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Inhalt<br />

Gastkommentar<br />

Afrika versinnbildet hierzulande seit<br />

Generationen etwas Magisches und<br />

Geheimnisvolles, einen Ort, an den sich<br />

viele zu begeben wünschten, was allerdings<br />

nur wenige auch tatsächlich<br />

geschafft haben. Während Europäer, aus<br />

kolonialen Großmächten kommend,<br />

ohne Umstände als Soldaten, Kolonialbeamten<br />

oder Kolonisten (oft wohl –<br />

ihrer Ansicht nach – zur Strafe) auf den<br />

Schwarzen Kontinent gelangen konnten,<br />

bedeutete die Erfüllung des Afrikatraums<br />

für jeden Tschechen das Überwinden<br />

von zahlreichen Barrieren und Schwierigkeiten<br />

unter kräftigstem Einsatz. Möglicherweise<br />

war dies ein Grund dafür,<br />

daß diejenigen, deren Traum Wirklichkeit<br />

worden war, in den Augen der<br />

Nachwelt Helden wurden.<br />

Die Afrikareisenden Emil Holub und<br />

Čeněk Paclt wurden im 19. Jahrhundert<br />

in der tschechischen Gesellschaft allgemein<br />

bekannt und dank ihnen auch der<br />

Kontinent Afrika. Im 20. Jahrhundert erschlossen<br />

etwa der Bildhauer J.V. Foit,<br />

der Botaniker Jiří Baum und die Ingenieure-Journalisten<br />

Jiří Hanzelka und<br />

Miroslav Zikmund Afrika ungeachtet<br />

unverminderter Hindernisse für ihre an<br />

Fernweh krankenden Mitbürger. Vor genau<br />

60 Jahren, im April 1947, brach das<br />

populäre Tandem Hanzelka & Zikmund<br />

zu seiner ersten Reise quer durch Afrika<br />

auf. Ihre dreiteilige Beschreibung Afrika<br />

snů a skutečnosti (dt. unter dem Titel<br />

Afrika: Traum und Wirklichkeit) war für<br />

die Lesegemeinde ein weit aufgestoßenes<br />

Fenster in eine neue Außenwelt.<br />

Als der erste unabhängige Staat, Ghana,<br />

auf den Trümmern des zusammenbrechenden<br />

Kolonialsystems in Afrika<br />

vor fünfzig Jahren entstand, kam es keineswegs<br />

überraschend, daß die ehemalige<br />

Tschechoslowakei es bereits am Tag<br />

der Unabhängigkeitserklärung anerkannte.<br />

Bald danach begrüßten Ghana<br />

und andere Länder Afrikas tschechische<br />

Ingenieure, Techniker und Professoren.<br />

Ihr vorrangiges Ziel war es, den Bevölkerungen<br />

der neu ausgerufenen Länder<br />

zu helfen, außerdem konnten sie wenigstens<br />

ein Stück der dortigen Kultur und<br />

Geschichte ihren Landsleuten zu Hause<br />

vermitteln. Dies belegen unter anderem<br />

Dutzende Bücher über Afrika, von Guinea<br />

bis Angola, von Äthiopien bis Nigeria.<br />

Das Interesse für Afrika beflügelt<br />

auch die junge Generation hierzulande,<br />

die nach der Wende von 1989 die Freizügigkeit<br />

global ausleben kann. Und es<br />

ist gerade diese jüngste Generation, die<br />

zu Propagatoren einer starken und<br />

gleichwertigen Partnerschaft zwischen<br />

Tschechien und Afrika aufsteigen wird.<br />

Die jungen Tschechen und Tschechinnen<br />

reisen nicht nur, sondern sie betätigen<br />

sich als Freiwillige von Malawi bis hin<br />

nach Uganda, von der Zentralafrikanischen<br />

Republik bis nach Mosambik. Ihre<br />

Zeitungsartikel und Bücher voller lebensechter<br />

Geschichten und realistischer<br />

Ansichten über Afrika sind die beste<br />

Unterstützung für die EU-Strategie für<br />

Afrika, unter deren Zielsetzungen auch<br />

die Beihilfe zur Bildung eines positiven<br />

und angemessenen Afrikabildes festgeschrieben<br />

wurde. Ich bin überzeugt, daß<br />

Afrika dank diesen Kontakten für uns,<br />

in Europas Mitte lebende Tschechen,<br />

kein Herz der Finsternis mehr darstellt,<br />

wie es Ende des 19. Jahrhunderts von<br />

dem berühmten Mitteleuropäer Joseph<br />

Conrad in dem gleichnamigen Roman<br />

geschildert wurde.<br />

Jaroslav Olša jr.<br />

Diplomat, Ex-Botschafter<br />

der Tschechischen Republik<br />

in Simbabwe (2000-2006)<br />

Wie die alten Böhm’Afrika entdeckten<br />

– Auf den Spuren der ersten Missionare<br />

und Reisenden<br />

Seite 4 – 7<br />

60 Jahre literarische Begegnungen<br />

– Afrikas Literaturen wird immer mehr<br />

Interesse entgegengebracht.<br />

Seite 8 – 11<br />

Afrikaner sind wir alle!<br />

– Auf dem Festival Afrika kreativ treten<br />

auch Afrotschechen auf.<br />

Seite 10 – 13<br />

Kde domov můj? Wo ist meine Heimat?<br />

– Tschechien als zweite Heimat für einen<br />

Äthiopier, Senegalesen, eine Namibierin<br />

(und viele andere)<br />

Seite 14 – 17<br />

Friedensarbeit in Afrika<br />

– Tschechische Militärs machen bei<br />

UN-Friedensmissionen mit.<br />

Seite 18 – 19<br />

Jablonex – von Marokko bis<br />

nach Südafrika<br />

– Böhmische Bijouterie hält seit alters<br />

her Einzug in alle Lande.<br />

Seite 20 – 21<br />

Hilfe für Afrika<br />

– Hilfsprojekte nehmen vielfältige Formen<br />

an: angefangen bei der Bekämpfung von<br />

Armut und Krankheit, über Bildungsprogramme<br />

für die einheimische Bevölkerung<br />

einschließlich Computerunterricht bis hin<br />

zur Rettung bedrohter Tierarten.<br />

Seite 22 – 30<br />

Afrika inmitten Prags<br />

– Informelle Aktivitäten überbrücken<br />

Kulturunterschiede und erschließen<br />

neue Kanäle für Kommunikation und<br />

Kooperation.<br />

Seite 31<br />

Tschechen und Afrika<br />

– Zur Institutionalisierung der gegenseitigen<br />

Beziehungen führt ein langer Weg,<br />

der Wandel ist unausbleiblich.<br />

Seite 32 – 33<br />

Puzzle Tschechien—Afrika<br />

– Interkontinental verbindende Momente<br />

en detail<br />

Seite 34 – 35<br />

Afrikas Kunst im Blickpunkt<br />

– Budweiser Ausstellung stellt Werke<br />

150 afrikanischer Bildkünstler und<br />

Bildhauer vor.<br />

Seite 36 – 38<br />

Die Zeitschrift Im Herzen Europas erscheint sechsmal jährlich<br />

und vermittelt auf ihren Seiten ein Bild über das Leben in<br />

der Tschechischen Republik. Die Beiträge präsentieren die<br />

Ansichten ihrer Autoren und müssen nicht mit den offiziellen<br />

Standpunkten der tschechischen Regierung übereinstimmen.<br />

Abonnementbestellungen sind an die Redaktion der Zeitschrift<br />

zu richten. Herausgegeben vom Verlag Theo in Zusammenarbeit<br />

mit dem Außenministerium der Tschechischen Republik.<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

J. Poppera 18, 530 06 Pardubice, Česká republika<br />

Chefredakteur: Pavel Šmíd<br />

Graphische Redaktion: Karel Nedvěd<br />

Vorsitzender des Redaktionsbeirats: Zuzana Opletalová,<br />

Leiter der Pressestelle des Außenministeriums der ČR<br />

und Pressesprecher des Außenministers<br />

Redaktionsbeirat: Libuše Bautzová, Pavel Fischer, Vladimír<br />

Hulec, Robert Janás, Milan Knížák, Martin Krafl, Eva Ocisková,<br />

Tomáš Pojar, Jan Šilpoch, Petr Vágner, Petr Volf, Marek Skolil<br />

Deutsche Übersetzung: Institut für Germanistik<br />

Philosophische Fakultät der Masaryk-Universität Brno<br />

Druck: VČT Sezemice<br />

Der Nachdruck der in der Zeitschrift Willkommen im Herzen<br />

Europas abgedruckten Texte ist ohne Genehmigung des<br />

Verlages und der Verfasser möglich. Im Falle des Interesses<br />

an Bildmaterialien bitte um Anfrage bei der Redaktion oder<br />

den jeweils genannten Photographen.<br />

Die Gestaltung und Übersetzung von Werbematerialien auf<br />

dem Umschlag liegt in Eigenverantwortung der Auftraggeber.<br />

ISSN 1211–9296<br />

Theo Verlag – Internet:<br />

http://www.theo.cz<br />

E-Mail: pavelsmid@theo.cz<br />

3


Wie die alten<br />

Böhm’Afrika entdeckten<br />

Das Schicksal der böhmischen Landsleute<br />

in Afrika gestaltete sich unter<br />

Umständen ziemlich bizarr: Dies belegt<br />

wohl am besten die Lebensgeschichte<br />

eines gewissen Fräuleins namens Hlaváčková,<br />

das Anfang der 1890er Jahre<br />

als Gouvernante in Kapstadt wohnte und<br />

arbeitete. Man wird wohl nicht mehr herausbekommen<br />

können, was sie zur Rückkehr<br />

nach Europa – zu Fuß! – bewog.<br />

Weder einer Forschungs- noch einer Militärexpedition<br />

gelang es zu dem Zeitpunkt,<br />

die Marschroute Kapstadt—Kairo<br />

zurückzulegen, als sie solches ohne jegliche<br />

Vorbereitung und ohne Mittel meisterte.<br />

Mit zwei Trägern vom Ort, wenigen<br />

Gepäckstücken und einem Minimum<br />

an Mitteln gelangte sie nach einem über<br />

3000 km langen Marsch bis in das Gebiet<br />

des südlichen Malawis, wo sie – samt<br />

ihren Gepäckträgern – von einem örtlichen<br />

Prospektor photographiert wurde.<br />

Die Nachkommen des Photographen<br />

übergaben zwei bereits entwickelte Photos<br />

samt dem Bericht über die Wanderschaft<br />

des tapferen Fräuleins ins Archiv<br />

der dortigen historischen Gesellschaft,<br />

Karte der Insel São Thomé von Valentin<br />

de Moravia, 1506<br />

einreiht, bleiben für immer vom Geheimnis<br />

umhüllt, genauso wie ihr Vorname.<br />

Man werfe aber den Blick tiefer in die<br />

Vergangenheit, als die ersten Böhmen in<br />

Afrika einwanderten. In portugiesischen<br />

Diensten erkundete etwa Martin Behaim<br />

(Martinus de Bohemia) auf dem Schiff<br />

von Kapitän Diogo Cão (Diego Cao) die<br />

Küste des heutigen Kongo. Leider weiß<br />

man auch vom Leben des Kartographen<br />

und Buchdruckers Valentinus de Moravia<br />

(Valentin Fernandez de Aleman), der<br />

Anfang des 16. Jahrhunderts als hochangesehener<br />

Mann in Lissabon galt, nur<br />

weniges. Er zeichnet für die erste Sammlung<br />

der ersten Karten und Skizzen der<br />

Insel an der Westküste Afrikas.<br />

Zwei Jahrhunderte später begaben<br />

sich die ersten Böhmen nach Abessinien<br />

(heute Äthiopien). 1751-52 kam der franziskanische<br />

Missionar Remedius Prutký<br />

in Masawa (Eritrea) an. In die Geschichte<br />

ging er mit seiner ausführlichen Beschreibung<br />

des Obernil, der dortigen<br />

Denkmäler und Städte ein. Als einer der<br />

ersten Europäer besuchte er Gondar, die<br />

damalige Hauptstadt des Reiches.<br />

Einer neuen Etappe der tschechischafrikanischen<br />

Beziehungen ging die Vertreibung<br />

der Protestanten aus Böhmen<br />

nach der Schlacht am Weißen Berg voraus,<br />

nach der die böhmischen Länder für<br />

etwa drei Jahrhunderte lang vom katholischen<br />

Österreich dominiert wurden. Die<br />

Evangelischen aus Böhmen wurden in<br />

Deutschland bzw. den Niederlanden an-<br />

Fräulein Hlaváčková in Mulanje<br />

und die Originale sind bis auf den heutigen<br />

Tag erhaltengeblieben. Fräulein Hlaváčková<br />

kam leider nicht weit von dem Ort<br />

weg, wo die Aufnahme gemacht wurde.<br />

Bald wurde sie malariakrank, und verstarb<br />

auf der Missionsstation unter dem<br />

Mulanje-Berg. Ihr Los und ihr heroischer<br />

Versuch, Afrika zu durchqueren, der sie<br />

unter die angesehensten Afrikareisenden<br />

Typische „mährische“ Dörfer in Südafrika<br />

sässig. In Deutschland kamen sie nach<br />

Herrnhut, das zum Zentrum der mährischen<br />

Brüder wurde. 1737 fuhr einer von<br />

ihnen, Georg Schmidt (Jiří Šmíd), nach<br />

Kapstadt, wo er der erste Missionar unter<br />

den Einheimischen war. Er erwarb nicht<br />

nur den Ehrennamen „Apostel der Hottentotten“,<br />

sondern gründete auch die<br />

Missionsstation Baviaanskloof (heute<br />

4


Der Afrikareisende Emil Holub hielt seine Erkenntnisse in Zeichnungen fest.<br />

Genadendal), keine zweihundert Kilometer<br />

von Kapstadt entfernt. Die Legende<br />

will wissen, daß in diesem Zentrum<br />

der nach wie vor stets aktiven südafrikanischen<br />

mährischen Kirche (Moravian<br />

Church) immer noch der Pfirsichbaum<br />

steht, dessen Samen Schmidt aus seiner<br />

mährischen Heimat mitbrachte. Zum<br />

Andenken an die nicht unbeträchtliche<br />

Rolle der Mährer (Moravians) trägt der<br />

offizielle Sitz des südafrikanischen Präsidenten<br />

(Genadendal) den Namen der<br />

Mission. Auch andere Ortsnamen wie<br />

Moravian Hall und Moravian Hope erinnern<br />

an Spuren der Mährer.<br />

siedelte er sich auf Mauritius an. Er<br />

wurde Kustos eines Museums in der<br />

Landeshauptstadt St. Louis, Begründer<br />

der dortigen „gelehrten Gesellschaft“<br />

und Urheber einer systematischen Beschreibung<br />

der dortigen Flora (Zahrada<br />

mauricijská aneb Přírodovědecké vypsání<br />

rostlin na Mauriciu rostoucích /: Der<br />

Garten von Mauritius oder Naturwissenschaftliche<br />

Beschreibung der auf Mauritius<br />

wachsenden Pflanzen/, 1837).<br />

Der Allgemeinheit blieben die Forschungen<br />

dieser Missionare und Wissenschaftler<br />

verborgen. „Medienbekanntheit“<br />

erlangte hierzulande der Globe-<br />

Andere Missionare reisten von der<br />

Mitte Europas aus nach Zentralafrika.<br />

Bruder Příhoda aus Valašské Meziříčí<br />

(Wallachisch Meseritsch) und Bruder<br />

Czimmerman aus Smolnícka Huta<br />

(Schmöllnitzer Hütte, ung. Szomolnokhuta,<br />

Gespanschaft Spiš /Zips/, Ostslowakei)<br />

waren die ersten aus den böhmischen<br />

Ländern und der Slowakei, die<br />

sich im Sambesi-Einzugsgebiet niederließen.<br />

Sie verbreiteten nicht nur den<br />

christlichen Glauben, sondern erkundeten<br />

und beschrieben bis dahin unbekannte<br />

Teile Afrikas. Czimmerman verschriftlichte<br />

als erster die Mosambiksprache<br />

Nyungwe, in der er auch etliche religiöse<br />

Bücher abfaßte.<br />

Abseits des wissenschaftlichen Interesses<br />

der Böhmen blieben auch die die<br />

Inseln im Indischen Ozean nicht. In den<br />

1820er Jahren kam der gelernte Gärtner<br />

Václav Bojer dorthin. In der Folgezeit<br />

trotter und Goldgräber Čeněk Paclt,<br />

der sich in den 1870-80er Jahren, in der<br />

Zeit des sog. Diamantenfiebers, im südafrikanischen<br />

Kimberley und Umgebung<br />

betätigte. Paclts offene und realistische<br />

Briefe wurden in der damaligen tschechischen<br />

Presse vielfach veröffentlicht.<br />

So wurde die Öffentlichkeit mit einem<br />

entmythologisierten Afrikabild ohne<br />

jeglichen Anflug des Kolonialismus<br />

konfrontiert.<br />

5


Von den Reisen Enrique Stanko Vráz’ (links oben), Martin Lánys (rechts oben) und vom Afrika-Aufenthalt des Bildhauers František Vladimír Foit<br />

Während des Aufenthalts Paclts auf<br />

den Diamantfeldern arbeitete dort auch<br />

der wohl berühmteste tschechische Afrikareisende<br />

Emil Holub als Mediziner. Es<br />

waren Holubs Reiseberichte, Hunderte<br />

von Vorträgen sowie einige Ausstellungen,<br />

die für das Afrikabild im ausgehenden<br />

19. Jahrhundert maßgeblich<br />

waren. Bei seinen zwei Reisen durchquerte<br />

er ausgedehnte Gebiete der heutigen<br />

Republik Südafrika, von Botswana,<br />

Simbabwe, Sambia. Er knüpfte Freundschaft<br />

mit dem Begründer des modernen<br />

Botswana, König Khama, und den Lozi-<br />

Königen Sepopo und Lewanika an. Der<br />

unermüdliche Sammler und Wissenschaftler<br />

Holub wurde für lange Zeit<br />

zur Hauptquelle der Informationen über<br />

den Kontinent und begeisterte breite<br />

Bevölkerungskreise.<br />

Das Horn von Afrika und die Sahara<br />

bereiste damals auch Antonín Stecker<br />

Dieser verbrachte viele Monate am Hofe<br />

des dortigen Monarchen. Seine Studien<br />

konnte er nicht mehr vollständig herausbringen,<br />

aber mit seiner ersten Karte<br />

des Tana-Sees leistete er einen nicht<br />

unbedeutenden Beitrag zur Erforschung<br />

Abessiniens. Das Kongo-Einzugsgebiet<br />

wurde von 1887 an wiederum von Dipl.<br />

Ingenieur Antonín Staněk erschlossen.<br />

Er peilte es mit den Dampfern, La France<br />

und Ville de Paris, an, die er zuerst bauen<br />

und in Betrieb bringen mußte. In Westafrika<br />

exzellierte zeitgleich der weitgereiste<br />

Enrique Stanko Vráz mit seinem<br />

in den 1880er Jahren gegründeten Photo-<br />

Atelier an Ghanas Küste: Tschechiens<br />

erster Photograph in Afrika!<br />

All diese Reisenden brachten Ende des<br />

19. Jahrhunderts reiche volkskundliche<br />

Sammlungen heim, ihr Großteil macht die<br />

Bestände des Náprstek-Museums für Kulturen<br />

Asiens, Afrikas und Amerikas aus.<br />

Ein weiteres Moment für Präsenz von<br />

Afrika im allgemeinen Bewußtsein gab<br />

der Burenkrieg ab. Der Kampf der unterdrückten<br />

Buren gegen die mächtigen<br />

Briten löste Assoziationen die eigenen<br />

Emanzipationsbestrebungen innerhalb<br />

der Donaumonarchie betreffend aus. Die<br />

Presse widmete der militärischen Auseinandersetzung<br />

ungemeine Aufmerksamkeit,<br />

dank dem Einsatz des Patrioten<br />

und des ersten Vorsitzenden des Tschechischen<br />

Olympischen Komitees Jaroslav<br />

Guth-Jarkovský erschien auch die<br />

Biographie des Präsidenten von Transvaal.<br />

In Frankreich schaffte der bis dahin<br />

unbekannte Graphiker František Kupka<br />

mit antienglischen Karikaturen einen<br />

künstlerischen Durchbruch. Als kleiner<br />

Held tat sich J.V. Figulus hervor, der<br />

durch seine Aktivitäten an der Seite der<br />

Buren in die britische Gefangenschaft<br />

auf der Insel St. Helena geriet. Er war<br />

zwar nicht der einzige Tscheche im<br />

Süden des Kontinents, aber als Einziger<br />

teilte seine Erlebnisse den begeisterten<br />

Lesern hierzulande mit.<br />

Mit dem anbrechenden 20. Jahrhundert<br />

endete die Ära der Entdeckungsreisen.<br />

1911 bietet die Prager Niederlassung<br />

des Reisebüros Schenker Reisen<br />

seinen Kunden die erste, beinahe drei<br />

Monate lange Sonderfahrt in den Süden<br />

6<br />

Umschlag der ersten tschechischen Afrika-Zeitschrift


Afrikas, sogar bis zu den Viktoriafällen,<br />

deren erste genaue Karte 36 Jahre früher<br />

Emil Holub gezeichnet hatte. Der Umstand,<br />

daß die nach dem Ersten Weltkrieg<br />

proklamierte Tschechoslowakei<br />

keine Kolonialmacht war, gab Journalisten<br />

große Freiheit: sie beschreiben die<br />

Wirklichkeit unverzerrt und ungeschmälert.<br />

In Afrika war damals Václav Mussik<br />

unterwegs, ein Schreiber von Ausdauer,<br />

der Hunderte von Artikeln über<br />

Asien, den Nahen Osten und<br />

Afrika lieferte. Einen besonderen<br />

Ruf erwarb sich Pavel Šebesta<br />

(Paul Schebesta), der sich mit<br />

Pygmäenstämmen im Kongo-Einzugsgebiet<br />

und der Geschichte des<br />

Monomotapareiches befaßte. Der<br />

Bildhauer J.V. Foit hob die Museumskunde<br />

in Kenia aus der Taufe.<br />

Weil die zwischenkriegszeitliche<br />

Tschechoslowakei vom Außenhandel<br />

existenzabhängig war, richtete die Diplomatie<br />

ihr Interesse auch auf Afrika aus.<br />

Nur sieben Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung<br />

erschien der erste tschechoslowakische<br />

Diplomat in Kapstadt,<br />

um hier die erste tschechoslowakische<br />

Auslandsvertretung im subsaharischen<br />

Afrika schlechthin errichtete. Vor Ausbruch<br />

des Zweiten Weltkriegs<br />

agierten bereits Dutzende<br />

Firmenvertreter in Johannesburg<br />

und Kapstadt. In der<br />

Zwischenkriegszeit konnten<br />

Reisende beim tschechischen<br />

Metzger in Addis Abeba einkaufen,<br />

ein Haus beim tschechischen<br />

Baumeister in Freetown<br />

(Sierra Leone) bauen lassen, ein<br />

Bier aus der „tschechischen“ Brauerei<br />

in Lourenço Marques (Maputo)<br />

trinken oder auf einem Schiff mit<br />

einem slowakischen Kapitän auf dem<br />

Sambesi fahren … Als der tschechische<br />

Unternehmer Tomáš Baťa 1931 eine<br />

Niederlassung seines Schuhkonzerns in<br />

Johannesburg und in rascher Folge auch<br />

in anderen Städten Afrikas eröffnete,<br />

hörte Afrika auf, ein Synonym für Abenteuer<br />

und Gefahr zu sein. Es wurde zu<br />

einem Reiseziel und Industriestandort<br />

unter anderen. Afrikaner entdeckten wiederum<br />

dank den Baťa-Schuhen ein zentraleuropäisches<br />

Land.<br />

Jaroslav Olša jr.<br />

Photos: The Society of Malawi, Náprstek-<br />

Museum – Archiv, Archiv Verfasser<br />

Tschechoslowakisches Konsulat in Südafrika<br />

Von Jiří Hanzelkas und Miroslav Zikmunds Reisen<br />

Läden der Firma Baťa sind in ganz Afrika zu finden.<br />

7


60 Jahre literarische<br />

Begegnungen<br />

Tschechien galt und gilt als Leseland, aber<br />

der Horizont der Leselandschaft reicht weit<br />

über Böhmens, Mährens und Schlesiens<br />

Fluren und Haine hinaus. Man ist auch mit<br />

der Literatur afrikanischer Autoren vertraut.<br />

Ihre ersten Übersetzungen fallen in die Zeit,<br />

wo nur ein paar Insider wußten, daß es so<br />

etwas wie moderne afrikanische Prosa und<br />

Poesie gibt. Genau vor 60 Jahren (und nur zwei<br />

Jahre nach der Herausgabe des Originals)<br />

erschien die erste tschechische Übersetzung<br />

eines afrikanischen Autors, der Gedichtband<br />

Zpěvy stínu (Chants d’ombre) von Léopold<br />

Sédar Senghor. Der Verlag stellt ihn in die<br />

Reihe der Klassiker der Weltliteratur, neben<br />

Romain Rolland und William Saroyan. Ein<br />

Jahr später folgte die erste tschechische Übersetzung<br />

aus der anglophonen afrikanischen<br />

Literatur, der Sozialroman Zlatokop (Mine<br />

Boy) des Südafrikaners Peter Abrahams.<br />

Damals fand die afrikanische Literatur einen<br />

festen Platz in tschechischen Bibliotheken.<br />

Die erste breite Übersetzungswelle hierzulande<br />

vom Anfang der 1960er Jahre brachte<br />

Übersetzungen einiger Romane afrikanischer<br />

Klassiker wie Chinua Achebe und Cyprian<br />

Ekwensi aus Nigeria, Esękia Mphalele (Südafrika),<br />

Ferdinand Oyono und Mongo Beti<br />

aus Kamerun, Amadou Hampaté Ba aus Mali<br />

und Camara Laye aus Guinea. Das Studium<br />

der afrikanischen Literaturen wird an tschechischen<br />

Hochschulen durch das Erscheinen<br />

des ersten tschechischen und wohl auch weltweit<br />

ersten Literaturgeschichtsbuches Literatury<br />

černé Afriky (1970) – Literaturen von<br />

Schwarzafrika möglich gemacht. Einer seiner<br />

Verfasser, Vladimír Klíma, besorgte nicht nur<br />

Dutzende Übersetzungen aus anglophonen<br />

Literaturen, sondern auch die Übersetzung<br />

des sprachgewaltigen Palm-wine Drinkard<br />

(Piják palmového vína) von Amos Tutuola.<br />

Mit ebenbürtigem Einfallsreichtum vermittelt<br />

er auch eines der Schlüsselwerke der afrikanischen<br />

Literatur Aké: Léta dětství (Aké: The<br />

Years of Childhood) von Wole Soyinka. Auch<br />

Klímas Anthologie der besten afrikanischen<br />

Gedichte Černý Orfeus (Black Orpheus) war<br />

seinerzeit ein glänzendes Unterfangen.<br />

Die 1980er Jahre stehen im Zeichen des<br />

Aufbruchs der schwarzen wie weißen südafrikanischen<br />

Literatur. Die tschechische<br />

Leserschaft lernt André Brink und Nadine<br />

Gordimer kennen. Manche Werke südafrikanischer<br />

Prosaiker werden von einem der<br />

besten tschechischen Anglisten, dem späteren<br />

Politiker und Diplomaten Michael Žantovský,<br />

übersetzt. In den 1980er Jahren wurden<br />

die ersten angolanischen Werke ins<br />

Tschechische übersetzt: eine Auswahl aus der<br />

Lyrik von Agostinho Neto sowie Erzählungen<br />

von José Luandino Vieira. Der Leserschaft<br />

wurde auch das Werk des senegalesischen<br />

Regisseur und Prosaiker Ousmane<br />

Sembène präsentiert.<br />

Nach einer Abflauphase in den 1990er Jahren<br />

stieg das Interesse für die afrikanische<br />

Kultur wieder an. Es werden gelungene<br />

Werke afrikanischer Diaspora-Autoren übersetzt,<br />

ihre Übersetzer finden unter anderem<br />

Romane des Nigerianers Ben Okri und des<br />

Ivoriers Ahmadou Kourouma. Präferenzen<br />

8


der Übersetzer und Verleger visieren<br />

weniger beachtete Regionen<br />

an. So lesen tschechische Theatermacher<br />

mit Gewinn Stücke von<br />

Caya Makhélé, Koffi Kwahulé<br />

und seit diesem Jahr auch Sony<br />

Labou Tansi. Eine neue Auflage<br />

erleben sechs der zwölf besten<br />

Werke der afrikanischen Literatur<br />

(nach Ergebnissen der Zimbabwe<br />

International Book Fair 2003 zu<br />

urteilen). Als bibliophiler Druck<br />

erscheint die Lyrik von Niyi Osundare<br />

(Nigeria).<br />

Tschechische Afrikanisten befassen<br />

sich in den letzten Jahren<br />

mit Übersetzungen der ursprünglichen<br />

Literatur aus vielen Sprachen.<br />

Eine Anthologie äthiopischer Märchen<br />

(aus dem Amharischen), ein<br />

Querschnitt durch die traditionelle madagassische<br />

Poesie (aus dem Malgasischen) oder eine<br />

Anthologie der modernen ndebelischen Prosa,<br />

dies sind nur die jüngsten Beispiele. Einen<br />

Beweis liefert eine der letzten Nummern der<br />

Übersetzerzeitschrift Plav, in der Übersetzungen<br />

aus über 20 afrikanischen Sprachen vorgestellt<br />

wurden. Zum ersten Mal können<br />

tschechische Leser und Leserinnen in literarischen<br />

Texten schmökern, die ursprünglich in<br />

Shonisch, Mauritius-Kreolisch oder Bambarisch<br />

abgefaßt wurden.<br />

Während man sich hierzulande einen relativ<br />

guten Überblick über Afrikas Literaturen<br />

verschaffen kann, muß noch viel getan werden,<br />

damit eine gegenseitige Aufnahme der<br />

Literatur zustandekommt. Zahlreiche Übersetzungen<br />

der tschechischen Literatur kommen<br />

in arabischen Ländern heraus, südlich<br />

der Sahara stellen sie rare Leistungen dar, die<br />

von den tschechischen Auslandsvertretungen<br />

gefördert werden. In<br />

Schulen im demokratischen Kongo<br />

ist seit einigen Jahren ein<br />

schmales Bändchen tschechischer<br />

Märchen von Karel Jaromír Erben<br />

und Božena Němcová als Schulbuch<br />

in Gebrauch. In die Kikongo-Sprache<br />

wurden sie von einem<br />

einst in Tschechien studierenden<br />

Akademiker übersetzt und von<br />

dem berühmten kongolesischen<br />

Maler Lema Kusa illustriert. Eine<br />

ähnliche Anthologie ist auch in<br />

Schulbüchereien und Buchhandlungen<br />

in Simbabwe (in Shonisch)<br />

zu haben, einige tschechische<br />

Märchen gibt es auch in Wolof.<br />

Die moderne Literatur ist durch<br />

Zeitschriftenübersetzungen von<br />

Erzählungen, etwa von Karel Čapek<br />

in Amharisch, vertreten, in<br />

letzter Zeit wurde die Swahili-Übersetzung<br />

von Václav Havels Stück Vernisáž (Vernissage)<br />

und ein zweisprachiger Auswahlband aus<br />

der Lyrik des Nobelpreisträgers Jaroslav Seifert<br />

herausgegeben. Ins Shonische und Ndebelische<br />

wurde letzterer von den bekanntesten<br />

Simbabwer Dichtern Chirikure Chirikure<br />

und Pathisa Nyathi übertragen.<br />

Jaroslav Olša jr.<br />

Photos: Archiv Verfasser<br />

9


Afrikaner sind wir alle!<br />

Vielleicht ist man der Meinung, daß<br />

ein Land, das frei von kolonialen Bindungen<br />

aus der Vergangenheit ist und in<br />

dem bis heute Afrikaner, eher wenige an<br />

der Zahl, leben, mit afrikanischen Kulturen<br />

kaum zu tun hat. Doch das Gegenteil<br />

trifft zu. Afrikas Theater der Gegenwart<br />

zeichnet sich durch einen bestimmten<br />

Kosmopolitismus aus und die Dramatiker<br />

leben oft im „interkontinentalen<br />

Spagat“, haben mit ähnlichen Problemen<br />

zu kämpfen wie wir in Mittel- und<br />

Osteuropa. Unsere Erfahrungen mit Totalitarismen<br />

etwa decken sich in manchem<br />

mit den (post)kolonialen Erfahrungen<br />

der Afrikaner …<br />

Wurzeln<br />

Sony Labou Tansi – dem bedeutendsten<br />

kongolesischen Dramatiker war das diesjährige<br />

Festival Afrika kreativ gewidmet.<br />

Besondere Ereignisse entstehen im<br />

kleinen und verborgenen. So kam auch<br />

das mittel(ost)europaweit einmalige tschechisch-afrikanische<br />

Festival Tvůrčí Afrika<br />

aneb Všichni jsme Afričani! (Afrika<br />

kreativ oder Afrikaner sind wir alle!)<br />

zustande. Vor sechs Jahren wurde es von<br />

zwei Theatermacherinnen, der Dramaturgin<br />

Lucie Němečková und der in Prag<br />

lebenden französischen Schauspielerin<br />

und Prinzipalin des Theaters Divadlo na<br />

voru (Theater auf dem Floß) Frédérique<br />

Smetana gegründet. Den primären Impuls,<br />

ja, man könnte sagen, die Weihe,<br />

erhielt das Festival im Theater La Chapelle<br />

du Verbe Incarné, das im Rahmen<br />

des Off-Programms des namhaften Festival<br />

d’Avignon afrikanische und karibische<br />

Dramatik darbietet. Die ersten<br />

Allianzen und Partnerschaften wurden<br />

mit dem Divadelní ústav (Theaterinstitut<br />

Prag) und dem Institut Française<br />

du Prague geschlossen.<br />

Man ist vom Anfang an bestrebt,<br />

die Öffentlichkeit mit dem unentdeckten<br />

Territorium der modernen afrikanischen<br />

Theaterkultur vertraut zu machen. Tschechischen<br />

Theatermachern bietet das<br />

Festival eine überaus lebensfähige Alternative<br />

zur überwiegenden euroamerikanischen<br />

Dramatik, und bereichert Tschechiens<br />

Theatergeschehen der Gegenwart<br />

um kulturelle Aktivitäten von Afrotschechen.<br />

Das Theaterverständnis greift auf<br />

Multikulturelles über und gibt neue<br />

künstlerische Energien und Raum für<br />

Toleranz, Rassenduldung und gegenseitiges<br />

Verständnis frei. Auch in Tschechien<br />

gilt es, mit vielen Vorurteilen gegen<br />

Afrika, Afrikaner und ihre Kulturen<br />

aufzuräumen. Die Welt bedachte Afrika<br />

mit dem Etikett „Schwarzer Kontinent“,<br />

10<br />

Sony Labou Tansi mit Wole Soyinka, der Legende der nigerianischen Literatur


Caya Makhélé, französischer Dramatiker und Prosaiker kongolesischer Abstammung, kehrt immer wieder gern nach Tschechien zurück.<br />

was i.R. die Konnotation des Düsteren,<br />

Dunklen provozierte. Afrikaner mit Daueraufenthalt<br />

hierzulande, die sich mit<br />

Theater, Musik, Tanz und Kunst abgeben,<br />

sind aber ein gleichwertiges Ferment<br />

der autochthonen Kultur. Auch<br />

deshalb hat das Festival hierzulande<br />

Wurzeln geschlagen, um die bösen Folgen<br />

der vierzigjährigen Abkapselung<br />

von der Welt zu mildern.<br />

Bibliothek für das dritte Jahrtausend<br />

Die Anzahl der auf Tschechisch herausgegebenen<br />

Theatertexte afrikanischer<br />

Autoren war vor 2000 an den Fingern<br />

einer Hand abzuzählen. In das<br />

Bewußtsein der Lesegemeinde drangen<br />

bloß zwei anglophone Dramatiker, der<br />

Nigerianer Wole Soyinka und der Südafrikaner<br />

Athol Fughard, ein. Das Stadttheater<br />

in Zlín führte die Tschechowsche<br />

Paraphrase Tři sestry dvě (Drei Schwestern<br />

zwei) der afrikanischen Autorin<br />

Reza de Wet. Heute kennt man dank<br />

dem Festival mehr solcher Namen, auch<br />

wenn zum Nachzählen der Dramenwerke<br />

immer noch zwei Hände gereichen.<br />

In Zukunft werden es jedoch mehr<br />

Namen werden. Und nicht nur Namen<br />

Treffen im Französischen Institut Prag – Hommage<br />

für Sony Labou Tansi, links die Direktorin der<br />

Mediathek des Französischen Instituts, Ina Pouant,<br />

und die Festivaldirektorin Lucie Němečková<br />

Studentinnen der Romanistik an der Philosophischen<br />

Fakultät vor der Kleinausstellung zu Sony Labou<br />

Tansi, Französisches Institut Prag<br />

allein, auf dem Festival begegnet man<br />

auch den Namensträgern, man liest ihre<br />

Stücke und schaut ihnen selbst auf der<br />

Bühne zu.<br />

Beinahe dreißig Jahre nach dem<br />

Erscheinen des letzten afrikanischen<br />

Dramas auf Tschechisch veranlaßt das<br />

Festival die Herausgabe neuer Übersetzungen<br />

der Theaterstücke der Gegenwart.<br />

So entsteht eine moderne Afrika-<br />

Bibliothek, die eine Auswahl aus dem<br />

repräsentativen Repertoire des afrikanischen<br />

Dramas darstellt.<br />

Die wirklich in der Welt verstreuten<br />

Autoren bringen – im Unterschied zum<br />

etwas müden euroamerikanischen Drama<br />

– neue Energie, originelle Imagination<br />

und Impeti. „Die Begegnung mit<br />

Stücken afrikanischer Dramatiker erschloß<br />

mir eine völlig neue Dimension, die<br />

der Globalisierung den Rücken kehrt“,<br />

bekennt der Übersetzer Michal Lázňovský<br />

im Interview mit Sylvie Chalaye für<br />

die französische Zeitschrift Africultures.<br />

„Sich für Afrikas Theater zu interessieren,<br />

heißt aus der Masse auszuscheren,<br />

sich nicht vom Konsum versklaven zu<br />

lassen. Die Tschechen müssen nach<br />

solchen Sichtweisen suchen, nicht nur,<br />

weil sie durch den Sozialismus ziemlich<br />

11


Die Performance Titel Capoeira aneb z Afriky a Brazílie do Prahy (Capoeira oder Von Afrika und Brasilien nach Prag) entstand als Produktion der Vereinigung<br />

der in Tschechien lebenden Benin-Bürger (Sdružení beninských občanů v České republice).<br />

lange von der Welt abgeschottet waren.<br />

Würde man auf solche Außenansichten<br />

verzichten, könnte man anfällig für Manipulationen<br />

werden.“<br />

Die Zukunft liegt im Osten.<br />

Mit dem Bestehen der Festspiele kristallisierten<br />

sich zwischen den eingeladenen<br />

afrikanischen Autoren und unserem<br />

Land starke Freundschaftsbande<br />

heraus. Auch wenn die Autoren Tschechien<br />

zum erstenmal auf Einladung des<br />

Festivals besuchten, sorgten sie mit<br />

ihren Kenntnissen der Landeskultur für<br />

manch eine Überraschung. Nahezu alle<br />

bekannten sich zu Franz Kafka, durch<br />

dessen Schaffen sie sich beeinflußt fühlten.<br />

Im Schaffen mancher Autoren lassen<br />

sich ästhetische-ideelle Parallelen<br />

aufspüren, etwa zwischen dem frühvollendeten<br />

Sony Labou Tansi und Václav<br />

Havel. Andere holten sich in Böhmen<br />

Anregungen für neue Werke, z.B. Koffi<br />

Kwahulé oder Caya Makhélé, die das<br />

Land regelmäßig besuchen. Koffi Kwahulé<br />

etwa als Juror des Prager Quadriennale,<br />

der internationalen bühnenbildnerischen<br />

Ausstellung, veranstaltet vom<br />

Theaterinstitut Prag. Caya Makhélé kam<br />

zweimal als Gast der internationalen<br />

Buchmesse Svět knihy (Welt des Buches)<br />

Dank der Zusammenarbeit mit<br />

dem Theaterinstitut Prag kamen<br />

in der Reihe Současné hry<br />

(Spiel der Gegenwart) die folgenden<br />

Titel heraus. Viele wurden<br />

im Hörfunk Český rozhlas 3 –<br />

Vltava oder auf der Bühne der<br />

Theater Disk, Na Prádle, Na voru<br />

sowie Viola uraufgeführt.<br />

2002 – Nestyda (P’tite souillure),<br />

Koffi Kwahulé<br />

2003 – Bajka o lásce, pekle<br />

a márnici (La fable du<br />

cloître des cimetières),<br />

Caya Makhélé<br />

2004 – Maska Siky (Le masque<br />

de Sika), José Pliya<br />

2005 – Převozníkův malý bratr<br />

(Le petit frère du<br />

rameur), Procházka<br />

s anonymními sousedy<br />

(La balade des voisins<br />

anonymes), Kossi Efoui<br />

2006 – Dny se táhnou, noci taky<br />

(Les jours se traînent,<br />

les nuits aussi), Leandre<br />

Alain Baker<br />

2007 – Antoine mi prodal svůj osud<br />

(Antoine m’a vendu<br />

son destin), Sony Labou<br />

Tansi<br />

und im vorigen Jahr als Leiter eines<br />

Workshops zum kreativen Schreiben auf<br />

den Laientheaterfestspielen Jiráskův<br />

Hronov (Jirásek-Hronow) ins Land. Via<br />

Festival und afrikanische Autoren erfährt<br />

man auch mehr über die tschechische<br />

Kultur im Ausland. Die Veranstaltung<br />

findet nämlich auch Resonanz in<br />

internationalen Medien wie z.B. in den<br />

französischen Zeitschriften Africultures<br />

und Notre libraire, dem Rundfunksender<br />

RFI oder im kroatischen Internet-<br />

Magazin Teatar. Caya Makhélé behauptet<br />

sogar: „Wenn in Frankreich Veranstaltungen<br />

stattfinden, die afrikanische Autoren,<br />

Theater, Kultur und Kunst dem<br />

Publikum näherbringen, ist es von Nutzen.<br />

Aber wir Afrikaner sind mit Frankreich<br />

durch eine schmerzliche Beziehung<br />

aus der Vergangenheit verbunden.<br />

Ich sehe die Zukunft des afrikanischen<br />

Theaters eher im Osten, etwa in Tschechien.<br />

Ich denke seit meinem ersten<br />

Prag-Besuch dran.“ Mit Humor fügt er<br />

hinzu: „Ich zum Beispiel fand in Tschechien<br />

meine slawischen Wurzeln.“<br />

Afrotschechen im Aufbruch<br />

Außer Präsentationen afrikanischer<br />

Autoren setzen sich die Festspiele auch<br />

die Einführung der Afrotschechen in die<br />

12


über ihre Kultur, über die Geschichte<br />

ihrer Ethnie, auch über die Suche ihres<br />

Platzes hierzulande. Die Performance<br />

entstand als Produktion der Vereinigung<br />

der in Tschechien lebenden Benin-Bürger<br />

(Sdružení beninských občanů v Če-<br />

Scene hierzulande zum Ziel. Alljährlich<br />

stellen sich Afrotschechen mit Musik,<br />

Gesang, Tanz und in wachsenden Maß<br />

auch mit Theater und Literatur vor. Im<br />

allgemeinen herrscht die Ansicht, afrikanische<br />

Schauspieler gibt es hierzulande<br />

so gut wie keine. Doch dies ist ein Irrtum:<br />

sie sind wenige, aber sie sind da.<br />

Tschechische Theatermacher wissen mit<br />

ihnen aber nur ungenügend zu arbeiten,<br />

bei Aufführungen wird in der Regel<br />

der Nachdruck auf das Exotische gelegt.<br />

Allerdings gibt es auch Fälle, bei<br />

denen Schauspielern mit afrikanischem<br />

Hintergrund ihrer<br />

schauspielerischen Leistungen<br />

und nicht ihrer Abstammung<br />

wegen Respekt gezollt<br />

wird. Es ist nicht allein ein<br />

rein künstlerisches Problem, sondern<br />

ein soziales, eine Frage des<br />

Zusammenlebens. Im Lande lebt<br />

und arbeitet der algerische Schauspieler<br />

und tschechisch schreibende<br />

Dichter Addam Keddam oder der<br />

Schauspieler und Dramatiker Paul American<br />

mit angolanischem Hintergrund,<br />

der auch der Verfasser des ersten tschechischgeschriebenen<br />

Dramas eines afriské<br />

republice) und weckte ein ungemeines<br />

Interesse. Bringt sie doch neue Quellen<br />

der Inspiration, neue Sensibilität,<br />

rührt an tabuierte soziale und persönliche<br />

Themen und setzt sich für die Integration<br />

der Nichteuropäer in die Mehrheitsgesellschaft<br />

ein.<br />

Nach Europa über Afrika<br />

Auch wenn die Festwochen von Jahr<br />

zu Jahr expandieren und ihr gesellschaftliches<br />

wie künstlerisches Prestige<br />

wächst, bleiben sie nach sechs Jahren<br />

ihres Bestehens ein klein-großes Festival,<br />

dessen Möglichkeiten nach wie vor<br />

an die gewährten Projektgelder gebunden<br />

sind. Obwohl die bisherigen Festivalgäste<br />

in Europa leben, hegt man einen<br />

geheimen Wunsch: ein afrikanisches<br />

Ensemble oder Autoren direkt aus Afrika<br />

einzuladen. Das jährliche Programm<br />

ist respektabel, attraktiv und entdekkungsreich.<br />

Nicht nur junge Interessierte<br />

wurden in das Geschehen involviert,<br />

sondern auch die lokale afrikanische<br />

Gruppe, Angehörige von Minderheiten<br />

und Ausländer aus anderen Weltteilen.<br />

Die Bedeutung des Projekts liegt nicht<br />

Festival in Hradec Králové (Königgrätz),<br />

Studierende kaufen die neue Ausgabe eines Stückes<br />

von Sony Labou Tansi<br />

kanischen Dramenschreibers ist. Nach<br />

seinem Stück ging eine Performance mit<br />

dem Titel Capoeira aneb z Afriky a<br />

Brazílie do Prahy (Capoeira oder Von<br />

Afrika und Brasilien nach Prag) über die<br />

Bühne. Zum erstenmal in der tschechischen<br />

Kulturgeschichte erblickte eine<br />

von in Tschechien ansässigen Afrikanern<br />

geschriebene und einstudierte Performance<br />

das Licht der Welt, in der sie<br />

ihre Wurzeln und Entwurzelung thematisieren.<br />

Mit einem Lächeln, das manchmal<br />

auf den Lippen erstarrt, erzählen sie<br />

Das Foyer des Theaters Divadlo na prádle<br />

verwandelte sich während des Abschlußabends in<br />

einen kleinen afrikanischen Marktplatz.<br />

in der Länge seines Bestehens, in Besucherzahlen<br />

und Medienresonanz … Dies<br />

sind nur äußere Anzeichen für eine wirkliche<br />

Leistung, die im Abbau der weißen<br />

Flecke in Hirn und Herz besteht. Der<br />

Effekt zeigt sich nicht augenblicklich,<br />

sondern wird gleichsam im Langstrekkenlauf<br />

erzielt. Zur multikulturellen Gesellschaft<br />

Europas führen manche Wege.<br />

Unser Weg führt via Afrika!<br />

Photos: Caya Makhélé, Ladislav Mareš,<br />

Archiv Festival Tvůrčí Afrika (Afrika kreativ),<br />

Archiv Monique Blin<br />

Festival Tvůrčí Afrika (Afrika kreativ), 2003<br />

13


Kde domov můj?<br />

Wo ist meine Heimat?<br />

Mit Vergnügen besuchte ich drei<br />

hierzulande lebende Afrikaner. Sie<br />

stammen aus verschiedenen Ländern<br />

Afrikas. Nach Zentraleuropa kamen<br />

sie im Rahmen diverser Bildungsprogramme,<br />

welche die Tschechoslowakei<br />

als Hilfsprojekte für Afrika organisierte.<br />

Der Aufenthalt hierzulande<br />

nahm sie bei der Adaptierung auf das<br />

tschechische Sprachmilieu stark in<br />

Anspruch. Sie sind damit klargekommen,<br />

fanden in Tschechien eine zweite<br />

Heimat und einen Beruf, wiewohl<br />

jeder einen anderen.<br />

Johannes Alemayehu kam als Vierzehnjähriger<br />

im Rahmen eines Bildungsprogramms<br />

der äthiopischen Regierung<br />

in die Tschechoslowakei. Dafür,<br />

daß er ausgewählt wurde, gaben zwei<br />

Umstände Ausschlag: der Tod seines<br />

Vaters und gute schulische Leistungen.<br />

Wir konnten wählen, wohin wir wollen.<br />

Ich hatte die Absicht, nach Kuba zu<br />

gehen. Zum Schluß landete ich an der<br />

Fachschule für Landwirtschaft in Prag.<br />

Damals war ich für Tschechen eine exotische<br />

Gestalt, heute bin ich mindestens<br />

in Prag ein natürlicher Teil der Menge.<br />

In einer kleinen Stadt sorge ich nach wie<br />

vor für Aufsehen.<br />

Ich frage Herrn Yohannes, wie er hierzulande<br />

aufgenommen wird.<br />

Weil ich seit zwanzig Jahren hier lebe,<br />

war ich Zeuge des Systemwechsels, den<br />

ich mit den Augen eines Ausländers (und<br />

Schwarzen dazu) betrachtete. Öffnung<br />

der Grenzen und Reisefreiheit, Freizügigkeit<br />

öffneten der jungen Generation<br />

hier einen Weg nach drüben. Wenn sie<br />

wieder zurück nach hüben kommen, ist<br />

die Begegnung mit einem Schwarzen<br />

ein Natürliches, Selbstverständliches.<br />

Die Kommunikation kommt problemlos<br />

zustande. Der tschechische Vierziger<br />

besitzt einen etwas engeren Horizont,<br />

und es können Schwierigkeiten in der<br />

Kommunikation, ein Relikt des Kommunismus,<br />

auftreten. Ich sehe weniger ein<br />

Problem in den Menschen als solchen,<br />

als eher in ihren fixen Ideen. Ein Kommilitone<br />

an der Hochschule für Landwirtschaft<br />

hatte mal einen Konflikt mit<br />

einem Jungen, der sich zur Bewegung<br />

der Skinheads bekannte. Zum Schluß<br />

wurden die beiden Freunde.<br />

14


Den ersten Sprachschock bewältigte<br />

Herr Yohannes dank eines achtmonatigen<br />

Intensivtschechischkurses. Wie schätzt<br />

er die Möglichkeiten der Afrikaner ein,<br />

die heute ins Land kommen.<br />

Wenn ein Afrikaner tschechisch reden<br />

hört, sagt er bei sich, das werd’ ich nie<br />

im Leben lernen. Deshalb bevorzugt er<br />

Frankreich, England oder Deutschland.<br />

Mit der Arbeit hatte ich keine Probleme<br />

und heute bin ich mein eigner Herr (in<br />

einem Internet-Café in der Prager City).<br />

Unlängst ließ ich meinen Lebenslauf nur<br />

so einem Personalbüro zukommen, und<br />

dieses bot mir sofort zwei gute Posten<br />

an. Wer wirklich finden will, findet auch.<br />

Tschechisch ist eine Grundbedingung,<br />

aber auch Afrikaner, die Englisch oder<br />

Französisch sprechen, finden Verwendung<br />

in ausländischen Firmen.<br />

Tschechisch? Seine Ähnlichkeit mit<br />

meinem mütterlichen Amharisch besteht<br />

in seiner Bedeutungsvielfalt, Gleiches<br />

läßt sich auf verschiedene Weise sagen.<br />

Es ist eine Diplomatensprache, man<br />

kann auf eine feine Weise auch Tadelnswertes<br />

ausdrücken, ohne den anderen zu<br />

verletzen. Heute sehe ich auch die Ausrüstung,<br />

die mir mit dem Tschechischen<br />

mitgegeben wurde, ich verstehe dank<br />

dem Tschechischen auch andere slawische<br />

Sprachen, Slowakisch, Polnisch<br />

und Russisch.<br />

Herr Yohannes zeigt sich als Propagator<br />

gegenseitiger Handelsbeziehungen:<br />

Die heutigen tschechisch-äthiopischen<br />

Beziehungen würden eine Verbesserung<br />

verdienen. Die Tschechoslowakei ist in<br />

Äthiopien ein bekanntes Land. Man kennt<br />

ja tschechische Brauereien, Checos –<br />

kam in die Tschechoslowakei aufgrund<br />

eines Hochschulstipendiums. Auch wenn<br />

er heute als Kerningenieur in Diensten<br />

der Tschechischen Technischen Hochschule<br />

steht, sind seine philosophischen<br />

und geisteswissenschaftlichen Interessen<br />

unverkennbar. Auf die Frage, ob Tschechen<br />

irgendwelche irrigen Vorstellungen<br />

von Afrika haben, antwortet er:<br />

Es ist nicht auszuschließen, daß die<br />

meisten verzerrten Vorstellungen von<br />

ihrem Dasein und Kontinent die Afrikaner<br />

selber besitzen, sind sie doch prozentuell<br />

am wenigsten gebildet. Dies<br />

war einer der Gründe, warum ich in<br />

Afrika an meiner Oberschule beschloß,<br />

freiwillig zu lernen. Damals sagte ich<br />

mir, die Lage Afrikas muß mit dem Informiertsein<br />

und der Bildung der Menschen<br />

zusammenhängen, und sie bleibt<br />

so, wie sie ist, solange man in puncto<br />

Wissen und Bildung eine gewisse<br />

Schwelle nicht passiert hat.<br />

Auch dank der Vorliebe für Literatur<br />

war Herr Ibrahima von der tschechischen<br />

Kultur tangiert.<br />

Auf der tschechischen Botschaft in<br />

Dakar waren sie überrascht, als ich den<br />

zweiten Teil des Schwejk-Romans verlangte.<br />

Ich wurde gefragt, ob ich denn<br />

das Buch kenne. Als ich mich mit einer<br />

Reihe von Zitaten ausgewiesen habe, mit<br />

dem ‚Also sie ham uns den Ferdinand erschlagen‘<br />

beginnend, gaben sie sich sehr<br />

erfreut und gingen rasch, das Buch für<br />

mich zu besorgen. In dem Buch ist viel<br />

vom Menschen – Hašek belehrt auf eine<br />

spielerische Weise, dem Leser wird viel<br />

von der Weisheit zuteil, und er hat sogar<br />

Spaß dabei. Von ihrer Musik mag ich Dvořák,<br />

er war aufgeschlossen für andere Kulturen,<br />

in ihm erklingen Echos der schwarliegen<br />

zu lassen. In Äthiopien werden<br />

von neuem Brauereien, Kraftwerke und<br />

andere Investitionsgüter aufgebaut. Ich<br />

denke, die Tschechen können zurückkommen,<br />

sollten zurückkommen …<br />

Ibrahima Ndiaye (Senegal) kannte<br />

die Tschechoslowakei bereits als Kleiner,<br />

via Sport. Bereits damals schnitt er<br />

mit Kameraden Photos tschechischer<br />

Fußballer aus und ahmte diese nach. Er<br />

tschechische Waffen, große Industrieanlagen,<br />

die in Äthiopien von Tschechen<br />

gebaut worden sind. Die von Tschechen<br />

gebauten Fabriken sind bis heute in<br />

Betrieb. Ich denke, daß die Tschechen,<br />

die sich nach der Sanften Revolution von<br />

Afrika etwas abgewandt haben, zurückkehren<br />

sollten. Der übliche Handelsraum,<br />

der von Euch verlassen wurden,<br />

wird von anderen, Chinesen und westlichen<br />

Ländern, besetzt. Es ist schade,<br />

reiche aufgebaute Beziehungen brach-<br />

15


zen Musik, wohl als erster sah er im Jazz<br />

die Zukunft der Musik. Er brachte es<br />

fertig, in seine Werke andere Kulturen zu<br />

integrieren, und zeigte so die allgemeine<br />

Natur des Menschen.<br />

Aus den folgenden Worten des<br />

Herrn Ibrahima habe ich den Eindruck<br />

gewonnen, daß sein unverfälschter tschechischer<br />

Patriotismus die Tschechen<br />

selbst gleichsam beschämte.<br />

Die ganze Zeit, die ich in Ihrem Land<br />

lebe, versuche ich Sie zu verstehen. Ich<br />

habe Jungmann, Masaryk gelesen …<br />

alles habe ich zu Hause stehen und<br />

kenne es. Sie können Menschen nicht<br />

verstehen und akzeptieren, wenn Sie sie<br />

literarisch, historisch und kulturell ignorieren.<br />

Wenn Sie sie in dieser Hinsicht<br />

verstehen, werden Sie sie begreifen. Und<br />

ich habe mich überzeugt, daß die tschechische<br />

Nation von Grund auf Ideale<br />

der Humanität verteidigt.<br />

Als ich in Senegal lebte, bekam ich<br />

von tschechischen Freunden bis an die<br />

fünfzig Briefe monatlich. Die Verwandten<br />

konnten es kaum glauben: ‚Du hast<br />

die ganze Tschechische Republik gekannt?‘<br />

fragten sie mich. Trotzdem nahm ich<br />

in allernächster Nähe einem gewissen<br />

Despekt vor Ihrem Land als einem allzusehr<br />

„östlichen“ wahr. Diesen brachte<br />

ich aber schnell zum Verschwinden,<br />

etwa als mir französische Spitzenexperten<br />

gleich die Zusammenarbeit angeboten,<br />

nachdem ich ihnen mein tschechisches<br />

Diplom gezeigt hatte. Einen<br />

Cousin habe ich auf eine kuriose Weise<br />

überzeugt. Er arbeitete als Busfahrer,<br />

und ich habe ihn in der Stadt am Steuer<br />

eines Busses Marke Saviem angetroffen,<br />

den Tschechen in französischer Koproduktion<br />

herstellten. Er wollte mir nicht<br />

glauben, daß es sich um ein tschechisches<br />

Erzeugnis handelt. So habe ich<br />

begonnen, ihm während der Fahrt die<br />

tschechische Beschriftung des Instrumentenbretts<br />

zu übersetzen. Später<br />

brachte ich sogar einen senegalischen<br />

Händler nach Tschechien und besuchte<br />

mit ihm die Fabrik Avia in Prag-Letňany,<br />

wo die Busse hergestellt werden …<br />

Die Umstände der Ankunft von<br />

Frau Ndeshipanda Alisa Nangolo in der<br />

Ex-Tschechoslowakei gestalteten sich<br />

dramatisch.<br />

Als ich geboren wurde, herrschte in<br />

Namibia Krieg. Als ich noch kein Jahr<br />

alt war, flüchteten die Eltern nach Angola.<br />

Bis zu meinem siebten Lebensjahr<br />

wuchs ich ohne sie auf, in einem Kinderflüchtlingslager.<br />

1985 kam dann die<br />

tschechoslowakische Hilfe, und ich lebte<br />

mit anderen Kindern, über fünfzig an<br />

der Zahl, bis zu meinem dreizehnten<br />

Lebensjahr in der Tschechoslowakei.<br />

1990 erlangte Namibia Unabhängigkeit,<br />

und wir konnten ohne Gefahr zurückkehren.<br />

Damals bekam ich zum ersten<br />

Mal meine Eltern zu sehen und konnte<br />

mit ihnen eine herrliche Beziehung<br />

anknüpfen, die bis heute besteht. Auch<br />

wenn meine Kindheit vom Krieg gezeichnet<br />

war, so hat sie mich doch ungemein<br />

gestärkt, und ich betrachte das<br />

16


Leben anders als meine Freunde, die<br />

keinen Krieg erlebt haben.<br />

Es waren frühkindliche Erlebnisse, die<br />

in Ndeshi ein starkes, nicht zu unterdrückendes<br />

Verlangen weckten, den<br />

anderen nützlich zu sein.<br />

Ich studiere an der Südböhmischen<br />

Universität, und alle meine Arbeiten, die<br />

Jahres- wie die Diplomarbeit, befassen<br />

sich mit Straßenkindern in Namibia. Die<br />

letzte Arbeit, meine Dissertation, die ich<br />

vor mir habe, bearbeitet die Auswirkungen<br />

der AIDS-Seuche auf das Leben der<br />

Kinder und Jugend im Schwarzen Afrika.<br />

In der Hauptstadt Windhoek helfe ich mit,<br />

das Kinderzentrum Katatura Children’s<br />

Shelter in Betrieb zu erhalten. Es erfaßt<br />

50 Straßenkinder. Mit ihrem regelmäßigen<br />

Besuch gibt es aber Probleme. Sie<br />

sind nicht nur zu füttern, sondern auch zu<br />

motivieren, etwa durch handwerkliche<br />

Bildungsgänge, nach deren Abschluß sie<br />

ohne weiteres eine Arbeit aufnehmen können.<br />

Denjenigen, die studieren möchten,<br />

versuchen wir von der Regierung finanzierte<br />

Studienplätze zu besorgen. Das<br />

Zentrum wird auch von „Ersatzmüttern“<br />

bewohnt, das Projekt hegt Ambitionen,<br />

eine zweite Heimat für Kinder zu werden.<br />

Ich jobbe beim Studium als Photomodel,<br />

und komme dabei mit Menschen<br />

zusammen, die als Sponsoren helfen<br />

können. Einen Sponsor braucht man für<br />

jede Kleinigkeit, vor kurzem habe ich<br />

mit großer Freude einen Sponsor für<br />

„Federbetten“ aufgetrieben. Eine große<br />

Hilfe ist für mich die Zusammenarbeit<br />

mit dem Ex-Dekan der Südböhmischen<br />

Universität, Professor Vurm, und auch<br />

mit den Leuten von der Uni. Zur Zeit<br />

wird sogar über die Einrichtung einer<br />

Uni-Klinik in Namibia unter der Ägide<br />

der Medizinisch-Sozialwissenschaftlichen<br />

Fakultät verhandelt. Studierende<br />

könnten dort ihre Praktika ableisten.<br />

Die Straßenkinder lassen mich nicht<br />

schlafen, und ich werde keine Ruhe<br />

haben, solange ich nicht etwas für sie<br />

erreicht habe. Darin kam mir die Tschechische<br />

Republik entgegen, und sie<br />

prägte mich wesentlich. Sogar insoweit,<br />

daß ich, wenn ich in den Ferien in<br />

Namibia bin, den Eltern zum Schluß<br />

mitteile, daß ich heim, nach Tschechien,<br />

fahre …<br />

Vojtěch Przemysl<br />

Photos: Petr Moško, Archiv<br />

17


Friedensarbeit<br />

in Afrika<br />

Einen ersten Anlaß zur Aufstellung der<br />

ersten unabhängigen tschechischen und<br />

slowakischen Truppen, der tschechoslowakischen<br />

Legionen, gab der unstillbare<br />

Drang zur Gründung des eigenen unabhängigen<br />

Staates, den tschechische Ausgewanderte<br />

und Kriegsgefangene während des<br />

Ersten Weltkriegs in Internierungslagern<br />

der Alliierten in Rußland und Frankreich<br />

in sich fühlten. Ihr Wunsch war es, für die<br />

Befreiung ihres Vaterlandes zu kämpfen,<br />

und sie handelten im Geiste der Ideale von<br />

Demokratie und Humanismus. Da ihr Land<br />

bis dahin von Österreich-Ungarn unterjocht<br />

war, mußten sie dafür im Ausland kämpfen:<br />

gemeinsam mit ihren Alliierten in Frankreich,<br />

Serbien, Italien und Rußland. Tschechische<br />

Frontkämpfer, die aus Rußland via<br />

Ferner Osten heimkehrten, waren die<br />

ersten, die mit dem Kontinent Afrika in<br />

Berührung kamen, als sie Mauritius, Madagaskar,<br />

die Häfen Ostafrikas, Dschibuti und<br />

andere Orte betraten.<br />

Während des Zweiten Weltkriegs nahm<br />

eine andere Generation tschechischer Soldaten<br />

den Kampf für die Befreiung des<br />

Landes auf, die durch die nazistische Besatzungsmacht<br />

aus der Tschechoslowakei Vertriebenen.<br />

Weil viele von ihnen in der französischen<br />

und amerikanischen Armee auch<br />

in Afrika gegen die Nationalsozialisten und<br />

ihre Verbündeten kämpften, spielte sich<br />

diese militärische Auseinandersetzung wieder<br />

im Ausland ab. Viele von ihnen verloren<br />

ihr Leben bei Offensiven in Tobruk und<br />

an anderen Schauplätzen des Krieges.<br />

In Fortführung dieser Tradition beteiligten<br />

sich tschechische Soldaten wie auch tschechische<br />

Militär- und Zivilbeobachter an zahlreichen<br />

UN-Friedensmissionen in Afrika.<br />

Die seit Jahrzehnten starken Beziehungen<br />

zwischen unserem Land und Angola<br />

brachten tschechische Armeeoffiziere in den<br />

18


UN-Friedensmissionen UNAVEM I<br />

und II dieses Land. Der Auftrag<br />

bestand von 1988 an in der<br />

Beaufsichtigung des Transfers<br />

der kubanischen Truppenteile<br />

aus Südangola in den Norden.<br />

Die vieljährige Unterstützung<br />

der South-West African People’s<br />

Organization (SWAPO) zeigte<br />

sich ein Jahr später beim Entsatz<br />

einer neuen Gruppe von tschechischen<br />

und slowakischen Militärs<br />

in die United Nations Transition<br />

Assistance Group (UNTAG)<br />

mit dem Mandat, Namibias Selbständigkeit<br />

zu gewährleisten und<br />

die Vorbereitung und Durchführung<br />

der ersten demokratischen<br />

Wahlen zu beaufsichtigen.<br />

Beteiligung tschechischer Militärs und<br />

Beobachter an UN-Missionen in Afrika<br />

1988-1991 Angola UNAVEM I<br />

1991-1992 Angola UNAVEM II<br />

1989-1990 Namibia UNTAG<br />

1992-1993 Somalia UNOSOM I<br />

1992-1997 Liberia UNOMIL<br />

1992-1994 Mosambik ONUMOZ<br />

1998-1999 Sierra Leone UNOMSIL<br />

1999- Kongo (Kinshasa) MONUC<br />

2000- Äthiopien/Eritrea UNMEE<br />

2003- Liberia UNMIL<br />

Eine zwanzigköpfige Beobachtergruppe<br />

wurde auch nach<br />

Mosambik, einem anderen Land<br />

mit langjährigen bestehenden<br />

Bindungen zu Tschechien, entsandt,<br />

wo sie sich an der Operation<br />

des Nations Unies au Mozambique<br />

(ONUMOZ) beteiligte.<br />

1993 wurde eine tschechische<br />

Beobachtergruppe von fünfzehn<br />

Mann (die einzige aus Europa)<br />

nach Liberia entsandt, um über<br />

die Einhaltung des Waffenstillstandes<br />

zwischen den kriegführenden<br />

Fraktionen zu wachen.<br />

Weil mit der Beobachtermission<br />

United Nations Observer Mission<br />

in Liberia (UNOMIL) auch<br />

humanitäre Hilfsaufträge verbunden<br />

waren, machten sich die<br />

tschechischen Beobachter bei<br />

der Hilfe an die betroffenen Bevölkerungsteile<br />

besonders stark,<br />

genauso wie bei dem darauffolgenden<br />

Einsatz im Rahmen der<br />

Beobachtermission UNOMSIL in<br />

dem benachbarten Sierra Leone.<br />

Auch wenn die größte Zahl<br />

der tschechischen Militärbeobachter<br />

und anderen Angehörigen<br />

der Streitkräfte in UN-, NATOund<br />

EU-Missionen in Ex-Jugoslawien,<br />

Irak und Afghanistan<br />

involviert sind, wird der Weltteil<br />

Afrika nicht vernachlässigt. Etliche<br />

tschechische Militärexperten<br />

betätigen sich bei den zur<br />

Zeit laufenden UN-Operationen<br />

in der Demokratischen Republik<br />

Kongo (MONUC), an der Grenze<br />

zwischen Äthiopien und Eritrea<br />

(UNMEE) sowie in Liberia<br />

(UNMIL).<br />

Redaktion<br />

Photos: Jan Šibík,<br />

Archiv Verfasser<br />

19


Jablonex – von Marokko bis nach Südafrika<br />

In die 1870-80er Jahre fällt ein Gipfelpunkt in der Lebensgeschichte des wohl ersten<br />

Händlers aus den böhmischen Ländern in Schwarzafrika: des Deutschen Albert<br />

Sachse, Herstellers und Exporteurs von Glasbijouterie aus Jablonec nad Nisou<br />

(Gablonz an der Neiße). Sachsens Unternehmen schaffte den Durchbruch auf Westund<br />

Südafrikas Märkten, die Außenmitarbeiter brachten Muster und Ideen aus<br />

dem Ausland mit, nach diesen wurde in der Fabrik gearbeitet und die Erzeugnisse<br />

wieder in Afrika abgesetzt. Durch Sachsens Verdienst kam eine wertvolle Sammlung<br />

von Kunstgegenständen nach Jablonec (Gablonz), hinterlassen hat er auch das erste<br />

Englisch-Yoruba-Wörterbuch.<br />

Die Exporte der Gablonzer Waren (Perlen, Kunstperlen, Halsschmuck, Armbänder<br />

und Ohrringe) nach Afrika reichen bis in die Zeit, da die ersten Reisenden den Eingeborenen<br />

Glasperlen als gefragtes Zahlungsmittel brachten. Seit Generationen verwenden<br />

Afrikanerinnen die kleinen Gegenstände, um sich schön zu machen. (Afrikaner<br />

stehen ihnen in nichts nach, ja sie übertreffen sogar die holde Weiblichkeit.)<br />

Glasperlen erhielten mit der Zeit in manchen Regionen auch eine sozial-kommunikative<br />

Funktion: Die Farbe der am Hals getragenen Perlen zeigte den sozialen Status,<br />

Familienstand bzw. etwaige Heiratswünsche an. Das Übersenden von Perlen und<br />

Erzeugnisse bestimmter Farben an das andere Geschlecht wurde als Liebesbotschaft<br />

verstanden. In Erzählungen erfahrener Reisender aus dem Gablonzischen hörte man,<br />

wie sich die afrikanischen Händler über Engpässe bei der Lieferung von rosa Perlen<br />

beschwerten, die stockende Partnerkontaktaufnahmen zur Folge hatten.<br />

Böhmische Perlen sind von Marokko bis zur Republik Südafrika immer noch in Verwendung.<br />

Bereits seit fünfzig Jahren ist der alleinige einheimische Exporteur die<br />

Firma Jablonex. Jedes Jahr werden Hunderte Tonnen von Perlen aus der Gegend in<br />

alle Orte Afrikas verbracht. Mit Holzkisten hantiert man zwar nicht mehr, dafür aber<br />

mit Kartons und Containern, und die Händler reisen nicht mehr monatelang durch die<br />

Lande, um Aufträge in langwieriger Kleinarbeit zusammenzubekommen, sondern<br />

erhalten diese prompt per E-Mail zugesandt. Tempora mutantur, die Zeiten ändern<br />

sich, aber Schick möchte man in Afrika nach wie vor haben!<br />

Photos: Archiv Gesellschaft Jablonex<br />

21


Hilfe für Afrika<br />

Afrika und Armut. Afrika und Wirtschaftswachstum.<br />

Beide Begriffspaare<br />

sind adäquat und stehen nicht im Widerspruch.<br />

Auf dem Schwarzen Kontinent<br />

liegt der Großteil der sog. Least<br />

Developed Countries (LLDC), ein Teil<br />

der Länder erholt sich von Waffenunruhen.<br />

Der HI-Virus traf die Länder<br />

südlich der Sahara am schlimmsten.<br />

Auf der anderen Seite verzeichnen die<br />

meisten Afrikaländer ein Wirtschaftswachstum.<br />

Es handelt sich vor allem<br />

um Staaten, reich an Erdöllagern oder<br />

Bodenschätzen, aber auch die Wirtschaft<br />

in den anderen Ländern erlebt<br />

im Schnitt einen Aufschwung. Positiv<br />

erscheint, daß diese Entwicklung nicht<br />

nur das BIP, sondern auch den Lebensstandard<br />

der Bevölkerungen erfaßt.<br />

Um die die Armut breiter Bevölkerungsteile<br />

zu minimieren, verabschiedete<br />

die internationale Staatengemeinschaft<br />

8 exakt meßbare Kriterien Millennium<br />

Development Goals. Die UN-<br />

Zielsetzungen decken etwa die Bekämpfung<br />

von Hungersnöten, Reduzierung<br />

der Säuglingssterbeziffer und Zugang<br />

zur elementaren Bildung ab. Als Erfüllungstermin<br />

wurde das Jahr 2015 festgeschrieben.<br />

Hinsichtlich mancher Zielsetzungen<br />

werden Fortschritte gemacht,<br />

die bisherigen Verbesserungen<br />

lassen allerdings den Termin nicht als<br />

realistisch erscheinen. Eine effektive<br />

Armutsbekämpfung erfordert Bereitschaft<br />

und Sensibilität des globalisierten<br />

Nordens. Es sei also noch ein<br />

drittes Begriffspaar hinzugefügt: Afrika<br />

und Entwicklungshilfe. Um dieses<br />

Wirklichkeit werden zu lassen, hilft<br />

in den letzten Jahren auch Tschechien<br />

in steigendem Maße mit.<br />

Tschechien war in puncto Auslandsentwicklungshilfe<br />

bis vor kurzem<br />

im Vergleich mit anderen EU-Ländern<br />

in Rückstand, holt jetzt aber kräftig auf.<br />

Das Volumen an Ressourcen für die Entwicklungshilfe<br />

verdreifachte sich im<br />

Zeitraum 2001-2005, vorgesehen ist eine<br />

22


Aufstockung desselben, um gemeinschaftliche<br />

Verbindlichkeiten der Europäischen<br />

Union mitzuerfüllen.<br />

Die von der tschechischen Regierung<br />

mitgeschriebene Entwicklung verfolgt<br />

langfristige Vorhaben der EU, die 2005<br />

die „Strategie für Afrika“ vereinbarte. Das<br />

Paper akzentuiert das Prinzip der Guten<br />

Regierungsführung und Sicherheit<br />

als Garantie für Entwicklung, Unterstützung<br />

von Handel und Regionalintegration.<br />

Im Rahmen der Planungsarbeiten<br />

für Entwicklungshilfe in den Jahren<br />

2006-2010 wurden vom Kabinett prioritäre<br />

Entwicklungshilfeempfänger bestimmt:<br />

Angola und Sambia.<br />

Angola wurde aufgrund der Kombination<br />

von hohem Interventionsbedarf<br />

und außerordentlich starker Tradition<br />

der Zusammenarbeit mit Tschechien<br />

(Tschechoslowakei) ausgewählt.<br />

Dieses Land im südwestlichen Teil des<br />

Kontinents zählt zu den Least Developed<br />

Countries (LLDC), 60% der Wirtschaftsproduktion<br />

stellt die Erdölgewinnung<br />

dar, ein Sektor, der sich<br />

bei der Armutsbekämpfung nur in beschränktem<br />

Maße betätigt. Angola<br />

kommt nach dem dreißigjährigen<br />

Krieg, einem Konfliktfall zwischen der<br />

Regierung und der aufständischen<br />

Bewegung UNITA, allmählich wieder<br />

auf die Beine. Die tschechische Entwicklungshilfe<br />

konzentriert sich in<br />

Angola auf den Ausbau der Bildung<br />

und Landwirtschaft. Im Rahmen des<br />

Bildungsprogramms werden Grund-,<br />

Haupt- und Oberschulen für Landwirtschaft<br />

gefördert. Um dieses Ziel zu<br />

erreichen, wurde das in dieser Zeitschrift<br />

an anderer Stelle präsentierte<br />

Projekt der Tschechischen Landwirtschaftsuniversität<br />

erarbeitet.<br />

Auch die Ausgangslage von Sambia<br />

gestaltete sich ähnlich: ein hoher Hilfsbedarf<br />

und traditionelle Beziehungen<br />

zur Tschechoslowakei. Rd. 58% der Bevölkerung<br />

leben in extremer Armut. Die<br />

Entwicklung des Landes wird durch die<br />

AIDS-Seuche beträchtlich gebremst:<br />

cca. ein Fünftel der Bevölkerung im<br />

Erwerbsalter ist angesteckt. Als Schwerpunkt<br />

für die Entwicklungshilfe in Sambia<br />

wurde das Gesundheitswesen ausgewählt.<br />

Gefördert werden hauptsächlich<br />

Projekte im Bereich Pflege von Mutter<br />

und Kind in ländlichen Regionen.<br />

Sambias Bevölkerung leidet an<br />

hoher Mütter- und Säuglingssterblichkeit.<br />

Eine andere Zielsetzung heißt höhere<br />

Qualität chirurgischer Eingriffe in<br />

Provinzkrankenhäusern.<br />

Die Entwicklungsarbeit beschränkt<br />

sich aber nicht auf die zwei vorrangigen<br />

Zielländer. Mit Fördermitteln<br />

macht sich Tschechien auch in Äthiopien,<br />

Kenia, Malawi, Namibia, Senegal<br />

und anderswo stark.<br />

Milan Konrád<br />

Entwicklungscenter<br />

www.rozvojovestredisko.cz<br />

Photos: Entwicklungszentrum<br />

23


Bereits zum viertenmal Jahr öffnete<br />

sich im Februar die Tür der Oberschule<br />

für Landwirtschaft in Kuito, die im Rahmen<br />

der tschechisch-angolanischen Zusammenarbeit<br />

gegründet wurde. Dieses<br />

Jahr sollen sich die ersten angolanischen<br />

Schüler und Schülerinnen der<br />

Reifeprüfung unterziehen. Danach treten<br />

die Absolventen Posten als qualifizierte<br />

Landwirte bei Regierungs- und<br />

Nichtregierungsorganisationen an oder<br />

sie werden sich bei der Erneuerung der<br />

angolanischen Landwirtschaft im Privatsektor<br />

beteiligen. Nach Jahrzehnten<br />

des Bürgerkrieges wird wieder an abgebrochene<br />

Traditionen der landwirtschaftlichen<br />

Bildung und deren Weitergabe<br />

gedacht.<br />

ANGOLA<br />

Landwirtschaftsschule<br />

Der Unterrichtsbetrieb wird von<br />

fünf tschechischen und zehn angolanischen<br />

Lehrkräften sichergestellt. Das<br />

Projekt mit dem offiziellen Namen Zentrum<br />

für landwirtschaftliche Ausbildung<br />

in der Provinz Bié (Centrum zemědělského<br />

vzdělávání v provincii Bié) offeriert<br />

auch außerschulische Bildungsgänge<br />

für Interessierte. Zur Verfügung<br />

stehen Computerraum mit Internetanschluß<br />

und diversen Datenbanken,<br />

Fachbibliothek, agrochemisches Labor,<br />

Schulgeflügelhof und Farm.<br />

Tschechischerseits wird seit 2003 das<br />

Projekt finanziell vom Bildungsministerium<br />

und vom Institut für Tropen<br />

und Subtropen der Böhmischen Landwirtschaftsuniversität<br />

getragen. Die<br />

Trägerschaft ist bis 2008 zugesagt, wo<br />

sie in Angolas Hände übergeht. Die<br />

Regierung der Provinz Bié, der angolanische<br />

Projektpartner, besoldet das<br />

einheimische Personal, den Lehrkörper<br />

und das sonstige Beschäftigte, stellt<br />

Räumlichkeiten und logistische Unterstützung<br />

sicher.<br />

Jiří Hejkrlík<br />

Photos: Tschechische Landwirtschaftsuniversität<br />

24


Im Nationalpark Niokolo Koba in Senegal<br />

befindet sich zur Zeit das wohl weltweit<br />

einzige Habitat der Unterart der Westlichen<br />

Riesen-Elenantilope (Tragelaphus derbianus<br />

derbianus). Die im Mai 2006 erfolgte<br />

Tierzählung zeigte, daß das majestätische<br />

Tier (Männchen erreichen ein Gewicht von<br />

bis zu 1000 kg) vom Aussterben bedroht ist.<br />

Die Bestände zählen nur 150-200 Exemplare,<br />

und angesichts des permanenten Drucks<br />

der eingesessenen Bevölkerung (Viehweide<br />

und Jagd) und der damit zusammenhängenden<br />

Abwertung des Ökosystems bleibt die<br />

Zukunft für die größte Antilope unsicher.<br />

Die kritische Lage führte zur Verabschiedung<br />

eines Rettungsprogramms zu Schutz<br />

und Aufzucht der Antilope in Senegal, dem<br />

sich auch Tschechien anschloß. Am Programm<br />

arbeiten das Institut für Tropen und Subtropen<br />

der Böhmischen Landwirtschaftsuniversität<br />

mit der Gesellschaft für Tier- und Umweltschutz<br />

und mit der Direktion der Nationalparks<br />

Senegals ebendort zusammen.<br />

Das Projekt wurde 2000 mit dem Abfang<br />

von 6 Exemplaren im Nationalpark<br />

SENEGAL<br />

rare Antilope gerettet<br />

Niokolo Koba gestartet. Die Herde wurde<br />

in ein spezielles Gehege im Reservat Bandia<br />

verbracht. So wurde die erste Zucht<br />

dieser Antilope zu ihrem Erhalt angelegt.<br />

2002 wurden die ersten zwei Jungen<br />

in Gefangenschaft geboren, mittlerweile<br />

sind es 43 Exemplare geworden. In den<br />

Jahren 2000-2002 wurde das Projekt aus<br />

Mitteln der tschechischen Entwicklungshilfe<br />

mitfinanziert.<br />

Das Programm basiert auf dem strategischen<br />

Plan zur Bildung einiger Zuchtgruppen in Gefangenschaft<br />

und zur Sicherstellung einer genügenden<br />

Anzahl, mit dem Ziel der Wiedereinführung<br />

in das ursprüngliche Ökosystem des<br />

Nationalparks Niokolo Koba. 2003 wurde im<br />

Reservat Fathala (Nationalpark Delta du Saloum)<br />

ein spezielles Gehege für Zucht und Fortpflanzung<br />

der Antilope angelegt. Es wurden<br />

dort 9 Männchen antransportiert. Eine zweite<br />

Zuchtgruppe wurde 2006 in dem neu eingerichteten<br />

Gehege im Reservat Bandia gebildet.<br />

Tschechische Experten beteiligen sich bei<br />

der Rettungszucht aktiv in der Forschung<br />

und auch bei der praktischen Durchführung,<br />

verfolgen ununterbrochen die Fortpflanzung<br />

und die Verwandtschaftsverhältnisse in der<br />

Herde, was für die möglichst weiteste genetische<br />

Variabilität unerläßlich ist. Die Aufgabe<br />

der tschechischen Spezialisten ist es, die<br />

beste Strategie für Fortpflanzung und Erhalt<br />

dieser bedrohten Tierart zu entwickeln.<br />

Markéta Antonínová, Pavla Hejcmanová,<br />

Kateřina Tomášová, Petr H. Verner<br />

Photos: Tschechische Landwirtschaftsuniversität<br />

25


KONGO UND SA<strong>MB</strong>IA<br />

Fernpatenschaft im Aufschwung<br />

2006 dehnte die Caritas der Erzdiözese Prag<br />

ihr Projekt der Fernpatenschaft (Adopce na<br />

dálku ® ) auf Sambia und die Demokratische<br />

Republik Kongo aus. Man konnte dabei auf<br />

vieljährige Erfahrungen in Indien und Uganda<br />

zurückgreifen. Das Projekt ermöglicht, den<br />

Kindern die Schulbildung in ihrem natürlichen<br />

Kulturmilieu zu erwerben und die Ortsgemeinschaften<br />

durch Anschlußprojekte zu fördern.<br />

Von Vorteil sind Adressatenbezogenheit, hohe<br />

Effektivität, Transparenz und dauerhafte Ergebnisse<br />

der Entwicklungszusammenarbeit.<br />

In Sambia wurde armen Kindern aus der Nordregion<br />

Hilfe geleistet. Dank einzelnen Spendern<br />

und der Botschaft wird die Ausbildung<br />

von 160 Kinder an der Schule St. Charles in<br />

Solwezi bezuschußt. Bereits seit einem Jahr<br />

agiert der Tscheche Aleš Vacek in Solwezi. Er<br />

beaufsichtigt die Projektfinanzierung, organisiert<br />

Aufklärungstreffen für Kinder und gibt<br />

Wahlstunden in Kunsterziehung und Englisch.<br />

In der Demokratischen Republik Kongo<br />

knüpfte das Projekt an Aktivitäten der Organisation<br />

Chemin-Neuf an, die Straßenkinder<br />

betreut und eine Grundschule in der Hauptstadt<br />

Kinshasa betreibt. Das Ziel der örtlichen<br />

Organisation besteht darin, Straßenkinder –<br />

soweit möglich und ratsam – wieder in ihre<br />

Familien zurückzuführen oder eine neue für<br />

sie zu finden. Sozialmitarbeiter des Straßenkinderzentren<br />

sind bestrebt, den Kindern psychologische<br />

Hilfe angedeihen zu lassen und<br />

nach der familiären Wiedereingliederung eine<br />

geeignete Schule für sie ausfindig zu machen,<br />

denn der Schulbesuch ist der springende Punkt<br />

des ganzen Prozesses.<br />

Spender aus der Tschechischen Republik<br />

helfen finanziell mit, 46 Familien den Schulbesuch<br />

für ihre heimgekehrten Straßenkinder<br />

sicherzustellen. Das Projekt wird auch auf<br />

bedürftige Kinder aus dem Armenviertel<br />

Makala in Kinshasa ausgedehnt, in dem gegenwärtig<br />

Schulbesuch und medizinische Versorgung<br />

für 110 Kinder finanziert werden.<br />

Der glückliche Freitag, der dreizehnte<br />

des Monats, in Solwezi<br />

Es war Freitag, der dreizehnte, und in Solwezi<br />

fand der Sporttag für Kinder der Grundschule<br />

St. Charles Academy statt. Für die dortigen<br />

Kinder war es der erste große Tag, der<br />

für sie veranstaltet wurde. Der Wettbewerb<br />

begann kurz nach neun, aber die Kinder<br />

kamen bereits um halb acht in die Schule, was<br />

in Afrika gewiß nicht Sitte ist.<br />

Von Anfang an schien die sechste Klasse<br />

Favorit des Fußballturniers zu sein, aber<br />

diese verlor überraschenderweise in der Finalrunde<br />

gegen die vierte Klasse. Über den Sieger<br />

mußte das Penaltyschießen entscheiden. Zum<br />

Schluß gewann doch die Mannschaft der<br />

sechsten Klasse. Der Lehrer Kalukoma, der<br />

Hauptschiedsrichter, sagte nach dem Turnier:<br />

„Die Jungs aller Mannschaften spielten mit<br />

Einsatz, obwohl große Hitze herrschte. Es<br />

wurde ein guter Fußball, korrekt und ohne<br />

Fouls gespielt.“<br />

Das Korbballturnier der Mädchen erinnerte<br />

vielmehr an ein Rugbymatch. Auch zeichnete<br />

es sich durch dramatische Szenen aus,<br />

während des Spiels der vierten und sechsten<br />

Klasse kam es sogar zu verbalen und später<br />

physischen Auseinandersetzungen, und das<br />

Spiel mußte unterbrochen werden. Nach einer<br />

Verschnaufpause wurde es fortgesetzt. Auch<br />

hier siegte das Team der sechsten Klasse. Die<br />

jüngsten Kinder kämpften beim Stapellauf<br />

(Langstrecke, Kurzstrecke). Besondere Kampflust<br />

herrschte beim Sackhüpfen.<br />

Die Wettspiele wurden mit einem ausgezeichneten<br />

Mittagessen gekrönt. Gereicht<br />

wurden Huhn mit Reis, Sauce und Gemüse.<br />

Auch gekühlte Limo war von dem Festessen<br />

nicht wegzudenken. An heimatliche Leibgerichte<br />

dachte wohl kaum jemand.<br />

Es folgte die Preis- und Diplomübergabe,<br />

manche Preise schmeckten süß. Es gab aber<br />

auch Trostpreise für alle Teilnehmer wie Fans.<br />

Auch wenn in Afrika Aberglaube und allerhand<br />

Zaubereien florieren, der Freitag, der<br />

dreizehnte des Monats zauberte nur Lächeln<br />

auf den Kindergesichtern hervor.<br />

Daniela Gorylová<br />

Photos: Adopce na dálku ® (Fernpatenschaft)<br />

26


ČLOVĚK V TÍSNI<br />

in Äthiopien<br />

Die laufenden und geplanten Projekte<br />

der Gesellschaft Člověk v tísni<br />

(Mensch in Not) umfassen Bildungsprogramme<br />

im weitestgehenden Sinne.<br />

Dies mag etwa am Beispiel einer<br />

254 m tiefen Wasserbohrung mit<br />

einem ausgedehnten Verteilungssystem<br />

für 4 Landsprengel mit cca.<br />

12tsd. Bewohnern verdeutlicht werden:<br />

Außer der nötigen Wasserversorgung<br />

bekommen Mädchen vor Ort<br />

die Möglichkeit, die Schule zu besuchen,<br />

anstatt täglich selber aus einer<br />

Entfernung von einigen Kilometern<br />

Wasser heranschleppen zu müssen.<br />

Die Projekte werden aus Mitteln<br />

der tschechischen Auslandsentwicklungskooperation<br />

finanziert. Der Begriff<br />

Kooperation kennzeichnet die<br />

Aktivitäten in Äthiopien wohl besser<br />

als der geläufige Ausdruck Auslandsentwicklungshilfe.<br />

Die Oberschule Awassa Boarding<br />

School mit Internat wurde aus<br />

Finanzmitteln des tschechischen Bildungsministeriums<br />

in den Jahren<br />

2004-2005 am Rande der 140tausendköpfigen<br />

Stadt Awassa errichtet. Die<br />

Schule wird von Schülern besucht,<br />

deren Eltern an AIDS gestorben sind.<br />

Durch das Projekt soll erzielt werden,<br />

dass sie gleiche Chancen wie andere<br />

Kinder erhalten und die Schule nicht<br />

abbrechen müssen, um zum Lebensunterhalt<br />

von Geschwistern und Großeltern<br />

beizutragen, so daß die 160<br />

Schüler und Schülerinnen können<br />

neben dem Schulunterricht auch Tischler,<br />

Schmied, Schneider, Koch und<br />

Kellner (in der Schulküche) lernen.<br />

Nach einem landesweiten Vergleichstest<br />

in der 10. Klassenstufe kann man<br />

eine qualifizierte Arbeit erwerben<br />

oder den Schulbesuch fortsetzen.<br />

Moderne Methoden in das äthiopische<br />

Bildungswesen zu integrieren,<br />

ist Ziel eines anderen vom tschechischen<br />

Bildungsministerium getragenen<br />

Projekts. Im Januar 2006<br />

wurde das Zentrum für moderne<br />

Unterrichtsmethoden beim Awasser<br />

Pädagogischen Institut eröffnet. Die<br />

Methodik wurde von tschechischen<br />

Bildungsexperten entwickelt, deren<br />

Aufgabe darin bestand, ein Handbuch<br />

für äthiopische Ausbilder und Lehrkräfte<br />

auszuarbeiten. Lektoren führten<br />

gesondert Kurse für Grund- und<br />

Hauptschullehrende und Kurse für<br />

Ausbilder (gegenwärtig 4 Personen)<br />

durch. Das erste Semester schlossen<br />

236 Lehrkräfte von den 260 angemeldeten<br />

erfolgreich ab. Das Projekt leitete<br />

eine enge Zusammenarbeit mit<br />

der Addis Ababa University ein.<br />

„Wir wollen eine Schule in Afrika<br />

bauen“, ist wieder ein Gemeinschaftsprojekt<br />

von Člověk v tísni und<br />

Junák – svaz skautů a skautek (Junák<br />

– Pfandfinder- und Pfadfinderinnenverband).<br />

Es wurde 2004 gestartet.<br />

Alljährlich wird im Oktober eine<br />

öffentliche Schulbau-Spendenaktion<br />

in den Straßen tschechischer Städte<br />

veranstaltet. Die Sammlung informiert<br />

die Öffentlichkeit über Problemfelder<br />

Entwicklungsländer betreffend und<br />

eine effektive Zusammenarbeit. Die<br />

Aufmerksamkeit soll auch durch konkrete<br />

Fragen geweckt werden. Etwa:<br />

Wußten Sie, wie viele Kinder in<br />

Äthiopien zur Schule gehen? Was<br />

kostet ein Ziegelstein in Äthiopien?<br />

2005 wurde die Grund- und Hauptschule<br />

für 160 Kinder in Asore<br />

(Landkreis Alaba) eröffnet. Im darauffolgenden<br />

Jahr wurden zwei neue<br />

Schulen, die eine in Lante in der ländlichen<br />

Region bei Arba Minch, die<br />

andere bei Yirga Cheffe gegründet.<br />

Jede von ihnen nimmt 200 Kinder<br />

auf. Gegenwärtig werden zwei Schulen<br />

im Landkreis Boricha und im<br />

Landkreis Alaba, jede von ihnen<br />

ebenfalls für 200 Kinder gebaut.<br />

Jiří Plecitý<br />

Leiter der Mission Člověk v tísni<br />

September 2004 – Oktober 2006<br />

Photos: Člověk v tísni<br />

27


Computerkurse in Kenia<br />

Die Idee der Computerkurse als Entwicklungshilfe<br />

ist beim UN-Weltgipfel<br />

zur Informationsgesellschaft (2003)<br />

aufgekommen. Zum allerersten Mal befaßte<br />

sich damals ein ähnliches Forum<br />

global mit Fragen der Zugänglichkeit<br />

von Informationen und Informationstechnologien<br />

und auch mit der<br />

Kluft, die den Stand der Computeralphabetisierung<br />

im reichen Norden<br />

und dem armen Süden kennzeichnet.<br />

Die UN-Mitgliedsländer wurden aufgefordert,<br />

dem Ungleichgewicht wirksam<br />

zu begegnen.<br />

Von seiten Tschechiens wurde eine<br />

Summe in Höhe von 1 Mio. Tschechischen<br />

Kronen zum entsprechenden<br />

Gipfel-Fonds beigesteuert. Danach wurde<br />

im Informatikministerium und im Außenamt<br />

der Beschluß gefaßt, die Gelder<br />

an ein konkretes Projekt zu binden. Im<br />

Informatikministerium wurde das Projekt,<br />

in Zusammenarbeit mit der Botschaft<br />

der Tschechischen Republik in<br />

Kenia, vorbereitet, und unter der Schirmherrschaft<br />

einer der Sonderorganisationen<br />

der UNO, der Internationalen Telekommunikationsunion<br />

(ITU) wurden<br />

im Januar 2005 Lektoren an die erste<br />

ausgewählte Schule, Uthiru Secondary<br />

Girl School am Stadtrand von Nairobi,<br />

entsandt, die von Kindern aus mittellosen<br />

Familien besucht wird.<br />

Die Lektoren gaben ihr Wissen an<br />

18 Lehrer und über 40 Schülerinnen<br />

weiter. Die meisten von ihnen hatten<br />

mit den EDV-Einrichtungen bis dahin<br />

kaum Erfahrungen gemacht. Die Schule<br />

wurde auch mit Computern bestückt.<br />

So konnte auch ein Computerunterrichtsraum<br />

eingerichtet werden. Der<br />

Schulleiterin zufolge verhelfe der Kurs<br />

der Bildungsstätte zu künftigen Entwicklungsmöglichkeiten:<br />

„Der Umstand,<br />

daß auch Computerkurse in die<br />

Lehrpläne Eingang fanden und daß<br />

die Schule einen hauseigenen Computerraum<br />

einrichten konnte, verhalf<br />

ihr zum Prestige und erhöhte ihre<br />

Chancen, neue Spenden zu akquirieren,<br />

aus denen wir den Schulbetrieb finanzieren<br />

können.“ Der Lehrgang erntete<br />

einen großen Erfolg nicht nur bei<br />

der Schülerschaft und der Lokalpresse,<br />

sondern auch bei der Internationalen<br />

Telekommunikationsunion. Tschechien<br />

konnte weitere Partner finden, die die<br />

Fortsetzung des Kurses zu finanzieren<br />

beabsichtigen.<br />

28


2005 wurden in Nairobi ein neuer<br />

Lehrgang, die Fortsetzung des Januarkurses<br />

an derselben Schule, und eine<br />

Schulung für 60 Schülerinnen von der<br />

St. Martin Girl School, abgehalten. Für<br />

die Organisation zeichnete das tschechische<br />

Informatikministerium, getragen<br />

wurde der Kurs vom niederländischen<br />

Wirtschaftsministerium. Im Oktober<br />

2006 erfolgte eine gesonderte<br />

Schulung an einer anderen Oberschule<br />

in Nairobi, Stephjoy Girls’ School. Das<br />

fünfte Projekt des Informatikministeriums<br />

wurde – wieder in Zusammenarbeit<br />

mit den Niederländern – im<br />

Dezember 2006 an der St. Martin Secondary<br />

Girl School in Nairobi durchgeführt,<br />

wobei die Organisatoren die<br />

Alphabetisierungsarbeit der Schulleitung<br />

und den Einsatz der gespendeten<br />

Computer vor Ort überprüfen konnten.<br />

Man stellte fest, dass die Schule eine<br />

Spendenaktion ausgerufen hatte, und<br />

jetzt mit den auf diese Weise erworbenen<br />

Computern einen eigenen Computerraum<br />

betreibt.<br />

Das sechste Projekt in Nairobi wurde<br />

im Dezember 2006 in Angriff genommen.<br />

Veranstaltet wurde es in Zusammenarbeit<br />

mit dem tschechischen<br />

Außenministerium und unter der Ägide<br />

der Weltgesundheitsorganisation (WHO),<br />

der Mitveranstalter vor Ort war die Universität<br />

Aga Khan (AKU). Die WHO<br />

schloß das Gemeinschaftsprojekt an das<br />

Gesamtprojekt Strengthening Health<br />

Systems in Kenya, Tanzania and Uganda<br />

an. Zum Ziel setzte man sich, dem<br />

mittleren medizinischen Personal im<br />

Krankenhaus Aga Khan und Studenten<br />

an der Universität Aga Khan beim<br />

Computerunterricht Hilfe zu leisten.<br />

Tschechische Lektoren bildeten 32<br />

Hörer aus, für die Finanzierung des<br />

Projekts (0,5 Mio. Tschechische Kronen)<br />

sorgte das Außenamt. Auch dieses<br />

Vorhaben stieß in Kenia auf ein<br />

außerordentliches Interesse. Im Unterschied<br />

zu den 5 ähnlichen Kursen ging<br />

es diesmal um Krankenhauspersonal<br />

und öffentlich-Bedienstete. Man bewältigte<br />

erfolgreich PC-Grundkenntnisse<br />

einschließlich der E-Mailkorrespondenz,<br />

deren Vorteile vor allem AKU-<br />

Universitätsangehörige zu schätzen<br />

lernten. Die Projekthauptkoordinatorin,<br />

Prof.Dr. L. King bekundete, gemeinsam<br />

mit Vertretern des Jomo Kenyatta-<br />

Krankenhauses, Interesse an der Fortsetzung<br />

der Kurse. Nachrichten über<br />

den Kurs brachte die kenianische Tageszeitung<br />

Saturday Nation.<br />

Das Projekt Basic PC and Internet<br />

Course in Nairobi dient als Beispiel<br />

dafür, wie Industrieländer zur Entwicklung<br />

ärmerer Teile der Welt effektiv und<br />

transparent beitragen können. Das<br />

Informatikministerium will erreichen,<br />

daß die Hilfsprojekte im Bereich der<br />

Computeralphabetisierung einen festen<br />

Platz im Katalog von Tschechiens Auslandsentwicklungshilfe<br />

finden.<br />

Lenka Ptáčková<br />

Vizeministerin für Informatik<br />

Photos: Informatikministerium<br />

29


MALAWI<br />

Stiftung Sue Ryder leistet Krankenhilfe<br />

Malawi durchlief keine solche stürmische<br />

Entwicklung wie viele andere Staaten Afrikas,<br />

trotzdem verdient es Aufmerksamkeit<br />

und Unterstützung. Nach den Angaben der<br />

UNO (2004) zählt Malawi als 6. ärmstes<br />

Land der Welt. Das BIP pro Kopf überschreitet<br />

die 149 USD nicht, die Säuglingssterblichkeit<br />

ist hoch, die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung beträgt 39 Jahre. Der größte<br />

Teil der ländlichen Bevölkerung kann<br />

nicht einmal mit der medizinischen Grundversorgung<br />

rechnen. Die Dorfgemeinschaften<br />

werden vom HI-Virus, Malaria, TBC<br />

und anderen infektiösen Krankheiten und<br />

chronischen Leiden zerstört. Seit über 16<br />

Jahren hilft die Organisation Sue Ryder in<br />

Malawi, das Vermächtnis der britischen<br />

Begründerin, Lady Sue Ryder erfüllend.<br />

Dem Team der Stiftung Sue Ryder gelang<br />

es, die Kräfte der Experten aus Großbritannien,<br />

Italien und Tschechien zu synergieren<br />

und ein außerordentliches Gemeinschaftsprojekt<br />

für Epilepsie- und Asthmakranke<br />

sowie Behinderte in Malawi zu starten. Mediziner<br />

und Reha-Mitarbeiter im Außendienst<br />

fahren täglich in „Kliniken unter Bäumen“<br />

zu Hunderten von Patienten. Sie haben<br />

ein Gebiet von 5600 km 2 Fläche und mit<br />

620tsd. Bewohnern zu verarzten. Sie sorgen<br />

für Volksbildung, Aufklärung und Vorbeugung,<br />

behandeln medizinisch und therapeutisch,<br />

verabreichen Medikamente und bieten<br />

diverse medizinische Behelfsmittel. Die<br />

Hilfe wäre nicht so effektiv, wenn die Dorfgemeinschaften<br />

nicht ins Projekt eingebunden<br />

wären. Von Anfang an wird das Projekt<br />

von Patienten, ihren Familienangehörigen,<br />

aber auch Dorfhäuptlingen (village chief)<br />

und über 450 ehrenamtlichen Mitarbeitern<br />

mitgetragen. Das Projekt hilft, etwa 6tsd.<br />

chronisch Kranken in Würde zu leben, sich<br />

zu bilden, sich in der Familie und einer breiteren<br />

Gemeinschaft nützlich zu machen.<br />

Die Geschichte von Evelyn und Gilson<br />

Die blutjunge Evelyn leidet an Epilepsie,<br />

höchstwahrscheinlich als Folge der Malaria.<br />

Als Kind erlitt sie oftmals Anfälle, weder<br />

ihre Familie noch andere Dorfbewohner<br />

wußten ihr zu helfen. So verblieb sie stundenlang<br />

an einen Baum gebunden. Dank der<br />

Pflege des Teams der Stiftung Sue Ryder<br />

und der regelmäßigen Medikation kann sie<br />

im Prinzip ein normales Leben führen und<br />

an der Dorfgemeinschaft teilzuhaben.<br />

Gilson ist 12 Jahre alt und infolge Hirnlähmung<br />

gehbehindert, möglicherweise<br />

nach Malaria im Kindesalter. Das Reha-<br />

Team Sue Ryder sorgte für die Herstellung<br />

eines Dreirades, das es ihm ermöglicht, eine<br />

3 km weit entfernte Schule zu besuchen.<br />

Ivana Plechatá, Jakub Olmer<br />

Photos: Stiftung Sue Ryder<br />

30


Afrika inmitten Prags<br />

Im Jahre 2000 entstand in Prag die afrikanisch-tschechische<br />

Bürgerinitiative Humanitas<br />

Afrika. Es war ihr Ziel, zu gegenseitiger Toleranz<br />

und Verständnis zwischen Tschechen und<br />

Afrikanern mit Dauerwohnsitz in Tschechien zu<br />

beizutragen. Ausgehend von dieser Zielsetzung<br />

wurden in den letzten sieben Jahren verschiedene<br />

Projekte gestartet, die nicht nur über den afrikanischen<br />

Kontinent und seine breitgefächerte<br />

Kulturlandschaft informieren, sondern auch um<br />

Hilfeleistungen für den Schwarzen Kontinent<br />

werben. Die Bürgerinitiative organisiert alljährlich<br />

Bildungs- und Kulturveranstaltungen, wie<br />

etwa im Rahmen der Tage Afrikas (Dni Afriky)<br />

oder des Black History Month. Diese Veranstaltungen<br />

bieten Raum zum gegenseitigen Kennenlernen<br />

von Tschechen und Afrikanern.<br />

Eines der Gründungsmitglieder, der aus Ghana<br />

stammende und hier in Tschechien als Sozialarbeiter<br />

tätige Kofi Nkrumah, initiierte die<br />

Gründung der ersten auf Africana ausgerichteten<br />

Bibliothek hierzulande. Seit ihrer Eröffnung<br />

2005, die vom Zentrum für Entwicklungshilfe<br />

am Institut für Internationale Beziehungen<br />

(Rozvojové středisko Ústavu mezinárodních<br />

vztahů) gesponsert wurde, werden regelmäßig<br />

Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit angeboten,<br />

wie z.B. Vorführungen von Bild- und<br />

Tondokumenten, Seminare, oder künstlerische<br />

Workshops. Die Bestände umfassen heute ca.<br />

1000 auf Afrika bezugnehmende Publikationen<br />

aus allen Bereichen der Kunst und Gesellschaft.<br />

Seit ihrer Gründung arbeitet Humanitas Afrika<br />

mit Grund- und Oberschulen hier in Tschechien<br />

zusammen, für welche sie Werkstätten zur<br />

afrikanischen Kultur oder Filmvorführungen,<br />

z.B. über Persönlichkeiten, die die Geschichte<br />

Afrikas beeinflußt haben, organisiert. Im Rahmen<br />

der Workshops, bei denen vorzugsweise die<br />

Methode des interaktiven Unterrichts in Anwendung<br />

gebracht wird, können die Schüler die Zubereitung<br />

traditioneller afrikanischer Gerichte,<br />

Stoffdruckverfahren oder Kinderspiele ausprobieren,<br />

das Trommeln oder Tänze erlernen.<br />

Der Schwerpunkt bei den Projekten, die seit<br />

2002 von der Bürgerinitiative in Ghana, Benin,<br />

Kenia und Burkina Faso gestartet wurden, liegt<br />

in der Bildungsarbeit. Im Rahmen eines überwiegend<br />

aus privater Hand finanzierten Programms<br />

erhalten Kinder aus ärmlichen Dorfgemeinden<br />

und Slums in Lenana (Nairobi) Unterricht.<br />

Das Afrikanische Informationszentrum mit<br />

seiner Bibliothek ist direkt im Zentrum Prags zu<br />

finden, seine Adresse: Ječná 2, 120 00 Prag.<br />

Der Weg nach Afrika führt zu den Menschen<br />

Jeden Abend sitzt sie an einem Lagerfeuer<br />

in Afrika, in Botswana, diskutiert mit jungen<br />

Leuten, die allabendlich kommen, sie anlächeln,<br />

sich über ihre weiße Haut und ihre blauen<br />

Augen wundern, die die Mutigsten unter ihnen<br />

schüchtern berühren, und ein Meer an Fragen<br />

an sie haben. Lucie erklärt ihnen gerade, daß<br />

es auch in Europa Menschen gibt, die kein Zuhause<br />

haben, auf den Straßen schlafen, keine<br />

Arbeit und nichts zu Essen haben und im Winter<br />

vielleicht im Freien erfrieren …<br />

Chris, der ihr zur Rechten sitzt, springt ihr in<br />

die Rede und fragt: „Lucie, leben bei euch auch<br />

Elefanten?“ Die anderen lachen. „Ja, schon.<br />

Aber wir müssen für sie riesige Häuser bauen, in<br />

denen sie nicht frieren“, gibt Lucie zurück.<br />

„Hmm, aber warum siedelt ihr die Elefanten<br />

dann nicht um, und läßt in ihren Häusern die<br />

Leute wohnen, die keine Wohnung haben?“<br />

Lucie schweigt … Bis jetzt fand sie es toll, daß<br />

es in Europa Elefanten gibt, aber jetzt glaubt sie<br />

das nicht mehr und schämt sich …<br />

Daniel ist gerade in Tansania angekommen.<br />

Es ist seine fünfte Reise nach Ostafrika, Trotzdem<br />

hält er etwas unter dem T-Shirt verborgen,<br />

Dollar im Wert von 30 000 Kronen. Gleich<br />

am nächsten Tag wechselt er sie in tansanische<br />

Schilling um, für die er 1,5 km Wasserrohre<br />

kaufen möchte. Er ist hierher gekommen,<br />

unter den höchsten Gipfel Afrikas, den Kilimandscharo,<br />

um hier ein Projekt zu koordinieren:<br />

„Chombo – Trinkwasser für eine Schule<br />

und zwei Dörfer.“<br />

Daniel spricht die Sprache des südlichen<br />

Afrika, Suaheli (auch Kisuaheli oder Swahili,<br />

Eigenbezeichnung Kiswahili), und so ruft er<br />

sofort den afrikanischen Projektkoordinator an,<br />

daß er schon in der Stadt ist, das Geld für den<br />

Kauf der Wasserrohre bei sich trägt und in zwei<br />

Tagen zur Schule nach Chombo kommen<br />

werde, damit man gemeinsam die Ausgrabungsarbeiten<br />

organisieren könne. Tags darauf überrascht<br />

ihn um die Mittagszeit ein Telefonat:<br />

„Dan, komm zur Schule, die Gräben sind schon<br />

alle gezogen!“ Dan traut kaum den eigenen<br />

Ohren, denn er hat bereits seine Erfahrungen<br />

mit den Afrikanern. Er glaubte, daß man vierzehn<br />

Tage brauchen würde, um die Ortsbewohner<br />

zu „organisieren“ und zur Arbeit „anzuhalten“.<br />

Was er aber nicht wußte, war, daß er<br />

als Freiwilliger an einer Sache beteiligt war,<br />

an der die Afrikaner selbst Interesse hatten und<br />

an der sie aktiven Anteil nahmen.<br />

Als er zur Schule kam, erkannte er sofort,<br />

daß noch am selben Tag zurück in die die<br />

Stadt mußte, um tags darauf Rohre zu kaufen.<br />

Die Ortsansässigen hatten es selbst geschafft.<br />

Daniel spart nicht mit Lob und freut sich<br />

gemeinsam mit den Leuten, mit denen er an den<br />

Gräben zusammentrifft. Zwei Tage später gibt<br />

es in der Schule eine große Feier. Die Menschen<br />

aus dem Dorf, Lehrer, Schüler, und Ingenieure<br />

von der Wasserwirtschaft, die den Staat vertreten,<br />

freuen sich gemeinsam. Das Wasser fließt!<br />

Die Kinder tanzen und singen stundenlang<br />

(die Schule besuchen an die fünfhundert), jetzt<br />

werden sie das Wasser nicht mehr von der Quelle<br />

heranschleppen müssen, die in einem steilen<br />

Hügel liegt.<br />

Im Februar 2005 haben wir in der Tschechischen<br />

Republik Kwa Afrika (Bürgerinitiative<br />

für Afrika) gegründet. Wir sind Tschechen<br />

und Afrikaner und wirken als Freiwillige in<br />

Tschechien, Kenia und Tansania. Zu unseren<br />

Zielen gehört Hilfe für konkrete Menschen an<br />

ganz konkreten Orten, und das mit Rücksicht<br />

auf die kulturellen Traditionen, auf einen dauerhaften<br />

Nutzen des Projektes und auf engste<br />

Zusammenarbeit mit den Ortseinwohnern.<br />

Wir stellen aber auch der tschechischen<br />

Bevölkerung die Afrikaner als Träger jahrtausendealter<br />

Traditionen, kulturellen und geistigen<br />

Reichtums vor, die trotz der natürlichen<br />

und kulturellen Werte und Schönheiten ihres<br />

Kontinents mit der gegenwärtigen Armut zu<br />

kämpfen haben.<br />

Für das Jahr 2007 planen wir neben neben<br />

kulturellen und informativen Veranstaltungen<br />

in Tschechien auch ein Projekt in Tansania,<br />

welches die Trinkwasserzufuhr für zwei Grundschulen<br />

und drei abgelegene Dörfer sicher<br />

stellen soll.<br />

Jederzeit ist genug zu tun, und helfende<br />

Hände und Köpfe kommen immer gelegen.<br />

Lenka Chuwa<br />

Vorsitzende der Bürgerinitiative<br />

www.kwaafrika.org<br />

www.humanitasafrika.cz<br />

Photos: Archiv Humanitas Afrika,<br />

Archiv Kwa Afrika<br />

31


Tschechen und Afrika<br />

Als binnenländische Nation gründeten<br />

die Tschechen keine Kolonien und Handelsstationen<br />

in Übersee. Bis 1918 waren<br />

die böhmischen Länder ein Teil des Habsburgerreiches,<br />

einer europäischen Großmacht,<br />

die beinahe keine Ambitionen in<br />

Afrika hegte. Das tschechische Interesse<br />

für Afrika wurde zuerst durch Entdekkungsreisen<br />

etlicher Reisenden<br />

getragen, von denen wenigstens<br />

Emil Holub (1874-1902)<br />

zu nennen wäre, der 1872-<br />

1887 Südafrika erkundete.<br />

Nach Entstehung der<br />

Tschechoslowakischen Republik<br />

1918 wurde Afrika zum<br />

Ziel nicht nur tschechischer<br />

Reisender, sondern auch Kaufleute.<br />

Gesuchte tschechische<br />

Artikel wie Glas, Bijouterie<br />

oder Schuhe gingen nach ganz<br />

Afrika. Der tschechoslowakische<br />

Schuhkonzern Baťa gründete 1940<br />

in Rufisque (Senegal) die erste Schuhfabrik<br />

Westafrikas. Nach Ende des Zweiten<br />

Präsident Václav Klaus mit Gattin<br />

beim offiziellen Besuch in Südafrika,<br />

Dezember 2006<br />

Weltkriegs versuchte die Tschechoslowakei<br />

die vorkriegszeitlichen Beziehungen<br />

wiederherzustellen. Nach Afrika starteten<br />

einige Expeditionen, die sich die Propaganda<br />

tschechoslowakischer Produkte, in<br />

erster Linie Automobile, zum Ziel setzten.<br />

František Elstner fuhr Ende 1947 von Algerien<br />

über die Sahara nach Coton und zurück<br />

in seinem Aero Minor. Etwa zum selben<br />

Zeitpunkt reiste Ladislav Mikeš Pařízek<br />

in seinem Wagen Marke Praga Piccolo<br />

durch Westafrika. Jiří Hanzelka und<br />

Miroslav Zikmund überquerten 1947-1948<br />

in ihrem Tatra T 87 den ganzen Kontinent<br />

von Marokko über Kairo nach Kapstadt.<br />

Ihr Reisebericht Afrika snů a skutečnosti<br />

(dt. Afrika, Traum und Wirklichkeit,<br />

1954) erlebte mehrere Auflagen<br />

(mehrere Hunderttausende<br />

Exemplare) und prägte wesentlich<br />

das Afrikabild hierzulande.<br />

Nach dem kommunistischen<br />

Putsch 1948 schottete sich die<br />

Tschechoslowakei für einige<br />

Jahre gegen die Welt ab. Nach<br />

dem Fall des Stalinismus lebte<br />

das Interesse für Afrika wieder<br />

auf. Auf den Fundament der<br />

Vor- und Nachkriegszeit konnte<br />

weitergebaut werden. Es begannen<br />

sich Kontakte mit<br />

Äthiopien anzubahnen, mit<br />

welchem die Londoner tschechoslowakische<br />

Exilregierung bereits 1942 diplomatische<br />

Beziehungen aufgenommen hatte.<br />

32


Präsident der Republik Namibia, Sam Nujoma, beim Empfang durch Václav Havel, 1999<br />

Präsident der Bundesrepublik Nigeria, Olusegun Obasanjo empfängt<br />

den tschechischen Botschafter.<br />

Der Tschechoslowakei ist es trotz der<br />

Mißgunst der Kolonialbehörden auch gelungen,<br />

ihr Konsulat in Belgisch-Kongo<br />

aufrechtzuerhalten, das 1960<br />

zu einer Basis für die Hilfe des<br />

Sowjetblocks an Lumumbas<br />

Regierung wurde.<br />

Unabhängige afrikanische<br />

Staaten suchten in den Ländern<br />

des Ostblocks Unterstützung<br />

gegen den Einfluß ihrer Ex-<br />

Kolonialmächte und der USA.<br />

Vielfach wandten sie sich<br />

wohlüberlegt an die Tschechoslowakei,<br />

die als kleines Land<br />

ohne die Ambitionen der Supermächte<br />

akzeptabel war. In<br />

besonderem Ausmaß wurde an Sékou Tourés<br />

Guinea Hilfe geleistet, das 1958 als<br />

erste französische Kolonie Schwarzafrikas<br />

ihre Unabhängigkeit erklärte. Die Tschechoslowakei<br />

lieferte an Guinea Transportmittel<br />

einschließlich Flugzeuge, Militärmaterial.<br />

In Prag wurden der Guinea-Franc-<br />

Banknoten gedruckt, in Guinea arbeiteten<br />

Dutzende tschechischer Spezialisten auf<br />

verschiedensten Gebieten. Ähnliche Hilfe<br />

wurde auch dem Premierminister von<br />

Ghana, Kwame Nkrumah, Modibo Keitys<br />

Mali und anderen Ländern Afrikas geleistet.<br />

Von der Tschechoslowakei wurde<br />

Äthiopischer Kaiser Haile Selassie I. beim<br />

Prag-Besuch, 1959<br />

auch nationalen Befreiungsbewegungen in<br />

portugiesischen Kolonien, insbesondere in<br />

Guinea-Bissau und Angola und den Kämpfern<br />

gegen die Apartheid in Südafrika, Beistand<br />

geleistet.<br />

Seit Ende der 1950er Jahren gewährte die<br />

Tschechoslowakei eine relativ hohe Anzahl<br />

an Stipendien an Studierende aus afrikanischen<br />

Ländern. 1961-1974 war in Prag die<br />

Universität des 17. Novembers, eine spezielle<br />

Hochschule für Hörer aus der Dritten<br />

Welt, tätig. Zu ihren Absolventen wurden<br />

tausende Afrikaner und Afrikanerinnen aus<br />

beinahe allen un- wie abhängigen Ländern.<br />

Gruppe afrikanischer Botschafter bei der Übergabe von<br />

Beglaubigungsschreiben in Prag, 1999<br />

Nach der Invasion der Truppen des Warschauer<br />

Paktes in die Tschechoslowakei<br />

1968 erhielten die tschechoslowakischen<br />

Beziehungen zu Afrika ein formaleres<br />

Gepräge, wozu auch<br />

problematische Wirtschaftsbeziehungen<br />

und unvorhersehbare<br />

Entwicklungen beitrugen:<br />

in einer Reihe afrikanischer<br />

Länder wurde Regime installiert,<br />

die kein Interesse an der<br />

Zusammenarbeit mit Ostblockstaaten<br />

zeigten. Diese ideologischen<br />

Hindernisse sind nach<br />

der Wende von 1989 entfallen,<br />

da die Tschechoslowakei zur<br />

Demokratie zurückkehrte. Das<br />

selbständige Tschechien (seit<br />

1993) hob seine Beziehungen<br />

zu Afrika auf ein neues Niveau: manche<br />

afrikanische Länder gelten als prioritäre<br />

Tschechien-Entwicklungshilfeempfänger,<br />

aber auch private caritative Initiativen<br />

(etwa Fernpatenschaften, hierzulande Fernadoption<br />

genannt) verzeichneten einen<br />

Aufschwung.<br />

Petr Zídek<br />

Tageszeitung Lidové noviny<br />

(2006 – Herausgabe des Buches über<br />

die Tschechoslowakei und das französische<br />

Afrika – Československo a francouzská<br />

Afrika 1948-1968)<br />

Photos: Archiv, Tschechische<br />

Presseagentur (ČTK)<br />

33


Äthiopien in<br />

Schwarz-Weiß?<br />

Die Völker Südäthiopiens ziehen in letzten<br />

Jahren immer mehr die Aufmerksamkeit<br />

der Weltöffentlichkeit auf sich. Das Ende<br />

des Bürgerkriegs in Äthiopien vor 15 Jahren<br />

öffnete das Land für Ausländer und der<br />

Süden Äthiopiens wird nach und nach zum<br />

frequentierten Reiseziel. Es gibt aber derzeit<br />

nur wenige Originalbücher, die diese Veränderungen<br />

thematisieren. Einen besonderen<br />

Beitrag dieser Art stellt der Photoband<br />

Surma des in Elsaß lebenden tschechischen<br />

Photographen František Zvardoň dar. Es<br />

handelt sich zwar um Zvardoňs erstes Afrika-Buch<br />

(nach Äthiopien reiste er zum<br />

erstenmal vor zwei Jahren), doch er möchte<br />

wieder dorthin zurückkehren, so daß wohl<br />

noch neue Titel von ihm zu erwarten sind.<br />

Einzelgänger<br />

Daktari Jarolímek<br />

Ein Arzt, der bei Albert Schweitzer in die<br />

Schule ging, – so könnte man den ausgewiesenen<br />

Experten für Schizophrenie Martin<br />

Jarolímek bezeichnen. Der Begründer und<br />

heutige Chefarzt des Psychiatrischen Tageszentrums<br />

in Prag 4 gibt sich mit 51 Jahren<br />

seinem Afrika-Projekt hin. Auf der Insel Rusinga<br />

im nordöstlichen Teil des Viktoriasees<br />

in Kenia baut er ein Krankenhaus mit unentgeltlicher<br />

Versorgung für die Ortsbevölkerung.<br />

Das einzige medizinische Zentrum auf der<br />

Insel mit 21tsd. Einwohnern finanziert Dr. Jarolímek<br />

aus eigener Tasche, unter der Beteiligung<br />

von Unicef und der nordböhmischen<br />

Organisation Hand for Help (Liberec, Reichenberg).<br />

Nach Afrika beabsichtigt er eine große<br />

Menge von Medikamenten als Spende pharmazeutischer<br />

Firmen hierzulande einzuführen.<br />

Der Praxis widmet er sich neun Stunden<br />

täglich, je nach Bedarf ist er Chirurug, Zahnarzt,<br />

Internist usw. Patienten besucht er auf<br />

einem tschechischen Motorrad Marke Pionýr.<br />

Seine berufliche Aufgabe, die Heilbarkeit<br />

der Schizophrenie in Tschechien unter<br />

Beweis zu stellen, hat er bereits erfüllt. Nun<br />

kommt er zu seinem Jugendtraum zurück,<br />

Menschen in Afrika zu helfen. „Es ist<br />

meine zweite Chance“, sagt Jarolímek, der<br />

auf der Insel nicht anders als Daktari Martin<br />

genannt wird.<br />

Quelle: Tageszeitung Právo<br />

Erstes tschechischugandisches<br />

Krankenhaus<br />

Das tschechisch-ugandische Krankenhaus in<br />

Buikwe wurde in vollen Betrieb genommen.<br />

Das feierliche Hochamt wurde von Kardinal<br />

Miloslav Vlk und Bischof Matthias Ssekamanya<br />

zelebriert, anwesend war auch der ugandische<br />

Gesundheitsminister Jim Muwhezi. Den Aufbau<br />

des Krankenhauses veranlaßte der Mediziner<br />

Josef Donát von der Gynäkologisch-natalogischen<br />

Abteilung der Medizinischen Fakultät<br />

der Karls-Universität Prag in Hradec Králové<br />

(Königgrätz), getragen wurde der Bau durch die<br />

Caritas der Erzdiözese Prag.<br />

Im Großraum Buikwe befinden sich 30<br />

Dörfer, für ihre Bevölkerung (45tsd. Einwohner)<br />

gab es bis dahin keine qualitative medizinische<br />

Versorgung, viele Kinder starben an banalen<br />

Krankheiten, Schwangeren mangelte es an pränataler<br />

Pflege und qualifizierter Assistenz bei<br />

der Entbindung. Seit September 2006 sind beide<br />

Flügel des Hauses in Betrieb, für den medizinischen<br />

Betrieb sorgt ein Team tschechischer und<br />

ugandischer Ärzte und Krankenschwestern.<br />

Quelle: www.charita-adopce.cz<br />

Viva Africa<br />

Im März 2006 beschloß eine Gruppe junger<br />

Studenten und Studentinnen von der<br />

Universität Pilsen eine neue Wissensvernetzung<br />

zu kreieren: eine alljährliche Afrika-<br />

Konferenz tschechischer wie internationaler<br />

Experten Viva Africa. Die bereits zweite<br />

Konferenz lockte die meisten, auf allen<br />

möglichen Gebieten tätigen, tschechischen<br />

Afrikaforscher nach Pilsen an. Historiker,<br />

Anthropologen, Linguisten und Politikwissenschaftler<br />

kamen darin überein, daß alljährliche<br />

Treffen dazu verhelfen, den Ruf<br />

der tschechischen Afrikanistik zu steigern<br />

und die Kommunikation mit der europäischen<br />

und globalen Afrikanistik zu erleichtern.<br />

Zum ersten Sammelband von der<br />

Tagung 2006 (Herausgeber Tomáš Machalík<br />

und Jan Záhořík vom Institut für Anthropologie<br />

an der Universität Pilsen) kommt<br />

dieses Jahr ein neues, diesmal zweisprachiges<br />

Werk, hinzu, was den Anschluß an die weltweite<br />

Scientific Community herstellen soll.<br />

Böhmens Wein im<br />

Süden Afrikas<br />

Südafrikanische Weine werden von tschechischen<br />

Kennern immer mehr liebgewonnen.<br />

Während Anfang der 1990er Jahre die<br />

Chance eine Flasche Wein von der Farm<br />

aus Stellenbosch oder Paarl käuflich zu<br />

erwerben, ziemlich gering war, sind die<br />

Weine heutzutage gängige Waren.<br />

Kaum jemand weiß jedoch, daß gerade<br />

böhmische Weinsorten der südafrikanischen<br />

Weinbauerei Pate gestanden haben. Die Kap-<br />

34


Mosaik<br />

Chronik von 1659 verzeichnet: „Heute –<br />

Gott sei gedankt – wurde zum erstenmal<br />

der Wein aus Kap-Trauben zur Freude des<br />

Gouverneurs Van Riebeeck gepreßt.“ Vier<br />

Jahre zuvor waren die ersten Weinstecklinge<br />

aus Europa angekommen, die in den neu<br />

angelegten Weingärten Wurzeln schlagen<br />

sollten … Während Historiker bis heute<br />

über die antransportierten Weinsorten streiten,<br />

geht aus den zeitgenössischen Belegen<br />

hervor, daß Geschäftsführer der Ostindischen<br />

Handelskompanie im Kontakt mit<br />

einem Züchter standen, der über Stecklinge<br />

aus Frankreich, Deutschland, Spanien und<br />

Böhmen verfügte“, wie der Historiker Leipoldt<br />

zu berichten weiß. Gerade dank dieser<br />

Sendung wurde der erste südafrikanische<br />

Wein gezogen. Etwas vom Land an der<br />

Moldau hielt auf diese Weise auch in Südafrika<br />

Einzug.<br />

Baťa: Schuhe<br />

für Afrika<br />

daß die Möglichkeiten in Wirklichkeit<br />

unbegrenzt seien, weil keiner in Afrika<br />

Schuhe trage.<br />

Die Firma begann nach Afrika zu<br />

expandieren. Im Laufe der 1930er Jahre<br />

entstanden – zuerst in Nordafrika – sowohl<br />

zahlreiche Schuhgeschäfte als auch<br />

Schuhfabriken.<br />

In der Folgezeit expandierte die Firma<br />

Baťa tiefer in den Süden, Ende der 1930er<br />

Jahre wurden Betriebe in Kenia, Tanganjika,<br />

Südrhodesien und der Südafrikanischen<br />

Union errichtet. Die Firma erweiterte<br />

ihr Netz von Verkaufsstellen und Vertretern.<br />

Mitte des 20. Jahrhunderts war sie<br />

praktisch auf dem ganzen Kontinent bekannt.<br />

Der unternehmerische Geist war<br />

mit sozialer Sensibilität gepaart und Baťa<br />

hinterließ Spuren auch im Sozialbereich.<br />

Ende des 20. Jahrhunderts agierte die<br />

Firma Baťa bereits in 17 afrikanischen<br />

Staaten, produzierte über 60 Mio. Paar<br />

Schuhe und hatte 17tsd. Beschäftigte.<br />

Auch heute vergißt sie das Erbe ihres<br />

Gründers nicht und setzt Aktivitäten im<br />

Sozialbereich fort: sie baut Schulen, Kirchen,<br />

medizinische Einrichtungen und<br />

vergibt diverse Stipendien.<br />

der Elektrifizierung zu den wichtigsten, die in<br />

dieser Region Afrikas mit tschechischer Hilfe<br />

umgesetzt wurden.<br />

Das Projekt kam unter intensiver Hilfestellung<br />

der Ortsgemeinschaft zustande, einen<br />

großen Teil der Instandhaltungs- und Betriebsarbeiten<br />

leistet eine Kommission von Schulbeschäftigten<br />

und Missionsmitarbeitern. Für die<br />

die Projektfinanzierung kamen Entwicklungsfonds<br />

der tschechischen und der kanadischen<br />

Regierung aufgezogen, weitere Ressourcen wurden<br />

von tschechischen und deutschen NGOs,<br />

dem sambischen Gesundheitsministerium und<br />

Ortsgemeinschaften einschließlich der United<br />

Church of Zambia bereitgestellt.<br />

Photos: Stiftung Divoké husy (Wilde Ganzen)<br />

www.divokehusy.cz<br />

Kirchendenkmal<br />

renoviert<br />

Licht für Sambia<br />

1894 gründete der tschechische Industrielle<br />

Tomáš Baťa mit seinen Geschwistern<br />

in der mährischen Stadt Zlín die weltberühmte<br />

Schuhfirma Baťa. Den ersten<br />

Kontakt mit Afrika nahm die Firma Baťa<br />

1912 auf. Auf seiner Hochzeitsreise nach<br />

Ägypten bemerkte Tomáš Baťa, daß die<br />

Bevölkerung in leichten Leinenschuhen<br />

ging. Nach der Rückkehr nach Zlín begann<br />

er solche Leinenschuhe zu produzieren<br />

und nach Ägypten zu exportieren.<br />

Die Geschichte vom Ende der 20er Jahre<br />

des 20. Jahrhunderts hört sich beinahe<br />

anekdotisch an, doch sie ist tatsächlich<br />

passiert und zeugt vom kaufmännischen<br />

Sinn für Marktchancen. Tomáš Baťa beschloß<br />

damals, weitere Handels- und Produktionsmöglichkeiten<br />

in Afrika auszukundschaften<br />

und schickte zwei Handlungreisende<br />

dorthin. Einige Wochen später<br />

vermeldete der erste dem Firmenbüro in<br />

Zlín, daß nur minimale Absatzmöglichkeiten<br />

bestünden, weil keiner in Afrika<br />

Schuhe trage. Etliche Tage später meldete<br />

der zweite Handlungreisende begeistert,<br />

In abgelegenen Gegenden des Sambia-Buschwaldes<br />

haben Schulen und medizinische Zentren<br />

mit der Stromversorgung zu kämpfen. So gestaltete<br />

sich die Lage auch in der Missionsstation<br />

Masuku, die 70 km weit von der nächsten Stadt<br />

entfernt, in den Bergen über dem Stausee Kariba,<br />

liegt. Einige tschechische Organisationen mit<br />

der Adra an der Spitze beschlossen, aufgrund<br />

eines Wunsches der dortigen Dorfgemeinschaft<br />

zur Lösung dieses Problems ihr Scherflein beizutragen.<br />

Es sollte eine Stromquelle vor Ort<br />

installiert werden. Mittels photovoltaischer Module<br />

wurden die Oberschule für 300 Schüler und<br />

Schülerinnen aus der Umgebung, das ländliche<br />

medizinische Zentrum sowie die Wohnungen<br />

der 22 Beschäftigten elektrifiziert. Zwei solarbetriebene<br />

Pumpen versorgen seit vergangenem<br />

Jahr die Einrichtungen mit fließendem Trinkwasser.<br />

Dieses Unterfangen zählt angesichts der<br />

Abgeschiedenheit des Ortes und des Ausmaßes<br />

Im Juni 2006 wurde im Städtchen Pácaltsdorp<br />

eine der ältesten Kirchen der Republik<br />

Südafrika nach der Renovierung wieder eröffnet.<br />

Für ihre Entstehung zeichnete einer<br />

der ersten Missionare unter der bodenständigen<br />

Bevölkerung im Süden Afrikas, der tschechische<br />

Evangelische Karel August Pácalt<br />

(Carl, Charles Pacalt) verantwortlich. Nach<br />

Kapstadt reiste er nach einer Vorbereitungszeit<br />

in Berlin als Reverend der London Missionary<br />

Society. Der Einladung eines der<br />

Häuptlinge des Khoikhoi (Hottentotten)-<br />

Stammes folgend, gründete er eine kleine<br />

Missionsstation in Hooge Kraal in der Nähe<br />

der heutigen Stadt George. Als Pácalt 1818<br />

verstarb, war das kleine Nest dank seines<br />

Zutuns kaum wiederzuerkennen. John Campbell,<br />

der ihm 1819 einen Besuch abstattete,<br />

schrieb: „In no part of the colony did I observe<br />

a greater alteration or iprovement.” Etwa<br />

dreihundert Pfarrangehörige bauten mit Hilfe<br />

des von Pácalt vermachten Geldes eine neue<br />

Kirche und bedachten das Städtchen ehrenhalber<br />

mit seinem Namen. Ähnlich wie in<br />

dem nahen Zentrum der Mährischen Kirche<br />

(Moravian Church) Genadendal, wo Jiří Šmíd<br />

(Georg Schmid) als Begründer der Stadt<br />

gilt, wird auch in Pácaltsdorp das Andenken<br />

an den ersten dortigen tschechischen Missionar<br />

wachgehalten.<br />

35


Afrikas Kunst im<br />

Blickpunkt<br />

Das Interesse hierzulande für die moderne<br />

Kunst Afrikas reicht bis in die 1960er<br />

Jahre zurück. Bereits 1961 wurde im Náprstek-Museum<br />

Prag die Ausstellung Malíři<br />

z Poto-Poto (Maler aus Poto-Poto) eröffnet,<br />

die der Öffentlichkeit eine Auswahl<br />

aus der Privatsammlung vor Augen führte,<br />

die das Schaffen der ersten Generation<br />

moderner kongolesischer Maler dokumentiert.<br />

Die vollständige Sammlung, die über<br />

zweihundert Blätter mit Alltagsszenen aus<br />

dem Dorfleben enthält, wird im Náprstek-<br />

Museum verwahrt.<br />

Plakat zur Ausstellung der zentralafrikanischen Kunst, in<br />

der rd. 150 Maler und Bildhauer ihre Werke ausstellten.<br />

Im Laufe der 1960-70er Jahre brachten<br />

zahlreiche tschechoslowakische Spezialisten<br />

Bilder und Statuen aus Ateliers und<br />

Werkstätten gegenwärtiger afrikanischer<br />

Künstler mit nach Hause. So kamen Schnitzereien<br />

von Makondo-Schnitzern aus Tansania,<br />

Malereien des tansanischen Malers Edward<br />

Said Tingatinga und Kunstwerke anderer<br />

in die Tschechoslowakei. Aus diesen<br />

reichen Beständen stellte das Náprstek-<br />

Museum etliche Ausstellungen zusammen.<br />

Keine geringe Rolle spielte Alois Wokoun,<br />

Theoretiker der afrikanischen Kunst,<br />

damals bei ihrer Popularisierung, der neue<br />

Künstler ausfindig machte und jahrelang<br />

mit ihnen im Briefwechsel stand. Er baute<br />

ein umfangreiches Archiv auf und verwertete<br />

seine vieljährige Tätigkeit im Buch<br />

Safari za africkou kulturou (: Safari zur afrikanischen<br />

Kultur, 1983), das er gemeinsam<br />

mit Vladimír Klíma und Václav Kubica<br />

herausbrachte. Es ist ein weltweit einmaliges<br />

Buch, ein umfassendes Bild der drei<br />

Elemente moderner afrikanischer Kultur –<br />

der bildenden Kunst, Musik und Literatur.<br />

36<br />

Blick von der Karlsbrücke – von der Simbabwer Malerin Doreen Sibanda


Seine Werke präsentierte in Tschechien auch der älteste Bildhauer der Welt, Amali Malola (93), im Bild mit seiner Gattin<br />

Antlitz, Mekias Munyaradzi (Simbabwe)<br />

Bis heute hat das Buch nichts von seinem<br />

ursprünglichen Wert verloren.<br />

Prag behauptet den europäischen Primat<br />

auch, was die Veranstaltung einer repräsentativen<br />

Ausstellung zur modernen nigerianischen<br />

Kunst betrifft. 1965 stellte der seit<br />

den 1950er Jahren in Nigeria tätige Pädagoge<br />

und bildende Künstler Ulli Beier seine<br />

Sammlung im Náprstek-Museum aus. Die<br />

erste Präsentation seiner Sammlung hieß<br />

„Výstava prací ošogboských umělců (Ausstellung<br />

von Werken Oshogboer Künstler),<br />

die zweite Moderní africké umění šedesátých<br />

let (Afrikas moderne Kunst der 60er<br />

Jahre, 1972). Vor den Augen der Neugierigen<br />

defilierten nicht nur Werke nigerianischer<br />

Maler und Graphiker, sondern auch<br />

Bilder von Valente Malantagana aus Mosambik,<br />

Ibrahim el Salahi aus dem Sudan,<br />

graphische Werke des sudanesischen Malers<br />

Ahmad Muhammad Shibrain u.a.<br />

Die Partnerschaft zwischen dem Náprstek-Museum<br />

und Ulli Beier bestand auch<br />

in den darauffolgenden Jahrzehnten, wo<br />

letzterer das Iwalewa Haus, die europaweit<br />

erste Galerie der modernen afrikanischen<br />

Kunst, in Bayreuth gründete. 1993 wurde<br />

die Ausstellung Moderní jorubské umění<br />

(Moderne Yoruba-Kunst) im Náprstek-Museum<br />

aus Prager und Bayreuther Beständen<br />

zur Schau gestellt.<br />

Die Öffnung der Grenze nach dem Fall<br />

des Eisernen Vorhangs in den 1990er Jahren<br />

zeigte sich in der steigenden Vorliebe für<br />

Afrikas Kunst im allgemeinen und Afrikas<br />

moderner Kunst im besonderen. Auf einmal<br />

Bilder von Lovemore Kambudzi werden ebenso von Kunstliebhabern in Simbabwe wie in Tschechien bewundert.<br />

37


Dem tschechischen Publikum stellte sich auch der bedeutendste sambische Maler Stephen Kappata (1936-2007) vor.<br />

war es möglich, daß Liebhaber oder Händler<br />

ganze Sammlungen ins Land einführten.<br />

Auch wenn die meisten Importeure der (ethnischen)<br />

Kunst Afrikas den Vorzug gaben,<br />

so kamen Liebhaber der modernen Kunst<br />

dennoch nicht zu kurz. So gelangte Ende<br />

der 1990er Jahre etwa ein Ensemble Simbabwer<br />

Holzschnitzereien nach Prag, die in der<br />

Open-Air-Galerie Platýz zu sehen waren.<br />

Das letztvergangene Jahr war besonders<br />

reich an Afrikas moderner Kunst. Von<br />

Juni bis August bekam man im Botanischen<br />

Garten in Prag-Troja die einzigartige<br />

Ausstellung Moderní sochařství Zimbabwe<br />

(Moderne Bildhauerei Simbabwes) zu Gesicht.<br />

In der Außenausstellung fand man<br />

ein Ensemble von Statuen und steinernen<br />

Objekten von Künstlern aus den Werkstätten<br />

in Tengenenge. So konnte man Ein<br />

blicke auf moderne Kunstgeschichte Zentralafrikas<br />

genießen. Die Werkstätten in Tengenenge<br />

entstanden in den 1960er Jahren<br />

auf der Farm des Tabakpflanzungenbesitzers<br />

Tom Blomefield im damaligen Rhodesien<br />

(heute Simbabwe). Dieser nahm<br />

die bildkünstlerische Begabung seiner<br />

Arbeitnehmer zur Kenntnis und stellte<br />

ihnen einen Steinbruch zur Verfügung, der<br />

auf einem Grundstück der Farm lag. So<br />

wurde eine Kunstwerkstatt ins Leben gerufen,<br />

in der Bildhauer und Maler verkehren.<br />

Bereits vier Generationen von Bildhauern,<br />

überwiegend aus dem Mashona-Volke,<br />

zauberten dort aus Steinen Fabelwesen,<br />

Dämonen, Pferdchen und Tiere, halb Menschen-,<br />

halb Tierwesen und eine Menge<br />

Variationen zum Thema Menschengestalt<br />

und Menschengesicht hervor.<br />

Im September vergangenen Jahres fand<br />

in der Budweiser Galerie Měsíc die Bilderausstellung<br />

des sambischen Naivisten Stephen<br />

Kappata statt. Dieser schenkt seine<br />

Aufmerksamkeit teils Sujets aus dem Alltagslebens<br />

der Bewohner des Sambesi-Einzugsgebiets<br />

(Feste, Krankenbehandlung,<br />

Magie), teils dem gegenwärtigen Geschehen<br />

im Lande. Gegen Jahresende wurde<br />

in Budweis die Ausstellung Od Konga<br />

k Zambezi (Vom Kongo bis zum Sambesi)<br />

in der Südböhmischen Galerie eröffnet. Es ging<br />

um die umfangreichste Schau der zentralafrikanischen<br />

Kunst hierzulande. Revue passierten<br />

Werke von an die 150 Malern und<br />

Bildhauern aus dem Kongo, Sambia, Simbabwe<br />

und Malawi aus Privatsammlungen.<br />

Josef Kandert<br />

Photos: František Nárovec (www.ef.cz)<br />

Ondřej Homolka, Tageszeitung Právo<br />

38<br />

Zu sehen waren auch Werke von Lema Kusa und Mambengi Tondo (Demokratische Republik Kongo).

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