13.07.2015 Aufrufe

Interview mit den Dozentinnen - Wirtschaft

Interview mit den Dozentinnen - Wirtschaft

Interview mit den Dozentinnen - Wirtschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Fachkurs Basistrainig AuftrittskompetenzDer Fachkurs Basistrainig Auftrittskompetenz wird geleitet von der Schauspielerin Silvia-Maria Jung undder Regisseurin Katharina Ramser. Beide sind Expertinnen im Coaching von Führungskräften undbegleiten erfolgreich Personen aus Politik und <strong>Wirtschaft</strong>. Im <strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> Anna Knutti (StudienleiterinWeiterbildung) erklären sie, was Führungskräfte vom Schauspielhandwerk lernen können.Die Kursleiterinnen Katharina Ramser(hinten) und Silvia-Maria Jung.Foto: Adrian Zahn.Anna Knutti: Was kann eine Führungsperson aus der Welt desTheaters lernen?Katharina Ramser: Eine wichtige Komponente von Führungspositionenist die Fähigkeit in exponierten Situationen überzeugendver<strong>mit</strong>teln zu können. Sei dies bei einem Vortrag, einer firmeninternenBesprechung, einem Pitch oder einem Brainstorming. DieAuftrittssituation ist also eine ähnliche wie im Theater. Das Theaterarbeitet konkret <strong>mit</strong> dem Bewusstsein für Wirkungsmechanismen.Silvia-Maria Jung: Ein Schauspieler lernt, <strong>mit</strong> <strong>den</strong> Möglichkeiten seinerWirkung, <strong>den</strong> eigenen sprachlichen, stimmlichen und körperlichenAusdrucks<strong>mit</strong>teln zu spielen und sie auf der Bühne entsprechendeinzusetzen. Die wenigsten Führungspersonen schöpfen dieMöglichkeiten ihrer Ausdrucksmöglichkeiten wirklich aus.Katharina Ramser: Ich würde sagen, hier liegt auch der Berührungspunktzwischen der Welt des Theaters und der Welt des Managements.Mittels gezielter Übungen kann das Bewusstsein für dieeigene Wirkung vor Publikum geschult wer<strong>den</strong>. Dazu kommt Improvisationsfähigkeit, authentischesAuftreten, und die selbstkritische Analyse des eigenen Auftritts. Da<strong>mit</strong> einher geht die Entwicklung desBewusstseins für die eigenen Stärken und konkrete Verbesserungsmöglichkeiten bei eventuellenSchwächen.Schauspielerei und modernes Management: Gegensätze oder Zwillinge? Welche Parallelen sehen Sie?Wo liegen ihrer Meinung nach die Unterschiede?Katharina Ramser: Die Unterschiede zeigen sich zuallererst inhaltlich. Während im Theater literarischeInhalte transportiert wer<strong>den</strong>, geht es im Management um geschäftliche Dinge. Ein weiteres wesentlichesMerkmal von Theater ist die Spielsituation. Uns ist bei einem Theaterbesuch immer bewusst, dass derSchauspieler eine Rolle spielt und dass die Gedanken, die er äußert nicht seine persönlichen sind,wohingegen der Auftritt eines Managers immer authentisch sein muss und der Inhalt seines Vortragesreal ist. Zusammengefasst liesse sich der wichtigste Unterschied wie folgt formulieren: Theater versuchtein Abbild des Lebens zu schaffen, während Management Teil des Lebens ist. Im Gegensatz zumManager, der in einer Auftrittssituation meistens als Einzelkämpfer auftritt, arbeitet der Schauspieler aufder Bühne – ausser bei einem Monolog – im Team.Die Parallelen: in bei<strong>den</strong> Berufen ist man täglich stark exponiert und immer wieder gezwungen, schnellund kompetent die richtige Entscheidung zu treffen. Da<strong>mit</strong> eine Inszenierung gelingt und das ganze Teaman einem Strick zieht, braucht es Verabredungen, die man in <strong>den</strong> Proben gemeinsam <strong>mit</strong> dem Regisseurerarbeitet. Erfolgreiches Management funktioniert ähnlich. Je besser die firmeninterne Kommunikationund die Einbindung aller Kräfte in ein Projekt gelingt, desto grösser ist die Erfolgsaussicht.Silvia-Maria Jung: Beide Berufe fordern ein großes Mass an Sozialkompetenz und ein ausgezeichnetesVerständnis für das menschliche Verhalten. Ein sicheres Auftreten, etwas gut verkaufen zu können, eingutes Netzwerk zu pflegen, sind Dinge, die in bei<strong>den</strong> Berufen für ein erfolgreiches Weiterkommenunabdingbar sind.1


Was wür<strong>den</strong> sie einer Person raten, die unter Auftrittsangst leidet?Katharina Ramser: Auftrittsangst ist etwas sehr persönliches und äussert sich nicht bei allen Menschengleich. Die einen haben vielleicht <strong>mit</strong> der Stimme zu kämpfen, andere spüren eher ein körperliches Unbehagen,zitternde Hände, Atemnot oder Übelkeit. Nicht jede Übung gegen Auftrittsangst ist daher füralle Menschen gleich gut geeignet.Silvia-Maria Jung: In unserem Kurs bieten wir <strong>den</strong> Teilnehmern Auftrittssituationen in einem „geschützten“Rahmen, in dem sie sich ausprobieren und Fehler machen können. Wir versuchen in persönlicher Zusammenarbeit<strong>mit</strong> <strong>den</strong> einzelnen Teilnehmern herauszufin<strong>den</strong>, was sie brauchen und stellen dann einpersönliches Übungsprogramm zusammen. Eine individuelle Checkliste, die auf je<strong>den</strong> Teilnehmer undseine Angstsymptome persönlich zugeschnitten ist.Haben sie selbst auch immer noch Lampenfieber? Und wenn ja: was sind ihre ganz persönlichen Tricks,um <strong>mit</strong> Lampenfieber umzugehen?Beide: Immer.Silvia-Maria Jung: Und es wird nicht weniger, je länger man im Beruf ist. Ein bisschen Nervosität ist aberimmer auch ein guter Motor für das Gelingen einer Präsentation oder eines Auftritts. Wären wirvollkommen frei von einer gewissen Anspannung, würde dies unserem Auftritt nicht sonderlich gut tun.Um die schlimmsten nervlichen Anspannungen vor einem Auftritt los zu wer<strong>den</strong> gibt es verschie<strong>den</strong>eTricks.Katharina Ramser: Ganz wichtig für mich ist in erster Linie eine gute Vorbereitung. Vor einer Konzeptionsprobezum Beispiel, also der ersten Probe <strong>mit</strong> einem neuen Ensemble, wo ich mein Regiekonzeptvorstelle oder vor einem großen Referat mache ich meistens eine halbe Stunde Yoga. Ich wärmemeine Stimme auf, versuche meinen Atem zu kontrollieren und mich mindestens eine halbe Stunde ganzauf mich zu konzentrieren. Ich gehe im Geist alles, was ich sagen will nochmals in groben Zügen durch.Meine Nervosität ist immer am Anfang einer Präsentation am stärksten, daher versuche ich, ins kalteWasser zu springen, indem ich erst nach <strong>den</strong> ersten Sätzen eine Pause mache und dann tief durchatme.Durch Blickkontakt <strong>mit</strong> dem Publikum nimmt meine Nervosität meistens sehr bald ab und verschwindetim Laufe der Präsentation ganz.Silvia-Maria Jung: Vor einem Auftritt mache ich grundsätzlich ein Körpertraining und wärme meineStimme <strong>mit</strong> entsprechen<strong>den</strong> Atem- und Sprechübungen auf. Und ich schwöre auf Rosmarinöl. Den Tipphabe ich vor Jahren von einer älteren Schauspielerin bekommen und seitdem ist es mein treuer Begleiter.Es aktiviert die geistige Beweglichkeit und fördert die Konzentration.Es gibt aber Unterschiede: Vor einer Musical-Premiere bin ich viel nervöser, als vor einer Schauspiel-Premiere. Wenn neben der Rolle noch choreographierte Tanzszenen und musikalisch anspruchsvolleSongs dazukommen, dann gelingt es mir weniger gut, ruhig zu bleiben. Sitzt die Stimme? Beginne ich dieDrehung <strong>mit</strong> links oder rechts? Das sind dann so kleine Horrormomente, bevor ich auf die Bühne gehe,da ich in diesen Situationen immer weiss, dass meine Kollegen auf der Bühne extrem abhängig sinddavon, dass ich präzise bin. Dann helfen am besten Atemübungen. Sobald ich auf der Bühne stehe undin meiner Rolle bin, dann wandelt sich die Nervosität zu einer positiven Energie, manchmal vergesse ichsie sogar ganz. Und dann kommt die Freude am Spielen.Warum kommt es nicht nur auf die Inhalte an, sondern auch auf das „WIE“?Silvia-Maria Jung: Im Unterschied zu einem Rhetorik-Kurs, wo man lernt, wie man eine Präsentation oderÜberzeugungsrede inhaltlich aufbaut, befassen wir uns vor allem <strong>mit</strong> der Wirkungsweise eines Auftritts.Kommunikation beruht zu mehr als 90% auf nonverbalen und paraverbalen Faktoren, ca 30% auf demwas man hört und 60% auf dem, was man sieht. Atem, Stimme, Erscheinungsbild, Körperhaltung,Gestik, Mimik. Diese wer<strong>den</strong> von einem Publikum als erstes wahrgenommen, bevor sie sich <strong>mit</strong> demInhalt auseinandersetzen. Gibt es dabei Irritationen, z.B. gehetztes Sprechtempo, zu leise oder zu lautesSprechen, ein Outfit, das ablenkt, geht das auf Kosten des Inhalts. Und das wollen wir vermei<strong>den</strong>.2


Katharina Ramser: Wir ver<strong>mit</strong>teln in diesem Kurs vor allem, wie sich die Teilnehmen<strong>den</strong> Fertigkeiten imBereich der Metho<strong>den</strong>- und Selbstkompetenz aneignen können, um eine Auftrittssituation <strong>mit</strong> dergewünschten Wirkung zu meistern.Frau Jung, Sie kommen aus Deutschland. Stellen Sie Unterschiede im Auftreten von Deutschen undSchweizern fest? Wenn ja, welche?Silvia-Maria Jung: Gar nicht so einfach, das jetzt so in Kürze differenziert zu beantworten, ohne in dieKlischee-Falle zu tappen. Dennoch glaube ich, dass Klischees nicht zufällig entstehen und immer einkleiner wahrer Kern darin enthalten ist. Aber, klar es gibt Auffälligkeiten. Ich will mal so sagen, generellsind die Umgangsformen in der Schweiz ausgesprochen gut und geprägt von grosser Höflichkeit undZurückhaltung. Ein auffallendes Merkmal bei Schweizer Frauen ist, dass sie, wenn sie freundlich seinwollen, viel höher sprechen als Deutsche Frauen. Ein Beispiel. Als ich ganz neu auf der Schauspielschulewar, wollte ich in der Pause in einer ziemlich vollen Bäckerei ein Gipfeli kaufen. Die Verkäuferin flötete <strong>mit</strong>süsser, hoher Stimme: „Was darf’s si? Isch das alles, oder darfs no öppis si? Merci. Danke vielmal. Ade.Ade <strong>mit</strong>tenand.“ Und dann in tieferer, sonorer Stimme in einen Nebenraum: „Rita! Chundschaft!“ Dadachte ich – aha, da wäre sie ja, die eigentliche Stimmlage. Man könnte auch in dieser Lage freundlichsein. Das ist in Deutschland ein wenig anders, da ist der Unterschied nicht so frappant. Deutsche sind oftviel direkter, wirken darum auch ein wenig forscher, was die Schweizer oft als dominant interpretieren.Manchmal kommt es mir aber so vor, als ob sich Schweizer gerne auch hinter ihren Umgangsformenverstecken, so dass eine direkte Kommunikation und Spontaneität darunter leidet. Mir persönlich gefälltes immer sehr gut, wenn sich ein Schweizer nicht meiner Sprache anpasst, sondern Dialekt spricht, daszeugt von Selbstbewusstsein und Authentizität. Oft schalten Schweizer automatisch auf Hochdeutschum, wenn ich <strong>mit</strong> Ihnen spreche. Spreche ich hingegen Bayerisch, fällt es ihnen viel leichter, in ihremDialekt zu bleiben.Was ist ein guter Auftritt?Silvia-Maria Jung: Ein guter Auftritt kann durch ganz viele und unterschiedliche Faktoren begründet sein.Er kann authentisch, überraschend, berührend, emotional, <strong>mit</strong>reissend oder sogar kontrovers sein. Aufgar keinen Fall sollte ein Auftritt langweilen. Voraussetzung dafür ist, dass man weiss, wovon man spricht,daran glaubt, was man sagt und es sinnlich ver<strong>mit</strong>teln kann.Katharina Ramser: Auch hier findet man einige Berührungspunkte zwischen Theater und Management.Ein Schauspieler, der in seiner Rolle nicht aufgeht und der uns nur etwas vormacht, langweilt sehrschnell. Sein Spiel wird als unecht, „unengagiert“ und träge wahrgenommen, während uns ein Schauspieler,der sich in seine Rolle hinein fallen lässt, begeistert und <strong>mit</strong>reißt. So ist es auch <strong>mit</strong> einem gutenAuftritt. Sobald wir das Engagement des Redners spüren, seine Begeisterung oder seine Kompetenz,vermag uns ein Auftritt zu berühren.Kann ich einen guten Auftritt spielen bzw. einstudieren, wenn ich unsicher bin? Braucht es eine Regie?Silvia-Maria Jung: Einen Auftritt „spielen“ respektive „vorspielen“ funktioniert nie, da der Zuhörer diesimmer bemerken wird und ein gespielter Auftritt unsere Authentizität untergräbt. Man muss selbst an dasglauben, was man sagen will, sonst hat man keine Chance, authentisch zu sein. Jedoch einen Auftritteinstudieren hilft in jedem Fall, weil es die Sicherheit des Redners erhöht.Katharina Ramser: Dabei kann natürlich jemand von aussen helfen und die Funktion der Regie übernehmen,es ist aber nicht zwingend nötig. Viel wichtiger als eine Regie ist die Entwicklung eines Bewusstseinsfür die eigene Wirkung und der bewusste Einsatz von <strong>den</strong> uns zur Verfügung stehen<strong>den</strong>Mitteln. Das Bewusstsein für eigene Stärken und Schwächen ist der beste Regisseur für einen gelungenenAuftritt.3


Bei Filmaufnahmen ruft man einfach „cut“, wenn es nicht gut läuft, was kann ich bei einem Liveauftrittmachen, wenn ich merke, dass es in eine falsche Richtung läuft?Katharina Ramser: Wenn man sich im Skript verliert, zu schnell spricht oder abgelenkt wird hilft es,Sprechpausen zu machen, sich kurz zu sammeln oder einen Schluck Wasser zu trinken. Lange Pausenwirken für <strong>den</strong> Sprechen<strong>den</strong> immer viel länger als für <strong>den</strong> Zuhörer und eine kleine Sammlungspause wirktniemals unpassend, sondern bringt Ruhe und Professionalität in einen Auftritt.Silvia-Maria Jung: Wenn nun ein grösseres Problem auftauchen sollte, etwa eine technische Panne oderein unvorhergesehener Zwischenfall ist es immer ratsam, die Situation <strong>mit</strong> Humor zu nehmen. Ein lockererSpruch oder ein witziger Kommentar lockern die Atmosphäre auf und können dazu beitragen, dass einePanne die Qualität des Vortrages sogar noch steigert. Nicht jeder Mensch ist aber zum Showmastergeboren und hat im entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Moment einen lockeren Spruch auf <strong>den</strong> Lippen. Daher lassen sichPannen auch ohne witzigen Spruch aus der Welt schaffen. Kurz formulieren, worum es sich handelt, einePause machen und das Problem beheben. Generell gilt, versuchen, die Übersicht zu wahren und ruhig zubleiben. Auf keinen Fall sollte man <strong>den</strong> Grund für eine Panne hundertmal analysieren und sich hundertmaldafür entschuldigen.Was macht es aus, dass jemand charismatisch ist?Silvia-Maria Jung: Ich würde sagen, dass das Charisma einer Persönlichkeit etwas <strong>mit</strong> dem inneremGleichgewicht zu tun hat. Bei Kommunikationsprozessen wird dies meist bei Menschen ersichtlich, wennbei ihnen ihre Körpersprache, Stimme und Aussage übereinstimmen. Dann ergibt das von aussen einkongruentes Gesamtbild, das ich als charismatisch beschreiben würde. Meistens spielen aber auch ganzpersönliche Faktoren eine Rolle, ob ich jeman<strong>den</strong> charismatisch finde, oder eben nicht.Katharina Ramser: Wenn wir bei einem Politiker oder einer Führungspersönlichkeit von Charismasprechen, so <strong>den</strong>ken wir meistens an seine Ausstrahlung. In der angewandten Rhetorik sehen wir, dassjenen Personen Charisma zugeschrieben wird, die authentisch sind, sich so akzeptieren wie sie sind undihre Stärken und Schwächen kennen. Der Soziologe Max Weber definierte charismatisches Führen als dieBegabung, <strong>mit</strong> Vision Andere inspirieren und die Sozialstruktur verändern zu können. CharismatischeMenschen gelingt es, andere in ihren Bann zu ziehen. Kaum treten sie auf, ziehen sie Blicke auf sich undwer<strong>den</strong> von allen Seiten beachtet. Charisma ist etwas ziemlich Abstraktes. Ein Mensch dem Charismazugeschrieben wird, kann beeinflussen, etwas bewirken und hat meist rhetorisch Erfolg.Selbstverständlich kann eine charismatische Persönlichkeit auch verführen und ihre Überzeugungskraftmissbrauchen.4

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!