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RAINER MARIA RILKE - Kaleidophon-verlag.com

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mir jedes Mittheilen zur Rivalität der Leistung, wie es ja wohl bei jedem der Fall wird, der<br />

mehr und mehr nur noch Eines meint und daher gebend, sei's nach innen oder außen,<br />

dieses ausgiebt, das Gleiche, Eine. –«<br />

Es fiel ihm selbst aufs Herz, bis zu welchem Grade et nichts mehr wagte – wie sehr er an<br />

sich hielt:<br />

»Vor ein paar Tagen wurde mir ein Hund angeboten, Du kannst Dir vorstellen, welche<br />

Versuchung das war, besonders da die einsame Lage des Hauses das Vorhandensein<br />

eines Wächters beinahe rathsam macht. Aber ich fühlte gleich, daß auch dies schon viel zu<br />

viel Beziehung ergäbe, hei meinem Eingehen auf einen solchen Hausgenossen: alles<br />

Lebendige, das Anspruch macht, stößt in mir auf ein unendliches Ihm-recht-geben, aus<br />

dessen Consequenzen ich mich dann schmerzlich wieder zurückziehen muß, wenn ich<br />

gewahre, daß sie mich völlig aufbrauchen.«<br />

In Wolfratshausen um 1897, und Jahre später in Rom, erging es ihm ähnlich mit einem<br />

Hund: damals, indem es ihn ängstigte, auch sogar für so ein vertrauendes Tier nicht<br />

Verantwortung übernehmen zu können, daß keinerlei Unbill es träfe, jetzt ängstigte ihn, ob<br />

nicht er selber schon an dieser geringen Gemeinschaftlichkeit sich mehr ausgäbe, als er<br />

noch dürfe. Dennoch kam es vor, daß in seine Briefe ein leiser Ton geriet, wie von<br />

persönlichster Bedürftigkeit oder von Erinnerung an »Heimat«. Im gleichen Brief erzählt er:<br />

»Und denk, daß meine Arbeitsstube und das kleine Schlafzimmer daneben in der<br />

Vertheilung, in den Proportionen, in etwas, was sich nicht recht sagen läßt, manchmal,<br />

besonders gegen Abend, an die oberen Stuben im schmargendorfer „Waldfrieden“ – –<br />

erinnern! – – eine Zucht von kleinen Marienkäfern überwintert bei mir (was auch hätte<br />

irgendwie in Schmargendorf geschehen können) – –« (Muzot , am 29. Dezember 1921)<br />

Wartend, harrend, saß er so, die Augen, vor der gefürchteten Störung des sich immer<br />

noch nicht Vollendenden, geschlossen, die Hände flach auf die Kniee gestreckt. Um sich<br />

die große Ordnung des geregeltesten Tagesablaufs, denn dieses ist das gesicherteste<br />

Bereitsein. Ordnung lag ihm jederzeit von sich aus, sogar gelegentliche Pedanterie, und<br />

erschien mir immer wie sein Korrektiv vor den Folgen der dichterischen Mitgerissenheit:<br />

abgesehen noch vom Charakterlichen, worin Extreme als reaktive Umkippungen sich am<br />

nächsten berühren, liegt darin etwas, was dem Lyriker nahe sein muß: weil es ihn nur so<br />

zur jähen Abfuhr gesammelt erhält. Er deutet es einmal so:<br />

»Offenbar wird jenes Ordnende, das unter den Kräften des Künstlerischen die<br />

unaufhaltsamste ist, durch zweierlei innere Lagen am dringendsten aufgerufen: durch das<br />

Bewußtsein des Überflusses und durch den völligen Einsturz in einem Menschen: als<br />

welcher ja auch wieder einen Überfluß ergibt.«<br />

Jahr um Jahr – und dann erscheint es doch nur wie ein Tag, eines einzigen Tages<br />

durchbrechender Sinn. Im Februar 1922 da schossen die Fragmente der »Elegien« –<br />

zusammen mit den Orpheus-Sonetten – in Weißglut, und die große Glocke empfing ihre<br />

Form, erhärtete, tönte –<br />

Wie im Sturm, so stand er. Wie Schreie im Winde, so riefen seine Worte das<br />

Geschehende herüber.<br />

»– Lou, liebe Lou, – – Samstag, den elften Februar (1922), um 6, leg ich die Feder fort,<br />

hinter der letzten vollendeten Elegie, der zehnten. – – Denk! ich habe überstehen dürfen<br />

bis dazu hin. Durch alles. Wunder. Gnade. – Alles in ein paar Tagen. Es war ein Orkan – –:<br />

Alles, was in mir Faser, Geweb war, Rahmenwerk, hat gekracht und sich gebogen. – –<br />

Und stell Dir vor, noch eins, in einem anderen Zusammenhang – – – schrieb ich, machte,<br />

das Pferd, weißt Du, den freien glücklichen Schimmel mit dem Pflock am Fuß, der uns<br />

einmal, gegen Abend, auf einer Wolga-Wiese im Galopp entgegensprang –: – – Was ist<br />

Zeit? – Wann ist Gegenwart? Über so viel Jahre sprang er mir, mit seinem völligen Glück,<br />

ins weitoffene Gefühl. – – – Jetzt weiß ich mich wieder. Es war doch wie wie eine<br />

Verstümmelung meines Herzens, daß die Elegieen nicht da-waren.<br />

Sie sind. Sie sind.<br />

Ich bin hinausgegangen und habe das kleine Muzot, das mirs beschützt, das mirs,<br />

endlich, gewährt hat, gestreichelt wie ei großes altes Thier.«<br />

Und dann, am Sonntag geschlossener (Muzot 19. Februar 1922):<br />

»– – nun ist, denk Dir, in einem strahlenden Nachsturm, noch eine Elegie<br />

dazugekommen, die der „Saltimbanques“. Das ist aufs Wunderbarste ergänzend, nun erst<br />

scheint mir der Elegien-Kreis wirklich geschlossen. Sie kommt nicht als elfte hinzu, sondern

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