10 Jahre BM - Bundesverband Mediation eV
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<strong>Mediation</strong>sausbildung<br />
Marianne Lange<br />
<strong>Mediation</strong> mit Diplom -<br />
hochschulgeprüft!<br />
Lässt sich eine Ausbildung in <strong>Mediation</strong> eigentlich mit<br />
Prüfungsleistungen und Klausuren, benoteten Hausarbeiten,<br />
Immatrikulationsfristen und Mehrheitsbeschlüssen<br />
im Prüfungsausschuss in Einklang bringen? Gibt<br />
es geborene Allianzen oder zwangsläufige Unvereinbarkeiten<br />
- etwa zwischen einfühlsamem Zuhören und<br />
Aufpassen, damit der Hinweis der Dozentin über die<br />
nächste Klausur ankommt, oder der Analyse eigener<br />
Praxisfälle und der Zensurenvergabe durch den Dozenten?<br />
Meine Erfahrung ist: es geht, aber mit Reibungsverlusten!<br />
Die Evangelische Fachhochschule in Ludwigshafen - bewährte<br />
Studienfächer Sozialarbeit, Sozialwesen und Pflegewissenschaft<br />
- ging das Wagnis ein und entwickelte gemeinsam mit dem Servicebüro<br />
für Täter-Opfer-Ausgleich im Verband für Straffälligenhilfe<br />
(DBH) und Konfliktschlichtung (TOA) ein abprüfbares Curriculum.<br />
Vor vier Semestern schrieben sich die ersten 39 Studierenden<br />
für das berufsbegleitende Studium, verteilt auf zwei Gruppen,<br />
an der FH ein und zahlten pro Semester rund 1500 DM Studiengebühren,<br />
davon ca. 50 DM Semesterbeitrag an die Hochschule<br />
und der Rest an das DBH-Bildungswerk. 36 von ihnen<br />
absolvierten alle Prüfungen mit Erfolg und erhielten am 16. Oktober<br />
den neuen Hochschulgrad. Von nun an dürfen sie sich “Diplom-Mediator”<br />
bzw. “Diplom-Mediatorin” (FH) nennen.<br />
FH-Professor Hanspeter Damian, Jurist, stand dem neuen Studiengang<br />
Pate, setzte ihn auch im eigenen Hause mit Zähigkeit und<br />
Engagement durch und stellte ihn Anfang 2000 der Presse vor. Er<br />
verabschiedete sich jedoch nach dem ersten Semester, das von<br />
Geburtswehen und Reibungsverlusten unter den Veranstaltern,<br />
aber auch zwischen Dozentenpersonal und Studierenden gekennzeichnet<br />
war, in den vorgezogenen Ruhestand. Von Stund an war<br />
es der Leiter der Fachhochschule selbst, der Theologe Professor<br />
Dieter Wittmann, der die Aufgabe der Leitung des Studiengangs<br />
übernahm. Schwierig war es sicher für die eine oder andere Lehrkraft,<br />
den Bedürfnissen der erwachsenen Studierenden nach Wertschätzung<br />
ihrer bisher schon in Beruf, Gesellschaft und Familie<br />
bewiesenen Kompetenzen Rechnung zu tragen. Manche Entscheidung<br />
musste nach Intervention der Studierenden überarbeitet<br />
werden. Überraschende Seminarverschiebungen verursachten<br />
Ärger: der eine hatte den Urlaub mit der Familie schon geplant,<br />
die andere musste Aufträge zurückgeben, weil Hochschul-Termine<br />
verändert wurden. Entwicklungsfähig ist auch die Wahl der<br />
Unterrichtsorte - Bürgerzentrum, Stadtbücherei oder vom Baulärm<br />
während der Semesterferien geplagte FH-Hörsäle, die dem<br />
Lerneifer, der Konzentrationslust und dem Bedürfnis nach Sicherheit<br />
bei der Arbeit in der Kleingruppe oder Behaglichkeit während<br />
des Rollenspiels nicht entsprachen. Gastdozent Christoph<br />
Besemer entschied sich vor diesem Hintergrund für den Kauf eines<br />
Blumenstraußes, um den Raummittelpunkt beim Thema<br />
“Konflikttheorie” zu verschönern. Hansjörg Schwartz unterstützte<br />
die TeilnehmerInnen des Wahlpflichtfachs Wirtschaftsmediation<br />
bei der Entwicklung mentaler Fitness gegenüber den Unwägbarkeiten<br />
von Lehr-“Anstalt” und “Service”-Büro.<br />
Zu den vier Wahlpflichtfächern gehörten im dritten Semester außer<br />
Wirtschaftsmediation noch TOA, Schul- und Familienmediation,<br />
jeweils kombiniert mit Gruppensupervision. 20 Stunden<br />
Fallarbeit waren zu dokumentieren. Die meisten Studierenden,<br />
die bereits im TOA arbeiten und Fortbildungen darin gemacht<br />
hatten, ließen sich von diesem Semester freistellen. Die<br />
anderen nutzten die Gelegenheit, Neues zu erfahren oder ihre<br />
Praxis zu vertiefen.<br />
Viele Studierende kamen aus der benachbarten Pfalz rund um<br />
Ludwigshafen, aber auch aus entfernteren Orten wie Dresden,<br />
Berlin, Krefeld, Köln oder München. Die meisten fanden sich<br />
nur schwer in ihre “neue” alte Rolle – denn immerhin hatten alle<br />
von ihnen schon eine akademische Ausbildung absolviert und standen<br />
ihren Mann oder ihre Frau in Beruf und Familie. So sahen<br />
sich viele von ihnen auch mehr als KundInnen, die für ihr Geld<br />
(39 mal 6.000 DM sind 234.000 DM) vom Veranstalter eine bestimmte<br />
Leistung einforderten und sich dafür konkrete Ansprechpartner<br />
wünschten, denn als Teil einer Studentenschaft, die<br />
ProfessorInnen und DozentInnen als prüfungsberechtigt und damit<br />
höhergestellt erlebt. In einem Studiengang, für den noch keine<br />
Vorbilder vorliegen, mussten deshalb sowohl Studierende als<br />
auch Veranstalter hohe Kompetenzen in so unterschiedlichen<br />
Konflikttechniken wie Selbstorganisation, Krisenbewältigung,<br />
Drohgebärden, Ad hoc-Beschlüssen, Vermittlung oder gesichtswahrenden<br />
Maßnahmen ausprobieren. Die Studierenden organisierten<br />
selbst die “Premierenfeier” zum Ende des ersten Studiengangs<br />
“Diplom-<strong>Mediation</strong>” und zur festlichen Übergabe der Diplome.<br />
Inzwischen haben beide Kooperationspartner personell aufgestockt:<br />
Jutta Möllers vertritt seit Mitte 2000 den TOA bei der<br />
Organisation des Studiengangs, Christiane Simsa, vorher nebenamtlich<br />
Lehrende für Soziologie und Recht, wurde Mitte 2001 an<br />
der FH für drei <strong>Jahre</strong> als <strong>Mediation</strong>sprofessorin eingestellt.<br />
Der zweite <strong>Mediation</strong>sjahrgang geht ins zweite Jahr, der dritte<br />
beginnt in diesem Herbst mit kleineren Zahlen und deshalb mit<br />
nur einer Gruppe. Zugelassen werden nur AkademikerInnen mit<br />
mindestens dreijähriger Berufserfahrung.<br />
Die 36 frischgebackenen Diplom-MediatorInnen freuen sich jetzt<br />
darauf, ihre Zusatzqualifikation bei bereits ausgeführten Tätigkeiten<br />
einzusetzen und für neue Projekte auf den Markt zu werfen.<br />
Regionale und inhaltliche Arbeitsgruppen sind bereits etabliert,<br />
etwa als Gruppe “Mikado”, die Streitschlichtung in Ludwigshafen<br />
und Speyer anbietet, oder als Gruppe Nachbarschaftsmediation,<br />
im April 2000 gegründet von fünf Mediatorinnen, die<br />
ihr Konzept vom Konfliktmanagement in Mietshäusern seither<br />
mit Gesellschaften des sozialen Wohnungsbaus umsetzen.<br />
Autorin: Marianne Lange: “Nach meiner Ausbildung zur<br />
Mediatorin nach den Richtlinien des <strong>BM</strong> entschied ich mich auch<br />
noch für die Teilnahme am FH-Studiengang, um dem Zusammenhang<br />
zwischen Konflikten und <strong>Mediation</strong> stärker wissenschaftlich<br />
auf den Grund zu gehen.”<br />
Postfach 250225, 50518 Köln, 24.<strong>10</strong>.2001<br />
INFOBLATT MEDIATION / HERBST 2001 27