Handlungen externalisiert<br />

werden. Unabhängig von der Art und Weise der Konfrontation mit Sexuellem,<br />

kann Achtsamkeit über Selbstreflexion erfolgen:<br />

Wie reagiere ich auf die jeweilige Konfrontation? Wie kommt es zu meiner<br />

Reaktion? Welche Empfindung(en) war(en) massgeblich? Welche Werthaltungen<br />

stehen bewusst oder unbewusst im Zusammenhang mit meiner Reaktion /<br />

Empfindung? Steht eine Absicht hinter meiner Reaktion? Wie ist meine Handlung<br />

und/oder Absicht zu legitimieren? Etc.<br />

Durch fachspezifische Supervision können solche Prozesse angeregt, begleitet<br />

und evaluiert werden.<br />

Im vorangehenden Kapitel wurde auf aus unserer Sicht geeignete Methoden und<br />

Techniken hingewiesen (unter anderem auf den Ansatz der<br />

bewusstseinsbildenden Gesprächsführung sowie einzelne Techniken der<br />

sozialpädagogischen Beratung). Es fehlen wie bereits erwähnt umfassende und<br />

zusammenhängende Konzeptionen und Anleitungen; ein mässiger Eklektizismus<br />

erscheint uns hilfreich. Unsere Folgerungen sollen als Anregung für<br />

weiterführende Erarbeitung von passenden Konzepten verstanden werden. In<br />

Bezug auf den Umgang mit jugendlichem Pornografiekonsum sind ohnehin noch<br />

zu viele grundsätzliche Fragen offen, als dass es zu diesem Zeitpunkt sinnvoll<br />

wäre, auf einer untergeordneten Ebene handlungsanleitende und abschliessende<br />

Antworten geben zu wollen.<br />

Die Ausarbeitung und Umsetzung neuer alters- und entwicklungsgerechter<br />

Ansätze ist angezeigt. Die aktuell diskutierten Ideen wie<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 83


Anschlusskommunikation, das Zeigen konkreter sexueller Praxis sowie ein peerto-peer-Ansatz,<br />

spezifische sexualpädagogische Weiterbildung für erwachsene<br />

Bezugspersonen sollen alle gleichsam zur nötigen Medien- und Pornokompetenz<br />

bei Jugendlichen und Erwachsenen verhelfen. Im Kontakt zur Praxis Sozialer<br />

Arbeit, sei dies in unseren Praktika, wie auch im Austausch mit Fachleuten<br />

(beispielsweise mit dem „Runden Tisch“ der vbgbern) wurde eine Suchbewegung<br />

spürbar. Die Frage nach dem richtigen Handeln, dem Umgang im<br />

Zusammenhang mit jugendlichem Pornografiekonsum beschäftigt<br />

SozialarbeiterInnen verschiedener Institutionen in unterschiedlichem Masse;<br />

während einige bereits seit längerer Zeit mit Jugendlichen über deren<br />

Pornografieerfahrungen sprechen, ist das Thema für andere relativ neu. Am<br />

bereits erwähnten „Runden Tisch“ der vbgbern wurde jedoch deutlich, dass<br />

sowohl „erfahrenere“, wie auch „neu konfrontierte“ SozialarbeiterInnen auf der<br />

Suche nach Austausch, handlungsleitenden Prinzipien oder gar nach einer Art<br />

„Rezept“ sind. Im Laufe der Diskussionsrunde konnte durch den<br />

Sexualpädagogen Bruno Wermuth aufgezeigt werden, dass zwar Ideen zu neuen<br />

Ansätzen in Fachkreisen aktuell rege diskutiert werden, jedoch noch kaum oder<br />

keiner eigentlichen Feuerprobe in der Praxis ausgesetzt waren. Die dadurch<br />

offenbleibenden Fragen werden im folgenden Abschnitt festgehalten.<br />

8.2.1 FRAGEN ZUR PRAXISTAUGLICHKEIT DER VORGESTELLTEN ANSÄTZE<br />

Die konkrete Umsetzung der beschriebenen neuen Ansätze wirft noch etliche<br />

Fragen auf, die wir an dieser Stelle festhalten und unbeantwortet lassen.<br />

• Welche Gestaltung der Anschlusskommunikation, respektive allfälliger<br />

sexualpädagogischer Angebote ist wünschenswert? Welche zeitlichen,<br />

finanziellen und personellen Ressourcen können zur Verfügung gestellt<br />

werden (nicht lediglich für die eigentliche Umsetzung im Arbeitsalltag,<br />

sondern auch für die Konzepterarbeitung sowie die möglicherweise<br />

notwendige Weiterbildung)? Und wie personenabhängig ist dann ein<br />

gelingender professioneller Umgang mit dem Phänomen jugendlichen<br />

Pornografiekonsums (Einerseits aufgrund fachlicher Kompetenzen,<br />

andererseits in Bezug auf persönliche Werthaltungen und<br />

Entscheidungen)?<br />

• Wer legt wie ein alters- und entwicklungsgerechtes Thematisieren von<br />

sexueller Praxis und Lust fest? Wer definiert beispielsweise den Inhalt<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 84


eines Lehrfilms sexueller Praxis (Gefahr der personenabhängigen<br />

Idealisierung eines bestimmten Zuganges, beispielsweise Ausklammerung<br />

gewisser sexuellen Praktiken, etc.)? Wer bestimmt den rechtlich<br />

notwendigen wissenschaftlichen Nutzen? In welchem Rahmen (Zeitpunkt,<br />

Raum / Ort, (erwachsene) Anwesende, etc.) könnte eine solche<br />

Filmvorführung stattfinden, wenn Jugendliche sich dabei nicht peinlich<br />

berührt und in ihrer Privats- und Intimsphäre verletzt fühlen sollen?<br />

• Was halten die betroffenen Jugendlichen (und auch deren Eltern) von<br />

einem peer-to-peer-Ansatz? Inwiefern besteht hierbei die Gefahr der<br />

Überforderung, respektive der Abgabe der Verantwortung an die<br />

Jugendlichen? Wie kann die Qualität des weiterzugebenden Wissens<br />

sichergestellt werden?<br />

• Können wir davon ausgehen, dass sexualpädagogische Angebote für<br />

erwachsene Bezugspersonen, beziehungsweise Eltern, von denen in<br />

Anspruch genommen werden, die diese wirklich benötigen? Von<br />

Fachleuten wird zwar die Unumgänglichkeit und Wichtigkeit des Einbezugs<br />

der Eltern betont, nicht aber über eine mögliche Ausgestaltung diskutiert.<br />

Das mag daran liegen, dass hierbei die eigentliche Schwierigkeit liegt:<br />

Zwar scheint der Weg erfolgsversprechend und die Bereitschaft von<br />

Fachleuten zur Wissensvermittlung ausser Frage zu stehen, jedoch<br />

konnten wir keine Äusserungen zum eigentlichen Moment der<br />

Zusammenarbeit finden. Unter welchen Bedingungen gelingen solche<br />

(Weiter-)Bildungsangebote? Der Begriff „Angebot“ impliziert Freiwilligkeit.<br />

Es ist anzunehmen, dass Eltern, denen die Thematisierung des Sexuellen<br />

ohnehin unangenehm, unangebracht oder unmoralisch erscheint,<br />

vermutlich auch Mühe damit bekunden, ein solches Angebot selbst in<br />

Anspruch zu nehmen. Wie könnten Zweifelnde und KritikerInnen motiviert<br />

und überzeugt werden?<br />

• Wie vermeidet man einen belehrenden und überstülpenden Zugang? Es<br />

gilt zu beachten, dass die Hinderungsgründe sehr individuell sein könnten<br />

und daher nicht angebots-, sondern bedarfsorientiert gearbeitet werden<br />

müsste.<br />

8.3 ABSCHLIESSENDE GEDANKEN<br />

Zum Schluss möchten wir nochmals auf den bewusst gewählten plakativen<br />

Begriff „Generation Porno“ zurückkommen. Sowohl in der konsultierten Literatur,<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 85


als auch in unserem Gruppeninterview hat sich gezeigt, dass etliche Jugendliche<br />

einen differenzierten Zugang zu Pornografie und dessen Konsum zeigen. Dies<br />

mag bestätigen, dass Pornografie zu einem mehr oder weniger alltäglichen<br />

Thema jugendlicher Lebenswelten geworden ist, gleichzeitig aber auch, wie<br />

kompetent und gelassen die erwähnten Jugendlichen damit umzugehen wissen.<br />

Wir haben uns insbesondere mit der bewussten Nutzung pornografischer Inhalte<br />

auseinandergesetzt und aufgezeigt, dass Jugendliche durch bereits vorhandene<br />

Medienkompetenz durchaus in der Lage sind, allfällige technische Barrieren zu<br />

umgehen. Andererseits wollen wir an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass<br />

ein gelassener Umgang nicht lediglich die Gewöhnung an pornografische<br />

Darstellungen meint, sondern eben auch die bewusste Meidung sein kann. Einige<br />

Jugendliche zeigen durch humorvolle Äusserungen sowohl die Fähigkeit zur<br />

Unterscheidung von pornografischer Fiktion gegenüber der Realität, als auch eine<br />

Präferenz der realen sexuellen Begegnung (vgl. Aussagen Jugendlicher unter<br />

„Auswirkungen auf Jugendliche“). Uns ist im Rahmen unserer Recherchen und<br />

persönlichen Begegnungen aufgefallen, dass Jugendliche sich selbst kaum als<br />

Opfer der Konfrontation mit pornografischen Darstellungen fühlen, sich jedoch<br />

durchaus kritisch über den Pornografiekonsum anderer Jugendlichen äussern.<br />

Wir interpretieren solche Äusserungen dahingehend, dass zwar kein Grund zur<br />

(Porno-)Panik (vgl. Gernert, 2010, S. 71) besteht, jedoch die von Jugendlichen<br />

geäusserte Sorge ein Appell an ihre erwachsenen Bezugspersonen darstellt. Die<br />

Verantwortung für Pornografie und deren Nutzung durch Jugendliche bleibt in<br />

Erwachsenenhänden, nicht zuletzt in den Händen von SozialarbeiterInnen.<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 86


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Schmidt, G. & Matthiesen, S. (09.02.2010). Universitätsklinikum Hamburg-<br />

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Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 92


und Fiktionen: http://www.jugendsex-forschung.de/dokumente/<br />

Jugendsexualitaet_zwischen_Fakten_und_Fiktion.pdf<br />

Schwarzer, A. (2000). Der grosse Unterschied. Gegen die Spaltung von Menschen<br />

in Männer und Frauen. Köln: Kiepenheuer & Witsch.<br />

Sielert, U. (2005). Einführung in die Sexualpädagogik. Weinheim und Basel:<br />

Beltz Verlag.<br />

Sielert, U. (1993). Sexualpädagogik. Konzeption und didaktische Anregungen.<br />

Weinheim und Basel: Beltz Verlag.<br />

Staub-Bernasconi, S. (2007). Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft. Bern.<br />

Stuttgart. Wien: Haupt Verlag.<br />

Stulhofer, A., Schmidt, G. & Landripet, I. (2009). Pornografiekonsum in Pubertät<br />

und Adoleszenz. Gibt es Auswirkungen auf sexuelle Skripte, sexuelle Zufriedenheit<br />

und Intimität im jungen Erwachsenenalter? Zeitschrift für Sexualforschung<br />

(Nr. 22, Heft 1), S. 13-23.<br />

voja Vernetzte offene Kinder- und Jugendarbeit Kanton Bern. (kein Datum).<br />

abgerufen am 21.10.2010 von Stellung im Kanton: http://www.voja.ch/de/<br />

Stellu_798.aspx<br />

Vollmer, T. (09.2009). Gewaltprävention: voneinander lernen und Wissen vermitteln.<br />

Der Bundesrat lanciert zwei neue gesamtschweizerische Präventionsprogramme.<br />

(AvenirSocial Schweiz, Hrsg.) SozialAktuell. Die Fachzeitschrift für<br />

Soziale Arbeit (Nr. 9. September 2010), S. 17-19.<br />

Weber, M. (2009). Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. (Forum für<br />

Familienplanung, Hrsg.) Abgerufen am 21.09.2010 von Die Nutzung von Pornografie<br />

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fetch.php?id=574<br />

Weidinger, B. (09.10.2008). Österreichisches Institut für Sexualpädagogik ISP.<br />

Abgerufen am 20.10.2010 von Hemmschwellen - Daten & Fakten: http://www.vp-c.at/boeg08.html<br />

Weinand, C. F. (2010). Dachverband Jugendarbeit Graubünden. Abgerufen am<br />

04.10.2010 von Sexualität heute. Teil 1: http://www.jugend.gr/<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 93


fileadmin/download/bildungstage/4_BT/referatmorgen/4_bt_referat_morgen_c_<br />

weinand.pdf<br />

Wenger, C. (2008). Medien. Aneignung und Identität - "Stars" im Alltag jugendlicher<br />

Fans. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Wermuth, B. (16.06.2010). Powerpointpräsentation von Bruno Wermuth für die<br />

Zürcher Fachtagung "Online, Sex und Sucht". Von der pornografischen Fiktion<br />

zur gelebten Sexualtiät. Wie bewältigen die Jugendlichen von heute diesen<br />

Schritt? Zürich.<br />

Winter, R. (2008). Sexualpädagogik in der Jugendhilfe. In R.-B. Schmidt & U.<br />

Sielert (Hrsg.), Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Weinheim und<br />

Basel: Juventa Verlag.<br />

Zimbardo, P. G. & Gerrig, R. J. (2004). Psychologie (16. aktualisierte Auflage).<br />

(R. Graf et al., Hrsg.) München: Pearson Studium (PS Psychologie).<br />

ABBILDUNGEN<br />

Abbildung 1 / Titelbild:<br />

(UrheberIn unbekannt). Hotlips Poster. Abgerufen am 01.12.2010 von GE-<br />

SCHENKidee.ch: http://www.geschenkidee.ch/poster/CU1437660--hotlipsposter.html<br />

Abbildung 2 / Kriterientabelle „Jugendgerechte Erotika“:<br />

Chen-Christen, N., Kunz, C. & Levin, A. R. (2007). Jugendgerechte Erotika.<br />

Uster: Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapie (ISP).<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 94


ANHANG<br />

Isabelle Beetschen und Julia Rogger HS 2010/11 Seite | 95


EINLEITENDE WORTE ZUM INTERVIEW<br />

Rückblickend auf frühe Phasen des Entstehungsprozesses hatten wir im Sinn,<br />

einen bedeutenden Teil unserer Arbeit auf eigenen empirischen Erkenntnissen<br />

aufzubauen. Nach und nach, einerseits beim Einarbeiten in die Literatur, andererseits<br />

durch Hinweise der Fachbegleitung, ist uns bewusst geworden, dass dieses<br />

Vorhaben aufgrund der gewählten Thematik und des zeitlich begrenzten<br />

Rahmens viele Stolpersteine mit sich gebracht hätte. So mussten wir uns – wohl<br />

oder übel – aus Vernunftgründen von dieser Grundidee lösen und neue Vorstellungen<br />

zur Struktur und zum Inhalt der Arbeit gewinnen.<br />

Den bereits erstellten Interviewleitfaden haben wir mit einiger Enttäuschung beiseitelegen<br />

müssen.<br />

Als sich dann im Laufe des Arbeitsprozesses ganz spontan die Möglichkeit eines<br />

Gruppeninterviews mit vier Mädchen zwischen 13 und 14 Jahren ergeben hat,<br />

liessen wir uns die Gelegenheit nicht nehmen. Die Durchführung erfolgte im Jugendraum<br />

des Gemeinschaftszentrums Gäbelbach. Erfreulicherweise gelang es<br />

uns in kürzester Zeit (innerhalb weniger Stunden), ein Setting zu gestalten, welches<br />

eine angenehme, offene und vertrauensvolle Atmosphäre ermöglichte. Die<br />

Mädchen konnten sich so zu sagen „im eigenen Revier“ auf unsere Fragen einlassen,<br />

sodass ein angeregter Austausch entstand. Nachdem unser Interviewleitfaden<br />

doch noch Verwendung gefunden hatte, erzählten die Mädchen „frei Schnauze“<br />

aus ihrer Lebenswelt – rund um die Themen Sexualität und Pornografie.<br />

Transkribiert haben wir nur die Teile, die in direktem Zusammenhang mit den<br />

gestellten Fragen, respektive unserem Erkenntnisinteresse der Arbeit standen.<br />

Die Transkription ist im Anhang zu finden. Einerseits kann die ad hoc zusammengestellte<br />

Gruppe nicht als repräsentativ bezeichnet werden, andererseits haben<br />

wir bezüglich den Rahmenbedingungen des Interviews nur bedingt auf wissenschaftliche<br />

Kriterien achten können. Nichts desto trotz wollen wir den interessierten<br />

LeserInnen die unserer Ansicht nach äusserst illustrativen Aussagen nicht<br />

vorenthalten. Wir erlebten die Mädchen in der Interviewsituation als offen, direkt<br />

und authentisch. Einige ihrer kecken und pointierten Aussagen erlauben einen<br />

kleinen Einblick in ihre Lebenswelt.


GESPRÄCHSLEITFADEN GRUPPENINTERVIEW<br />

Gegenstand der Pornografie<br />

1. Was versteht ihr / verstehst du unter Pornografie?<br />

Erfahrung mit Pornografie<br />

2. Seid ihr / bist du schon auf pornografische Internetinhalte gestossen?<br />

3. Was denkt ihr / denkst du: Wozu schauen sich Jugendliche pornografisches<br />

Material an?<br />

Empfindungen in Bezug auf Pornografiekonsum<br />

4. Was lösen diese Inhalte bei Jugendlichen aus?<br />

5. Was denkt ihr / denkst du: Lässt sich Porno-Sex in der Wirklichkeit leben?<br />

6. Welche Fragen haben euch / dich beschäftigt im Zusammenhang mit gesehenem<br />

Porno-Material?<br />

Umgang mit den Pornografie-Erfahrungen<br />

7. Wo seid ihr / bist du mit allfälligen Fragen hingegangen?<br />

8. Was empfehlt ihr / empfiehlst du Leuten, die mit Jugendlichen arbeiten?<br />

Was ist hilfreich / erwünscht? Was ist total daneben?


GRUPPENINTERVIEW MIT<br />

AZIZA*, JESSICA*, KATINKA*, SINJA*<br />

*Namen wurden aus Datenschutzgründen geändert<br />

(13- BIS 14-JÄHRIGE MÄDCHEN)<br />

Gegenstand der Pornografie<br />

Aus erschts würds üs interessiere, was dir unterem Begriff „Pornografie“<br />

überhoupt verstöht? Was bedütet das, was heisst das? Was isch das?<br />

Du muesch nid Hang ufha!<br />

Lut!<br />

Auso: Das si (Pause 1s). Das si zwöi Lüt, ja, nei nid zwöi L(...) (Lache). Das si<br />

eifach Lüt, wo figgä und das ufnähme und när das verchoufe.<br />

Und ja oder einfach „in das Netz stellen“. (…)<br />

Ja. Veröffentlechä (Getuschel, grosses Gelächter).<br />

Ja das si eifach Lüt, wo figge u das fiumä.<br />

Ja (Zustimmung).<br />

Aha.<br />

Irgendwie scho. Oder Froue, wo sech säuber eine ineschiebe (jaa). (Lachen).<br />

Oder „Selbstbefriedigung“.<br />

Witer! Nächschti Frag!<br />

Erfahrung mit Pornografie<br />

Sit dr scho irgendwie uf pornografischs Züg gstosse, z.B. im Internet oder<br />

süscht nöime?<br />

Fernseh.<br />

Ja das chunnt de huerä bös. (Ja, Zustimmung, Lachen). Ja wenn dä i „kino.to“<br />

wosch gah, weisch z.B. ä Fium (Ähä, Zustimmung) ga luege oder so, chunnt<br />

grad so aus erschts so ne huere grusigi Site so zum alüte oder.<br />

So Wärbige?<br />

(Getuschel, Lachen).<br />

„Ich möchte jemandem ‚einen blasen‘“. Isch de huere krass (Lachen).


Wüsst dr, was mr mau Vanessa hed gseit? Zwöi Frouä tüe sech derte mit<br />

Haarspray… (Getuschel) …dass si spitz wärde.<br />

Was? Das isch aber nid di ärnscht?<br />

(Lachen).<br />

Was heit dr ds Gfühl, warum luege Jugendlechi so Sache?<br />

Es macht se a.<br />

Es macht se spitz. Auso si wie öppis…<br />

Nö, das macht Haarspray. (Lachen). Ja äbe. (Pause 2s).<br />

Ja, Männer stöh uf so öppis…<br />

Ja, nid aui Männer.<br />

Wöu si erregt wärde.<br />

Ja, aber Männer luege am meischte Porno.<br />

Chöi si sech einä wixe.<br />

I gloub scho (Pause 1s). Gäu?<br />

Gloub i o. Dass Männer meh luege.<br />

Si chöi sech ja nid einä wixe eifach so (kurzes Lachen). Si bruche ja es Bild<br />

oder so.<br />

Ja. (Zustimmung aller).<br />

Oder eifach e geili Frou. Villicht (Getuschel) Fantasie.<br />

(…)<br />

Nei, i gloub das geit o so ohni öppis. Auso.<br />

Nää.<br />

I muess mau wider ga (Getuschel, Gelächter).<br />

Heit dr scho mau mit Gielä drüber gredt?<br />

Ja. Grad geschter (Lachen).<br />

Si si huerä offe. Auso.<br />

Si si aui irgendwie offe. Wenns um so Sache geit, meinä si sech. Ja.<br />

D‘Giele, si meine sech?<br />

Gäu, si meine huerä nächer, si wäre cool.<br />

I weis nid, warum das so isch. Ja, eifach, sie verzeues, so u när.<br />

Wie nüt wär.


Empfindungen in Bezug auf Pornografiekonsum<br />

Wenn dr so Sache gseht, was löst das bi öich us? Heit dr irgendwelchi Gfühl,<br />

Gedanke?<br />

(Lachen)<br />

Das isch ds nöch!<br />

(…)<br />

Auso, meinet dr so wie das im Internet?<br />

I findes eifach grusig. Es macht mi auso nid a oder so.<br />

Auso weisch, die Lüt wo das mache, chöi ja mache was si wei, aber…<br />

Die wo itze das aluege u geil finde, chöi si ja, aber ig auso es isch (Pause 1s).<br />

Ig würd‘s itz nid luege. So persönlech.<br />

Aber süsch, wenn i itz am Abe am Fernsehluege bi und när chunnt das dört…<br />

Eifach wägschaute.<br />

So chli easy füf Minute, lache mr drüber oder so. Wenn du weisch, was i meinä,<br />

denn mit (…) (Lachen).<br />

(…)<br />

U d‘Jungs, we si verzeuä? Säge si, warum? Wie‘s für si isch? „S‘macht geil“<br />

oder so, säge si das?<br />

Ja. Eigentlech scho.<br />

Ja.<br />

Ja.<br />

I ha so eine gseh, wie ner am Pornosite (Getuschel) gäu?<br />

Ja.<br />

Was dänket dr, wenn dr so Fiumä gseht, wie sie zum Bispiu im Internet abote<br />

wärde?<br />

Git‘s Fiumä? Pornofiumä?<br />

(Grosses Lachen)<br />

Es git sogar in „Manga“.<br />

So richtig Fiumä? Weisch so richtig Fiumä?<br />

Jaa.<br />

So e Stund oder so?<br />

Ja.<br />

Ja?<br />

Das hani itze ömu o nid gwüsst.


Witer!<br />

Wenn dr so Sache gseht, heit dr ds Gfüeh,l dr Sex louft so ir Würklechkeit?<br />

Nää.<br />

Nö.<br />

Das isch huere brutal!<br />

Die übertribes.<br />

Das isch äbe dr Unterschid zwüsche „Pornografie“ und „Sex“, so normal. Auso<br />

ja.<br />

Dört stöhne si huere übertribe.<br />

S‘isch nid ds gliche, würdet dr säge?<br />

Si mache eifach brutali Sache.<br />

Auso zum Bispiu, es isch ja nid so normau, dass me itze öpperem „eine<br />

blast“. Auso weisch.<br />

Ja.<br />

Wenn du seisch „brutali Sache“. Was meinsch mit däm?<br />

Auso i ha mau gseh, äh, per Zuefall (grosses Lachen der anderen). Nei, i<br />

schwöre, i bi unschuldig (Lachen)! U när hani eifach gseh, wie dr Ander si i<br />

Arsch figgt u dr Ander isch när o cho u när si si beidi mit ihrem Schwanz i eim<br />

Arschloch inne gsteckt. Das hani när huere hert gfunde.<br />

(Lachen).<br />

U di anderi het när zuegluegt. Ja.<br />

Das isch itze nid öppis, wo me eifach so würd mache, oder? Auso so zum<br />

würkleche Sex ghört?<br />

Nei.<br />

Auso nei.<br />

Das isch eifach ganz normau, äh (Pause). Nid so huere übertribe wie…<br />

Zwe u so. Ja gäu, isch chli schräg?<br />

Auso i weiss nid, öb‘s weh tuet, aber (Lachen).<br />

Muesch nid mi frage (Lachen).<br />

Ja, zwöi hed si gseit.<br />

Aha.<br />

(Pause).<br />

Oder mängisch tüe si doch o so, no so, wärde si doch so uspeitscht, oder nid?<br />

(Durcheinandergerede und Gelächter).<br />

Oder so Handschäuene.


(…)<br />

I meine, die bechöme wäg däm Gäud. Schlah.<br />

Äbe, so Nuttene…<br />

Aber es paar mache das doch o so, im normale Sex, oder?<br />

Ja es paar…<br />

Ja, aber wenn du itze zum Bispiu miteme Maa 30 Jahr verhüratet bisch, wird’s<br />

ja ou mau, auso für nes paar wird’s ja ou mau längwilig. Dänk ig itze.<br />

Meinsch bruch‘ts chli Abwächslig nächer?<br />

Ja, irgendwie scho. Auso, mou.<br />

(Gelächter).<br />

Ja, isch scho so, oder?<br />

Hed‘s irgendwelchi Frage gäh, wo dr nech gestellt heit, oder wo nech beschäftiget<br />

hei, wenn dr so Sache gseh heit im Internet etc. (…)?<br />

Öb die Frou dört oder so keni Elterä het?!<br />

Isch das überhoupt legal?<br />

Nid aues…<br />

(…)<br />

U wenn du seisch „ke Elterä“ – wo luege? Meinsch, dass niemer…<br />

Oder Brüetschä.<br />

…öppis seit, dass si das aues mache?<br />

Ja, ke strängi Eltere oder strängi Brüetsche.<br />

(Getuschel).<br />

(…)<br />

I gloube niemer vo üs chönnt‘s.<br />

I wott o nid.<br />

Ja weisch, mini Mère würd eifach nid säge „Du bisch nid mini Tochter!“, wenn<br />

i so öppis mache, aber es…(Pause 1s) i gloube s‘hed anderi Gründ.<br />

I finde das huerä pinlech!<br />

När gseht dr Père, wo ono geit ga luege, vo däne… när gseht är so sini eigeti<br />

Tochter, wie si figget!<br />

Gäu?<br />

Das findi huere brutau!<br />

(…)<br />

U när weis si no, dass das jede gseht…


Wenn dr d‘Jungs ghöret drüber redä: Hei diä Frage? Beschäftiget diä irgendöppis?<br />

Oder chöme si voll drus?<br />

Nei, si finde das normau. Si finde, dass das aues, wo dört passiert, dass das o<br />

zum normale Sex ghört.<br />

Scho?<br />

Auso, si wei das.<br />

U si säge säuber, si finde das o normau.<br />

Ja. Auso, jaa.<br />

(Getuschel).<br />

Was het itze dr (…) gfragt?<br />

Ah jaaa!<br />

(Getuschel).<br />

Chasch‘s ruhig verzelle.<br />

Öb, öb, auso, öb dr Futz wachst (…). Er isch huerä diräkt gsi!<br />

Das ghört nid zu däm. Auso eifach so zum Wachstum. (…)<br />

Weisch är het gfragt: „Wachst öiä Futz? So, weisch, so aus Baby bis itze? (…)<br />

Heit dr ihm de o gseit, wie‘s isch?<br />

Ja, mir hei gseit, ja, das wachst scho.<br />

Wenn dr ds Gfühl heit, äbe d‘Giele die wei, dass das drzue ghört, aues was ir<br />

Pornografie so vorchunnt: Wie reagieret dr druf, wenn dr das ghöret?<br />

Chläpfe! Vodämhär wüsse si‘s scho.<br />

Nö.<br />

Mir säge ne när: „Meinsch, das macht jedi Frou?!“ „Ja sicher, i wott so ne<br />

Frou!“ So.<br />

Aber i gloube, das wei si nume itze, bis si…<br />

Auso itze, wo si no nid hei gschnallt, dass das nid jedi Frou mit sech laht la<br />

mache?<br />

Weisch, i däm Alter si aui Jungs Perverslinge. Und drum wöi si immer so Sache.<br />

Es isch eso.<br />

(Getuschel:...das geit eifach um di und (...). Är het mr ä Fründschaftsatrag<br />

gschribe (…). Wie heisst är? (…). Isch ja egal.)


Umgang mit den Pornografie-Erfahrungen<br />

Dir heit itze gseit, dass dr gar nid so Frage gha heit, irgendwie im Zämehang<br />

mit Pornografie. Wenn dr hättet, zu wäm würdet dr ga, wenn dr öppis wettet<br />

wüsse oder mit öpperem öppis bespräche?<br />

Frou Nobs.<br />

(Lachen)<br />

D‘Schuelsozialarbeiterä?<br />

Ja.<br />

Cha me mit ihre über so Sache redä?<br />

Ja.<br />

Nei!<br />

D‘Rahel het üs mau gfragt, öb mr sone „Verhütungskoffer“ wei u mau mit ihre<br />

drüber redä.<br />

Und d‘Rahel wär d‘Jugendarbeiterä?<br />

Ja.<br />

Und was heit dr geseit, wo si mit däre Frag isch cho?<br />

Mir bruches nid.<br />

Auso, ja, nei.<br />

Sit dr gnue informiert? Oder isch‘s eifach no nid sones Thema?<br />

Ja genau.<br />

Genau. (Zustimmung von allen).<br />

Isch nid es Thema.<br />

Was isch ir Schuel? Süsch, Lehrer?<br />

Auso üse Lehrer isch pädophil, dr Herr (…).<br />

(…)<br />

Was heit dr wider gfragt gha? Ir Schuel? Ja, wie ir Schuel?<br />

Auso gäb‘s dört usser dr Frou Nobs ä Asprächsperson? Äbe, Lehrer chöme weniger<br />

i Frag?<br />

Kolleginnä.<br />

Ja, aber nid grad so, auzu schlimmi Frage.<br />

Ja, i chönnt eigentlech mini Mère frage. Aber i ha ja itze keni Frage.<br />

Wie isch‘s bi de andere? Hättet dr o ir Familie öpper?<br />

Nö!<br />

Geit gar nüt?


Nää!<br />

Du würdsch säge, ds Mami?<br />

Ja.<br />

I würd mini Schwöschter frage.<br />

Dini Schwo? Die, wo mitem Chopftuech umelouft?!<br />

Ja.<br />

Was wott diä scho…<br />

Ja, s‘chunnt drufa, was für e Frage.<br />

(…)<br />

D‘Frou Nobs, darf nid eifach ga säge, wär ihre was gseit het. Si steit unter<br />

Schwigepflicht. Isch das einä vo de Gründ, warum me mit ihre guet über aues<br />

cha redä?<br />

Nei, äbe nid! Die Chue geit aues immer em Herr (…) ga säge, was i säge.<br />

Du hesch nid so gueti Erfahrige gmacht, i däm Fau?<br />

(Getuschel).<br />

Ja, du hesch müesse, wöu du dini Ufgabe nie hesch gmacht.<br />

Oder immer z‘spät bisch cho.<br />

(…)<br />

Ja i ha ihre gseit, es bringt nüt, aber si wott mi nid la si.<br />

Aber itze im Zämehang mit Sexualität und Pornografie heit dr vorhär scho ds<br />

Gfühl gha, mit ihre chönnt me no über so Zügs schnure?<br />

Nei!<br />

Du nid, ok, du hesch‘s nid guet mit ihre, aber?<br />

(…)<br />

Heisst das de eifach, dr bruchet öpper, wo dr guet möget, dass dr überhoupt<br />

chöit drüber rede?<br />

Ja. (Zustimmung).<br />

Ja und öpper, wo när nid drüber würd lache. I meine, d‘Frou Nobs würd när o<br />

nid eifach…<br />

Aber über Porno…?<br />

Auso niemer, wo di uslachet?<br />

Oder nid so Komischs würd dänke.<br />

Öpper, wo eim versteit.<br />

Wo di ärnscht nimmt?


Auso, si würd‘s scho ärnscht nä, aber si würd när so dänke: „Hönne komisch!“.<br />

Äbe, so Erwachseni äbe.<br />

Ja.<br />

Dänke aui Erwachsene, dass es komisch isch, wenn me se so Sache fragt?<br />

Auso dir nid itze, aber (…) dir sit ja o no nid so alt 1 .<br />

Dr Azad isch itze o nümme dr jüngscht. Würde d‘Giele itze mit ihm ga redä?<br />

Neeei! D‘Giele nid.<br />

Es muess ä Frou si, dänke ig mau.<br />

Mann, är (dr Azad) isch Moslem! Huerä Blämu!<br />

(…)<br />

Mit dr Rahel cha me o no drüber redä.<br />

Ja, mit dr Rahel.<br />

Si dänkt ömu o nid komischs Züg über eim, oder?<br />

Nää.<br />

Nei.<br />

Nei.<br />

Wenn d‘itze d‘Frou Nobs chönntisch ändere (…), was würdsch mit ihre mache,<br />

dass‘d mit ihre über so Züg chönntisch redä?<br />

I würd se jünger mache!<br />

Ja, gäu?<br />

Ja, jünger.<br />

Was müesst dämfau öpper ha, dass mitem würdsch redä?<br />

Ä Kollegin si. Oder mini Cousine. (Pause 2s). Eifach öpper, auso.<br />

Aber müesst chli drus cho oder, süsch?<br />

Ja, bö.<br />

Fründschaftlech.<br />

Aber i weiss nid. Öich drü chönntis itz verzeuä, aber andere Kolleginne nid.<br />

Nid aune.<br />

Nei. Auso i ha süsch so angeri Kolleginne, aber däne…<br />

Mit däne cha me gar nid über so Sache redä. Si luege di när so a „Iih!“.<br />

Di si huerä unriif!<br />

Nid unriif. Si si no chlii. Mir si itze dört, wo‘s üs scheissegal isch und si si no<br />

chli witer unde, wo „Öh! Wäh! Huere grusig!“.<br />

1 Im Anschluss an das Interview haben wir erfahren, dass die Mädchen beide Interviewerinnen<br />

auf etwa 25 Jahre geschätzt haben.


Unriiif!<br />

Dene isch’s villicht no so chli pindlech. Auso s‘müesst öpper si, wo no chli offe<br />

cha drüber redä u so chli Läbenserfahrig het?<br />

Ja, so öpper wie üs!<br />

(Lachen).<br />

U d‘Gielä? Die redä nume unterenand über so Züg, oder…<br />

Nei, sogar vor de Lehrer!<br />

Auso ärnschthaft. Weisch, wenn si irgendwo nid druschöme? Oder irgend öppis<br />

möchte wüsse? Mit wäm würde si schnure?<br />

Die würde ömu zu üs cho.<br />

(…)<br />

D‘Giele us üsere Klass, die rede gloub unter sich oder ömu unter es paarne.<br />

Ömu vor üs zwöi o. Aber vor de andere Modis gloub‘s nid.<br />

Wenn si wei wüsse, was bire Frou isch (Pause 1s), de chöme si äuä scho zu<br />

üs.<br />

(Getuschel).<br />

(…) Öb me dr Schwanz cha stüre? (Lachen).<br />

Du hesch o mau ä Frag gha, u när hei mr ä Giel gfragt.<br />

Aber irgendwie ä erwachsene Maa, wär‘s itzä äuä bi de Giele? Würde si z.B.<br />

mitem Marco drüber redä?<br />

I gloube nid emau, si würde mit emene Erwachsnige drüber redä.<br />

Mitem Azad villicht, chönnti‘s mr no vorstelle.<br />

Unter sich. I gloube, si würde‘s de Elterä nid säge.<br />

Marco oder so, i gloube, si würde sech schäme z‘frage. Wöu si ja immer so<br />

tüe, so offe und wüsse aues u när (Pause 2s) s‘chunnt mr aume so vor.<br />

Auso du hesch ds Gühl, dass wöu si blöffe, aus wüsste si aues, sech nid getrouä,<br />

ga z‘frage, wöu si nid wei zuegäh, dass si doch öppis nid wüsse?<br />

Ja.<br />

Ja. Si tüe ömu so.<br />

Git‘s no süsch öppis, wo nech i Sinn isch cho, wo dr weit loswärde, wo mr vergässe<br />

hei z‘frage?<br />

Ä Frou isch fasch gstorbe, wo si mitemenä so ä Pferd het gfigget.<br />

Ä Frou isch gstorbe! Ja, irgend so öppis.<br />

Wo ghöret dr so Sache?<br />

I weiss nid.


Vo de Giele, gäu?<br />

Ja.<br />

Hei si das de gseh und hei‘s öich verzellt?<br />

I gloubes, ja.<br />

Die tüe jedes… (Getuschel) …die hei aues gluegt…<br />

(längere Pause)<br />

Git‘s Chinderporno?<br />

Ja.<br />

Ja. Das git‘s.<br />

In Vie... eifach in China. Dört für drü Franke verchoufe si‘s.<br />

Oahh!<br />

Oder si verchoufe o Chind dört.<br />

(…)


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Telefon 031 370 70 70, Fax 031 370 70 71<br />

bern@beges.ch; www.bernergesundheit.ch<br />

fit4Love.info<br />

Corinne Achermann<br />

Telefon 079 673 73 35<br />

Didi Liebold Telefon 079 670 74 22<br />

(keine weiteren Adressangaben)<br />

info@fit4love.info; www.fit4love.info<br />

Lust und Frust<br />

Fachstelle für Sexualpädagogik<br />

Langstrasse 21<br />

8004 Zürich<br />

Telefon 044 299 30 44, Fax 044 299 30 59<br />

info@lustundfrust.ch; www.lustundfrust.ch<br />

Wermuth Bruno<br />

Dipl. Sozialpädagoge FH, Fachmann für sexuelle und reproduktive Gesundheit<br />

PLANeS, Sexualpädagoge, Sexualberater<br />

Schauplatzgasse 23, Postfach 8809<br />

3001 Bern<br />

Telefon 079 746 55 08<br />

www.brunowermuth.ch (mit Formular für E-Mail)<br />

ONLINE-BERATUNG<br />

www.20min.ch/life/dossier/herzsex<br />

(Trägerschaft: 20 Minuten AG, Werdstrasse 21, 8021 Zürich)<br />

www.bravo.de/dr-sommer<br />

(Trägerschaft: Bauer Digital KG, Burchardstrasse 11, 20077 Hamburg)


www.elternplanet.ch<br />

(Trägerschaft: Elternplanet GmbH, Waaghausgasse 18, CH-3011 Bern)<br />

www.feelok.ch<br />

(Trägerschaft: Schweizerische Gesundheitsstiftung RADIX, Stampfenbachstrasse<br />

161, 8006 Zürich)<br />

www.lilli.ch<br />

(Trägerschaft: Lilli – Verein für Prävention und Online-Beratung junger Frauen<br />

und Männer zu Sexualität und sexueller Gewalt, c/o Ingrid Hülsmann, Schifflände<br />

6, 8001 Zürich)<br />

www.tschau.ch<br />

(Trägerschaft: INFOKLICK.CH, Kinder- und Jugendförderung Schweiz,<br />

Sandstrasse 5, 3302 Moosseedorf)<br />

INFORMATIONS- UND/ODER MATERIALBEZUG<br />

jugendschutz.net<br />

Wallstraße 11<br />

55122 Mainz<br />

Telefon (06131) 32 85-20, Fax (06131) 32 85-22<br />

buero@jugendschutz.net; www.jugendschutz.net<br />

Pädagogische Hochschule PH Bern Institut für Bildungsmedien<br />

www.schulwarte.ch<br />

Stiftung PLANeS<br />

Av. de Beaulieu 9, Case postale 1229<br />

1001 Lausanne<br />

Telefon 021 661 22 33, Fax 021 661 22 34<br />

&<br />

Marktgasse 36<br />

3011 Bern<br />

Telefon 031 311 44 08, Fax 031 311 42 57<br />

info@plan-s.ch; www.plan-s.ch


SF-Dossier zu Jugend & Sexualität<br />

www.sf.tv/sfwissen/dossier.php?docid=17311<br />

(Trägerschaft: Schweizer Fernsehen, Multimediazentrum, Fernsehstrasse 1-4,<br />

8052 Zürich)<br />

SEXUALPÄDAGOGISCHE AUS- UND WEITERBILDUNG<br />

amorix<br />

Kompetenzzentrum Sexualpädagogik und Schule<br />

Pädagogische Hochschule Zentralschweiz, Luzern<br />

Weiterbildungen und Zusatzausbildungen<br />

Sentimatt 1<br />

6003 Luzern<br />

Telefon 041 228 54 93, Fax 041 228 69 40 (Hauptnummern)<br />

sexualpaedagogik@phz.ch; www.amorix.ch<br />

Hochschule Luzern – Soziale Arbeit<br />

Werftestrasse 1, Postfach 2945<br />

CH-6002 Luzern<br />

Telefon 041 367 48 48, Fax 041 367 48 49<br />

sozialearbeit@hslu.ch; www.hslu.ch/sozialearbeit

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