greenstreet Publisher - TERMINE - FeG Bad Endbach
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Wie Gott mir, so ich dir<br />
Johannes Rosemann<br />
Ein Mann im Zoo ärgert einen Elefanten.<br />
Wahrscheinlich nur aus einer Laune heraus.<br />
Als das Tier den Rüssel ausstreckte und einen<br />
Leckerbissen erwartete, hielt ihm der Mann<br />
seine glimmende Zigarette entgegen. Die<br />
schmerzhafte Berührung erschreckte den<br />
Elefanten und amüsierte den Mann, der<br />
lachend davonging. Etwa ein Jahr später stand<br />
der Mann an der gleichen Stelle. Auch der<br />
Elefant war noch da. Als er den Mann sah,<br />
tauchte er den Rüssel in einen Wassereimer<br />
und setzte den Mann buchstäblich unter die<br />
Dusche. Jetzt lachte nicht der Mann, sondern<br />
die Zuschauer.<br />
Das sprichwörtliche Elefantengedächtnis: Das<br />
Tier vergisst nicht, was ihm angetan wird, und<br />
es vergilt die Misshandlung noch lange später.<br />
Auch Menschen handeln so. Obwohl unsere<br />
Moral uns Rache verbietet, zahlen wir es<br />
heim, wenn uns einer etwas antut. Gelungene<br />
Vergebung befriedigt uns nicht in dem Maße<br />
wie gelungene Vergeltung. Doch diese<br />
Befriedigung schafft nicht Frieden. Rache ist<br />
süß -eine Wahrheit, die niemand gern zugibt,<br />
aber jeder gern auskosten möchte. Und wenn<br />
wir moralisch schon etwas fortgeschritten<br />
sind, dass wir auf Rache verzichten, dann wird<br />
plötzlich unser Elefantengedächtnis aktiv. Der<br />
Speicherplatz, den wir dafür zur Verfügung<br />
stellen, ist enorm.<br />
„Wie oft muss ich denn vergeben?“ fragt<br />
Petrus Jesus und Jesus erzählt als Antwort<br />
eine Geschichte.<br />
1. Szene: Ein König rechnet mit seinen<br />
Angestellten ab. Ein Beamter wird vorgeführt,<br />
der mit 10.000 Talenten hoch verschuldet ist.<br />
10.000 war damals die größte Zahl, mit der<br />
man rechnete, und Talente die größte<br />
Geldeinheit im ganzen vorderasiatischen<br />
Raum. Zum Vergleich: Das Jahreseinkommen<br />
des Königs Herodes betrug etwa 900 Talente,<br />
womit klar ist: Der Beamte ist hoffnungslos<br />
verschuldet. Keine „Peanuts“ -ein Fall in der<br />
Größenordnung „Schneider-Affäre“. Der<br />
Verschuldete ist nie und nimmer in der Lage,<br />
vier<br />
die Schuld zu erstatten. Der Chef gibt den<br />
Befehl zum Verkauf des Schuldners. Das<br />
bedeutet Verkauf seiner Frau, seiner Kinder<br />
und seiner ganzen Habe. Verkauf der Kinder<br />
war in Israel ein Zeichen für den völligen<br />
Bankrott eines Menschen. Die Kinder sind das<br />
Letzte, was er besitzt. Die Treppenstufen<br />
lauteten damals: 1. arbeitslos, 2.<br />
wohnungslos, 3. kinderlos und damit<br />
4. existenzlos.<br />
Angesichts dieser aussichtslosen Situation<br />
wirft sich der Beamte dem König vor die Füße,<br />
bettelt um Geduld und versichert: „Ich will<br />
alles bezahlen!“ Wie lächerlich, angesichts<br />
der Sachlage!<br />
Wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, sind<br />
wir sehr schnell mit Versprechungen, die wir<br />
nie und nimmer halten können. Schnell<br />
verspricht man das Blaue vom Himmel, wohl<br />
der tiefste Ausdruck von Ratlosigkeit. Aber<br />
Schuld lässt sich nicht in monatlichen Raten<br />
abstottern. Ja, sie lässt sich überhaupt nicht<br />
abtragen, sie kann höchstens abgenommen<br />
werden durch einen anderen. Wenn das nicht<br />
geschieht, prägt sie unsere Existenz und<br />
begleitet unseren Lebensweg vom ersten bis<br />
zum letzen Atemzug. Deshalb nimmt Jesus<br />
Vergebung so wichtig!<br />
Die Lage ist hoffnungslos. Vielleicht gerade<br />
deshalb geht sie dem Chef „an die Nieren“.<br />
Diese innere Bewegung führt dazu, dass der<br />
Vorgeführte nicht abgeführt, sondern<br />
freigelassen wird. Das ist mehr, als der<br />
Beamte jemals zu hoffen wagte.<br />
2. Szene: Auf dem Hof des Hauses. Der soeben<br />
Freigesprochene ist plötzlich um 10 Jahre<br />
jünger geworden. Er geht erhobenen Hauptes<br />
aus dem Haus und sieht einen Kollegen, der<br />
ihm 100 Denare, eine kleine Summe, schuldig<br />
ist. Die Wut steigt in ihm hoch. Er packt ihn<br />
beim Kragen. Nun wiederholt sich, was eben<br />
im Haus geschah - nur mit wechselnden<br />
Rollen. Der Kollege fällt auf die Knie, bittet<br />
um Geduld und verspricht, seine Schuld zu<br />
begleichen (was ihm sicherlich auch möglich<br />
ist). Aber das trifft auf taube Ohren. Er kommt