10 Jahre BM - Bundesverband Mediation eV
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Persönlichkeitsentwicklung<br />
eingebaut werden, erschien auch dem <strong>Bundesverband</strong> <strong>Mediation</strong><br />
so wichtig, dass sie in die “Standards und Ausbildungsrichtlinien”<br />
zur beruflichen <strong>Mediation</strong> aufgenommen wurde. 2<br />
4.1 Jeder Ausbildungskandidat bringt mindestens<br />
eine “Achillesferse” mit<br />
Ausbildungsbewerber bringen in der Regel Vorerfahrungen im<br />
Vermitteln und eine starke berufliche und persönliche Motivation<br />
für das Erlernen einer professionellen und für alle Seiten gewinnbringenden<br />
Konfliktbearbeitung mit. Meist benennen sie in<br />
ihrer persönlichen Vorstellung eigene Fähigkeiten und Schwächen<br />
im Umgang mit Konflikten.<br />
Frau Wagner, Personalentwicklerin und Trainerin, hat sich zum<br />
Ziel gesetzt, sich als freiberufliche Mediatorin und Konfliktberaterin<br />
zu etablieren. Im Verlauf des Gesprächs und der Schilderung<br />
ihres Werdegangs stellt sich heraus, dass Frau Wagner<br />
bei Konflikten gerne als Ansprechpartnerin aufgesucht wird. Sie<br />
scheint Menschen mit Schwierigkeiten in Konfliktsituationen<br />
anzuziehen, spricht von einer natürlichen Begabung beim Zuhören.<br />
Ihr Problem: sie engagiere sich innerlich so stark, dass sie<br />
die Geschichten der Streitparteien tagelang bedrückten und sie<br />
ihre Gedanken schwer von der Lösungssuche abbringen könne.<br />
4.2 Die Notwendigkeit eines “geschützten Raums”<br />
Der Beginn der Ausbildung enthält vorzugsweise folgende Elemente,<br />
die das Sicherheitsgefühl der Teilnehmenden fördern:<br />
Elemente des gegenseitigen Kennenlernens, das Treffen gemeinsamer<br />
Vereinbarungen in der Lerngruppe, die Vermittlung theoretischer<br />
und praktischer Grundlagen der <strong>Mediation</strong>, erste Übungen<br />
und Rollenspiele und die Beantwortung offener Fragen zur<br />
Ausbildung. Besonders wichtig für das zukünftige Reflektieren<br />
eigener Konfliktmuster sind die Vereinbarungen, welche die Gruppe<br />
zusammen mit den Ausbildern trifft:<br />
Frau Wagner antwortet auf die Trainerfrage, welche Regeln sich<br />
die Teilnehmenden wünschen: “Dass wir uns mit Respekt begegnen”.<br />
Auf die Rückfrage, woran konkret sie erkenne bzw. erlebe,<br />
dass jemand ihr mit Respekt begegne, äußert sie: “Ich möchte<br />
persönliche Wahrnehmungen äußern dürfen, ohne dass jemand<br />
darüber urteilt, lacht, sie wegdiskutieren will”. Am Ende des Austauschs<br />
hat die Ausbildungsgruppe eine tragfähige Basis zur Zusammenarbeit<br />
durch Vereinbarungen, die nach einigen Debatten<br />
und Veränderungen im Konsens verabschiedet werden:<br />
• Ich wahre Vertraulichkeit – alles persönlich Gesagte bleibt<br />
in der Gruppe der Anwesenden.<br />
• Ich bin <strong>10</strong>0% verantwortlich für mich selbst, d.h. ich melde<br />
meine Störungen und Bedürfnisse an, entscheide in jeder Situation<br />
für mich selbst.<br />
• Ich spreche in Ich-Botschaften, d.h. für mich selbst und subjektiv.<br />
• Ich lasse andere ausreden.<br />
• Ich halte unsere gemeinsamen Vereinbarungen (inkl. Zeitabsprachen)<br />
ein.<br />
Nach Abschluß der Vereinbarungen ist eine deutliche Entspannung<br />
in der Ausbildungsgruppe zu spüren – resultierend aus<br />
dem sicheren und klaren Rahmen, den sie sich geschaffen hat.<br />
4.3 Eigene Konfliktmuster erkennen<br />
Die Teilnehmenden sollten im weiteren Verlauf der Ausbildung<br />
die Gelegenheit haben, ihre Kindheitsfamilie mit dem Ziel zu reflektieren,<br />
konfliktreiche familiäre Beziehungen und darin übliche<br />
(auch eigene) Verhaltensmuster zu benennen. Durften Konflikte<br />
in der Herkunftsfamilie ausgetragen werden? Wurden laute<br />
Worte bestraft? Wurde der Betreffende bei familiären Konflikten<br />
ausgegrenzt, mußte er oft vor gewaltvollen Auseinandersetzungen<br />
flüchten, Geschwister “retten”, hatte er eine erfolglos-vermittelnde<br />
Rolle? All diese alten Prägungen beeinflussen das spontane<br />
Verhalten des späteren Mediators.<br />
In einem geschützten Rahmen, unterstützt durch wertschätzenden<br />
Umgang (aktives Zuhören mit Verzicht auf Analyse und vertiefendes<br />
Fragen), arbeitet der Teilnehmende selbst seine Fähigkeiten<br />
und erworbenen Stärken im Konflikt heraus und ebenso<br />
seine eventuellen “Konfliktfallen”.<br />
So wurde Herrn Siebert bewußt, dass er in seiner Kindheit große<br />
Angst vor lauten Worten hatte, da sie meist eine Auseinandersetzung<br />
mit gewalttätigem Ausgang ankündigten. Schon bald lernte<br />
er, seine streitenden Eltern mit Berichten und Geschichten abzulenken<br />
und auf andere Gedanken zu bringen. Seine Konfliktfalle<br />
könnte also ein so großes Bedürfnis nach Harmonie sein, dass er<br />
laute Äußerungen in der <strong>Mediation</strong> spontan mit beschwichtigenden<br />
Fragen über die Wahl der Getränke, Richtigkeit der Zimmertemperatur<br />
o.ä. unterbricht oder subtiler mit wegführenden<br />
und ausführlichen Sachfragen “bombardiert”. Obwohl die Stimmung<br />
vielleicht ruhiger wird, erleben sich die Streitparteien unterbrochen<br />
und in ihren Gefühlen bezüglich der Streitsache nicht<br />
gewürdigt. Herr Siebert erarbeitet 2-3 Konfliktfallen, die er durch<br />
seine Herkunft eworben hat und schreibt sie auf eine orange Karte<br />
als Augenmerk für die Arbeit in Rollenspielen. Ebenso notiert er<br />
seine Stärken, nämlich seine hohe Präsenz, sein starkes Gespür<br />
für unterschwellige Spannungen und sein Verantwortungsbewußtsein<br />
für die Rahmengestaltung auf eine blaue Karte.<br />
4.4 Üben, üben, üben in Rollenspiel mit Feedback<br />
Hier kommen die individuellen Erkenntnisse über eigene Konfliktfallen<br />
zum Einsatz. Vor einem Rollenspiel überlegt sich der Mediator,<br />
auf welche Verhaltensweisen/Konfliktfallen hin er Feedback<br />
haben möchte. Er bittet beobachtende Teilnehmer und Trainer,<br />
auf bestimmte Aspekte zu achten. Dabei ist oft zu erleben, dass<br />
erste Erkenntnisse wirkungsvoll umgesetzt werden, sich die eigene<br />
Haltung verändert und das Verhaltensrepertoire tatsächlich zur<br />
Erweiterung gelangt. Gleichzeitig betreten die Teilnehmenden<br />
ihnen unbekanntes “Neuland”, d.h. ihnen fehlt Übung und<br />
Verhaltenssicherheit. In dieser Situation sind klare Regeln zum<br />
Feedback, das ressourcenorientiert und wertschätzend, subjektiv<br />
2<br />
Berufliche <strong>Mediation</strong>: Standards und Ausbildungsrichtlinien des <strong>BM</strong><br />
S. 7 und 8: Unter Zielen: “Die TeilnehmerInnen ... reflektieren das<br />
eigene Verhalten in Konflikten; sie bringen persönliche Autorität in den<br />
<strong>Mediation</strong>sprozess ein”. Unter Vorgehensweisen: ...”Übungen zur Selbstund<br />
Fremdwahrnehmung”. Unter inhaltlichen Elementen: ...”Haltung<br />
der Meditorin/des Mediators; Selbsterfahrung und Selbstreflexion”.<br />
INFOBLATT MEDIATION / HERBST 2001 11