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10 Jahre BM - Bundesverband Mediation eV

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Reaktionen zum 11. September<br />

• So lehren Sie die KursteilnehmerInnen herauszufinden, um<br />

was die Menschen wirklich bitten, wonach sie wirklich fragen?<br />

MR: Genau. Man lernt die Bitte hinter der Aussage zu hören,<br />

ohne Rücksicht darauf, wie sie ausgedrückt ist.<br />

Zum Beispiel war ich vor einem Jahr drüben in der West Bank in<br />

einer Moschee in einem Flüchtlingslager. Mit mir waren etwa 170<br />

Moslems. Als bekannt wurde, daß ich ein Amerikaner war, sprang<br />

einer von ihnen auf und schrie aus voller Lunge “Mörder!“<br />

Wann immer jemand so auf sie zukommt, sind die meisten Menschen,<br />

mit denen wir arbeiten, es gewohnt, dies entweder persönlich<br />

zu nehmen und fühlen sich verletzt und persönlich abgelehnt<br />

oder sie fangen an, es zu glauben und entschuldigen und verteidigen<br />

sich, oder sie verurteilen die andere Person ebenfalls und<br />

sagen „Das ist ungerecht, du hast kein Recht, mich so zu beschimpfen.“<br />

In so einem Fall schlägt unser Training vor, dass ich meine Aufmerksamkeit<br />

auf die Gefühle und auf Bedürfnisse hinter der Aussage<br />

meines Gegenübers lenke. In diesem Zusammenhang war es<br />

nicht schwer, das zu tun. Er lebte unter wirklich schrecklichen<br />

Verhältnissen in diesem Flüchtlingslager. Von seinem Standpunkt<br />

aus sieht er sich täglich von der israelischen Regierung, die Gelder<br />

von der amerikanischen Regierung erhält, unterdrückt, und<br />

als er hört, daß ich ein Amerikaner bin, nennt er mich einen Mörder.<br />

Und was ich höre, ist, dass er ärgerlich ist und möchte, dass<br />

mein Land seine Mittel anders einsetzt. Darauf richte ich meine<br />

Aufmerksamkeit. Ich könnte unter Umständen sein Bedürfnis auch<br />

nicht richtig erraten haben.<br />

• Außerdem könnte es auch etwas sein, das nicht in Ihrer Macht<br />

steht zu ändern.<br />

MR: Könnte sein, aber das Erste, was unser Training lehrt, ist<br />

nicht zu beurteilen, ob ich etwas dafür tun kann oder ob ich glei-<br />

8<br />

Mir wird übel zu erleben,<br />

wozu Menschen fähig<br />

sind, und ich wünsche mir<br />

sehr, dass jeder Mensch<br />

vor tödlichen und verletzenden<br />

Angriffen sicher<br />

ist.<br />

Ich sehe die Angst der<br />

Politiker und Militärs davor,<br />

schutzlos ausgeliefert<br />

zu sein und ihre Sorge für<br />

größtmögliche Sicherheit.<br />

Ich habe Zweifel an der<br />

Wirksamkeit ihrer Aktivitäten,<br />

solange diese von<br />

Rache- und Bestrafungsvorstellungen<br />

geleitet werden. Auch nach dem 11. September gilt,<br />

dass bestrafende Gewalt auf Dauer Gewalt provoziert. Von Albert<br />

Einstein stammt der Satz: Mit dem Denken, mit dem wir unsere<br />

Probleme geschaffen haben, können wir sie nicht lösen. Folglich<br />

brauchen wir neue Denk- und Handlungsansätze, um aus der<br />

Spirale der Gewalt auszusteigen. In diesen Tagen bin ich Marshall<br />

Rosenberg für sein Wirken besonders dankbar. Er lehrt mich<br />

durch sein Tun, daß es einen Weg zur Überwindung von Haß<br />

gibt. Ich zitiere aus: Ein Gespräch mit Marshall Rosenberg von<br />

Guy Spiro, S. 5 f:<br />

INFOBLATT MEDIATION / HERBST 2001<br />

cher Meinung bin. Hauptsache ist, mit dem andern in Verbindung<br />

zu treten und zu zeigen, daß Sie genau verstanden haben, was in<br />

ihm vorgeht, ehe Sie sich darum sorgen, ob Sie etwas ändern können<br />

oder nicht.<br />

Also fragte ich in dieser Situation: “Sind Sie ärgerlich und wollen<br />

die Geldmittel meiner Regierung anders angewandt haben?“ Nun<br />

schien der Mann sehr verblüfft zu sein, denn wenn Leute in der<br />

Art sprechen, wie er es tat, sind sie es nicht gewohnt, dass Menschen<br />

ernsthaft versuchen zu verstehen was sie fühlen und brauchen.<br />

Nach einer kurzen Pause sagte er „ja“. Und dann begann er,<br />

sich zu öffnen und zu erzählen, wie schrecklich die Existenzbedingungen<br />

hier waren, wie schmerzhaft es für sie war, und wie<br />

wütend die Leute auf die amerikanische Regierung waren.<br />

Und ich hörte nur zu. Ich stimmte nicht bei, noch widersprach<br />

ich. Ich sagte auch nicht, daß ich irgend etwas daran ändern würde.<br />

Aber was ich tat, bevor ich entschied, wie ich darauf reagieren<br />

würde, war, mich zu vergewissern, dass ich vollkommen verstanden<br />

hatte, was dieser Mensch versuchte, uns mitzuteilen. Sich<br />

nicht zu verfangen in der Richtigkeit oder Falschheit seiner Annahme,<br />

sondern diese verstanden zu haben, aus der Sicht seiner<br />

Gefühle und Bedürfnisse.<br />

Er brachte eine Menge Kummer zum Ausdruck, und er muß mich<br />

fast zwanzig Minuten angeschrien haben, bevor er sich ganz verstanden<br />

fühlte. In weiteren zwanzig Minuten lud er mich dann am<br />

selben Abend zu einem Ramadan-Essen in sein Haus ein. Ein<br />

Ramadan-Essen ist im Islam keine gewöhnliche Mahlzeit; es ist<br />

ein Essen, zu dem man Leute einlädt, zu denen man eine Beziehung<br />

hat.<br />

Er hatte viel Kummer auszudrücken, und es war gut, daß ich den<br />

Schmerz und die Bedürfnisse hörte, obwohl diese ursprünglich in<br />

einer sehr kritischen Art ausgedrückt wurden.<br />

Das ist es, was unser Training lehrt: Den Menschen hinter der<br />

Aussage zu hören, ganz gleich in welcher Form diese Aussage<br />

gekleidet ist.<br />

• Wie konnten Sie diesem Mann tatsächlich helfen?<br />

MR: Nun, meine Aufgabe dort war nicht unbedingt, dem Mann<br />

zu helfen. Ich war an dem Tag dort, um den Palästinensern in<br />

diesem speziellen Lager zu zeigen, dass unsere Gruppe bereit war,<br />

Leute zu schulen, die dieses Training dann wiederum in ihren<br />

Friedensbestrebungen verwenden wollten. Ich war nur dazu da,<br />

um das Training zu erklären.<br />

Durch meine Fähigkeit, ihm zuzuhören, trotz seiner anfänglichen<br />

Distanz mir gegenüber, wurden er und andere in diesem Lager<br />

„alliiert“ und sie helfen uns wirklich, unser Training der Gewaltfreien<br />

Kommunikation den Leuten von der West Bank näherzubringen.<br />

Wäre es meine Aufgabe gewesen, ihm zu helfen, hätte ich ihm,<br />

nachdem ich seine Nöte gehört hatte, als Erwiderung klar gesagt,<br />

was meine Gefühle und Bedürfnisse sind. Wäre ich im Konflikt<br />

gewesen mit meiner Bereitschaft, ihm zu geben, was immer er<br />

auch wollte, hätte ich ihm gesagt, was meine Bedürfnisse sind,<br />

die mich davon abhielten zu tun, was er sagt. Es zeigte sich in<br />

diesem Fall, nachdem ich wirklich gehört hatte, was seine Gefühle<br />

und Bedürfnisse waren, daß ich kein Problem mit seiner Aussage<br />

hatte. Ihm wäre es lieber gewesen, meine Regierung hätte<br />

die Palästinenser besser unterstützt. Nachdem er zufrieden feststellte,<br />

dass ich ihm genau zugehört hatte, konnte ich ihm nun

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