Willem J. Ouweneel: Die "Lehre der Brüder" - bruederbewegung.de
Willem J. Ouweneel: Die "Lehre der Brüder" - bruederbewegung.de
Willem J. Ouweneel: Die "Lehre der Brüder" - bruederbewegung.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
WILLEM J. OUWENEEL: DIE »LEHRE DER BRÜDER« 4<br />
Unterschied zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein<strong>de</strong> und Israel sei. <strong>Die</strong> Erwartung <strong><strong>de</strong>r</strong> baldigen Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellung<br />
Israels – kurz vor und bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Erscheinung Christi, aber nach <strong><strong>de</strong>r</strong> »Entrückung«<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein<strong>de</strong> – beinhalte einen fundamentalen Unterschied zwischen (<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Haushaltung von) Israel und <strong><strong>de</strong>r</strong> (Haushaltung <strong><strong>de</strong>r</strong>) Gemein<strong>de</strong>. Israel sei Gottes »irdisches«<br />
Volk mit irdischen Segnungen und einer irdischen Erwartung (nämlich <strong>de</strong>s messianischen<br />
Reiches auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong>, so wie es in <strong>de</strong>n tausend Jahren nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kunft verwirklicht<br />
wer<strong>de</strong>). <strong>Die</strong> Gemein<strong>de</strong> jedoch (die nicht mit Adam begonnen habe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n mit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Ausgießung <strong>de</strong>s Heiligen Geistes in Apg 2) sei Gottes »himmlisches« Volk mit himmlischen<br />
Segnungen, einer himmlischen Stellung (in Christus in <strong>de</strong>n himmlischen Örtern)<br />
und einer himmlischen Erwartung (nämlich <strong>de</strong>m Vaterhaus).<br />
<strong>Die</strong> praktische Konsequenz, die viele »Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>« aus dieser »himmlischen« Stellung<br />
zogen, war, dass sie sich z. B. von Kunst, Politik, Berufsverbän<strong>de</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong>gleichen fern<br />
hielten, ganz im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Täufer und <strong><strong>de</strong>r</strong> »Na<strong><strong>de</strong>r</strong>e Reformatie«, aber mit einer eigenen<br />
Begründung. An<strong><strong>de</strong>r</strong>e haben hier freiere Auffassungen, <strong>de</strong>nn sie betonen, dass die himmlische<br />
Stellung in irdischen Beziehungen verwirklicht wird, die nicht auf Ehen, Familien<br />
und örtliche Gemein<strong>de</strong>n beschränkt sind.<br />
J. N. Voorhoeve nahm 1919 im Bo<strong>de</strong> übrigens schon eine differenzierte Haltung gegenüber<br />
Berufsverbän<strong>de</strong>n ein: »… dass, wo es um gesellschaftliche Zustän<strong>de</strong> geht, eine<br />
Vereinigung mit An<strong><strong>de</strong>r</strong>s<strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n erlaubt und auch erwünscht sein kann. Man muss dann<br />
aber genau prüfen, wozu man sich verpflichtet, und austreten, wenn dort falsche Dinge<br />
geschehen« (S. 15f.).<br />
3. Geschichtsauffassung<br />
Eng verbun<strong>de</strong>n sowohl mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunftslehre als auch mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gemein<strong>de</strong>lehre ist die <strong>Lehre</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> alten »Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>«, dass die Haushaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kirche durch fortschreiten<strong>de</strong>n Verfall<br />
gekennzeichnet sei – einen Verfall, <strong><strong>de</strong>r</strong> schon in <strong><strong>de</strong>r</strong> apostolischen Zeit begonnen, aber in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit Kaiser Konstantins <strong>de</strong>s Großen einen großen Sprung abwärts gemacht habe. (<strong>Die</strong><br />
Auffassung über die »Bekehrung« Konstantins und ihre Folgen ist in je<strong><strong>de</strong>r</strong> christlichen<br />
Geschichtsbetrachtung ein Schibboleth und ein Prüfstein!) In <strong><strong>de</strong>r</strong> heutigen Endzeit, kurz<br />
vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kunft Christi, habe die Christenheit ihren größten Verfall erreicht. <strong>Die</strong>s<br />
war <strong><strong>de</strong>r</strong> Grund für das Bestreben <strong><strong>de</strong>r</strong> alten »Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>«, inmitten <strong><strong>de</strong>r</strong> Christenheit einen<br />
treuen, abgeson<strong><strong>de</strong>r</strong>ten Überrest zu bil<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich geistlich für die Begegnung mit <strong>de</strong>m<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kommen<strong>de</strong>n Herrn bereitmacht. John G. Bellett, ein »Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>« <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Stun<strong>de</strong><br />
– genannt »die Nachtigall« unter <strong>de</strong>n »Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>n« –, schrieb in seinen »Erinnerungen«, dass<br />
»es prophetische Wahrheiten gibt, bei <strong>de</strong>nen man immer spürt, dass sie zu je<strong>de</strong>m kirchlichen<br />
System, das sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt verbin<strong>de</strong>t, mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger im Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch stehen«<br />
– wie es unter Konstantin <strong>de</strong>m Großen geschehen war. <strong>Die</strong> (übrige) Christenheit, die<br />
sich selbst gerichtsreif machte, wur<strong>de</strong> daher mehr o<strong><strong>de</strong>r</strong> weniger abgeschrieben, auch wenn<br />
man durchaus anerkannte, dass es darin einzelne treue Gläubige gebe; diese seien jedoch<br />
unwissend, <strong>de</strong>nn sonst wür<strong>de</strong>n sie sich auch abson<strong><strong>de</strong>r</strong>n. (<strong>Die</strong>se Auffassung war gegenüber<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> englischen Staatskirche übrigens etwas besser zu rechtfertigen als in <strong><strong>de</strong>r</strong> nie<strong><strong>de</strong>r</strong>ländischen<br />
Situation, wo es im 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t eine »Afscheiding« und eine »Doleantie«<br />
gab, die ebenso von Heiligungsmotiven inspiriert waren.)<br />
Der ehemalige Prediger Henry Borlase, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich schon früh <strong>de</strong>n »Brü<strong><strong>de</strong>r</strong>n« anschloss<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong> erste Redakteur ihrer ersten Zeitschrift, <strong>de</strong>s Christian Witness, wur<strong>de</strong>, sagte 1833<br />
über die Christen zur Zeit Konstantins <strong>de</strong>s Großen: »Sie fielen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat, aber das geschah<br />
nur in <strong>de</strong>m Maße, wie durch das Aufweichen <strong><strong>de</strong>r</strong> apostolischen Anordnungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geist <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt Eingang unter ihnen fand; und <strong><strong>de</strong>r</strong> Zaun, <strong>de</strong>n Gott um sein eigenes Volk<br />
errichtet hatte und durch <strong>de</strong>n es gegen alle Angriffe <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfolgung hatte bestehen kön-