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Die Versammlung des lebendigen Gottes - bruederbewegung.de

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Rudolf Brockhaus<br />

<strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong><br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong><br />

<strong>brue<strong>de</strong>rbewegung</strong> .<strong>de</strong>


Zeichengetreuer Abdruck <strong><strong>de</strong>s</strong> Originals (lediglich die Fußnotenbezeichnung<br />

musste in einem Fall <strong>de</strong>m verän<strong>de</strong>rten Seitenumbruch<br />

angepasst wer<strong>de</strong>n). Sperrdruck <strong>de</strong>r Vorlage ist durch Kursivdruck,<br />

Antiqua durch Groteskschrift wie<strong>de</strong>rgegeben. <strong>Die</strong> Seitenzahlen <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Originals sind in eckigen Klammern und kleinerer, roter Schrift eingefügt.<br />

<strong>Die</strong>se Arbeit, eine Erwi<strong>de</strong>rung auf Friedrich Kaisers Schrift Ist die sogenannte<br />

<strong>Versammlung</strong> (darbystische) in ihren Lehren und Einrichtungen biblisch?, erschien<br />

zuerst als Artikelserie im Botschafter <strong><strong>de</strong>s</strong> Heils in Christo 59 (1911), S. 296–308,<br />

320–333; 60 (1912), S. 12–27, 37–44, 68–83, 128–138, 151–164, 184–192,<br />

dann (leicht überarbeitet) in einer Reihe von Broschüren und schließlich als<br />

Gesamtausgabe in Buchform. Der Nachdruck basiert auf <strong>de</strong>r Gesamtausgabe.<br />

© dieser Ausgabe: 2005 <strong>brue<strong>de</strong>rbewegung</strong>.<strong>de</strong><br />

Texterfassung und Satz: Michael Schnei<strong>de</strong>r<br />

Veröffentlicht im Internet unter<br />

http://www.<strong>brue<strong>de</strong>rbewegung</strong>.<strong>de</strong>/pdf/brockhausversammlung.pdf<br />

<strong>brue<strong>de</strong>rbewegung</strong> .<strong>de</strong>


<strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong><br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong>.<br />

————<br />

»<strong>Die</strong>ses schreibe ich dir, … auf daß du<br />

wissest, wie man sich verhalten soll im Hause<br />

<strong>Gottes</strong>, welches die <strong>Versammlung</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong><br />

<strong>Gottes</strong> ist, <strong>de</strong>r Pfeiler und die Grundfeste <strong>de</strong>r<br />

Wahrheit.« (1. Tim. 3, 14. 15.)<br />

<br />

Elberfeld.<br />

Verlag von R. Brockhaus.<br />

1912.


——————<br />

<strong>Die</strong> Schriftstellen sind angeführt nach <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>mselben<br />

Verlag erschienenen Übersetzung <strong>de</strong>r Heiligen Schrift,<br />

<strong>de</strong>r sogenannten »Elberfel<strong>de</strong>r Bibel«.<br />

——————<br />

Druck: Albert Fastenrath, Elberfeld, Aue 1–5.


[3]<br />

*) Siehe die Vorre<strong>de</strong> zum Neuen Testament in <strong>de</strong>r »Elberfel<strong>de</strong>r Bibel«.<br />

I.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong> o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>.<br />

»Siehe, wie gut und wie lieblich ist es, wenn Brü<strong>de</strong>r einträchtig beieinan<strong>de</strong>r<br />

wohnen!<br />

Wie das köstliche Öl auf <strong>de</strong>m Haupte, das herabfließt auf <strong>de</strong>n Bart, auf <strong>de</strong>n<br />

Bart Aarons, das herabfließt auf <strong>de</strong>n Saum seiner Klei<strong>de</strong>r; wie <strong>de</strong>r Tau <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Hermon, <strong>de</strong>r herabfällt auf die Berge Zions.<br />

Denn dort hat Jehova <strong>de</strong>n Segen verordnet, Leben bis in Ewigkeit.«<br />

(Ps. 133.)<br />

Es darf heute als allgemein bekannt vorausgesetzt wer<strong>de</strong>n, daß das Wort »<strong>Versammlung</strong>«<br />

o<strong>de</strong>r »Gemein<strong>de</strong>« die Übersetzung <strong><strong>de</strong>s</strong> griechischen Wortes ekklesia ist. <strong>Die</strong>ses,<br />

von <strong>de</strong>m Zeitwort ekkalein = herausrufen, berufen, gebil<strong>de</strong>t, bezeichnet zunächst eine<br />

<strong>Versammlung</strong> von Leuten, welche in <strong>de</strong>n griechischen Städten Bürgerrecht hatten, gegenüber<br />

solchen Einwohnern, die <strong><strong>de</strong>s</strong>selben ermangelten und paroikoi genannt wur<strong>de</strong>n.*)<br />

Vergl. Apostgesch. 19, 39: »Wenn ihr aber wegen an<strong>de</strong>rer Dinge ein Gesuch habt, so wird<br />

es in <strong>de</strong>r gesetzlichen <strong>Versammlung</strong> erledigt wer<strong>de</strong>n«. Weiterhin bezeichnet es eine<br />

Volksversammlung im allgemeinen Sinne, eine zusammengeströmte Volksmenge: »Und<br />

als er dies gesagt hatte, entließ er die <strong>Versammlung</strong>«. [4] (V. 41; so auch V. 32). Dann wird<br />

die Gemein<strong>de</strong> Israels in <strong>de</strong>r Wüste ekklesia genannt. (Apstgsch. 7, 38.) Und schließlich<br />

wird das Wort angewandt auf die <strong>Versammlung</strong> <strong>de</strong>r aus Ju<strong>de</strong>n und Hei<strong>de</strong>n berufenen<br />

Gläubigen (o<strong>de</strong>r Heiligen, 1. Kor. 14, 33), sowohl in allgemeiner, alle Gläubigen umfassen<strong>de</strong>r<br />

Be<strong>de</strong>utung, als auch in begrenztem Sinne nur die Gläubigen an irgend einem Orte<br />

bezeichnend. Zuweilen liest man auch von einer <strong>Versammlung</strong> in irgend einem Hause,<br />

wie z. B. in 1. Kor. 16, 19: »Es grüßen euch … Aquila und Priscilla, samt <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong><br />

in ihrem Hause«. (Vergl. Röm. 16, 5; Kol. 4, 15; Philem. 2.) Aber daraus geht keineswegs<br />

hervor, daß in <strong>de</strong>n Häusern <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Stellen genannten Gläubigen<br />

beson<strong>de</strong>re, selbständige <strong>Versammlung</strong>en bestan<strong>de</strong>n hätten. Im Gegenteil schreibt <strong>de</strong>r<br />

Apostel »<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong>, die in Korinth ist«, »<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> <strong>de</strong>r Thessalonicher«;<br />

er re<strong>de</strong>t von »<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> <strong>de</strong>r Laodicäer« und von »<strong>de</strong>r <strong>Die</strong>nerin <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong><br />

in Kenchreä«. Lukas re<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Apostelgeschichte immer wie<strong>de</strong>r von »<strong>de</strong>r<br />

<strong>Versammlung</strong> in Jerusalem«, obwohl schon bald die Zahl <strong>de</strong>r Gläubigen dort auf viele<br />

Tausen<strong>de</strong> anwuchs und <strong><strong>de</strong>s</strong>halb wohl niemals an <strong>de</strong>m nämlichen Orte versammelt sein<br />

konnte, von »<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> in Antiochien, in Ephesus«. (Vergl. Kap. 2, 47; 13, 1;<br />

14, 27; 15, 3. 4; 18, 22; 20, 17.)<br />

Von mehreren, nebeneinan<strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n <strong>Versammlung</strong>en an einem Orte weiß die<br />

Schrift nichts. Wohl aber wer<strong>de</strong>n die Gläubigen eines Ortes, wenn die wachsen<strong>de</strong> Zahl es<br />

nötig machte, in mehreren [5] Häusern zusammengekommen sein, o<strong>de</strong>r auch, durch mancherlei<br />

Umstän<strong>de</strong>, Verfolgungen u. s. w. gezwungen, ihre <strong>Versammlung</strong>sstätten häufig<br />

gewechselt haben. Doch dadurch wur<strong>de</strong> nichts an <strong>de</strong>r Einheitlichkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> ganzen, an einem<br />

Orte durch die Gna<strong>de</strong> <strong>Gottes</strong> errichteten Zeugnisses geän<strong>de</strong>rt. Auch wur<strong>de</strong>, wenn es<br />

sich um außergewöhnliche Angelegenheiten, ernste Entscheidungen und <strong>de</strong>rgleichen han<strong>de</strong>lte,<br />

die ganze <strong>Versammlung</strong> zusammengebracht. (Apstgsch. 14, 27; 15, 22; vergl. auch<br />

1. Kor. 14, 23).


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 6<br />

So war es im Anfang, und so entsprach es <strong>de</strong>n Gedanken <strong>Gottes</strong>. Er selbst tat, wie wir<br />

in Apstgsch. 2, 47 lesen, in Jerusalem täglich »zu <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>« hinzu, die gerettet<br />

wer<strong>de</strong>n sollten. Von <strong>de</strong>r Errichtung mehrerer <strong>Versammlung</strong>en o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n an einem<br />

Orte fin<strong>de</strong>n wir, wie gesagt, nirgendwo eine Spur. Steht das Wort in <strong>de</strong>r Mehrzahl, so sind<br />

immer entwe<strong>de</strong>r alle <strong>Versammlung</strong>en o<strong>de</strong>r diejenigen einer Provinz, eines Lan<strong><strong>de</strong>s</strong> u.s.w.<br />

gemeint. (So z. B. Apstgsch. 9, 31; 15, 41; 16, 5; Röm. 16, 4. 16; 1. Kor. 7, 17; 11, 16<br />

u. a. St.) Wenn man, um das Bestehen verschie<strong>de</strong>ner christlicher Körperschaften o<strong>de</strong>r<br />

Gemeinschaften an einem Orte zu rechtfertigen, zu beweisen sucht, es sei im Anfang <strong>de</strong>r<br />

Geschichte <strong>de</strong>r Kirche auch schon so gewesen, so kann man nur sagen, daß <strong>de</strong>r Wunsch<br />

<strong>de</strong>r Vater <strong><strong>de</strong>s</strong> Gedankens ist. Man will es so, darum ist es so.<br />

An<strong>de</strong>rerseits bedarf es kaum einer Erwähnung, daß es nicht nur eine große Anmaßung,<br />

son<strong>de</strong>rn auch eine völlige Verdrehung <strong>de</strong>r Wahrheit sein wür<strong>de</strong>, wenn irgend eine<br />

Gemeinschaft von Gläubigen, mag ihre Zahl groß o<strong>de</strong>r klein sein, sich <strong>de</strong>n Namen »die<br />

Versamm- [6] lung« o<strong>de</strong>r »die Gemein<strong>de</strong>« beilegen wollte. Sie wür<strong>de</strong> damit ja alle übrigen<br />

Gläubigen als nicht zur <strong>Versammlung</strong> o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> gehörend ausschließen. Nein, die<br />

<strong>Versammlung</strong> im weiteren Sinne besteht aus allen wahren Gläubigen auf <strong>de</strong>r ganzen Er<strong>de</strong>,<br />

und die <strong>Versammlung</strong> im begrenzten örtlichen Sinne aus allen wahren Gläubigen an <strong>de</strong>m<br />

betreffen<strong>de</strong>n Orte, mögen sie stehen und sich nennen, wie sie wollen, ja, mögen sie in<br />

noch so viele größere o<strong>de</strong>r kleinere Körperschaften und Benennungen zerteilt sein. Nach<br />

<strong>Gottes</strong> Wort und Gedanken gibt es an einem Orte nur eine <strong>Versammlung</strong>, nur eine Gemein<strong>de</strong>,<br />

und wir sollten doch bemüht sein, mit <strong>Gottes</strong> Gedanken zu <strong>de</strong>nken, und alle<br />

eigenen Gedanken und Meinungen fahren lassen.<br />

Aus <strong>de</strong>r durch die Untreue <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen entstan<strong>de</strong>nen Verwirrung und aus jenen<br />

eigenen Gedanken und Meinungen heraus kommen alle solche Fragen wie: »Wie nennst<br />

du dich?« – »Wozu gehörst du?« – »Wo hast du dich angeschlossen?« u. s. w. Niemand<br />

wird behaupten wollen, daß in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Apostel irgend ein Christ <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren so<br />

gefragt haben könne. Nun, wenn es damals nicht richtig war, so zu fragen, kann es dann<br />

heute richtig sein? Ganz gewiß nicht, o<strong>de</strong>r man müßte die sogenannte »geschichtliche<br />

Entwicklung« <strong>de</strong>r christlichen Kirche betrachten als von Gott gewollt und von Ihm anerkannt.<br />

Wenn man das nicht tut – und welcher einfältige, <strong>de</strong>m Wort und Willen <strong>Gottes</strong><br />

unterworfene Christ könnte es? – kann man die vielen verschie<strong>de</strong>nartigen Körperschaften<br />

nicht als Gott wohlgefällig anerkennen.<br />

Aber, fragt man, sind <strong>de</strong>nn nicht reiche Segensströme von vielen dieser Gemeinschaften<br />

nach nahe und [7] fern hin ausgeflossen? Haben nicht treue, wackere <strong>Gottes</strong>männer an<br />

ihrer Spitze gestan<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r stehen heute noch da? Haben nicht viele ihrer Glie<strong>de</strong>r bis<br />

aufs Blut gelitten und gestritten für ihren Herrn? Wer<strong>de</strong>n sie nicht reichen Lohn empfangen<br />

für ihre Treue bis in <strong>de</strong>n Tod, für ihren Fleiß, ihre Liebe, ihr Ausharren? Wie<strong>de</strong>r<br />

antworten wir: Ganz gewiß! Wer könnte, wer wollte das in Frage stellen? Wer es verkleinern<br />

o<strong>de</strong>r neidisch gar leugnen? Aber so laut die genannten Dinge Zeugnis geben<br />

mögen von <strong>de</strong>r richtigen Herzensstellung jener treuen Männer zu Jesu, ihrem Herrn, beweisen<br />

sie doch nichts für die Richtigkeit ihrer Stellung zu ihren Mitgläubigen o<strong>de</strong>r, besser<br />

gesagt, von <strong>de</strong>m Erfassen und Verwirklichen <strong>de</strong>r Gedanken <strong>Gottes</strong> über »Christum und<br />

die <strong>Versammlung</strong>«, die Sein Leib ist, in welchem keine Spaltung sein sollte (1. Kor.<br />

12, 25). Man mag <strong>de</strong>mgegenüber einwen<strong>de</strong>n: <strong>Die</strong> Trennungen und Spaltungen sind einmal<br />

da, man kann sie nicht mehr hinwegschaffen, man muß sich darum, so gut o<strong>de</strong>r so schlecht<br />

es gehen mag, mit ihnen abfin<strong>de</strong>n; an<strong>de</strong>re mögen sie sogar zu entschuldigen o<strong>de</strong>r selbst zu<br />

rechtfertigen und als nützlich und segenbringend hinzustellen suchen – aber ein zartes<br />

Gewissen, das in allem <strong>de</strong>n Willen <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn zu tun bereit ist, wird sich dabei nicht beruhigen<br />

können.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 7<br />

Man sagt auch oft: Der Herzenszustand eines Gläubigen ist viel wichtiger als seine<br />

äußere christliche Stellung, seine Zugehörigkeit o<strong>de</strong>r Nichtzugehörigkeit zu irgend einer<br />

religiösen Körperschaft. Aber ohne die Gra<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wichtigkeit dieser bei<strong>de</strong>n Dinge gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

abwägen zu wollen, ist das Wort <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn doch [8] je<strong>de</strong>nfalls auch in dieser<br />

Hinsicht wahr: »dieses hättet ihr tun und jenes nicht lassen sollen.« Falsch ist es je<strong>de</strong>nfalls,<br />

das eine auf Kosten <strong><strong>de</strong>s</strong> an<strong>de</strong>ren abzuschwächen.<br />

Aber um auf die oben angeführten Fragen zurückzukommen, ist es allerdings, nach<strong>de</strong>m<br />

einmal die große Verwirrung eingetreten ist, bei <strong>de</strong>m besten Willen oft schwer, sich<br />

richtig auszudrücken, um so schwerer, weil <strong>de</strong>r Gedanke, irgend einer religiösen Körperschaft<br />

angehören, »Anhänger« irgend eines Mannes, eines Lehrsystems o<strong>de</strong>r eines Bekenntnisses<br />

sein zu müssen, <strong>de</strong>n meisten Christen (echten und unechten) so in Fleisch und<br />

Blut übergegangen ist, daß sie sich eine an<strong>de</strong>re Möglichkeit gar nicht <strong>de</strong>nken können.<br />

»Das Kind muß doch einen Namen haben!« sagt man. So re<strong>de</strong>t man sogar von »Anhängern<br />

<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>« o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r »<strong>Versammlung</strong>en«! Nun ist es ganz gewiß wahr, daß<br />

Gott nicht will, daß Seine Kin<strong>de</strong>r ein je<strong><strong>de</strong>s</strong> für sich allein stehen. Im Gegenteil, wir sind<br />

ermahnt, Gemeinschaft miteinan<strong>de</strong>r zu pflegen und unser Zusammenkommen nicht zu<br />

versäumen. Christus ist gestorben, »auf daß Er die zerstreuten Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> in eins versammelte«.<br />

(Joh. 11, 52.) Aber wird jener Ermahnung o<strong>de</strong>r dieser Liebesabsicht <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Herrn in Seinem To<strong>de</strong> dadurch entsprochen, daß man je nach Belieben o<strong>de</strong>r vermeintlichem<br />

Bedürfnis selbständige, unabhängige Gemein<strong>de</strong>n mit Namen, Glaubensbekenntnis<br />

und eigener Verfassung grün<strong>de</strong>t? O<strong>de</strong>r wird dadurch etwas gebessert, daß man diese Gemein<strong>de</strong>n<br />

»biblische Gemein<strong>de</strong>n« nennt? Sind sie wirklich biblisch? In <strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Sinne gewiß nicht. Denn wenn Christus [9] gestorben ist, um die zerstreuten Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong><br />

in eins zu versammeln, kann es nicht biblisch sein, wenn die Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> an einem und<br />

<strong>de</strong>mselben Orte sich in zehn, zwölf o<strong>de</strong>r gar noch mehr Gruppen mit verschie<strong>de</strong>nen Benennungen,<br />

Bekenntnissen u. s. w. aufgelöst haben. Wo ist da die Einheit, von welcher in<br />

Joh. 17, 21 die Re<strong>de</strong> ist, infolge <strong>de</strong>rer die Welt glauben soll, daß <strong>de</strong>r Vater <strong>de</strong>n Sohn gesandt<br />

hat? <strong>Die</strong> Einheit, von welcher <strong>de</strong>r Herr sagt: »gleichwie du, Vater, in mir und ich in<br />

dir«?<br />

In<strong>de</strong>m ich dies schreibe, <strong>de</strong>nke ich keineswegs daran, die Schuld an diesem traurigen<br />

Zustand an<strong>de</strong>ren zuzuschieben. Nein, wir haben gesündigt, wir alle, die wir zu <strong>de</strong>r großen<br />

Schar <strong>de</strong>r Erretteten, <strong>de</strong>r mit Blut erkauften Familie <strong>Gottes</strong> gehören, die wir uns Brü<strong>de</strong>r<br />

und Schwestern in Christo nennen, aber vielfach einan<strong>de</strong>r so fremd gewor<strong>de</strong>n sind, daß<br />

wir einer <strong><strong>de</strong>s</strong> an<strong>de</strong>ren Sprache nicht mehr verstehen. Schreiber und Leser dieser Zeilen,<br />

– wir alle sind schuldig. Unser ist die Beschämung <strong><strong>de</strong>s</strong> Angesichts. Aber wo ist das Heilmittel?<br />

Es besteht nicht darin, daß wir das Übel ver<strong>de</strong>cken, beschönigen, o<strong>de</strong>r von Zeit zu<br />

Zeit für einige Tage so tun, als wären wir alle ein Herz und eine Seele, und sind es doch<br />

nicht; daß wir rufen: Frie<strong>de</strong>, Frie<strong>de</strong>! und da ist doch kein Frie<strong>de</strong>. Nein, das Heilmittel liegt<br />

in einer persönlichen ernsten Beugung vor Gott und einer persönlichen aufrichtigen Umkehr<br />

zu <strong>de</strong>m, was wir aufgegeben und verloren haben. »Ge<strong>de</strong>nke nun, wie du empfangen<br />

und gehört hast, und bewahre es und tue Buße!« (Offbg. 3, 3.)<br />

[10] Seit Jahrzehnten haben viele Gläubige durch <strong>Gottes</strong> Gna<strong>de</strong> dies als einziges Heilmittel<br />

erkannt und, unter Aufgebung aller Parteiunterschie<strong>de</strong> und mit Abreißung <strong>de</strong>r<br />

Zäune und trennen<strong>de</strong>n Schranken, sich bemüht, nach <strong>Gottes</strong> Gedanken einfach als Brü<strong>de</strong>r,<br />

als Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong>, als Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi, ohne irgendwelche Son<strong>de</strong>r-Benennung,<br />

sich in <strong>de</strong>m Namen, <strong>de</strong>r allein vor Gott Wert hat, in <strong>de</strong>m Namen Jesu, zu versammeln.<br />

Man hat sie <strong><strong>de</strong>s</strong>halb viel angefein<strong>de</strong>t. Sie selbst haben auch durch Untreue, durch<br />

Mangel an Demut und Wachsamkeit, durch Eigenwille und Lieblosigkeit, viel Anlaß zu


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 8<br />

berechtigtem Ta<strong>de</strong>l gegeben. Gott hat sie infolge dieser ernsten Verfehlungen in <strong>de</strong>n Staub<br />

geworfen. An manchen Orten sind gera<strong>de</strong> sie, die viel und mit Recht von <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> gezeugt und dafür gelitten haben, gera<strong>de</strong>zu zu einem Sprichwort gewor<strong>de</strong>n.<br />

Alles das ist lei<strong>de</strong>r nur zu wahr. Aber was beweist es? Daß das, was sie bekannt und<br />

darzustellen gesucht haben, falsch ist? Nein, son<strong>de</strong>rn daß sie das anvertraute Gut nicht<br />

treu verwaltet haben. Sie haben von neuem gezeigt, was in <strong>de</strong>r Geschichte <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen<br />

sich schon so oft wie<strong>de</strong>rholt hat, daß alles, was Gott <strong>de</strong>m Menschen anvertraut, von diesem<br />

veruntreut und verdorben wird. Aber Gott sei gepriesen! Seine Treue wankt nicht,<br />

und Seine Wahrheit verän<strong>de</strong>rt sich nicht. Mögen die von Ihm benutzten Gefäße und<br />

Werkzeuge auch wechseln – Seine Gedanken und Ratschlüsse sind unverän<strong>de</strong>rlich. Er<br />

kann einen Leuchter, einen Lichtträger, hinwegtun und einen an<strong>de</strong>ren an <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Stelle<br />

setzen, aber das Licht bleibt dasselbe.<br />

Wir haben vorhin gesagt, daß die Gläubigen, [11] welche wünschen, in <strong>de</strong>r angegebenen<br />

Weise zusammenzukommen und ein einheitliches Zeugnis von <strong>de</strong>r kostbaren Wahrheit<br />

darzustellen, daß da ein Leib und ein Geist ist, keine Son<strong>de</strong>r-Benennung angenommen<br />

haben; und wir fragen: Sollen sie, können sie irgend einen Namen, eine Benennung<br />

suchen, die sie von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Gläubigen unterschei<strong>de</strong>t, die aus ihnen eine neue Gemeinschaft<br />

o<strong>de</strong>r Genossenschaft macht? Wür<strong>de</strong>n sie damit nicht sofort das, was sie darstellen<br />

und bezeugen wollen, wie<strong>de</strong>r umstoßen? Sie sind Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> und <strong><strong>de</strong>s</strong>halb Brü<strong>de</strong>r,<br />

sie sind Glie<strong>de</strong>r am Leibe Christi, durch einen Geist zu einem Leibe getauft; das Wort<br />

nennt sie Heilige und Geliebte. Ist das nicht genug? Sollen sie <strong>de</strong>m noch irgend einen<br />

an<strong>de</strong>ren Namen, ein an<strong>de</strong>res Bekenntnis hinzufügen?<br />

Wozu gehören sie? Sie sind, wie bereits gesagt, Glie<strong>de</strong>r am Leibe Christi, sie sind<br />

Christi Eigentum, sie gehören zu <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong> (1. Tim. 3, 15),<br />

sind lebendige Steine in <strong>de</strong>m geistlichen Hause, <strong>de</strong>m heiligen Tempel <strong>Gottes</strong>, sie sind<br />

heilige und königliche Priester (Eph. 2 und 1. Petr. 2), Anbeter <strong>Gottes</strong> in Geist und Wahrheit<br />

u. s. w. Sind das <strong>de</strong>nn nicht auch die übrigen Gläubigen, alle Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong>? Selbstverständlich!<br />

O<strong>de</strong>r sind jene es mehr o<strong>de</strong>r in einem an<strong>de</strong>ren Sinne als diese? Keineswegs!<br />

Haben sie irgend etwas voraus vor an<strong>de</strong>ren Kin<strong>de</strong>rn <strong>Gottes</strong>? Nicht das Geringste! Was<br />

schei<strong>de</strong>t sie <strong>de</strong>nn von diesen? Von ihrer Seite nichts; die Scheidungsgrün<strong>de</strong> liegen auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite, in <strong>de</strong>n vielen menschlichen Zutaten, Namen, [12] Bekenntnissen, Statuten,<br />

Einrichtungen &c., die sie nicht als von Gott kommend anerkennen und <strong><strong>de</strong>s</strong>halb auch<br />

nicht annehmen können.<br />

Und wenn nun einer von ihnen gefragt wird: »Was bist du?« was soll er dann antworten?<br />

Der Lutheraner sagt: »Ich bin Lutheraner«; <strong>de</strong>r Methodist: »Ich bin Methodist«;<br />

<strong>de</strong>r Baptist: »Ich bin Baptist«; <strong>de</strong>r Freigemeindler: »Ich gehöre zur freien Gemein<strong>de</strong>«<br />

u. s. w. Wenn er antwortet: »Ich bin ein Christ«, so muß er sich sagen lassen: »Das sind<br />

wir alle; wir wollen wissen, wie du dich nennst; wozu du gehörst«. Antwortet er dann:<br />

»Ich gehöre zur <strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong>«, so ist’s wie<strong>de</strong>r nicht recht. Was soll er nun tun?<br />

Und wer trägt die Schuld an <strong>de</strong>r Schwierigkeit? Warum ist <strong>de</strong>r Name »Christ« und die<br />

Zugehörigkeit zum »Hause <strong>Gottes</strong>, welches die <strong>Versammlung</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong> ist«,<br />

nicht mehr genügend? Jene, welche die Fragen stellen, mögen die Antwort hierauf geben.<br />

Zuweilen hat man auf die Frage: »Wozu gehörst du?« einfach geantwortet: »Zur <strong>Versammlung</strong>«,<br />

und dadurch allerdings <strong>de</strong>r Möglichkeit eines Mißverstan<strong>de</strong>nwer<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>n<br />

Weg bereitet, als wäre »<strong>Versammlung</strong>« nur eine Bezeichnung mehr, um eine bestimmte<br />

Anzahl o<strong>de</strong>r eine Genossenschaft von Christen von an<strong>de</strong>ren Benennungen zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>n meisten Fällen wird dieser Gedanke <strong>de</strong>m Auskunftgeben<strong>de</strong>n aber ganz fremd<br />

gewesen sein; <strong>de</strong>nn wenn jemand <strong>de</strong>n Ausdruck so verstehen wür<strong>de</strong>, als ob die Wenigen<br />

o<strong>de</strong>r Vielen, mit <strong>de</strong>nen er sich an seinem Wohnort versammelt, mit Ausschluß <strong>de</strong>r übrigen


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 9<br />

Gläubigen an jenem [13] Orte, die <strong>Versammlung</strong> bil<strong>de</strong>ten, so wür<strong>de</strong> er sehr verkehrt <strong>de</strong>nken<br />

und re<strong>de</strong>n. Möglich ist es ja, daß, aus Mangel an Verständnis, bei Einzelnen je einmal<br />

solche Gedanken gewesen sind, aber es wäre doch unrecht, die Fehler Einzelner <strong>de</strong>r Gesamtheit<br />

zur Last zu legen.<br />

Ach! wenn die Verwirrung nach außen und innen, in <strong>de</strong>n Erscheinungen und in <strong>de</strong>n<br />

Begriffen, nicht so groß wäre, so wür<strong>de</strong> eine solche Frage überhaupt nicht gestellt wer<strong>de</strong>n<br />

und niemand in Gefahr kommen, eine unrichtige Antwort zu geben. Könnten wir uns<br />

wohl <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>nken, daß <strong>de</strong>r Herr Jesus die Frage: »Wozu gehörst du?« an einen Gläubigen<br />

richten könnte? Wahrlich nicht, es sei <strong>de</strong>nn, daß Er ihn von <strong>de</strong>r Verkehrtheit seiner<br />

Zugehörigkeit zu irgend einer von Menschen errichteten Körperschaft überzeugen wollte.<br />

Über die bei<strong>de</strong>n Ausdrücke »<strong>Versammlung</strong>« und »Gemein<strong>de</strong>« ist schon viel und doch<br />

völlig ohne Grund gestritten wor<strong>de</strong>n. Weshalb die Übersetzer <strong>de</strong>r »Elberfel<strong>de</strong>r Bibel« <strong>de</strong>n<br />

ersten vorgezogen haben, geht aus <strong>de</strong>r Vorre<strong>de</strong> zum Neuen Testament hervor. Irgend<br />

eine ten<strong>de</strong>nziöse Absicht hat ihnen völlig fern gelegen. Als die erste Ausgabe <strong>de</strong>r Übersetzung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Neuen Testaments erschien, gab es ja überhaupt nur ein verschwin<strong>de</strong>nd kleines<br />

Häuflein von Christen in Deutschland, die sich in <strong>de</strong>r bekannten Weise versammelten.<br />

Hätten die Übersetzer ahnen können, zu welch falschen Auslegungen und welchen Unterstellungen<br />

die Wahl jenes Ausdrucks im Laufe <strong>de</strong>r Jahre führen wür<strong>de</strong>, möchten sie vielleicht,<br />

trotz ihrer Be<strong>de</strong>nken, die Übersetzung »Gemein<strong>de</strong>« ge- [14] lassen haben,*) obwohl<br />

die Be<strong>de</strong>utung von ekklesia in <strong>de</strong>m Worte Gemein<strong>de</strong> nicht zum Ausdruck kommt. Wären<br />

wir in <strong>de</strong>r glücklichen Lage, ein aus ekklesia gebil<strong>de</strong>tes Wort zu besitzen, wie z. B. die<br />

Franzosen (église), so wäre je<strong>de</strong>r Streit been<strong>de</strong>t. <strong>Die</strong> englische Bibel hat church (Kirche),<br />

die holländische, gleich <strong>de</strong>n meisten <strong>de</strong>utschen Ausgaben (außer <strong>de</strong>n katholischen, welche<br />

»Kirche« übersetzen): gemeente (Gemein<strong>de</strong>).<br />

Man wen<strong>de</strong>t gegen das Wort »<strong>Versammlung</strong>« ein, daß es nur die Be<strong>de</strong>utung eines<br />

»einmaligen Sichzusammenfin<strong>de</strong>ns«, einer Zusammenkunft, habe; »gehen die Versammelten<br />

auseinan<strong>de</strong>r, so ist die <strong>Versammlung</strong> aus«. – Dem ist doch wohl nicht so. Daß das<br />

Wort diesen Sinn hat, ist zweifellos; aber es hat noch eine an<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung und ähnelt<br />

darin <strong>de</strong>m Worte »Gemeinschaft«. Man könnte sonst z. B. nicht von einer »gesetzgeben<strong>de</strong>n<br />

<strong>Versammlung</strong>«, einer »Reichsversammlung« und <strong>de</strong>rgleichen re<strong>de</strong>n, auch nicht an<br />

eine zu irgend einem Zweck zusammengekommene Schar von Menschen sich mit <strong>de</strong>r<br />

Anre<strong>de</strong> »Geehrte <strong>Versammlung</strong>« wen<strong>de</strong>n. Aus bei<strong>de</strong>m geht hervor, daß man unter <strong>Versammlung</strong><br />

auch eine Körperschaft, die Versammelten, nicht nur das jeweilige Zusammensein,<br />

das Zusammenkommen verstehen kann. So ist »die <strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong>« jene aus<br />

allen Völkern <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> gesammelte und berufene Schar, die <strong>Versammlung</strong> <strong>de</strong>r Berufenen,<br />

die allezeit vor <strong>Gottes</strong> Augen steht, obwohl sie über die ganze [15] Er<strong>de</strong> hin zerstreut ist,<br />

und die ihren jeweiligen Ausdruck, ihre örtliche Darstellung, da fin<strong>de</strong>t, wo Gläubige sich<br />

einfach als solche, als Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi, um Christum, ihr Haupt, scharen.<br />

Doch genug. Der Leser wird verstehen, daß es weniger auf das Wort, <strong>de</strong>n Ausdruck,<br />

ankommt, als auf das Wesen <strong>de</strong>r Sache und auf das Erfassen und Verwirklichen <strong><strong>de</strong>s</strong> göttlichen<br />

Gedankens, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Worte liegt. Darum, wer die Übersetzung »Gemein<strong>de</strong>«<br />

vorzieht, benutze sie ruhig; wenn er nur das Richtige darunter versteht. Aber er verurteile<br />

auch <strong>de</strong>n nicht, <strong>de</strong>r die Übersetzung »<strong>Versammlung</strong>« als genauer und <strong>de</strong>m Sinne mehr<br />

*) Tatsächlich haben die späteren Bearbeiter <strong>de</strong>r ersten Übersetzung wie<strong>de</strong>rholt vor <strong>de</strong>r Frage gestan<strong>de</strong>n,<br />

ob sie nicht aus <strong>de</strong>n genannten Grün<strong>de</strong>n das Wort »Gemein<strong>de</strong>« wie<strong>de</strong>rherstellen sollten.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 10<br />

entsprechend betrachtet. »Wenn es aber jeman<strong>de</strong>n gut dünkt, streitsüchtig zu sein, so<br />

haben wir solche Gewohnheit nicht, noch die <strong>Versammlung</strong>en <strong>Gottes</strong>.« (1. Kor. 11, 16.)<br />

Zum Schluß noch ein Wort über die Zulassung zu <strong>de</strong>r Gemeinschaft und <strong>de</strong>n Vorrechten<br />

<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>se war in <strong>de</strong>n ersten Tagen <strong>de</strong>r christlichen<br />

Kirche sehr einfach. Der Herr tat hinzu, und die bereits gesammelten Gläubigen erkannten<br />

freudigen und dankbaren Herzens die an, welche so in ihren Kreis eingeführt wur<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Die</strong> Gefahr <strong><strong>de</strong>s</strong> Eindringens unlauterer Elemente war auch schon <strong><strong>de</strong>s</strong>halb gering, weil die<br />

Annahme <strong><strong>de</strong>s</strong> christlichen Bekenntnisses in jenen Tagen meist mit ernsten Schwierigkeiten<br />

und äußeren Verlusten verbun<strong>de</strong>n war. Zugleich wirkte die Kraft <strong><strong>de</strong>s</strong> Heiligen Geistes<br />

inmitten <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> noch so ungeschwächt, daß etwa eindringen<strong><strong>de</strong>s</strong> Böses sogleich<br />

als solches erkannt und entfernt wur<strong>de</strong>.<br />

[16] Heute, in <strong>de</strong>r Zeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Verfalls, liegen die Dinge bekanntlich ganz an<strong>de</strong>rs. Es ist<br />

heute nötig, diejenigen, welche die Zulassung begehren, auf die Echtheit ihres Glaubens<br />

und ihre Reinheit in Wan<strong>de</strong>l und Lehre hin zu prüfen. Wenn man sagt, die einzige For<strong>de</strong>rung,<br />

welche gestellt wer<strong>de</strong>n dürfe, sei die, daß ein Mensch durch <strong>de</strong>n Glauben an Jesum<br />

Vergebung <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>n erlangt habe, so geht das nicht weit genug. Verlangt man eine<br />

Unterwerfung unter gewisse Formen und Einrichtungen, eine genaue Übereinstimmung in<br />

allen Punkten <strong>de</strong>r Lehre, so geht das zu weit. Wir haben kein Recht, ein menschliches<br />

Joch aufzuerlegen, und – wir sollen einan<strong>de</strong>r ertragen in Liebe. Worin bestehen <strong>de</strong>nn die<br />

unerläßlichen Bedingungen? Wir haben sie schon genannt: Echtheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Glaubens und<br />

Reinheit in Wan<strong>de</strong>l und Lehre. Denn ein Mensch kann wirklich wie<strong>de</strong>rgeboren sein und<br />

doch nicht <strong>de</strong>mentsprechend wan<strong>de</strong>ln; und ein Mensch kann wie<strong>de</strong>rgeboren sein und<br />

einen ta<strong>de</strong>llosen Wan<strong>de</strong>l führen und doch ungesund sein in <strong>de</strong>r Lehre. <strong>Gottes</strong> Wort aber<br />

gebietet uns, je<strong>de</strong>n Sauerteig, ob in Wan<strong>de</strong>l o<strong>de</strong>r Lehre, von uns fernzuhalten, <strong>de</strong>nn »ein<br />

wenig Sauerteig durchsäuert <strong>de</strong>n ganzen Teig«. (1. Kor. 5, 6; Gal. 5, 9.) Selbstverständlich<br />

soll damit nicht gesagt sein, daß abweichen<strong>de</strong> Meinungen über diesen o<strong>de</strong>r jenen Punkt,<br />

verschie<strong>de</strong>ne Auslegungen dieser o<strong>de</strong>r jener Stelle nicht vorhan<strong>de</strong>n sein dürfen – solche<br />

wer<strong>de</strong>n bis zum En<strong>de</strong> hin bleiben – wohl aber, daß hinsichtlich <strong>de</strong>r Grundwahrheiten <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Christentums, wie z. B. über die Gottheit Christi, die Auferstehung <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes, über das<br />

völlige Ver<strong>de</strong>rben <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen, die Lehre von <strong>de</strong>r ewigen Verdammnis und an<strong>de</strong>re<br />

ähnliche [17] Dinge, volle Klarheit bestehe. Ist ein Christ in einem solchen Kardinalpunkte<br />

ungesund, so kann von einer Zulassung keine Re<strong>de</strong> sein. Von solchen Leuten sollen wir<br />

uns »wegwen<strong>de</strong>n«, sie »abweisen«, sie nicht einmal »grüßen«. (Vergl. Röm. 16, 17;<br />

1. Tim. 6, 20; Tit. 3, 10; 2. Joh. 10 u.a.St.). Solche nennt das Wort »Männer, die verkehrte<br />

Dinge re<strong>de</strong>n, um die Jünger abzuziehen hinter sich her«, »böse Arbeiter«, »Sektierer«<br />

u. s. w. (Apstgsch. 20, 30; Phil. 3, 2; Tit. 3, 10.)<br />

Wie verhängnisvoll es ist, wenn ein einzelner Christ o<strong>de</strong>r eine ganze <strong>Versammlung</strong><br />

diese ernsten und bestimmten Weisungen <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes nicht beachtet, hat die Erfahrung<br />

hun<strong>de</strong>rtfach gelehrt. Nicht hat <strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong> Teil <strong>de</strong>n ungesun<strong>de</strong>n geheilt, son<strong>de</strong>rn er ist<br />

von <strong>de</strong>m Gift mitangesteckt wor<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>r »Sauerteig« hat seine ver<strong>de</strong>rbliche Wirkung<br />

immer wie<strong>de</strong>r gezeigt. Vergessen wir darum nicht: »<strong>Die</strong> Furcht Jehovas ist: das Böse hassen«<br />

(Spr. 8, 13), und »<strong>de</strong>r Aufrichtigen Straße ist: vom Bösen weichen«. (Hiob 16, 17.)


[18]<br />

II.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong>, das Haus <strong>Gottes</strong>.<br />

»Der Gott, <strong>de</strong>r die Welt gemacht hat und alles was darinnen ist, dieser,<br />

in<strong>de</strong>m Er <strong>de</strong>r Herr <strong><strong>de</strong>s</strong> Himmels und <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ist, wohnt nicht in Tempeln, die<br />

mit Hän<strong>de</strong>n gemacht sind.« (Apstgsch. 17, 24.)<br />

Im 16. Kapitel <strong><strong>de</strong>s</strong> Evangeliums nach Matthäus antwortet <strong>de</strong>r Herr Jesus auf das herrliche<br />

Bekenntnis Petri: »Du bist <strong>de</strong>r Christus, <strong>de</strong>r Sohn <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong>«, mit <strong>de</strong>n<br />

bekannten Worten: »Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; <strong>de</strong>nn Fleisch und Blut haben es<br />

dir nicht geoffenbart, son<strong>de</strong>rn mein Vater, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Himmeln ist. Aber auch ich sage dir,<br />

daß du bist Petrus; und auf diesen Felsen will ich meine <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) bauen,<br />

und <strong><strong>de</strong>s</strong> Ha<strong><strong>de</strong>s</strong> Pforten wer<strong>de</strong>n sie nicht überwältigen.« (V. 17. 18.) Der Titel, welcher<br />

hier <strong>de</strong>r Macht Satans gegeben wird, »<strong><strong>de</strong>s</strong> Ha<strong><strong>de</strong>s</strong> Pforten«, d.i. die ganze gewaltige Macht<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> To<strong><strong>de</strong>s</strong>, welche Satan besaß, zeigt klar und <strong>de</strong>utlich, was das Fundament <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong><br />

Christi ist. Der erste Mensch in seiner Unschuld, <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Nachkommen, Israel unter <strong>de</strong>m<br />

Gesetz – alle sind durch <strong><strong>de</strong>s</strong> Ha<strong><strong>de</strong>s</strong> Pforten überwältigt wor<strong>de</strong>n, aber hier war Einer, <strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Tod nicht behalten konnte. Was Rom über diese Stelle lehrt, ist [19] bekannt und wun<strong>de</strong>rt<br />

uns nicht; wenn aber eine Anzahl entschie<strong>de</strong>n gläubiger Männer, von <strong>de</strong>nen man<br />

wahrlich etwas an<strong>de</strong>res erwarten sollte, schreibt: »Auf die gottbegnadigte und glaubensvolle<br />

Persönlichkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Petrus baut <strong>de</strong>r Herr Seine Gemein<strong>de</strong>«, so weiß man nicht, ob<br />

man mehr betrübt o<strong>de</strong>r erschrocken sein soll. Gott selbst wolle diesen Brü<strong>de</strong>rn die Augen<br />

öffnen, daß sie erkennen, welch eine Unehre sie damit Seinem geliebten Sohne antun, und<br />

welch einen Scha<strong>de</strong>n sie unter Seinen Kin<strong>de</strong>rn anrichten!<br />

Man fragt sich immer wie<strong>de</strong>r und bekommt keine Antwort: Wie ist es möglich, daß<br />

gläubige, mit <strong>de</strong>m Worte <strong>Gottes</strong> bekannte Männer auch nur für einen Augenblick <strong>de</strong>m<br />

Gedanken Raum geben konnten, daß <strong>de</strong>r Sohn <strong>Gottes</strong> Seine <strong>Versammlung</strong>, Seine Gemein<strong>de</strong>,<br />

auf die Persönlichkeit (so hochbegnadigt sie gewesen sein mag) eines armen,<br />

sündigen, irren<strong>de</strong>n Menschen bauen wür<strong>de</strong>? eines Menschen, <strong>de</strong>n Er einige Augenblicke<br />

später mit <strong>de</strong>n Worten strafen muß: »Gehe hinter mich, Satan!« weil er nicht einmal imstan<strong>de</strong><br />

gewesen war, sich persönlich vor <strong>de</strong>n Einflüssen <strong><strong>de</strong>s</strong> Fleisches und <strong><strong>de</strong>s</strong> Fein<strong><strong>de</strong>s</strong> zu<br />

bewahren? Und ein solcher Mensch sollte <strong>de</strong>m zu errichten<strong>de</strong>n Bau einen Charakter und<br />

eine Festigkeit verleihen können, daß <strong><strong>de</strong>s</strong> Ha<strong><strong>de</strong>s</strong> Pforten ihn nicht zu überwältigen vermöchten?!<br />

Was ist <strong>de</strong>nn die Grundlage? Christus, <strong>de</strong>r Sohn <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong>, als solcher in<br />

Kraft erwiesen durch Toten-Auferstehung (Röm. 1, 4), als solcher soeben durch <strong>de</strong>n Vater<br />

im Himmel Simon, <strong>de</strong>m Sohne Jonas, geoffenbart und durch diesen öffentlich bekannt; Er<br />

und die Kraft <strong><strong>de</strong>s</strong> Auferstehungslebens in Ihm, welches [20] allen <strong>de</strong>nen mitgeteilt wird,<br />

die zu Ihm, <strong>de</strong>m Felsenfundament, kommen, die auf Ihn, <strong>de</strong>n kostbaren Eckstein, aufgebaut<br />

wer<strong>de</strong>n und als lebendige Steine Seines Lebens, Seiner Natur teilhaftig wer<strong>de</strong>n. Auf<br />

diesen Felsen wollte Christus Seine Gemein<strong>de</strong> bauen, <strong>de</strong>nn sie bestand damals noch nicht.<br />

Petrus mochte ein Stein (petros) von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung in diesem Gebäu<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n,<br />

aber er war we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Felsen (petra), noch <strong>de</strong>r Baumeister. Christus mochte ihm die<br />

Schlüssel <strong><strong>de</strong>s</strong> Reiches <strong>de</strong>r Himmel übergeben und ihm damit eine beson<strong>de</strong>re Verwaltung<br />

für das Reich anvertrauen, aber das hatte nichts zu tun mit <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong><br />

o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>. Das Reich <strong>de</strong>r Himmel ist nicht die Gemein<strong>de</strong>, und die Gemein<strong>de</strong> nicht<br />

das Reich.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 12<br />

Christus selbst ist hier <strong>de</strong>r Baumeister. Er wirkt in <strong>de</strong>n Seelen, und sie kommen, wenn<br />

auch nur infolge <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die in ihren Herzen wirksam ist, zu Ihm. »Zu welchem kommend,<br />

als zu einem <strong>lebendigen</strong> Steine, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt,<br />

kostbar, seid auch ihr selbst als lebendige Steine aufgebaut, ein geistliches Haus,<br />

ein heiliges Priestertum.« (1. Petr. 2, 4. 5.) Es ist nicht Petrus, es sind nicht Ordnungen<br />

und Satzungen, es ist nicht eine Körperschaft, zu <strong>de</strong>r man kommt, son<strong>de</strong>rn lebendige<br />

Steine kommen zu <strong>de</strong>m <strong>lebendigen</strong> Steine, zu Christo, <strong><strong>de</strong>s</strong>sen ganze Kostbarkeit <strong>de</strong>m<br />

Glauben<strong>de</strong>n geschenkt ist. Durch <strong>de</strong>n <strong>lebendigen</strong> Glauben persönlich mit Ihm verbun<strong>de</strong>n,<br />

Seines Lebens und Seiner Kostbarkeit teilhaftig gemacht, auf Ihn aufgebaut, bil<strong>de</strong>n sie<br />

jenes wun<strong>de</strong>rbare Gebäu<strong>de</strong>, gegen welches Satans Macht nichts vermag.<br />

[21] Alles das ist so einfach, daß man meinen sollte, es müsse sich <strong>de</strong>m Herzen und<br />

Gewissen eines je<strong>de</strong>n Gläubigen sofort und ganz von selbst empfehlen. Aber wie seltsam<br />

berührt es, wenn man in einer an<strong>de</strong>ren Schrift (auch von einem entschie<strong>de</strong>n gläubigen<br />

Verfasser, <strong>de</strong>r, wie er selbst sagt, »sich allein an <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r Bibel gebil<strong>de</strong>t hat«,) von<br />

»<strong>de</strong>r ju<strong>de</strong>nchristlichen und <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>mselben Bo<strong>de</strong>n stehen<strong>de</strong>n, aber sich nach außen hin<br />

sehr verschie<strong>de</strong>n von ihr darstellen<strong>de</strong>n hei<strong>de</strong>nchristlichen Gemein<strong>de</strong>« liest. Danach hätte<br />

es also in jenen Tagen zwei Gemein<strong>de</strong>n, zwei Leiber Christi, einen ju<strong>de</strong>nchristlichen und<br />

einen hei<strong>de</strong>nchristlichen, gegeben, <strong>de</strong>nn die <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) ist <strong>de</strong>r Leib Christi.<br />

(Eph. 1, 23.) Der Herr spricht nur von einer Gemein<strong>de</strong>, die Er aus Ju<strong>de</strong>n und Hei<strong>de</strong>n baut,<br />

und in welcher alle ohne Unterschied <strong>de</strong>n gleichen Platz und die gleichen Vorrechte besitzen;<br />

die Schrift weiß nur von einem Leibe, in welchem we<strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong> noch Grieche ist. Daß<br />

in <strong>de</strong>r ersten Zeit <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Kirche Christi an manchen Orten mehr Seelen aus<br />

<strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Samaritern, an an<strong>de</strong>ren mehr aus <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n errettet wur<strong>de</strong>n, und daß<br />

die einen mehr geneigt waren, in <strong>de</strong>n alten gesetzlichen Gebräuchen zu verharren o<strong>de</strong>r zu<br />

ihnen zurückzukehren, während die an<strong>de</strong>ren vorwiegend in Gefahr stan<strong>de</strong>n, durch ihre<br />

früheren heidnischen Gewohnheiten und Sitten beeinflußt zu wer<strong>de</strong>n, obwohl auch sie<br />

vor gesetzlichem Geist und Treiben nicht sicher waren, – und ferner, daß Gott <strong>de</strong>m einen<br />

Seiner Apostel vornehmlich das Apostelamt <strong>de</strong>r »Beschneidung«, <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren das <strong>de</strong>r<br />

»Vorhaut« anvertraut hatte, – daß schließlich im Blick auf diese verschie<strong>de</strong>nen Gefahren<br />

[22] und Zustän<strong>de</strong>, zugleich auch infolge <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nartigen äußeren Entwicklung und<br />

geistlichen Fortschritte <strong>de</strong>r einzelnen örtlichen <strong>Versammlung</strong>en ein verschie<strong>de</strong>nartig gestalteter<br />

<strong>Die</strong>nst notwendig wur<strong>de</strong>, – das ist einem nur halbwegs mit seiner Bibel vertrauten<br />

Leser bekannt und geläufig. Aber was hat das alles mit <strong>de</strong>n ewigen Gedanken <strong>Gottes</strong><br />

über Sein Haus o<strong>de</strong>r, wenn ich mich so ausdrücken darf, mit <strong>de</strong>m Bauplan Christi bezüglich<br />

Seiner <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) zu tun? Gera<strong>de</strong> die Vereinigung von Ju<strong>de</strong> und Hei<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> durch die Kraft <strong><strong>de</strong>s</strong> Evangeliums, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Heilige Geist sie bei<strong>de</strong><br />

mit Christo verband, führte zu <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>r Behausung <strong>Gottes</strong> im Geiste hienie<strong>de</strong>n.<br />

(Vergl. Eph. 2.)<br />

Ach! das Auge vieler Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> in unseren Tagen hat seine Einfalt so völlig verloren,<br />

<strong>de</strong>r Sinn ist so wenig nüchtern, daß man die einfachsten Grundwahrheiten und die<br />

aufs <strong>de</strong>utlichste geoffenbarten Gedanken <strong>Gottes</strong> nicht erfaßt, son<strong>de</strong>rn nach eigenem Sinn<br />

und Willen umgestaltet. Man kann sich gar nicht dazu erheben, vom göttlichen Standpunkt<br />

aus die durch Unkenntnis, Untreue und Eigenwillen <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen hervorgerufenen<br />

o<strong>de</strong>r beeinflußten Erscheinungen auf christlichem Gebiet zu betrachten, son<strong>de</strong>rn man<br />

macht diese zum Ausgangspunkt seiner Erwägung und Beurteilung und zieht dann seine<br />

Rückschlüsse auf die göttliche Wahrheit. So kommt man dahin, <strong>Gottes</strong> Gedanken in <strong>de</strong>n<br />

engen Rahmen seines Parteistandpunktes einzuzwängen und sie seinen hergebrachten<br />

kurzsichtigen Meinungen anzupassen. O welch eine Ruhe, welch ein Frie<strong>de</strong> ziehen in das<br />

Herz ein, wenn es sich in <strong>de</strong>r Einfalt <strong><strong>de</strong>s</strong> Glaubens [23] über all das Sichtbare und Hörbare,


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 13<br />

über all die Verwirrung und das Parteigezänke, zu Gott erhebt, um von oben her, belehrt<br />

und geleitet durch <strong>de</strong>n Geist <strong>Gottes</strong>, Umschau zu halten! Wie wird das Herz so still, <strong>de</strong>r<br />

Blick so weit, und wie sieht man so klar und <strong>de</strong>utlich seinen Weg, <strong>de</strong>n schmalen Pfad <strong>de</strong>r<br />

Wahrheit, wie sie in Jesu ist, ewig dieselbe, unverän<strong>de</strong>rlich und unantastbar!<br />

<strong>Die</strong> Gemein<strong>de</strong>, von Christo selbst gebaut, wird also in Gna<strong>de</strong> und Kraft gebaut. Gegrün<strong>de</strong>t<br />

auf <strong>de</strong>n Felsen, auf Christum, <strong>de</strong>n Sohn <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong>, kann sie nicht<br />

erschüttert wer<strong>de</strong>n, es müßte <strong>de</strong>nn die in <strong>de</strong>r Auferstehung Christi geoffenbarte Macht <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Lebens durch Satan überwältigt wer<strong>de</strong>n können; aber das ist unmöglich, <strong>de</strong>nn über ihn,<br />

<strong>de</strong>n Starken, ist ein Stärkerer gekommen und hat ihn überwun<strong>de</strong>n. Darum, welche Wandlungen<br />

die Gemein<strong>de</strong> auch ihrer äußeren Erscheinung nach durch eigene Untreue, durch<br />

das Einschleichen falscher Brü<strong>de</strong>r &c. durchgemacht haben mag, ja, wenn selbst ihr äußerer<br />

Zustand so ver<strong>de</strong>rbt wer<strong>de</strong>n mag, daß Christus sie aus Seinem Mun<strong>de</strong> ausspeien muß<br />

(Offb. 3, 16), – <strong>de</strong>nnoch ist ihr Bau so sicher wie die Grundlage, auf welcher sie steht.<br />

<strong>Die</strong>se Grundlage verleiht ihr Sicherheit und Bestand. Christus, <strong>de</strong>r himmlische Baumeister,<br />

führt Sein Werk zu En<strong>de</strong>, Er führt <strong>Gottes</strong> Ratschlüsse aus, mag <strong>de</strong>r Mensch tun was<br />

er will.<br />

<strong>Die</strong>s leitet uns zu <strong>de</strong>r Betrachtung <strong><strong>de</strong>s</strong> Hauses <strong>Gottes</strong> unter einem an<strong>de</strong>ren Gesichtspunkt.<br />

Bisher sahen wir es nur unter <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n Christi als <strong>de</strong>n unantastbaren Bau, <strong>de</strong>n<br />

Er aufführt, als das geistliche Haus, als <strong>de</strong>n heiligen Tempel im Herrn, »aufgebaut auf [24]<br />

die Grundlage <strong>de</strong>r Apostel und Propheten, in<strong>de</strong>m Christus selbst Eckstein ist«, als die<br />

Behausung <strong>Gottes</strong> im Geiste. (1. Tim. 3, 15; 1. Petri 2; Eph. 2; vergl. auch Hebr. 3, 6.) So<br />

betrachtet ist alles vollkommen, da gibt es keine schlechten Baustoffe, keine Risse, kein<br />

Mißlingen. Wenn wir uns nun aber <strong>de</strong>r tatsächlichen Ausführung <strong>de</strong>r Arbeit o<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Werkes auf Er<strong>de</strong>n zuwen<strong>de</strong>n, wie sie uns in 1. Kor. 3 vorgestellt wird, so gewinnt das<br />

Ganze mit einem Schlage ein völlig verän<strong>de</strong>rtes Aussehen: die Verantwortlichkeit <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Menschen kommt hinein, seine Tätigkeit beginnt mit allen ihren beschämen<strong>de</strong>n Folgen.<br />

Paulus (nicht Christus, wie in Matth. 16) hatte nach <strong>de</strong>r ihm gegebenen Gna<strong>de</strong> als ein<br />

weiser Baumeister <strong>de</strong>n Grund gelegt. <strong>Die</strong>ser Grund war Jesus Christus. Einen an<strong>de</strong>ren gab<br />

es nicht, und darum konnte kein an<strong>de</strong>rer gelegt wer<strong>de</strong>n. Nun galt es weiter zu bauen.<br />

An<strong>de</strong>re wür<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Apostel und nach ihm bauen. Ein je<strong>de</strong>r mußte zusehen, wie er<br />

auf <strong>de</strong>n einmal gelegten Grund baute. Man konnte mit Gold, Silber und kostbaren Steinen<br />

bauen, aber auch mit Holz, Heu und Stroh. <strong>Die</strong> Dauerhaftigkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Werkes hing von <strong>de</strong>m<br />

Baustoff ab. Das Werk eines je<strong>de</strong>n sollte durchs Feuer erprobt wer<strong>de</strong>n. Der Tag wür<strong>de</strong> es<br />

klar machen.<br />

Mit an<strong>de</strong>ren Worten: <strong>Die</strong> Lehrtätigkeit eines je<strong>de</strong>n Arbeiters brachte Seelen herzu,<br />

entsprechend <strong>de</strong>m Charakter dieser Tätigkeit. Der Oberbau <strong><strong>de</strong>s</strong> auf <strong>de</strong>r Grundlage (Christus)<br />

errichteten Bauwerks entsprach (und entspricht heute noch) <strong>de</strong>n dazu verwandten<br />

Stoffen. Besteht die Arbeit die Probe, so wird <strong>de</strong>r Arbeiter Lohn empfangen; verbrennt<br />

sie, so wird er Scha<strong>de</strong>n [25] lei<strong>de</strong>n, aber selbst gerettet wer<strong>de</strong>n, »doch so wie durchs Feuer«;<br />

ist er ein böser Arbeiter, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Tempel <strong>Gottes</strong> verdirbt, so wird Gott ihn ver<strong>de</strong>rben.<br />

(V. 14–17.)<br />

Wir haben hier also <strong>Gottes</strong> Bau vor uns hinsichtlich seiner Stellung in dieser Welt,<br />

aber <strong>de</strong>r Mensch baut, und seine Verantwortlichkeit kommt in Betracht. Gott hat erlaubt,<br />

daß das Böse sich schon entwickelte, ehe die Augen <strong>de</strong>rer sich schlossen, welche es mit<br />

göttlicher Weisheit zu beurteilen vermochten. Falsche Brü<strong>de</strong>r schlichen sich ein, <strong>de</strong>r Feind<br />

säte Unkraut unter <strong>de</strong>n Weizen, das Geheimnis <strong>de</strong>r Gesetzlosigkeit begann zu wirken,<br />

und antichristliche Personen traten auf. Paulus, <strong>de</strong>r weise Baumeister, <strong>de</strong>m vor allen an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>de</strong>r <strong>Die</strong>nst und die Sorge für die Kirche Christi anvertraut war, betrachtete auch mit


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 14<br />

beson<strong>de</strong>rs scharfem Auge das Tun <strong><strong>de</strong>s</strong> Fein<strong><strong>de</strong>s</strong> und <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Wirkungen und gab <strong>de</strong>n Gläubigen<br />

die nötigen Weisungen und Warnungen. Eine <strong>de</strong>r bekanntesten Stellen in dieser<br />

Beziehung ist 2. Tim. 2, 19–22. Der Mensch <strong>Gottes</strong> fin<strong>de</strong>t hier genaue Anweisungen, wie<br />

er sich in <strong>de</strong>m Zustand <strong>de</strong>r Dinge, <strong>de</strong>r damals schon sich zeigte und seit<strong>de</strong>m immer mehr<br />

herangereift ist, verhalten soll.<br />

In seinem ersten Briefe an Timotheus nennt <strong>de</strong>r Apostel das Haus <strong>Gottes</strong> »<strong>de</strong>n Pfeiler<br />

und die Grundfeste <strong>de</strong>r Wahrheit«. Aber was ist unter <strong>de</strong>r Verantwortlichkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen<br />

daraus gewor<strong>de</strong>n? Ein »großes Haus«*), das nicht nur gol<strong>de</strong>ne und silberne Gefäße<br />

[26] enthält, son<strong>de</strong>rn auch hölzerne und ir<strong>de</strong>ne, die einen zur Ehre, die an<strong>de</strong>ren zur Unehre.<br />

Wir brauchen uns nicht darüber zu verwun<strong>de</strong>rn. Ist es wahr, daß das Haus <strong>de</strong>r Verwaltung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen übergeben wor<strong>de</strong>n ist, so können wir mit Sicherheit Rückgang und<br />

Verfall erwarten. Doch Gott sei gepriesen! Sein fester Grund steht; er überdauert alle<br />

Zeiten und Proben, und er trägt ein doppeltes Siegel: einerseits kennt <strong>de</strong>r Herr alle, die<br />

Sein sind (<strong>Gottes</strong> Ratschlüsse sind sicher und fest), und an<strong>de</strong>rerseits sollen die, welche <strong>de</strong>n<br />

Namen <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn nennen, von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit abstehen (<strong>de</strong>r Mensch ist verantwortlich).<br />

Der Apostel weist <strong>de</strong>mentsprechend die Gläubigen an, sich von <strong>de</strong>n Gefäßen zur<br />

Unehre zu reinigen und nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frie<strong>de</strong>n zu streben mit<br />

<strong>de</strong>nen, die <strong>de</strong>n Herrn anrufen aus reinem Herzen – Abson<strong>de</strong>rung und Sammlung um Ihn,<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong>sen Name »<strong>de</strong>r Heilige und <strong>de</strong>r Wahrhaftige« ist. Was aus <strong>de</strong>r großen Masse <strong>de</strong>r Bekenner<br />

wird, zeigt uns 2. Tim. 3: sie haben eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit, aber verleugnen<br />

ihre Kraft. Das En<strong>de</strong> ist <strong>de</strong>r völlige Abfall, welcher <strong>de</strong>n Menschen <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Antichristen,<br />

einführt. (2. Thess. 2.)<br />

So sehen wir <strong>de</strong>nn, daß das Haus <strong>Gottes</strong> unter zwei o<strong>de</strong>r gar drei ganz verschie<strong>de</strong>nen<br />

Gesichtspunkten betrachtet wer<strong>de</strong>n kann und im Worte <strong>Gottes</strong> so betrachtet wird. In<br />

dieser Hinsicht (wie in mancher [27] an<strong>de</strong>ren) unterschei<strong>de</strong>t sich das »Haus« von <strong>de</strong>m<br />

»Leibe«. In <strong>de</strong>m Leibe Christi kann es niemals tote Glie<strong>de</strong>r geben; bloße Bekenner ohne<br />

geistliches Leben sind da völlig ausgeschlossen, weil <strong>de</strong>r Heilige Geist es ist, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Leib<br />

bil<strong>de</strong>t. Doch wir wer<strong>de</strong>n hierauf, so Gott will, später zurückkommen. <strong>Die</strong> Nichtbeachtung<br />

dieser Tatsache hat schon viel Verwirrung hervorgebracht und tut es immer noch.<br />

Doch fassen wir noch einmal kurz zusammen, was wir miteinan<strong>de</strong>r betrachtet haben.<br />

1. Christus, als Messias von Seinem Volke Israel verworfen, baut Seine <strong>Versammlung</strong><br />

(Gemein<strong>de</strong>) auf dieser Er<strong>de</strong>. Das, was in <strong>de</strong>n Ratschlüssen <strong>Gottes</strong> bis dahin verborgen und<br />

<strong>de</strong>n Geschlechtern <strong>de</strong>r Menschen nicht kundgetan war, entfaltet sich. Christus, <strong>de</strong>r Sohn<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong>, <strong>de</strong>r Leben, göttliches Leben, in sich selbst hat (erwiesen in <strong>de</strong>r<br />

Auferstehung), ist die Grundlage dieses Gebäu<strong><strong>de</strong>s</strong> und verleiht ihm Festigkeit und Dauer.<br />

Satan vermag nichts gegen dasselbe. Das endliche Ergebnis dieses Werkes <strong><strong>de</strong>s</strong> göttlichen<br />

Baumeisters ist ein vollständiger Sieg. Alle, die zu diesem Bauwerk gehören, sind lebendige<br />

Steine und heilige Priester.<br />

2. <strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong> ist die Behausung <strong>Gottes</strong> im Geiste. Gott wollte ein Haus hienie<strong>de</strong>n<br />

haben, in welchem Er durch <strong>de</strong>n Geist wohnen konnte. In <strong>de</strong>r ersten Zeit <strong>de</strong>r Geschichte<br />

dieser Er<strong>de</strong> hat Gott nicht bei <strong>de</strong>m Menschen gewohnt, we<strong>de</strong>r bei Adam in seiner<br />

Unschuld, noch bei Abraham, <strong>de</strong>m »Freun<strong>de</strong>« <strong>Gottes</strong>. Erst als Israel, obwohl nur durch<br />

eine äußere Befreiung, aus Ägypten erlöst war und als ein erlöstes [28] Volk seinen Weg<br />

*) Wenn <strong>de</strong>r bereits angeführte Schreiber zu dieser Stelle sagt: »Wir haben hier unstreitig an dasselbe<br />

Verhältnis zu <strong>de</strong>nken, wie wir’s in Matth. 13, 38 fin<strong>de</strong>n; dort sagt <strong>de</strong>r Herr, daß auf <strong>de</strong>m Weltacker Weizen<br />

und Unkraut [26] beisammen sind«, so setzt er sich dadurch mit <strong>de</strong>n besten Auslegern in unmittelbaren<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch. Das Bild von <strong>de</strong>m Hause (vergl. auch <strong>de</strong>n Ausdruck »<strong>de</strong>r feste Grund« in V. 19 – dasselbe<br />

Wort wie in 1. Kor. 3, 11) schließt die Vergleichung mit <strong>de</strong>m »Acker« gera<strong>de</strong>zu aus.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 15<br />

nach Kanaan angetreten hatte, kam Gott zu ihm, um in <strong>de</strong>r Wolke <strong>de</strong>r Herrlichkeit bei<br />

ihm zu wohnen. (Vergl. 2. Mose 15, 13; 29, 46.) Und infolge <strong>de</strong>r wahren Erlösung durch<br />

Christum ist <strong>de</strong>r Heilige Geist hernie<strong>de</strong>rgekommen, um aus Ju<strong>de</strong>n und Hei<strong>de</strong>n einen geistlichen<br />

Tempel, die Wohnstätte <strong>Gottes</strong> auf Er<strong>de</strong>n, zu bil<strong>de</strong>n. Der frühere Tempel war aus<br />

natürlichen Steinen erbaut, war ein irdisches Haus; jetzt gibt es einen heiligen Tempel, ein<br />

geistliches Haus. Jenes Haus war vorübergehend, von Menschenhän<strong>de</strong>n gemacht, dieses<br />

ist ewig, von Gott selbst gebaut. In Christo wächst heute »<strong>de</strong>r ganze Bau, wohl zusammengefügt,<br />

zu einem heiligen Tempel im Herrn«, und in Offbg. 21, 3 fin<strong>de</strong>n wir ihn in<br />

strahlen<strong>de</strong>r Herrlichkeit wie<strong>de</strong>r als »die Hütte <strong>Gottes</strong> bei <strong>de</strong>n Menschen«. Es wird nicht<br />

gesagt, wer <strong>de</strong>r Baumeister ist, we<strong>de</strong>r in 1. Petr. 2, noch in Eph. 2: das Haus wird aufgebaut<br />

und wächst seiner Vollendung entgegen; die Steine kommen herzu, und zwar nur<br />

lebendige Steine. Ohne Zweifel war das Haus auch nach außen hin anfänglich das, was es<br />

nach <strong>Gottes</strong> Plan und ewigem Ratschluß immer ist: ein heiliges Haus, bestehend aus lauter<br />

wahren Gläubigen. Aber es blieb nicht lange so. Kommen wir zu <strong>de</strong>r tatsächlichen Ausführung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Werkes, wie es sich hienie<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>n Augen <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen entwickelte, so<br />

tritt das menschliche Element hinzu, und wir haben<br />

3. das Haus <strong>Gottes</strong> unter <strong>de</strong>r Verantwortlichkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen. (1. Kor. 3.) Es ist auch<br />

jetzt noch »<strong>Gottes</strong> Bau«, aber Er hat »Mitarbeiter«. Menschen sind die Bauen<strong>de</strong>n, und da<br />

kann es selbstver- [29] ständlich nicht lange währen, bis <strong>de</strong>r Verfall sich zeigt. <strong>Die</strong> Grundlage<br />

war gut, aber <strong>de</strong>r Aufbau mangelhaft. Schon in <strong>de</strong>r allerfrühesten Zeit wur<strong>de</strong>n durch<br />

Arbeiter, welche die Wahrheit nicht so festhielten, wie die Apostel sie ihnen überliefert<br />

hatten, verkehrte Lehren aufgestellt und Seelen in die Mitte <strong>de</strong>r Gläubigen eingeführt,<br />

welche kein Leben aus Gott hatten. <strong>Die</strong>s nahm so reißend zu, daß <strong>de</strong>r Apostel Paulus<br />

kurz vor seinem En<strong>de</strong> seinem Kin<strong>de</strong> Timotheus<br />

4. das große Haus und das, was es in sich barg vor Augen stellen mußte. Der feste<br />

Grund <strong>Gottes</strong> stand zwar unbeweglich wie immer, aber die Zugehörigkeit zum Hause bot<br />

keinerlei Gewähr mehr, vor <strong>de</strong>r Verbindung mit Bösem und Unreinem geschützt zu sein.<br />

Abson<strong>de</strong>rung inmitten <strong><strong>de</strong>s</strong> Hauses wur<strong>de</strong> nötig, doch darauf folgend nicht etwa Vereinzelung,<br />

son<strong>de</strong>rn ein Zusammenschluß <strong>de</strong>r also Abgeson<strong>de</strong>rten, <strong>de</strong>r Gefäße zur Ehre, »geheiligt,<br />

nützlich <strong>de</strong>m Hausherrn, zu je<strong>de</strong>m guten Werke bereitet«. (2. Tim. 2, 21.) In Verbindung<br />

damit stehen schwere, gefahrvolle Zeiten, in welchen die Mehrzahl <strong>de</strong>r christlichen<br />

Bekenner nur noch eine äußere Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit hat, ohne innere Kraft, und<br />

viele sich völlig vom Christentum abwen<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m »sie die gesun<strong>de</strong> Lehre nicht mehr<br />

ertragen, son<strong>de</strong>rn nach ihren eigenen Lüsten sich selbst Lehrer aufhäufen, in<strong>de</strong>m es ihnen<br />

in <strong>de</strong>n Ohren kitzelt«. (Vergl. 2. Tim. 3, 3. 4.) Das En<strong>de</strong> ist die Entrückung <strong>de</strong>r wahren<br />

Gläubigen in <strong>de</strong>n Himmel und, wie schon gesagt, <strong>de</strong>r völlige Abfall <strong>de</strong>r zurückbleiben<strong>de</strong>n<br />

Masse.


[30]<br />

*) <strong>de</strong>m Heiligen Geiste, <strong>de</strong>r persönlich in und bei <strong>de</strong>n Gläubigen ist. (Joh. 14, 16. 17.)<br />

III.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong>, <strong>de</strong>r Leib Christi.<br />

»Gleichwie wir in einem Leibe viele Glie<strong>de</strong>r haben, aber die Glie<strong>de</strong>r nicht<br />

alle dieselbe Verrichtung haben, also sind wir, die Vielen, ein Leib in Christo,<br />

einzeln aber Glie<strong>de</strong>r voneinan<strong>de</strong>r.« (Röm. 12, 4. 5.)<br />

Haben wir in <strong>de</strong>m vorigen Abschnitt die <strong>Versammlung</strong> o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> als das Haus<br />

<strong>Gottes</strong>, als Seine Wohnstätte im Geiste, betrachtet, so wollen wir jetzt von ihr re<strong>de</strong>n als<br />

<strong>de</strong>m Leibe Christi, o<strong>de</strong>r als <strong>de</strong>r Gemeinschaft <strong>de</strong>r zu einem Leibe vereinigten und mit<br />

ihrem verherrlichten Haupt im Himmel verbun<strong>de</strong>nen Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong>. »Da ist ein Leib und<br />

ein Geist.« Wir sind berufen in einer Hoffnung unserer Berufung. (Eph. 4, 4.) Wie wohl<br />

tun solche Worte einem Herzen, in welches die Liebe <strong>Gottes</strong> ausgegossen ist, und das sich<br />

nun <strong>de</strong>r innigen Beziehungen, in welche es zu allen Mitgläubigen in Christo gebracht<br />

wor<strong>de</strong>n, bewußt ist! Es ist, wie wenn Himmelsluft uns umwehte. Wir treten ein in <strong>de</strong>n<br />

Kreis <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbaren Liebesratschlüsse <strong>Gottes</strong>, die durch die Wandlungen <strong>de</strong>r Zeit nicht<br />

beeinflußt wer<strong>de</strong>n können, und beten die Liebe an, die sich selbst für uns hingegeben hat.<br />

Christus, <strong>de</strong>r Sohn <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong>, starb für uns. Nach vollen<strong>de</strong>tem Werke ist<br />

Er in die Höhe hinauf- [31] gestiegen und hat Seinen Platz zur Rechten <strong>Gottes</strong> eingenommen<br />

– ein beständiges Zeugnis von <strong>de</strong>r Tatsache, daß das Erlösungswerk vollbracht und<br />

»wir in <strong>de</strong>m Geliebten annehmlich gemacht wor<strong>de</strong>n sind«, ja, daß die Herrlichkeit selbst<br />

unser Teil ist. Zum Beweise <strong>de</strong>r Annahme Seines Werkes hat Christus <strong>de</strong>n Heiligen Geist<br />

hernie<strong>de</strong>rgesandt, damit Er in <strong>de</strong>n Gläubigen Wohnung mache und in ihnen zeuge, daß sie<br />

Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> sind; wenn aber Kin<strong>de</strong>r, dann auch Erben, Erben <strong>Gottes</strong> und Miterben<br />

Christi. (Röm. 8, 17.) Durch diesen Geist versiegelt auf <strong>de</strong>n Tag <strong>de</strong>r Erlösung, d. h. <strong>de</strong>r<br />

Verherrlichung unserer Leiber (vergl. Röm. 8, 23; Phil. 3, 21), besitzen wir Ihn als »das<br />

Unterpfand unseres Erbes«. (Eph. 1, 13. 14.)<br />

Aber wir sind nicht nur als Einzelwesen errettet, Christus starb, um die zerstreuten<br />

Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> in eins zu versammeln. Wir sind alle »Glie<strong>de</strong>r Seines Leibes, von Seinem<br />

Fleische und von Seinen Gebeinen« (Eph. 5, 30), unauflöslich mit Christo, <strong>de</strong>m Haupte,<br />

und miteinan<strong>de</strong>r als Glie<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Wir sind »Glie<strong>de</strong>r voneinan<strong>de</strong>r«. »Denn auch in<br />

einem Geiste*) sind wir alle zu einem Leibe getauft wor<strong>de</strong>n, es seien Ju<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Griechen,<br />

es seien Sklave o<strong>de</strong>r Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt wor<strong>de</strong>n.«<br />

(1. Kor. 12, 13.)<br />

Von dieser kostbaren Wahrheit re<strong>de</strong>n die Schriften <strong><strong>de</strong>s</strong> Neuen Testamentes immer<br />

wie<strong>de</strong>r. Laßt uns sie, wenn ich mich so ausdrücken darf, ihrer Entwicklung gemäß betrachten.<br />

Da fin<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>nn zunächst im [32] 1. und 3. Kapitel <strong><strong>de</strong>s</strong> Epheserbriefes <strong>de</strong>n<br />

göttlichen Ratschluß. <strong>Die</strong> Wahrheit von <strong>de</strong>m einen Leibe war ein »Geheimnis«, das »Geheimnis<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Christus«, welches in an<strong>de</strong>ren Geschlechtern <strong>de</strong>n Söhnen <strong>de</strong>r Menschen nicht<br />

kundgetan war, aber jetzt <strong>de</strong>n heiligen Aposteln und Propheten <strong><strong>de</strong>s</strong> Neuen Testamentes<br />

geoffenbart wor<strong>de</strong>n ist. (Kap. 3, 4. 5.) Gott hatte vorbildlich in Adam und Eva von Christo<br />

und <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> gere<strong>de</strong>t, aber dieses Vorbild blieb unverständlich, mußte so<br />

bleiben, bis die Verwirklichung kam. Es war das »Geheimnis« <strong><strong>de</strong>s</strong> Willens <strong>Gottes</strong>, das Er<br />

sich vorgesetzt hatte in sich selbst »für die Verwaltung <strong>de</strong>r Fülle <strong>de</strong>r Zeiten: alles unter ein<br />

Haupt zusammenzubringen in <strong>de</strong>m Christus, das was in <strong>de</strong>n Himmeln und das was auf <strong>de</strong>r


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 17<br />

Er<strong>de</strong> ist«. (Kap. 1, 9. 10.) Und zwar sollte Christus als Haupt über alles nicht allein sein.<br />

<strong>Die</strong> nach <strong>de</strong>m Vorsatz <strong>Gottes</strong> Zuvorbestimmten (die Braut, das Weib <strong><strong>de</strong>s</strong> Lammes) sollten<br />

in Ihm auch ein Erbteil erlangen, mit Ihm alles teilen.<br />

Zur Ausführung <strong><strong>de</strong>s</strong> Willens und Ratschlusses <strong>Gottes</strong> hat Christus gelitten; <strong>de</strong>nn wir<br />

waren tot in Vergehungen und Sün<strong>de</strong>n. (Kap. 2, 1.) Er ging in <strong>de</strong>n Tod für uns. Aber dann<br />

hat die »Macht <strong>de</strong>r Stärke <strong>Gottes</strong>« in Ihm gewirkt und Ihn aus <strong>de</strong>n Toten auferweckt; und<br />

dieselbe Kraft hat sich in ihrer überschwenglichen Größe an uns erwiesen, in<strong>de</strong>m sie uns<br />

mit Ihm auferweckte und in Ihm (noch nicht mit Ihm) mitversetzte in die himmlischen<br />

Örter. Sein Leben ist unser Leben. Ein unauflösliches Band ist zwischen Ihm und uns geknüpft:<br />

wir sind in Ihm, Er ist in uns. Ja, Er ist, zur Rechten <strong>Gottes</strong> erhöht und über je<strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Fürstentum und [33] je<strong>de</strong> Gewalt und Kraft und Herrschaft und je<strong>de</strong>n Namen gesetzt, »als<br />

Haupt über alles <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> gegeben, welche Sein Leib ist, die Fülle Dessen, <strong>de</strong>r<br />

alles in allem erfüllt«. (Kap. 1, 19–23.) Er ist das Haupt, wir vervollständigen Ihn. Ein<br />

Haupt ohne Leib ist nicht vollständig; darum heißt <strong>de</strong>r Leib Seine Fülle. <strong>Die</strong>se wun<strong>de</strong>rbare<br />

Tatsache begann sich zu entfalten, als Christus droben verherrlicht wur<strong>de</strong>. Sie wird<br />

in ihrer ganzen Vollendung gesehen wer<strong>de</strong>n, wenn die <strong>Versammlung</strong> als das Weib <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Lammes zur Seite Christi in Herrlichkeit erscheinen wird. Von Christo, <strong>de</strong>m Haupte, geht<br />

alles aus, hängt alles ab. Aus Ihm wächst <strong>de</strong>r ganze Leib das Wachstum <strong>Gottes</strong>, in<strong>de</strong>m er<br />

durch die Gelenke und Ban<strong>de</strong> Darreichung empfängt und zusammengefügt ist. (Kol.<br />

2, 19.)<br />

Im 2. Kapitel <strong><strong>de</strong>s</strong> Epheserbriefes wird uns mitgeteilt, wie die Gna<strong>de</strong> und Macht <strong>Gottes</strong><br />

zur Erfüllung dieses Seines Ratschlusses in Wirksamkeit getreten sind. Alle Menschen, ob<br />

Ju<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n, waren Kin<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Zorns, tot in Sün<strong>de</strong>n, Söhne <strong><strong>de</strong>s</strong> Ungehorsams.<br />

<strong>Gottes</strong> Barmherzigkeit und Gna<strong>de</strong> waren allein imstan<strong>de</strong>, hier rettend einzutreten. Es ist<br />

geschehen, und nun sind die Toten lebendig gemacht, die Fernen nahe gewor<strong>de</strong>n. Aus<br />

Ju<strong>de</strong>n und Hei<strong>de</strong>n hat Gott in Christo einen neuen Menschen geschaffen, eben diesen<br />

Menschen Seiner Ratschlüsse. Christus ist gestorben, um die bei<strong>de</strong>n in einem Leibe mit<br />

Gott zu versöhnen durch das Kreuz. Er hat aus bei<strong>de</strong>n eines gemacht und die Zwischenwand<br />

<strong>de</strong>r Umzäunung abgebrochen. In <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) ist nicht mehr Ju<strong>de</strong><br />

und Grieche, Beschneidung und Vorhaut, Sklave und Freier, son<strong>de</strong>rn alle sind einer [34]<br />

in Christo. <strong>Die</strong> aus <strong>de</strong>n Nationen sind Miterben, Miteinverleibte und Mitteilhaber <strong>de</strong>r<br />

Verheißung <strong>Gottes</strong>. Den Fürstentümern und Gewalten in <strong>de</strong>n himmlischen Örtern wird<br />

durch die <strong>Versammlung</strong> kundgetan die gar mannigfaltige Weisheit <strong>Gottes</strong>*), und in <strong>de</strong>r<br />

<strong>Versammlung</strong> wird Gott Herrlichkeit gebracht in Christo Jesu auf alle Zeitalter <strong>de</strong>r Zeitalter<br />

hin. (Kap. 3.)<br />

Untersuchen wir im Anschluß an das Gesagte, wann und wie die Bildung <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>,<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi, geschichtlich begann. <strong>Die</strong> Untersuchung ist einfach. So<br />

lange <strong>de</strong>r Herr hienie<strong>de</strong>n wan<strong>de</strong>lte, konnte die <strong>Versammlung</strong> nicht gebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Er<br />

sagt <strong><strong>de</strong>s</strong>halb, wie uns bekannt, in Matth. 16, 18: »Ich will bauen« (nicht: »Ich baue«, die<br />

Sache war damals noch zukünftig); und in Joh. 17, 20. 21 bittet Er nicht allein für die,<br />

welche Sein Wort bereits angenommen hatten, son<strong>de</strong>rn auch für die, welche durch ihr<br />

Wort an Ihn glauben wür<strong>de</strong>n, auf daß sie alle eins seien, damit die Welt glaube, daß <strong>de</strong>r<br />

Vater Ihn gesandt habe. Erst durch die Hernie<strong>de</strong>rkunft <strong><strong>de</strong>s</strong> Heiligen Geistes am Pfingsttage<br />

wur<strong>de</strong> die <strong>Versammlung</strong> gebil<strong>de</strong>t. <strong>Die</strong> damaligen Gläubigen wur<strong>de</strong>n in einem Geiste<br />

zu einem Leibe getauft, und die unmittelbare Folge davon war, daß alle, welche glaubten,<br />

*) Jene Fürstentümer und Gewalten hatten die Schöpfermacht <strong>Gottes</strong>, Seine Weisheit, Seine Geduld<br />

und Treue, Seine Regierungswege &c., gesehen, aber niemals einen himmlischen Leib auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, verbun<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>m Sohne <strong>Gottes</strong> im Himmel.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 18<br />

auch die Tausen<strong>de</strong>, die durch die Predigt Petri gewonnen wor<strong>de</strong>n waren, »beisammen<br />

waren*), [35] alles gemein hatten« und »einmütig im Tempel verharrten«. (Apstlgsch.<br />

2, 44–46.)<br />

<strong>Die</strong> Einheit <strong>de</strong>r Erretteten jener Tage war durch die Gegenwart <strong><strong>de</strong>s</strong> vom Himmel<br />

hernie<strong>de</strong>rgekommenen Heiligen Geistes**) zur Tatsache gewor<strong>de</strong>n. Sie bil<strong>de</strong>ten einen<br />

Leib auf Er<strong>de</strong>n, einen sichtbaren, von Gott anerkannten Körper, welchem alle, die Er zur<br />

Erkenntnis Seiner selbst berief, sich anfügten, geleitet von <strong>de</strong>m Herrn, <strong>de</strong>r in ihren Herzen<br />

wirkte. Es war die <strong>Versammlung</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>lebendigen</strong> <strong>Gottes</strong>, die allerdings zunächst nur aus<br />

Ju<strong>de</strong>n bestand, und <strong>de</strong>ren Glie<strong>de</strong>r noch wenig o<strong>de</strong>r gar nichts von <strong>de</strong>r Wahrheit, die wir<br />

eben betrachten, verstan<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> »Verwaltung« dieses Geheimnisses war ja, wie wir wissen,<br />

in beson<strong>de</strong>rer Weise <strong>de</strong>m Apostel Paulus anvertraut. Aber nichts<strong><strong>de</strong>s</strong>toweniger war<br />

<strong>de</strong>r Leib [36] gebil<strong>de</strong>t, und Gott sorgte in Seiner Weisheit dafür, daß vor <strong>de</strong>m Auftreten<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Apostels <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n nicht nur Samariter, son<strong>de</strong>rn auch Kornelius, ein Hei<strong>de</strong>, mit<br />

seinem ganzen Hause und seinen Verwandten und nächsten Freun<strong>de</strong>n (wohl auch lauter<br />

Hei<strong>de</strong>n), <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> hinzugetan wur<strong>de</strong>. Auf diese Weise wur<strong>de</strong> die Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Werkes bewahrt.<br />

Jerusalem und die jüdische Nation als solche hatten kein Ohr für die Predigt <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong><br />

in ihrer Mitte. Stephanus, <strong>de</strong>n letzten Boten <strong>Gottes</strong> an sie, steinigten sie zu To<strong>de</strong> und<br />

verwarfen so, nach <strong>de</strong>r Ermordung <strong><strong>de</strong>s</strong> Sohnes <strong>Gottes</strong>, auch das Zeugnis <strong><strong>de</strong>s</strong> Heiligen<br />

Geistes. Danach wird Saulus, <strong>de</strong>r Ausdruck <strong><strong>de</strong>s</strong> Christushasses <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n in Person, zum<br />

Zeugen <strong>Gottes</strong> berufen. Aber nicht ein nach <strong>de</strong>m Fleische gekannter Christus, auch nicht<br />

Jerusalem, <strong>de</strong>r Mittelpunkt <strong><strong>de</strong>s</strong> jüdischen <strong>Gottes</strong>dienstes, wird zum Ausgangspunkt seiner<br />

Sendung, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r zur Rechten <strong>Gottes</strong> verherrlichte Menschensohn (<strong>de</strong>n Stephanus<br />

schon geschaut hatte) und Antiochien, eine heidnische Stadt. Sein Auftrag ergeht in beson<strong>de</strong>rer<br />

Weise an alle Menschen, (die Elfe hatten die ihnen in Matth. 28, 19. 20 gewor<strong>de</strong>ne<br />

Mission bis dahin nicht ausgeführt); er sollte <strong>de</strong>n Namen <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn tragen sowohl<br />

vor Nationen, als auch vor Könige und Söhne Israels. (Apstlgsch. 9, 15; 22, 15.) Saulus<br />

sieht Jesum zum erstenmal in <strong>de</strong>r himmlischen Herrlichkeit. Es ist nicht Jesus in Seinem<br />

Charakter als Messias und König Israels, son<strong>de</strong>rn als <strong>de</strong>r auferstan<strong>de</strong>ne und verherrlichte<br />

Menschensohn in Verbindung mit Seinen Jüngern hienie<strong>de</strong>n. »Ich bin Jesus, <strong>de</strong>n du verfolgst«,<br />

so ruft Er <strong>de</strong>m rasen<strong>de</strong>n Verfolger <strong>de</strong>r kleinen [37] Her<strong>de</strong> zu. <strong>Die</strong> Gläubigen waren<br />

Er selbst, Sein Leib. So verband sich die Bekehrung <strong><strong>de</strong>s</strong> Saulus unmittelbar mit <strong>de</strong>r Offenbarung<br />

<strong>de</strong>r Vereinigung <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn mit <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rn Seines Leibes auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>. Von jenem<br />

Augenblick an zeugte er mit <strong>de</strong>r ganzen heiligen Begeisterung seiner feurigen Seele<br />

von <strong>de</strong>r wun<strong>de</strong>rbaren, alle Erkenntnis übersteigen<strong>de</strong>n Liebe <strong><strong>de</strong>s</strong> Christus und von <strong>de</strong>m<br />

Geheimnis <strong><strong>de</strong>s</strong> Willens <strong>Gottes</strong> in Verbindung mit Christo.<br />

*) Man behauptet, daß das Versammeln in eins heute eine Unmöglichkeit sei. Damals ist es geschehen,<br />

und es war sicherlich [35] nach <strong>Gottes</strong> Gedanken. Wenn auch die Tausen<strong>de</strong> in Jerusalem, z. B. beim Brotbrechen,<br />

nicht an einem und <strong>de</strong>mselben Orte versammelt waren, ja, nicht versammelt sein konnten, so<br />

verhin<strong>de</strong>rte das doch nicht, daß sie nach <strong>Gottes</strong> Gedanken eine wahre und wirkliche Einheit bil<strong>de</strong>ten. Da<br />

waren nicht (we<strong>de</strong>r in Jerusalem, noch später in Antiochien, Korinth o<strong>de</strong>r Rom) »zwei o<strong>de</strong>r mehrere <strong>Versammlung</strong>en,<br />

alle etwas verschie<strong>de</strong>n voneinan<strong>de</strong>r«, da bestan<strong>de</strong>n nicht »neben <strong>de</strong>r eigentlichen Gemein<strong>de</strong><br />

und <strong>de</strong>r Hausgemein<strong>de</strong> noch verschie<strong>de</strong>ne an<strong>de</strong>re Gruppen gläubiger Leute, von <strong>de</strong>nen je<strong>de</strong> ihre beson<strong>de</strong>ren<br />

Zusammenkünfte u. s. w. hatten«. Das alles sind grundlose Behauptungen, mit <strong>de</strong>nen man seine eigene verkehrte<br />

Stellung stützen will, die aber <strong>de</strong>r ganzen Belehrung <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes <strong>Gottes</strong> zuwi<strong>de</strong>rlaufen.<br />

**) und nicht nur die Einheit, son<strong>de</strong>rn auch die Einigkeit, das ist eine durch <strong>de</strong>nselben Geist bewirkte<br />

einmütige Gesinnung – zwei ganz verschie<strong>de</strong>ne, aber oft miteinan<strong>de</strong>r verwechselte Dinge.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 19<br />

Und wir? Wir lesen die Worte unseres hochgelobten Herrn und sagen: »Herr, es ist<br />

genug!« – O auf welch einen kostbaren Bo<strong>de</strong>n stellen uns die Worte Jesu! Unmittelbar aus<br />

Seinem Herzen heraus empfangen wir <strong>de</strong>n stärksten Ausdruck unserer Vereinigung mit<br />

Ihm droben. Wir wissen jetzt, daß Er das schwächste Glied Seines Leibes als einen Teil<br />

von sich selbst betrachtet. Ist das nicht genug, teurer Leser, um unsere Herzen überströmen<br />

zu machen? Und dabei sollten wir noch an einen an<strong>de</strong>ren Namen und an an<strong>de</strong>re<br />

Verbindungen <strong>de</strong>nken? sollten begehren, neben einem Glie<strong>de</strong> am Leibe Christi noch Glied<br />

von irgend etwas an<strong>de</strong>rem, einer Kirche, einer Gemein<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Gemeinschaft, zu sein? O<br />

wenn die Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> doch alle be<strong>de</strong>nken möchten, wie sie das Herz ihres Vaters betrüben,<br />

wenn sie neben <strong>de</strong>n Namen Seines Geliebten noch einen an<strong>de</strong>ren Namen setzen und<br />

von <strong>de</strong>r einfachen, aber so gesegneten Zugehörigkeit zu <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>, <strong>de</strong>m Leibe<br />

Christi, nicht befriedigt sind!<br />

Beachten wir zugleich, wie die auf <strong>de</strong>m Wege nach Damaskus gemachte Offenbarung<br />

unser Verhältnis zueinan<strong>de</strong>r berührt. Sind wir Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes [38] Christi, so sind wir<br />

auch Glie<strong>de</strong>r voneinan<strong>de</strong>r und haben Verpflichtungen gegeneinan<strong>de</strong>r. »Denn gleichwie<br />

wir in einem Leibe viele Glie<strong>de</strong>r haben, aber die Glie<strong>de</strong>r nicht alle dieselbe Verrichtung<br />

haben, also sind wir, die Vielen, ein Leib in Christo, einzeln aber Glie<strong>de</strong>r voneinan<strong>de</strong>r.«<br />

(Röm. 12, 4. 5.) Kein Glied kann von <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren sagen: »Ich bedarf <strong>de</strong>iner nicht«, o<strong>de</strong>r:<br />

»du gehst mich nichts an«. <strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong> ist absolut eins. So war sie auch im Anfang<br />

<strong>de</strong>r Welt bekannt. Eine Gemein<strong>de</strong>, erfüllt mit <strong>de</strong>m Heiligen Geiste, gab Zeugnis von <strong>de</strong>m<br />

Heile <strong>Gottes</strong> und von Seiner Gegenwart auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>. Mochte sie auch bald durch die<br />

Verfolgungen <strong>de</strong>r Menschen zerstreut wer<strong>de</strong>n, so blieb sie doch die eine Gemein<strong>de</strong>, die<br />

<strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong> hienie<strong>de</strong>n. »Saulus verwüstete die <strong>Versammlung</strong>.« »Es geschah<br />

ihnen aber, daß sie ein ganzes Jahr in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> zusammenkamen.« »Hero<strong><strong>de</strong>s</strong><br />

legte die Hän<strong>de</strong> an etliche von <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>.« »Es waren aber in Antiochien, in <strong>de</strong>r<br />

dortigen <strong>Versammlung</strong>,« u. s. w. Auch wenn Gott <strong>de</strong>n Apostel Paulus erweckt und mit<br />

einer beson<strong>de</strong>ren Botschaft an die Hei<strong>de</strong>n betraut, wird es nicht an<strong>de</strong>rs. Wie wäre es auch<br />

möglich gewesen? <strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong> war ja so, wie sie nun geoffenbart war, <strong>de</strong>r Gegenstand<br />

<strong>de</strong>r ewigen, unwan<strong>de</strong>lbaren Ratschlüsse <strong>Gottes</strong> vor Grundlegung <strong>de</strong>r Welt.<br />

<strong>Die</strong> Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Gläubigen anerkannt und verwirklicht und war<br />

vor aller Augen sichtbar. An je<strong>de</strong>m Orte, wo <strong>de</strong>r Geist <strong>Gottes</strong> wirkte, bil<strong>de</strong>te sich eine<br />

<strong>Versammlung</strong>, welche die Einheit <strong>de</strong>r ganzen Gemein<strong>de</strong>, ja, <strong>de</strong>n Leib Christi örtlich darstellte.<br />

Der Apostel konnte an »die <strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong>, die [39] in Korinth ist«, schreiben,<br />

und obwohl er hinzufügt: »samt allen, die an je<strong>de</strong>m Orte <strong>de</strong>n Namen unseres Herrn<br />

Jesu Christi anrufen«, konnte er doch <strong>de</strong>n Korinthern sagen: »Ihr seid <strong>de</strong>r Leib Christi<br />

und Glie<strong>de</strong>r inson<strong>de</strong>rheit«. (1. Kor. 12, 27.) <strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong> in Korinth war die örtliche<br />

Darstellung <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi, und wenn ein Glied <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi von Korinth nach<br />

Ephesus ging o<strong>de</strong>r umgekehrt, so war es dort notwendigerweise ebensosehr ein Glied wie<br />

an seinem Wohnorte. Es ist <strong>de</strong>n Gläubigen in jenen Tagen gewiß nie an<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n Sinn<br />

gekommen. Sie waren nicht Glie<strong>de</strong>r einer Gemein<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Gemeinschaft, son<strong>de</strong>rn Glie<strong>de</strong>r<br />

Christi. Sie gehörten <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> <strong>Gottes</strong> an. Daß über einige Lehrpunkte<br />

Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten bestan<strong>de</strong>n, ist wahr und leicht begreiflich, da die<br />

Christen <strong>de</strong>r ersten Tage einerseits nicht die gesammelten Schriften <strong><strong>de</strong>s</strong> Neuen Testamentes<br />

besaßen wie wir, und an<strong>de</strong>rerseits die Gläubigen aus <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n große Mühe hatten,<br />

von <strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Alten Bun<strong>de</strong> herübergebrachten Begriffen und Satzungen loszukommen;<br />

aber im Blick auf das Einssein aller Gläubigen in Christo herrschte keinerlei Unklarheit,<br />

und es ist gera<strong>de</strong>zu unfaßlich, wie ein gläubiger Schreiber sagen kann: »<strong>Die</strong> ju<strong>de</strong>n- und<br />

hei<strong>de</strong>nchristlichen Gemein<strong>de</strong>n im apostolischen Zeitalter waren sich, von außen betrachtet,<br />

nicht mehr einig, wie es die lan<strong><strong>de</strong>s</strong>kirchlichen Gemeinschaften, die Presbyterianer,


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 20<br />

In<strong>de</strong>pen<strong>de</strong>nten, Baptisten und Methodisten untereinan<strong>de</strong>r sind; im allgemeinen vielleicht<br />

noch nicht einmal so viel«. Wir möchten nicht unfreundlich sein gegen einen Bru<strong>de</strong>r, aber<br />

wir können doch nicht umhin zu sagen: Wer so re<strong>de</strong>t, beweist, daß er noch nicht angefangen<br />

hat [40] zu verstehen, was die <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) nach <strong>Gottes</strong> Gedanken ist<br />

und im Anfang auch nach außen hin darstellte. Wie scharf verurteilt <strong>de</strong>r Apostel Paulus<br />

im 1. Korintherbriefe die Keime <strong><strong>de</strong>s</strong> Bösen, welche zu all <strong>de</strong>m Parteiwesen und Parteiha<strong>de</strong>r<br />

führen mußten, die das schöne Zeugnis <strong>Gottes</strong> auf Er<strong>de</strong>n verdorben haben!<br />

Wen<strong>de</strong>n wir uns jetzt noch ein wenig zu <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Kapiteln, welche vornehmlich<br />

von <strong>de</strong>m »Leibe« und <strong>de</strong>n Verrichtungen <strong>de</strong>r einzelnen Glie<strong>de</strong>r re<strong>de</strong>n: Eph. 4 und 1. Kor.<br />

12. In Eph. 4 ermahnt <strong>de</strong>r Apostel die Gläubigen, in aller Demut <strong>de</strong>r Berufung würdig zu<br />

wan<strong>de</strong>ln, mit welcher sie berufen wor<strong>de</strong>n waren. Von dieser Berufung hatte er im 2. Kapitel<br />

(V. 19–22) gere<strong>de</strong>t: die Gläubigen bil<strong>de</strong>ten die Behausung <strong>Gottes</strong> im Geiste, und das<br />

Bewußtsein <strong>de</strong>r Gegenwart <strong>Gottes</strong> macht immer <strong>de</strong>mütig. In Verbindung damit ermahnt<br />

er sie weiter, die Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes zu bewahren in <strong>de</strong>m Ban<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Frie<strong>de</strong>ns; <strong>de</strong>nn jene<br />

Behausung <strong>Gottes</strong> war die <strong>Versammlung</strong>, <strong>de</strong>r Leib, und sie waren Glie<strong>de</strong>r dieses Leibes.<br />

Es kann nicht stark genug betont wer<strong>de</strong>n, daß Einheit nicht Einigkeit ist, also nicht eine<br />

Gleichartigkeit <strong>de</strong>r Gesinnung, <strong>de</strong>r Gefühle, Interessen u. s. w. <strong>Die</strong>se sollte sich sicherlich<br />

auch bei <strong>de</strong>n Gläubigen fin<strong>de</strong>n, und vielleicht <strong>de</strong>nkt <strong>de</strong>r Herr in Joh. 17, 11 vornehmlich<br />

daran, wenn Er bittet: »auf daß sie eins seien, gleichwie wir«.*) Aber die Einheit [41] <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Geistes ist, wie gesagt, nicht eine Einheitlichkeit <strong>de</strong>r Gefühle, nicht »ein gemeinsames<br />

Glaubens- und Liebesleben«, »ein höheres Geistesleben, das allen Gläubigen in <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rgeburt<br />

mitgeteilt wird«, son<strong>de</strong>rn einfach die Einheit <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes, die <strong>de</strong>r<br />

Geist gemacht hat. <strong>Die</strong>se sollen wir zu bewahren suchen, <strong>de</strong>nn starke Einflüsse von innen<br />

und außen stellen sich ihrer praktischen Verwirklichung entgegen.<br />

Der Leib bedarf <strong>de</strong>r Bedienung. Sie wird ihm zu teil durch die Glie<strong>de</strong>r, und zwar ist<br />

»je<strong>de</strong>m einzelnen Glie<strong>de</strong> die Gna<strong>de</strong> gegeben wor<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m Maße <strong>de</strong>r Gabe <strong><strong>de</strong>s</strong> Christus«.<br />

(V. 7.) Da die Bedürfnisse verschie<strong>de</strong>nartig sind, ist auch <strong>de</strong>r <strong>Die</strong>nst verschie<strong>de</strong>nartig.<br />

Aber alles fließt von <strong>de</strong>m Haupte aus, hängt von Ihm ab. Er ist hinaufgestiegen in<br />

die Höhe, hat <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r uns gefangen hielt, Satan, gefangen geführt und uns, <strong>de</strong>n also Befreiten,<br />

Gaben gegeben. <strong>Die</strong>se Gaben sind <strong>de</strong>r Beweis von <strong>de</strong>m Siege <strong><strong>de</strong>s</strong> [42] Herrn über<br />

Satan; <strong>de</strong>nn die, welche sie ausüben, waren einst hilflose, ohnmächtige Sklaven Satans.<br />

Durch sie erbaut, nährt und pflegt <strong>de</strong>r Herr Seinen Leib. »Und Er hat die einen gegeben<br />

als Apostel und an<strong>de</strong>re als Propheten, und an<strong>de</strong>re als Evangelisten, und an<strong>de</strong>re als Hirten<br />

und Lehrer, zur Vollendung <strong>de</strong>r Heiligen, für das Werk <strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>Die</strong>nstes, für die Auferbauung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi.« (V. 11. 12.) <strong>Die</strong> Apostel und Propheten bil<strong>de</strong>n die Grundlage <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

ganzes Baues, wie wir in Kap. 2, 20 gelesen haben: »aufgebaut auf die Grundlage <strong>de</strong>r<br />

Apostel und Propheten, in<strong>de</strong>m Jesus Christus selbst Eckstein ist«. Evangelisten, Hirten<br />

und Lehrer bleiben bis zum En<strong>de</strong> hin, »bis wir alle hingelangen zu <strong>de</strong>r Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Glau-<br />

*) Im 21. Verse geht <strong>de</strong>r Gedanke weiter. Alle, auch die später an Jesum glauben wür<strong>de</strong>n, sind eingeschlossen,<br />

und <strong>de</strong>r Herr bittet: »auf daß sie in uns (<strong>de</strong>m Vater und <strong>de</strong>m Sohne) eins seien« (nicht »gleichwie<br />

wir«.) Es ist [41] ein Einssein und eine Gemeinschaft kraft <strong>de</strong>r Offenbarung <strong><strong>de</strong>s</strong> Vaters in <strong>de</strong>m Sohne und <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Sohnes als Gegenstand <strong>de</strong>r Liebe und Wonne <strong><strong>de</strong>s</strong> Vaters, in welche wir durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist eingeführt<br />

sind; und diese Einheit soll als Zeugnis <strong>de</strong>r Welt gegenüber dienen: »auf daß die Welt glaube, daß du mich<br />

gesandt hast«. Im 23. Verse wer<strong>de</strong>n wir noch weiter geführt. Wir treten unmittelbar in die »Herrlichkeit«<br />

ein, wo dann das Einssein »vollen<strong>de</strong>t« sein wird und die Welt bei unserer Erscheinung mit Jesu »erkennen«<br />

(nicht glauben) wird, daß <strong>de</strong>r Vater <strong>de</strong>n Sohn gesandt und uns geliebt hat, gleichwie Er Ihn geliebt hat: »ich<br />

in ihnen und du in mir«. (Vergl. 2. Thess. 1, 10.) So ist <strong>de</strong>nn ein <strong>de</strong>utliches Fortschreiten in <strong>de</strong>r dreimaligen<br />

Bitte <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn zu erkennen.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 21<br />

bens und zur Erkenntnis <strong><strong>de</strong>s</strong> Sohnes <strong>Gottes</strong>, zu <strong>de</strong>m erwachsenen Manne, zu <strong>de</strong>m Maße<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> vollen Wuchses <strong>de</strong>r Fülle <strong><strong>de</strong>s</strong> Christus«. Bis zur Erreichung dieses Zieles, das auf Er<strong>de</strong>n<br />

angestrebt wird, (mit an<strong>de</strong>ren Worten also: so lange es Gläubige hienie<strong>de</strong>n gibt, die<br />

auf diesem Bo<strong>de</strong>n stehen, zu <strong>de</strong>m Leibe gehören) wer<strong>de</strong>n Evangelisten, Hirten und Lehrer<br />

nicht fehlen – die einen zur Sammlung, die an<strong>de</strong>ren zur Auferbauung und Pflege <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r.<br />

Das Haupt, <strong>de</strong>r Christus, wird in Seiner unfehlbaren Treue und nie wanken<strong>de</strong>n Liebe<br />

für alles sorgen.<br />

Welch eine wun<strong>de</strong>rbare Gna<strong>de</strong>! Nicht Menschen sind es also, <strong>de</strong>nen die Sorge für <strong>de</strong>n<br />

Leib Christi anvertraut ist, obwohl sie als gesegnete Werkzeuge für ihn benutzt wer<strong>de</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn Christus selbst. Der unausforschliche Reichtum (Kap. 3, 8) Dessen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Macht Seines Erlösungswerkes »alles erfüllt« (Kap. 4, 10), von <strong>de</strong>m Staube <strong><strong>de</strong>s</strong> To<strong><strong>de</strong>s</strong> bis<br />

hinauf zu <strong>de</strong>m [43] Throne <strong>Gottes</strong>, bil<strong>de</strong>t die Grundlage <strong>de</strong>r Auferbauung <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>,<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes, in<strong>de</strong>m je<strong><strong>de</strong>s</strong> einzelne Glied, nach <strong>de</strong>r ihm verliehenen Gna<strong>de</strong>, dazu mitwirkt,<br />

sich von <strong>de</strong>m Herrn dazu gebrauchen läßt. »<strong>Die</strong> Wahrheit festhaltend in Liebe, laßt<br />

uns in allem heranwachsen zu Ihm hin, <strong>de</strong>r das Haupt ist, <strong>de</strong>r Christus, aus welchem <strong>de</strong>r<br />

ganze Leib, wohl zusammengefügt und verbun<strong>de</strong>n durch je<strong><strong>de</strong>s</strong> Gelenk <strong>de</strong>r Darreichung,<br />

nach <strong>de</strong>r Wirksamkeit in <strong>de</strong>m Maße je<strong><strong>de</strong>s</strong> einzelnen Teiles, für sich das Wachstum <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Leibes bewirkt zu seiner Selbstauferbauung in Liebe.« (V. 15. 16.)<br />

Wie einfach und klar verständlich, und doch wie groß und erhaben ist das alles! Es<br />

sind <strong>Gottes</strong> Gedanken, das geoffenbarte »Geheimnis <strong><strong>de</strong>s</strong> Christus«. Wie schwin<strong>de</strong>n da all<br />

die klugen Überlegungen und weisen Aufstellungen <strong><strong>de</strong>s</strong> menschlichen Geistes wie die<br />

leichten Morgennebel vor <strong>de</strong>r aufgehen<strong>de</strong>n Sonne! Wie weit wird das Herz, und in welch<br />

einem Lichte erscheinen all die Einrichtungen <strong><strong>de</strong>s</strong> menschlichen Willens auf religiösem<br />

Gebiet, die Kirchen und Kirchlein, die Gemein<strong>de</strong>n und Gemeindlein mit ihren vielerlei<br />

Namen, Bekenntnissen, Einrichtungen, Statuten u.s.w.! Vor <strong>Gottes</strong> Auge und nach <strong>Gottes</strong><br />

Gedanken gibt es nur eine Gemein<strong>de</strong>, nur einen Leib, und da wo Gläubige das anerkennen<br />

und auf diesem einfachen, göttlichen Bo<strong>de</strong>n sich zusammenfin<strong>de</strong>n, empfängt die Gemein<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> ihre örtliche Darstellung*); und wären es auch [44] nur zwei<br />

o<strong>de</strong>r drei, sie dürfen auf die Anerkennung und <strong>de</strong>n Segen <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn rechnen. Er ist in<br />

ihrer Mitte. (Matth. 18, 20.)<br />

Warum will man das nicht? Warum greift man die Gläubigen, welche sich so versammeln,<br />

immer wie<strong>de</strong>r an? Warum tun das vornehmlich solche, die an <strong>de</strong>nselben Herrn zu<br />

glauben und auf <strong>de</strong>m gleichen Pfa<strong>de</strong> zu wan<strong>de</strong>ln bekennen? Weil die Wahrheit unerbittlich<br />

ist und für <strong>de</strong>n Willen und die Ehre <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen keinen Raum läßt, und ferner, weil<br />

die Wahrheit die Angreifer in ihrem Gewissen überführt und ihnen keine Ruhe läßt. Lei<strong>de</strong>r<br />

ist es wahr, wir wie<strong>de</strong>rholen es, daß die Angegriffenen schwach sind, ja, daß sie oft<br />

untreu waren und nicht <strong>de</strong>r empfangenen Gna<strong>de</strong> gemäß gewan<strong>de</strong>lt und gehan<strong>de</strong>lt haben;<br />

aber das än<strong>de</strong>rt nichts an <strong>de</strong>r von ihnen vertretenen Wahrheit, tut nichts davon ab, auch<br />

nichts hinzu. Der Herr schreibe <strong><strong>de</strong>s</strong>halb <strong>de</strong>n einen tief ins Herz: Ȇbrigens sucht man hier<br />

an <strong>de</strong>n Verwaltern (ob über viel o<strong>de</strong>r wenig gesetzt), daß einer treu erfun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>«, und<br />

Er erinnere die an<strong>de</strong>ren an die Worte: »So urteilet nicht etwas vor <strong>de</strong>r Zeit, bis <strong>de</strong>r Herr<br />

kommt, welcher auch das Verborgene <strong>de</strong>r Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge<br />

<strong>de</strong>r Herzen offenbaren wird; und dann wird einem je<strong>de</strong>n sein Lob wer<strong>de</strong>n von Gott«.<br />

(1. Kor. 4, 2–5.) Wir dürfen überzeugt sein, daß das Urteil und Lob <strong>Gottes</strong> ganz an<strong>de</strong>rs<br />

*) nicht aber da, wo »man sich gemäß <strong>de</strong>r empfangenen Belehrung, Erziehung (!), Erkenntnis u. s. w.<br />

nach <strong>de</strong>m ganzen göttlichen Wort (?) richtet«, wo »man sich biblisch einrichtet (!), Vorsteher, Älteste, Prediger<br />

u. s. w. wählt«


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 22<br />

ausfallen wird, als das Urteil und Lob <strong>de</strong>r Menschen. Beeifern wir uns <strong><strong>de</strong>s</strong>halb, Ihm wohlgefällig<br />

zu sein, äußerlich und innerlich, in Bekenntnis, Wan<strong>de</strong>l und Gesinnung!<br />

Was wir weiter oben von <strong>de</strong>n einzelnen Glie<strong>de</strong>rn [45] sagten, ist selbstverständlich<br />

auch wahr von <strong>de</strong>n Gaben. Sie sind nicht gegeben für einen bestimmten Kreis von Gläubigen,<br />

nicht für einen Teil <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes, son<strong>de</strong>rn für <strong>de</strong>n ganzen Leib. Ein Hirte o<strong>de</strong>r ein Lehrer<br />

ist das nicht nur für die örtliche <strong>Versammlung</strong>, zu welcher er unmittelbar gehört, son<strong>de</strong>rn<br />

für alle <strong>Versammlung</strong>en, wohin <strong>de</strong>r Herr ihn führt. Ein Apollos z. B., um nicht von<br />

<strong>de</strong>n Aposteln zu re<strong>de</strong>n, war gera<strong>de</strong> so anerkannt in Korinth wie in Ephesus. Ganz an<strong>de</strong>rs<br />

war es mit <strong>de</strong>n Ältesten und Diakonen. Sie hatten ein Amt in <strong>de</strong>r örtlichen <strong>Versammlung</strong><br />

zu versehen, und nur in ihr. Doch darüber vielleicht später mehr ausführlich.<br />

Wir kommen jetzt zu 1. Korinther 12. Der Hauptunterschied zwischen diesem und<br />

<strong>de</strong>m soeben betrachteten Kapitel besteht wohl darin, daß Epheser 4 uns <strong>de</strong>n Leib in Verbindung<br />

mit seinem himmlischen Haupte zeigt, während er in 1. Kor. 12 mehr betrachtet<br />

wird als <strong>de</strong>r Schauplatz <strong>de</strong>r Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Heiligen Geistes hienie<strong>de</strong>n. Nicht von ungefähr<br />

ist es jedoch, daß <strong>de</strong>r Apostel Paulus, ehe er über die verschie<strong>de</strong>nen Gna<strong>de</strong>ngaben,<br />

<strong>Die</strong>nste und Wirkungen in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> (Kap. 12, 4–6) zu re<strong>de</strong>n beginnt, ausführlich<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Mahles <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn ge<strong>de</strong>nkt, dieses ausdrucksvollen Bil<strong><strong>de</strong>s</strong> von <strong>de</strong>r Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes,<br />

zu welcher in <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn <strong>de</strong>r Grund gelegt wur<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>se bei<strong>de</strong>n Dinge, <strong>Versammlung</strong><br />

und Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes, gehören unmittelbar zusammen. Man kann nicht von<br />

<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> in <strong>de</strong>m wahren Sinne <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes re<strong>de</strong>n, ohne an die Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes<br />

zu <strong>de</strong>nken.<br />

[46] Christus ist »das Haupt Seines Leibes, <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>«. (Kol. 1, 18.) Es wird nie<br />

gesagt, daß Er »<strong>de</strong>r Herr« <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> sei. Er ist selbstverständlich Herr in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>,<br />

unser aller Herr; wer Ihn nicht als Herrn anerkennt, ist kein Christ. Aber Er<br />

steht in dieser Beziehung zu <strong>de</strong>m Einzelnen, nicht zu <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> als solcher. Im<br />

Blick auf sie ist Er das Haupt. Sobald daher von <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> die Re<strong>de</strong> ist, wird auch<br />

dieses Verhältnis zu ihrem Haupte in Erinnerung gebracht. Es ist schon oft gesagt wor<strong>de</strong>n,<br />

daß die <strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong> ein organisches Ganzes sei, bestehend aus Haupt und Glie<strong>de</strong>rn,<br />

<strong>de</strong>m menschlichen Körper vergleichbar. So stellt das Wort <strong>Gottes</strong> es dar. Schon <strong>de</strong>r<br />

Titel »Haupt <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes« bedingt Einheit und Verbindung mit und unter <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rn.<br />

Wenn <strong>de</strong>m aber so ist, wie kann man dann von »unabhängigen« <strong>Versammlung</strong>en o<strong>de</strong>r<br />

Gemein<strong>de</strong>n re<strong>de</strong>n? Damit leugnet man sofort die Wahrheit von <strong>de</strong>r Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes.<br />

Entwe<strong>de</strong>r sind wir <strong>de</strong>r »Leib Christi«, und »Glie<strong>de</strong>r voneinan<strong>de</strong>r«, und geben diesem<br />

Verhältnis schriftgemäßen Ausdruck, o<strong>de</strong>r wir bil<strong>de</strong>n selbständige, unabhängige Körperschaften<br />

und sind dann Glie<strong>de</strong>r dieser Körperschaften. Bei<strong><strong>de</strong>s</strong> miteinan<strong>de</strong>r zu vereinigen<br />

ist unmöglich. Das eine schließt das an<strong>de</strong>re aus.<br />

Doch wo und wie wird dieser Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes <strong>de</strong>r schriftgemäße Ausdruck gegeben?<br />

Ist es da, wo Gläubige sich gelegentlich zu gemeinsamem Gebet, zur Wortbetrachtung,<br />

zu gegenseitiger Erbauung o<strong>de</strong>r Belehrung u. s. w. zusammenfin<strong>de</strong>n? O<strong>de</strong>r kommt<br />

sie zur Darstellung, wenn man sich zur Verkündigung <strong><strong>de</strong>s</strong> [47] Evangeliums o<strong>de</strong>r zu an<strong>de</strong>rer<br />

gemeinsamer Liebesarbeit miteinan<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>t? Nein, so schön, Gott wohlgefällig<br />

und gesegnet das Genannte sein mag, in<strong>de</strong>m es <strong>de</strong>n Eifer und die einmütige Gesinnung<br />

<strong>de</strong>r also Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n ans Licht stellt, ist und bleibt doch <strong>de</strong>r einzige Platz, die einzige<br />

Gelegenheit, wo <strong>de</strong>r Einheit (nicht Einigkeit o<strong>de</strong>r Einmütigkeit) Ausdruck gegeben wer<strong>de</strong>n<br />

kann, <strong>de</strong>r Tisch <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn. Nur hier fin<strong>de</strong>t sie in <strong>de</strong>m einen Brote, von welchem alle<br />

essen, eine sichtbare, sinnfällige Darstellung. Daß sich an die Feier <strong><strong>de</strong>s</strong> Abendmahls an<strong>de</strong>re<br />

Zusammenkünfte <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> schließen, ist selbstverständlich, aber sie bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n<br />

Mittelpunkt, die Grundlage von allem.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 23<br />

Das ist <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>r Grund, weshalb <strong>de</strong>r Apostel die gläubigen Korinther zunächst<br />

über diesen Punkt belehrt und sie über die Unordnungen in ihrer Mitte hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Abendmahlsfeier ernstlich ta<strong>de</strong>lt. Im 10. Kapitel (V. 14–22) stellt er, in Verbindung mit<br />

<strong>de</strong>r Ermahnung, <strong>de</strong>n Götzendienst zu fliehen, <strong>de</strong>n Tisch <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn in Gegensatz zu <strong>de</strong>m<br />

Tische <strong>de</strong>r Dämonen, <strong>de</strong>m Götzenaltar. Der vorherrschen<strong>de</strong> Gedanke in dieser Stelle ist<br />

Gemeinschaft. <strong>Die</strong>ser Gemeinschaft wur<strong>de</strong> in je<strong>de</strong>m Falle durch das Essen Ausdruck gegeben.<br />

(S. Vers 16. 18. 20.) So wie das Volk Israel in Gemeinschaft war mit <strong>de</strong>m Altar, von<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong>sen Schlachtopfern*) es aß, so waren die Hei<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Altar ihrer Götzen, (hinter<br />

<strong>de</strong>nen die Dämonen sich verbargen, [48] vergl. 5. Mose 32, 17; Ps. 106, 37, darum »Tisch<br />

<strong>de</strong>r Dämonen«,) in Gemeinschaft, die Christen ihrerseits mit »<strong>de</strong>m Tische <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn«. <strong>Die</strong><br />

Anbeter hatten in je<strong>de</strong>m Falle teil an <strong>de</strong>m, was sie von <strong>de</strong>n übrigen Menschen unterschied.<br />

In unserem Falle ist es das Blut und <strong>de</strong>r Leib Christi. Der Kelch steht hier voran,<br />

weil das Blut uns die Erlösung am <strong>de</strong>utlichsten vor Augen stellt und die tiefsten, innigsten<br />

Gedanken und Gefühle in unseren Herzen wachruft. Das Brot folgt erst an zweiter Stelle,<br />

weil es sich, als Ausdruck <strong>de</strong>r Gemeinschaft <strong>de</strong>r Gläubigen (als <strong><strong>de</strong>s</strong> einen Leibes) mit<br />

Christo, <strong>de</strong>r weiteren Belehrung <strong><strong>de</strong>s</strong> Apostels unmittelbarer anschließt. »Denn ein Brot,<br />

ein Leib, sind wir, die Vielen.« Merke auf, mein Leser: »wir, die Vielen«! Nicht: »ihr, die<br />

ihr gera<strong>de</strong> versammelt seid«, son<strong>de</strong>rn alle Gläubige, das ganze Volk <strong>Gottes</strong> auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>.<br />

Naturgemäß können in einem gegebenen Falle nur wenige gegenwärtig sein, – die das<br />

Abendmahl Feiern<strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>n immer nur einen kleinen Bruchteil <strong><strong>de</strong>s</strong> gesamten Körpers, –<br />

aber <strong>de</strong>r Glaube sieht alle Gläubige mit sich auf <strong>de</strong>mselben Bo<strong>de</strong>n vereinigt, durch dasselbe<br />

Blut gewaschen, von Gott <strong>de</strong>m einen Leibe als Glie<strong>de</strong>r eingefügt. »Wir, die Vielen, sind<br />

ein Leib in Christo« (Röm. 12, 5), und wir geben dieser Wahrheit Ausdruck, bringen sie<br />

zur Darstellung, in<strong>de</strong>m wir, mit <strong>de</strong>m Herrn selbst in unserer Mitte, von <strong>de</strong>m einen Brote<br />

essen, nicht als Glie<strong>de</strong>r irgend einer Gemeinschaft, einer religiösen Benennung, ob groß<br />

o<strong>de</strong>r klein, alt o<strong>de</strong>r jung, son<strong>de</strong>rn als Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi, versammelt an Seinem<br />

Tische, um Ihn, <strong>de</strong>n gekreuzigten Herrn, geschart.<br />

[49] In<strong>de</strong>m wir dies tun, folgen wir auch <strong>de</strong>r Ermahnung: »euch befleißigend, die Einheit<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes zu bewahren in <strong>de</strong>m Ban<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Frie<strong>de</strong>ns«. (Eph. 4, 3.) Es mag einem<br />

jungen Christen nicht leicht erscheinen, dieses Wort in <strong>de</strong>r um ihn her herrschen<strong>de</strong>n Verwirrung<br />

in Ausübung zu bringen. Aber in Wirklichkeit ist es, wenn er nur einfältig und<br />

<strong>de</strong>mütig ist, nicht so schwer. Er hat keine Einheit zu machen, o<strong>de</strong>r sich <strong>de</strong>m anzuschließen,<br />

was an<strong>de</strong>re gemacht haben. Nein, <strong>de</strong>r Heilige Geist hat eine Einheit gemacht, und<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Gläubigen Sache ist es, auf diese Einheit zu achten, sie zu bewahren. Sie ist gemacht<br />

in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>), <strong>de</strong>m Leibe Christi. Es ist nicht eine Einheit o<strong>de</strong>r Vereinigung<br />

von Christen o<strong>de</strong>r von Kin<strong>de</strong>rn <strong>Gottes</strong>, obwohl alle Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes selbstverständlich<br />

Christen und Kin<strong>de</strong>r <strong>Gottes</strong> sind. Man re<strong>de</strong>t viel von <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

<strong>Gottes</strong> und <strong>de</strong>nkt dabei nur an die Familien-Beziehung. <strong>Die</strong>se besteht gewiß, aber es gibt<br />

mehr als das, es gibt eine Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes, <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Haupt Christus ist, und in welchem<br />

<strong>de</strong>r Heilige Geist wohnt, wirkt und leitet.<br />

So lange <strong>de</strong>r Gläubige auf Meinungen und Lehren <strong>de</strong>r Menschen achtet, kommt er<br />

allerdings nicht zur Ruhe, nicht zur Klarheit. Aber Gott sei Dank! er ist nicht solchen<br />

Meinungen und Lehren überlassen; er besitzt das Wort <strong>Gottes</strong>, und hier fin<strong>de</strong>t er <strong>de</strong>utliche<br />

Fingerzeige, Grenzsteine, Richtlinien. In<strong>de</strong>m er dieses Wort durchforscht, ent<strong>de</strong>ckt er,<br />

daß Gott Seine Kin<strong>de</strong>r in eins versammelt, und zwar zu <strong>de</strong>m Namen Christi hin, nicht zu<br />

*) Bei <strong>de</strong>n sogenannten Frie<strong>de</strong>nsopfern wur<strong>de</strong> bekanntlich ein Teil <strong><strong>de</strong>s</strong> Opfertiers auf <strong>de</strong>m Altar verbrannt,<br />

<strong>de</strong>r Priester aß <strong>de</strong>n Teil, <strong>de</strong>r für Gott abgeson<strong>de</strong>rt und Ihm dargebracht wur<strong>de</strong>, und <strong>de</strong>n Rest aßen<br />

die Opfern<strong>de</strong>n.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 24<br />

<strong>de</strong>m Namen irgend eines Menschen o<strong>de</strong>r zu einem Bekenntnis, einer Lieblingslehre und<br />

<strong>de</strong>rgleichen. [50] Er fin<strong>de</strong>t ferner, daß da, wo zwei o<strong>de</strong>r drei zu diesem Namen hin versammelt<br />

sind, <strong>de</strong>r Herr in <strong>de</strong>r Mitte ist, so daß man nicht von <strong>de</strong>r Gegenwart irgend eines<br />

Menschen abhängig o<strong>de</strong>r auf sie hingewiesen ist, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>m Herrn und auf <strong>de</strong>n<br />

Herrn allein. Er ent<strong>de</strong>ckt, daß Gott es ist, <strong>de</strong>r alles in allen wirkt, und <strong>de</strong>r Heilige Geist,<br />

<strong>de</strong>r allen austeilt, wie Er will.<br />

Fin<strong>de</strong>t er nun Gläubige, Christen, die auf diesem Bo<strong>de</strong>n stehen, die nach dieser Richtschnur<br />

wan<strong>de</strong>ln, so ist sein Platz in ihrer Mitte. Dankbar und freudig wird er seine Stimme<br />

mit <strong>de</strong>r ihrigen vereinigen zum Lobe Dessen, <strong>de</strong>r Seiner Verheißung treu bleibt trotz aller<br />

Untreue <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen, <strong>de</strong>r sich verherrlicht in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>rer, die auf Ihn trauen, und<br />

<strong>de</strong>r die ehrt, die Ihn ehren.<br />

Wie<strong>de</strong>rum möchten wir ausrufen: Wie einfach und groß sind die Gedanken <strong>Gottes</strong>,<br />

und wie töricht und klein erscheinen ihnen gegenüber die Meinungen, Einrichtungen und<br />

Satzungen <strong>de</strong>r Menschen! Wie<strong>de</strong>rum aber möchten wir auch fragen: Warum will man die<br />

einfache, göttliche Wahrheit nicht? Warum bekämpft man sie so hartnäckig und oft sogar<br />

mit so wenig ritterlichen Waffen? <strong>Die</strong> Antwort lautet: Weil die Wahrheit so gar keinen<br />

Raum läßt für die Entfaltung menschlicher Wichtigkeit und Ehrsucht, nicht einmal in <strong>de</strong>m<br />

Sinne, daß bei <strong>de</strong>r erhabensten christlichen Feier, <strong>de</strong>m Abendmahl, irgend eine Gabe o<strong>de</strong>r<br />

ein Amt in beson<strong>de</strong>rer Weise in Ausübung käme. Nein, »<strong>de</strong>r Kelch <strong>de</strong>r Segnung, <strong>de</strong>n wir<br />

segnen – das Brot, das wir brechen«, so lesen wir im 10. Kapitel; und im 11. heißt es zweimal<br />

ganz allgemein: »<strong>Die</strong>s tut zu meinem Gedächt- [51] nis«, und »So oft ihr dieses Brot<br />

esset und <strong>de</strong>n Kelch trinket, verkündiget ihr <strong>de</strong>n Tod <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, bis Er kommt«. Da ist<br />

keine Spur von einer priesterlichen Weihung <strong><strong>de</strong>s</strong> Brotes und Kelches, o<strong>de</strong>r von einer Austeilung,<br />

einem Reichen <strong><strong>de</strong>s</strong> Abendmahls, o<strong>de</strong>r von irgendwelchen an<strong>de</strong>ren Handlungen<br />

einer mit Autorität beklei<strong>de</strong>ten, hierzu beauftragten und allein befugten Person. Wir, ihr,<br />

euch, so heißt es immer wie<strong>de</strong>r; das will sagen: wir, ihr, die Gläubigen.<br />

Aber, wird man einwen<strong>de</strong>n, muß nicht eine einzelne Person das Brot brechen und das<br />

Dankgebet zu Brot und Kelch sprechen? Freilich! Aber es gibt keine von Gott zu diesem<br />

<strong>Die</strong>nste beson<strong>de</strong>rs verordneten und <strong><strong>de</strong>s</strong>halb allein befugten Männer. Einer <strong>de</strong>r Teilnehmer<br />

versieht diesen <strong>Die</strong>nst, und er tut es im Namen und als <strong>de</strong>r Mund aller Versammelten.<br />

Daß es, wenn möglich, ein älterer und in je<strong>de</strong>m Falle ein vorwurfsfreier Bru<strong>de</strong>r sein sollte,<br />

sagt uns <strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong> christliche Sinn; aber ein Bru<strong>de</strong>r, nicht ein Beamteter, sei es ein<br />

Prediger o<strong>de</strong>r irgend eine an<strong>de</strong>re dazu ordinierte o<strong>de</strong>r gewählte Persönlichkeit. Sobald<br />

man diese Handlung zu <strong>de</strong>m alleinigen Recht irgend einer Person macht, ist <strong>de</strong>r Charakter<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Abendmahls verdorben. Es ist nicht mehr <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn Mahl, zu welchem alle in gleicher<br />

Weise gela<strong>de</strong>n sind und an welchem alle in gleicher Weise teilhaben; es ist zu einer<br />

menschlichen Einrichtung herabgesunken, bei welcher <strong>de</strong>r Mensch Wichtigkeit hat und im<br />

Vor<strong>de</strong>rgrun<strong>de</strong> steht. Der Gedanke an die in <strong>de</strong>m einen Brote*) dargestellte Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Leibes [52] geht völlig verloren: ein von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren abgeson<strong>de</strong>rter, als geweihter o<strong>de</strong>r<br />

geheiligter betrachteter Mensch reicht <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, ferner o<strong>de</strong>r niedriger stehen<strong>de</strong>n Brot<br />

und Wein. Der Unterschied zwischen Geistlichen und Laien ist da.<br />

Das Neue Testament kennt nur ein Priestertum aller Gläubigen. Das Ju<strong>de</strong>ntum hatte<br />

Priester, die vermittelnd zwischen Gott und <strong>de</strong>m Volke stan<strong>de</strong>n, weil dieses nicht unmittelbar<br />

Gott nahen konnte; aber nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Vorhang zerrissen und <strong>de</strong>r Weg zu Gott<br />

*) Nicht »in <strong>de</strong>r Gleichheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Empfangenen liegt die Zusammengehörigkeit begrün<strong>de</strong>t«. Nein, <strong>de</strong>r<br />

Nachdruck [52] liegt auf ein; da ist ein Brot, das gebrochen wird, und dieses einen Brotes sind wir alle teilhaftig.<br />

Das Brot ist die bildliche Darstellung <strong><strong>de</strong>s</strong> einen Leibes Christi, und weil das so ist, geben wir durch unser<br />

Essen von <strong>de</strong>m einen Brote <strong>de</strong>r Wahrheit Ausdruck, daß wir, »die Vielen«, ein Leib sind.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 25<br />

gebahnt ist, sind die Gläubigen Gott nahe gebracht und haben Freimütigkeit zum Eintritt<br />

in das Heiligtum. Das Christentum kennt keine Priester zwischen Gott und Seinem Volke.<br />

<strong>Die</strong> Einsetzung von Priestern ist <strong><strong>de</strong>s</strong>halb im Grun<strong>de</strong> nichts an<strong>de</strong>res als eine Leugnung <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Christentums.<br />

Es wäre noch gar manches in Verbindung mit <strong>de</strong>m »Tische <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn« zu sagen. Es sei<br />

hier aber nur noch darauf hingewiesen, daß <strong>de</strong>r Tag, an welchem man das Abendmahl<br />

von jeher vorwiegend gefeiert hat, nicht unmittelbar geboten ist, – wir stehen unter Gna<strong>de</strong>,<br />

nicht unter Gesetz, und die Liebe soll die Triebfe<strong>de</strong>r bei all unserem Tun sein, – daß<br />

er aber als <strong>de</strong>r erste Tag <strong>de</strong>r Woche, <strong>de</strong>r Auferstehungstag unseres Herrn und Heilan<strong><strong>de</strong>s</strong>,<br />

<strong>de</strong>r Beginn [53] <strong>de</strong>r neuen Schöpfung, sich von jeher <strong>de</strong>n Herzen <strong>de</strong>r Gläubigen empfohlen<br />

hat und heute noch empfiehlt. Nicht so, daß nur an diesem Tage und an keinem an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>de</strong>r Tod <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn verkündigt wer<strong>de</strong>n dürfte; nein, da ist Freiheit gelassen, aber wir tun<br />

sicher wohl, die wenigen Fingerzeige, welche das Wort uns in dieser Beziehung gibt, zu<br />

beachten. Des Herrn Tag (so wird <strong>de</strong>r erste Wochentag in Offbg. 1, 10 genannt) und <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Herrn Abendmahl (so re<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Apostel in 1. Kor. 11, 20 vom Tische <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn) gehören<br />

naturgemäß zusammen. Es ist gewiß auch nicht von ungefähr, daß das mit »Tag« und<br />

»Abendmahl« verbun<strong>de</strong>ne griechische Wort küriakos = <strong>de</strong>m Herrn gehörig, im ganzen<br />

Neuen Testament nur an diesen bei<strong>de</strong>n Stellen vorkommt.<br />

So oft <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r erste Tag <strong>de</strong>r Woche, <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn Tag, wie<strong>de</strong>rkehrt, an welchem Er<br />

einst zum erstenmal nach Seiner Auferstehung mit <strong>de</strong>m kostbaren Gruße »Frie<strong>de</strong> euch!«<br />

in <strong>de</strong>r Mitte Seiner versammelten Jünger erschien – so oft wird auch in <strong>de</strong>m Innern eines<br />

seinen Meister lieben<strong>de</strong>n Jüngers ganz beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Wunsch wach wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>n übrigen<br />

Erlösten <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn Mahl zu genießen und dort dankbaren Herzens <strong>de</strong>r Liebe zu ge<strong>de</strong>nken,<br />

welche einst für ihn an <strong>de</strong>m schmachvollen Kreuze litt und starb. Es kann sein,<br />

daß die Herzen so in Liebe und Dankbarkeit brennen, daß sie die Wie<strong>de</strong>rkehr <strong><strong>de</strong>s</strong> nächsten<br />

ersten Wochentages nicht erwarten können und vorher, vielleicht gar eine Zeitlang<br />

täglich, <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn Mahl feiern.*) Solche Zeiten be- [54] son<strong>de</strong>rer Kraft und Frische hat <strong>de</strong>r<br />

Herr zuweilen gegeben. Wir gehen <strong><strong>de</strong>s</strong>halb mit <strong>de</strong>m schon wie<strong>de</strong>rholt angeführten Schreiber<br />

ganz einig, wenn er sagt: »Alle, die <strong>de</strong>m Herrn im Geist und in <strong>de</strong>r Wahrheit dienen,<br />

können unter Umstän<strong>de</strong>n das Brot je<strong>de</strong>n Tag brechen«; aber wenn er dann hinzufügt:<br />

»o<strong>de</strong>r alle acht o<strong>de</strong>r vierzehn Tage o<strong>de</strong>r vier Wochen, jenach<strong>de</strong>m es sich ihnen innerlich<br />

nahe legt«, so möchten wir doch fragen: Wie muß es mit einem Christen stehen, <strong>de</strong>m es<br />

sich innerlich nahelegt, immer größere Zwischenräume zwischen die einzelnen Abendmahlsfeiern<br />

zu setzen? Regieren da wohl <strong>de</strong>r Herr und Seine Liebe im Herzen, o<strong>de</strong>r haben<br />

sich frem<strong>de</strong>, stören<strong>de</strong> Einflüsse zwischen Ihn und das Herz gedrängt, sei es was es sei?<br />

»So oft ihr dieses Brot esset und <strong>de</strong>n Kelch trinket, verkündiget ihr <strong>de</strong>n Tod <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Herrn, bis Er kommt.« (1. Kor. 11, 26.) Bis Er kommt, – und Seine Ankunft ist nicht fern,<br />

»die Nacht ist weit vorgerückt«, – soll also dieses Zeugnis fortdauern; bis Er kommt, will<br />

<strong>de</strong>r Herr die Seinen immer wie<strong>de</strong>r um sich versammelt sehen; bis Er kommt, soll die ganze<br />

<strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) als die Zeugin <strong>Gottes</strong> in dieser Welt stehen, als das leuchten<strong>de</strong><br />

Gefäß <strong>de</strong>r in ihr wirken<strong>de</strong>n Gna<strong>de</strong> und Macht <strong>Gottes</strong>. Wun<strong>de</strong>rbare, göttliche Kräfte<br />

sind in sie nie<strong>de</strong>rgelegt und entfalten sich, wenn die Untreue <strong>de</strong>r Einzelnen und <strong>de</strong>r Gesamtheit<br />

ihnen nicht hin<strong>de</strong>rnd und störend in <strong>de</strong>n Weg tritt. »Es sind aber Verschie<strong>de</strong>nheiten<br />

von Gna<strong>de</strong>ngaben, aber <strong>de</strong>rselbe Geist; und es sind Verschie<strong>de</strong>nheiten von <strong>Die</strong>nsten,<br />

*) In <strong>de</strong>r allerersten Zeit ist dies anscheinend täglich geschehen: »In<strong>de</strong>m sie täglich einmütig im Tempel<br />

verharrten und zu Hause das Brot brachen &c.« (Apstgsch. 2, 46.)


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 26<br />

und <strong>de</strong>rselbe Herr; und es sind Verschie<strong>de</strong>nheiten von Wirkungen, aber <strong>de</strong>rselbe Gott, <strong>de</strong>r<br />

alles in allen wirkt.« (V. 4–6.)<br />

[55] Beim Lesen dieser Stelle fällt uns sofort, neben <strong>de</strong>r nachdrücklichen Hervorhebung<br />

<strong>de</strong>r Einheit in <strong>de</strong>r Verschie<strong>de</strong>nheit, auf, daß die drei Personen <strong>de</strong>r Gottheit, obwohl<br />

nicht gera<strong>de</strong> im Sinne <strong>de</strong>r Dreieinheit: Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist, als<br />

wirksam in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> auf Er<strong>de</strong>n dargestellt wer<strong>de</strong>n. Der Geist, <strong>de</strong>r Herr und Gott<br />

wer<strong>de</strong>n nacheinan<strong>de</strong>r genannt, und in Verbindung damit die geistlichen Offenbarungen in<br />

drei verschie<strong>de</strong>nen Beziehungen, gleichsam drei konzentrische Kreise <strong><strong>de</strong>s</strong> göttlichen Wirkens:<br />

Gna<strong>de</strong>ngaben in Beziehung zu <strong>de</strong>m Geiste, von welchem sie kommen; <strong>Die</strong>nste in<br />

Beziehung zu <strong>de</strong>m Herrn, unter <strong>de</strong>m und zu <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Verherrlichung sie ausgeübt wer<strong>de</strong>n,<br />

und Wirkungen in Beziehung zu Gott, <strong>de</strong>nn Er ist es, <strong>de</strong>r alles in allen wirkt. Und weiter,<br />

damit niemand <strong>de</strong>nke, <strong>de</strong>r Geist sei nicht Gott o<strong>de</strong>r sei doch Gott untergeordnet, wird<br />

gleich nachher gesagt: »Einem je<strong>de</strong>n aber wird die Offenbarung <strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes zum Nutzen<br />

gegeben. Denn einem wird durch <strong>de</strong>n Geist das Wort <strong>de</strong>r Weisheit gegeben … Alles dieses<br />

aber wirkt ein und <strong>de</strong>rselbe Geist, einem je<strong>de</strong>n insbeson<strong>de</strong>re austeilend, wie Er will.«<br />

(V. 7–11.) So wird <strong>de</strong>m Geiste die Darreichung und Austeilung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Gaben<br />

und Wirkungen in <strong>de</strong>m Leibe zugeschrieben, und zwar soll <strong>de</strong>r <strong>Die</strong>nst je<strong><strong>de</strong>s</strong> einzelnen<br />

Glie<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>de</strong>m ganzen Leibe zu gute kommen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) war und ist verantwortlich dafür, daß <strong>de</strong>r Absicht <strong>Gottes</strong><br />

im Blick auf sie entsprochen wer<strong>de</strong>. So wie wir in Eph. 4 lasen, daß <strong>de</strong>r Herr die Gefangenschaft<br />

gefangen geführt und <strong>de</strong>n Menschen Gaben gegeben, mit an<strong>de</strong>ren Worten,<br />

daß Er [56] Satan besiegt und uns <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Macht und Herrschaft für immer entrissen habe,<br />

so wird uns hier die wun<strong>de</strong>rbare Tatsache vor Augen geführt, daß in dieser Welt, <strong>de</strong>m<br />

Reiche Satans, eine Körperschaft besteht, in welcher <strong>de</strong>r Heilige Geist wohnt, die nicht<br />

mehr Satan und seinen Interessen dient, son<strong>de</strong>rn nur einen Herrn, Jesum Christum, kennt,<br />

und in welcher <strong>de</strong>r lebendige Gott alles wirkt – ein Leib, <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Glie<strong>de</strong>r, als Gefäße <strong>de</strong>r<br />

in ihnen wirken<strong>de</strong>n Kraft <strong>Gottes</strong>, verantwortlich sind, ihre bezüglichen Verrichtungen zu<br />

versehen, die vom Geiste empfangenen Gaben treu zu verwalten und <strong>de</strong>m Herrn zu dienen,<br />

zum Nutzen <strong><strong>de</strong>s</strong> Einzelnen und zur Erbauung <strong><strong>de</strong>s</strong> Ganzen. Nicht ein sterblicher<br />

Mensch, nicht menschliche Verordnungen, nicht Menschenwitz und Menschenklugheit<br />

regieren hier, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Geist gibt, <strong>de</strong>r Herr ordnet an, und Gott wirkt alles in allen;<br />

und ich wie<strong>de</strong>rhole: zum Nutzen aller, nicht zur Hervorhebung o<strong>de</strong>r Auszeichnung <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Einzelnen.<br />

»Das klingt großartig«, sagt man. Es wür<strong>de</strong> nicht auffallen, wenn solche Worte aus<br />

<strong>de</strong>m Mun<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>r eines Ungläubigen kämen, aber einen Gläubigen so re<strong>de</strong>n zu<br />

hören, tut weh. Nein, es klingt nicht großartig, es ist göttlich groß. Da war und ist eine<br />

<strong>Versammlung</strong> auf dieser Er<strong>de</strong>, in welcher <strong>Gottes</strong> Weisheit sich so offenbart, daß die Fürstentümer<br />

und Gewalten in <strong>de</strong>n himmlischen Örtern staunend und bewun<strong>de</strong>rnd auf sie<br />

hernie<strong>de</strong>rschauen. (Eph. 3, 10.) Da ist eine Kraft in dieser <strong>Versammlung</strong> wirksam, daß ein<br />

in sie eintreten<strong>de</strong>r Ungläubiger o<strong>de</strong>r Unkundiger so von ihr überführt und überwältigt<br />

wer<strong>de</strong>n kann, daß er auf sein Angesicht fällt und anbetend verkündigt, daß [57] Gott wirklich<br />

in ihrer Mitte ist. (1. Kor. 14, 24. 25.) Ganz gewiß wird auf die Frage, inwieweit die<br />

göttlichen Gedanken und Absichten praktisch von uns verwirklicht wer<strong>de</strong>n, die Antwort<br />

immer <strong>de</strong>mütigend für uns ausfallen; aber sollten wir <strong><strong>de</strong>s</strong>halb <strong>de</strong>n göttlichen Bo<strong>de</strong>n verlassen<br />

und mit weniger zufrie<strong>de</strong>n sein, als Gott uns geschenkt hat? Sollten wir <strong>de</strong>n Ratschluß<br />

<strong>Gottes</strong> hinsichtlich Seiner Gemein<strong>de</strong> aufgeben und dafür die menschlichen Gedanken<br />

annehmen über Kirchen und <strong>de</strong>ren Einrichtungen, über die »Gründung biblischer Gemein<strong>de</strong>n«<br />

mit ihren selbstgewählten Predigern, Vorstehern und Leitern, mit ihren Satzungen<br />

und Namen, wodurch die Wahrheit von <strong>de</strong>m einen Leibe tatsächlich geleugnet


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 27<br />

wird? Sollten wir, weil das Fleisch sich an die Stelle <strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes drängen und Unordnung<br />

und Unheil anrichten kann, verzweifelnd sagen: Eine Geistesleitung ist unmöglich, und<br />

wir müssen uns selbst helfen, so gut es geht? Nimmermehr!<br />

Mögen auch Verfall und Verwirrung noch so groß gewor<strong>de</strong>n sein, es bleibt bestehen:<br />

»Gleichwie <strong>de</strong>r Leib einer ist und viele Glie<strong>de</strong>r hat, alle Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes aber, obgleich<br />

viele, ein Leib sind: also auch <strong>de</strong>r Christus. Denn auch in einem Geiste (<strong>de</strong>m Heiligen<br />

Geiste) sind wir alle zu einem Leibe getauft wor<strong>de</strong>n, es seien Ju<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Griechen, es<br />

seien Sklaven o<strong>de</strong>r Freie, und sind alle mit einem Geiste getränkt wor<strong>de</strong>n.« (V. 12. 13.)<br />

Der Glaube darf heute wie immer in dieser kostbaren Wahrheit ruhen. Nach<strong>de</strong>m die Frage<br />

<strong>de</strong>r persönlichen Errettung für <strong>de</strong>n Glauben<strong>de</strong>n geordnet ist, tritt er in <strong>de</strong>n Kreis <strong>de</strong>r<br />

Familie <strong>Gottes</strong> ein, es beginnt für ihn das gemeinschaftliche, korporative [58] Verhältnis.<br />

Durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist auf Er<strong>de</strong>n errichtet, besteht dieses Verhältnis und bleibt bestehen,<br />

mag die Untreue <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen in seine äußere Darstellung auch so viele Löcher<br />

gerissen haben, daß kaum noch einzelne Trümmer übriggeblieben sind. Da ist, Gott sei<br />

gepriesen! ein Leib, bestehend aus allen wahren Gläubigen, und in ihm wirkt ein und<br />

<strong>de</strong>rselbe Geist. Der Glaube erfaßt diese unverän<strong>de</strong>rliche göttliche Wahrheit, und in<strong>de</strong>m<br />

er das tut, wird <strong>de</strong>r Gläubige aus all <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Gemein<strong>de</strong>n und Körperschaften<br />

mit ihren mannigfaltigen Abstufungen herausgehoben und auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n <strong><strong>de</strong>s</strong> einen Leibes<br />

gestellt, in welchem es nach <strong>Gottes</strong> Gedanken nie eine Spaltung gibt. (V. 25.) Er weiß<br />

nicht nur, daß er persönlich in Christo ist (2. Kor. 5, 17), son<strong>de</strong>rn daß er nun auch einen<br />

Platz in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) hat, daß er ein Glied an <strong>de</strong>m Leibe ist, von Gott an<br />

seinen bestimmten Platz gebracht, »wie es Ihm gefallen hat« (V. 18), und daß infolge<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong>sen die ernste Verantwortlichkeit auf ihm ruht, diesen Platz nach <strong>Gottes</strong> Gedanken<br />

auszufüllen.<br />

Ach! daß die Arbeiter <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn in unseren Tagen mehr ihre heilige Pflicht verstehen<br />

möchten, die Neubekehrten weiterzuführen und sie heranwachsen zu lassen zu Christo,<br />

<strong>de</strong>m Haupte, hin! Paulus, <strong>de</strong>r nicht nur <strong>Die</strong>ner <strong><strong>de</strong>s</strong> Evangeliums, son<strong>de</strong>rn auch <strong>Die</strong>ner <strong>de</strong>r<br />

<strong>Versammlung</strong> war, ermahnte und lehrte je<strong>de</strong>n Menschen in aller Weisheit, um je<strong>de</strong>n Menschen<br />

vollkommen (erwachsen) in Christo darzustellen. Statt <strong><strong>de</strong>s</strong>sen ist man heute meist<br />

schon zufrie<strong>de</strong>n, wenn ein Mensch bekennt, Vergebung seiner Sün<strong>de</strong>n gefun<strong>de</strong>n zu haben;<br />

man überläßt es ihm, »sich irgendwo anzu- [59] schließen«, je nach Belieben, da wo es ihm<br />

am besten paßt. Ja, in<strong>de</strong>m man noch ein Übriges tut und ihm ein Verzeichnis <strong>de</strong>r am Orte<br />

bestehen<strong>de</strong>n christlichen Gemeinschaften in die Hand drückt, damit er so leichter seine<br />

Auswahl treffen könne, meint man sehr brü<strong>de</strong>rlich und nach <strong>de</strong>n Grundsätzen wahrer<br />

christlicher Freiheit gehan<strong>de</strong>lt zu haben. O welch bittere Tränen wür<strong>de</strong> Paulus vergießen,<br />

wenn er <strong>de</strong>m heute zuschauen müßte, und mit welch heiliger Entrüstung wür<strong>de</strong> er die also<br />

Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n zurechtweisen!<br />

<strong>Die</strong> Art und Weise, wie <strong>de</strong>r Heilige Geist Seine Gna<strong>de</strong>ngaben darreicht, ist nicht Konzentration,<br />

Vereinigung aller Gaben in einer einzelnen Person, son<strong>de</strong>rn Verteilung im<br />

weitesten Sinne: Er gibt vielen, allen, <strong>de</strong>m einen so, <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren so. Es ist hier nicht <strong>de</strong>r<br />

Platz, von <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Gna<strong>de</strong>ngaben im Einzelnen zu re<strong>de</strong>n; es sei nur darauf<br />

hingewiesen, daß <strong>de</strong>r Geist austeilt, wie Er will, in reichster Mannigfaltigkeit, und daß<br />

Gott alles in allen wirkt. Da gibt es hervorragen<strong>de</strong>, »wohlanständige« Glie<strong>de</strong>r, wie Hand<br />

und Fuß, Auge und Ohr, und da sind verborgene, »unehrbarere« Teile <strong><strong>de</strong>s</strong> Körpers. Aber<br />

alle sind nötig und gera<strong>de</strong> da nötig, wo Gott ihnen ihren Platz angewiesen hat. Denn<br />

»wenn alle ein Glied wären, wo wäre <strong>de</strong>r Leib? Nun aber sind <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r zwar viele, <strong>de</strong>r<br />

Leib aber ist einer«. (V. 19. 20.) Und vorher: »Denn gleichwie <strong>de</strong>r Leib einer ist und viele


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 28<br />

Glie<strong>de</strong>r hat, alle Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes aber, obgleich viele, ein Leib sind: also auch <strong>de</strong>r<br />

Christus«.*) (V. 12.)<br />

[60] O wenn die Gläubigen nur einfältig und vorurteilsfrei auf die Belehrungen <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Wortes lauschen wollten, wie bald wür<strong>de</strong>n alle Schwierigkeiten schwin<strong>de</strong>n! Alle, die <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Herrn sind, sind durch einen Geist zu einem Leibe getauft. (V. 13.) Nicht <strong>de</strong>r Glaube ist<br />

das Band <strong>de</strong>r Einheit – er ist rein persönlich, er gibt Leben, aber vereinigt nicht, wenngleich<br />

er die Glauben<strong>de</strong>n zur Vereinigung passend macht. Nicht Einstimmigkeit im Blick<br />

auf die verschie<strong>de</strong>nen Teile <strong>de</strong>r göttlichen Wahrheit, nicht gleiche Gefühle, Ansichten &c.<br />

bil<strong>de</strong>n das Band <strong>de</strong>r Einheit, so begehrenswert eine solche Einstimmigkeit sein mag – nein,<br />

die Taufe mit <strong>de</strong>m Heiligen Geiste, die nach <strong>de</strong>m Glauben kommt (vergl. Eph. 1, 13), ist<br />

es, die das Einheitsband um alle Erlösten schlingt, und das Ergebnis davon ist eben <strong>de</strong>r<br />

eine Leib. Darum sagte <strong>de</strong>r Herr auch Seinen Jüngern nach Seiner Auferstehung: »Ihr<br />

wer<strong>de</strong>t mit Heiligem Geiste getauft wer<strong>de</strong>n nach nunmehr nicht vielen Tagen«. (Apstgsch.<br />

1, 5.) Der eine Leib hatte bis dahin nie bestan<strong>de</strong>n. Erst mit <strong>de</strong>m Pfingstfest begann sein<br />

geschichtliches Bestehen auf dieser Er<strong>de</strong>, und <strong>de</strong>r Geist, <strong>de</strong>r damals hernie<strong>de</strong>rkam, wird<br />

bei uns und in uns bleiben in Ewigkeit. (Joh. 14, 16. 17.) Das Band ist unzerreißbar, das<br />

Verhältnis für alle Ewigkeit gegrün<strong>de</strong>t. Aber vergessen wir nicht, daß es nicht erst in <strong>de</strong>r<br />

Ewigkeit gesehen wer<strong>de</strong>n soll, son<strong>de</strong>rn daß es schon in dieser Zeit und für diese Zeit besteht,<br />

und [61] daß alle, die ihm nicht Rechnung tragen, <strong>de</strong>n Herrn verunehren und Seine<br />

Rechte nicht beachten.<br />

Was also <strong>de</strong>n Leib in beson<strong>de</strong>rer Weise kennzeichnet, ist, daß er aus vielen Glie<strong>de</strong>rn<br />

besteht, und daß je<strong><strong>de</strong>s</strong> einzelne Glied <strong><strong>de</strong>s</strong> an<strong>de</strong>ren bedarf, daß das eine auf das an<strong>de</strong>re<br />

angewiesen ist und nicht sagen kann: »Ich bedarf <strong>de</strong>iner nicht«, o<strong>de</strong>r: »Weil ich nicht dies<br />

o<strong>de</strong>r das bin, so bin ich nicht von <strong>de</strong>m Leibe« – genau wie in <strong>de</strong>m menschlichen Organismus;<br />

und ferner, daß kein Glied seinen Platz o<strong>de</strong>r seine Tätigkeit selbst wählen kann, daß<br />

auch nicht an<strong>de</strong>re Glie<strong>de</strong>r befugt sind, ihm einen Platz anzuweisen, son<strong>de</strong>rn »daß Gott<br />

<strong>de</strong>n Leib zusammengefügt hat, in<strong>de</strong>m Er <strong>de</strong>m Mangelhafteren reichlichere Ehre gegeben,<br />

auf daß keine Spaltung in <strong>de</strong>m Leibe sei, son<strong>de</strong>rn die Glie<strong>de</strong>r dieselbe Sorge füreinan<strong>de</strong>r<br />

haben möchten« (V. 24. 25.) Der Leser beachte wohl das Wort: die »Glie<strong>de</strong>r«, nicht etwa<br />

die »Gemeinschaften«, die »Benennungen«, als wären diese in ihrer Gesamtheit Glie<strong>de</strong>r<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes und aufeinan<strong>de</strong>r angewiesen, füreinan<strong>de</strong>r nötig. Man hat es so zu erklären<br />

gesucht, so unglaublich es klingen mag; aber wozu ist <strong>de</strong>r Mensch in seinem Eigenwillen<br />

nicht fähig! <strong>Die</strong> Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes sind die einzelnen Gläubigen, nicht aber die verschie<strong>de</strong>nen<br />

religiösen Körperschaften, welche <strong>de</strong>r Mensch gebil<strong>de</strong>t hat. <strong>Die</strong>se stehen vielmehr,<br />

als die Ergebnisse <strong>de</strong>r Parteisucht <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen, in unmittelbarem Wi<strong>de</strong>rspruch mit <strong>de</strong>r<br />

ganzen Lehre unseres Kapitels, sind eine praktische Leugnung <strong>de</strong>r Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes, so<br />

viel man auch theoretisch von dieser Einheit re<strong>de</strong>n mag.<br />

Wir haben schon weiter oben gesagt, wie wichtig [62] es für je<strong><strong>de</strong>s</strong> Glied ist, seinen<br />

Platz am Leibe zu kennen und sich nicht über die an<strong>de</strong>ren Glie<strong>de</strong>r zu erheben, o<strong>de</strong>r diese<br />

zu benei<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m man mit <strong>de</strong>m eigenen, anscheinend unwichtigeren Platze unzufrie<strong>de</strong>n<br />

ist. Wie töricht wäre es und welch ein Zerrbild wür<strong>de</strong> sich ergeben, wenn im menschlichen<br />

Körper je<strong><strong>de</strong>s</strong> Glied <strong>de</strong>nselben Platz und dieselbe Tätigkeit haben wollte! Welch eine<br />

Unordnung und welch ein Nachteil für <strong>de</strong>n ganzen Organismus wür<strong>de</strong> schon entstehen,<br />

wenn nur eines seine Tätigkeit einstellen o<strong>de</strong>r die eines an<strong>de</strong>ren Glie<strong><strong>de</strong>s</strong> übernehmen<br />

*) Auch ein beachtenswertes Wort. Wir wür<strong>de</strong>n erwarten: »also auch die <strong>Versammlung</strong>« (Gemein<strong>de</strong>),<br />

aber [60] nein: »also auch <strong>de</strong>r Christus«, d. i. jener geheimnisvolle Mensch <strong>de</strong>r Ratschlüsse <strong>Gottes</strong>, von welchem<br />

wir bei <strong>de</strong>r Betrachtung von Eph. 2 schon hörten. Christus und die <strong>Versammlung</strong> sind eins, Er das<br />

Haupt, sie <strong>de</strong>r Leib.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 29<br />

wollte! »Wenn <strong>de</strong>r ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? wenn ganz Gehör, wo <strong>de</strong>r<br />

Geruch?« (V. 17.) Nein, wie im menschlichen Körper alles aufs Wun<strong>de</strong>rbarste nach göttlicher<br />

Weisheit geordnet ist, so auch in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>. Da hat »Gott je<strong><strong>de</strong>s</strong> einzelne<br />

Glied«, das kleinste wie das größte, das herrlichste wie das mangelhafteste, »gesetzt, wie<br />

es Ihm gefallen hat«, und wahrlich, wir können nichts Besseres, nichts Weiseres tun, als<br />

uns <strong>de</strong>r Anordnung unseres <strong>Gottes</strong> und Vaters zu unterwerfen, und nichts Böseres und<br />

Törichteres, als unseren eigenen Gedanken und Meinungen zu folgen.<br />

So ist <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Leib einer, <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r aber sind viele. Aber so viele es ihrer auch<br />

geben, und so verschie<strong>de</strong>n ihre Bestimmung und Berufung sein mag, die Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes<br />

erlei<strong>de</strong>t dadurch keine Einbuße. Im Gegenteil, wie schön und harmonisch sind die<br />

Bewegungen eines Menschen, bei welchem je<strong><strong>de</strong>s</strong> Glied richtig ausgebil<strong>de</strong>t ist und seinen<br />

Platz und seine Bestimmung am Leibe nach <strong><strong>de</strong>s</strong> Schöpfers Willen ausfüllt! Ach, wenn es<br />

so doch auch in <strong>de</strong>m Leibe Christi [63] wäre! Aber wie viel Eigenwille, Selbstbestimmung,<br />

Neid, Eifersucht, Unzufrie<strong>de</strong>nheit und Überhebung zeigt sich da! Auch wie viel Unwissenheit<br />

und Unbekanntschaft mit <strong>Gottes</strong> Gedanken! Ich re<strong>de</strong> jetzt natürlich nur von Kin<strong>de</strong>rn<br />

<strong>Gottes</strong>, von Glie<strong>de</strong>rn am Leibe Christi. Der eine nennt sich Prediger (Hirte) dieser o<strong>de</strong>r<br />

jener Kirche o<strong>de</strong>r Gemeinschaft, und be<strong>de</strong>nkt nicht, daß er sich dadurch in unmittelbaren<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch mit <strong>Gottes</strong> Wort und Willen setzt; <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re sagt: »Ich bin ganz frei; ich<br />

gehe, wohin es mir beliebt, und arbeite, wo man mich haben will«, und weiß gar nicht,<br />

daß er dadurch seine Abhängigkeit von <strong>de</strong>m Haupte leugnet und die Segenskanäle verstopft,<br />

die von an<strong>de</strong>ren Glie<strong>de</strong>rn <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes zu ihm und von ihm zu an<strong>de</strong>ren führen sollten.<br />

Zu welchem Zweck hat Gott die Glie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m Leibe gesetzt, in welcher Absicht<br />

teilt <strong>de</strong>r Geist Seine Gna<strong>de</strong>ngaben aus und beruft <strong>de</strong>r Herr Seine Knechte in Seinen<br />

<strong>Die</strong>nst? »Auf daß die <strong>Versammlung</strong> Erbauung empfange« (1. Kor. 14, 5. 12. 26), und auf<br />

daß »die Glie<strong>de</strong>r dieselbe Sorge füreinan<strong>de</strong>r haben möchten«. O wie viel Segen geht auch<br />

in dieser Beziehung durch die unheilvolle Zersplitterung <strong>de</strong>r Gläubigen verloren! Da sind<br />

Evangelisten, Hirten und Lehrer überall in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Benennungen zerstreut und<br />

durch die Schranken und Zäune, durch die Spaltungen und Trennungen in <strong>de</strong>r Ausübung<br />

ihrer Gaben eingeschränkt, behin<strong>de</strong>rt, ja, vielfach völlig lahm gelegt. Welch ein Verlust<br />

das für sie und für die <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) im allgemeinen ist, wer könnte das auch<br />

nur annähernd beschreiben!<br />

Wem zu gute wer<strong>de</strong>n die verschie<strong>de</strong>nen Gaben ge- [64] geben? Dem ganzen Leibe,<br />

nicht einem kleinen Bruchstück <strong><strong>de</strong>s</strong>selben. »Einem je<strong>de</strong>n aber wird die Offenbarung <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Geistes zum Nutzen gegeben«. So verschie<strong>de</strong>n die Gaben, <strong>Die</strong>nste und Wirkungen sein<br />

mögen, sie alle sollten in einer Weise ausgeübt wer<strong>de</strong>n und sich offenbaren, daß die göttliche<br />

Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Ganzen ans Licht träte und <strong>de</strong>m Wohl und <strong>de</strong>r För<strong>de</strong>rung <strong><strong>de</strong>s</strong> Ganzen<br />

gedient wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong>se Einheit besteht vollkommen mit <strong>de</strong>r Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r,<br />

und umgekehrt die Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r steht in vollem Einklang mit <strong>de</strong>m einen<br />

Leibe. Aber wohin ist man in <strong>de</strong>r Christenheit gekommen! Einerseits erwartet man, daß<br />

eine und dieselbe Person all die verschie<strong>de</strong>nen Gaben in sich vereinige und ausübe, und<br />

an<strong>de</strong>rseits begegnet man schier zahllosen »Leibern«, die alle voneinan<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>n<br />

und einan<strong>de</strong>r entgegengesetzt sind. Und warum ist das so? Hauptsächlich <strong><strong>de</strong>s</strong>halb, weil<br />

man die Wahrheit <strong>Gottes</strong> bezüglich <strong><strong>de</strong>s</strong> einen Geistes und <strong><strong>de</strong>s</strong> einen Leibes außer acht<br />

gelassen, die Abhängigkeit vom Herrn vergessen und so in seiner Not zu menschlichen<br />

Erfindungen und Einrichtungen seine Zuflucht genommen hat.<br />

Was ist das Heilmittel? Ein Mittel zur Heilung <strong><strong>de</strong>s</strong> allgemeinen Verfalls und Ver<strong>de</strong>rbens<br />

gibt es nicht. Es bleibt nur <strong>de</strong>m Einzelnen übrig, von allem abzustehen, was <strong>de</strong>m<br />

Worte <strong>Gottes</strong> zuwi<strong>de</strong>r ist, und mit <strong>de</strong>nen, die ebenfalls <strong>de</strong>m Herrn treu sein möchten,<br />

zurückzukehren zu <strong>de</strong>m, »was von Anfang war«, – nicht in hochmütiger Verurteilung <strong>de</strong>r


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 30<br />

übrigen, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>mütiger Beugung unter die gemeinsame Schuld und in aufrichtigem<br />

Bekenntnis <strong>de</strong>r eigenen.<br />

[65] Wie innig die Verbindung <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes ist, geht beson<strong>de</strong>rs aus <strong>de</strong>n Worten<br />

hervor: »Und wenn ein Glied lei<strong>de</strong>t, so lei<strong>de</strong>n alle Glie<strong>de</strong>r mit, o<strong>de</strong>r wenn ein Glied<br />

verherrlicht wird, so freuen sich alle Glie<strong>de</strong>r mit«. (V. 26.) <strong>Die</strong>s ist ganz beson<strong>de</strong>rs wahr,<br />

wenn es sich um eine örtliche <strong>Versammlung</strong>, die Darstellung <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi in einer<br />

Stadt, einem Dorfe &c. han<strong>de</strong>lt, wie hier in Korinth: »Ihr (Korinther) seid <strong>de</strong>r Leib Christi*)<br />

und Glie<strong>de</strong>r inson<strong>de</strong>rheit«. (V. 27.) Aber es ist auch wahr im weiteren, alle Glie<strong>de</strong>r<br />

umfassen<strong>de</strong>n Sinne. Es ist ganz unmöglich, daß ein Glied (in geistlichem Sinne) erkranke<br />

o<strong>de</strong>r blühe und erstarke, ohne daß die an<strong>de</strong>ren Glie<strong>de</strong>r davon beeinflußt wür<strong>de</strong>n. Denken<br />

wir nur nicht, daß ein Übel an irgend einem Teile <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi ausbrechen könnte,<br />

sei es selbst in einem ganz an<strong>de</strong>ren Lan<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Erdteil, ohne daß wir dadurch berührt<br />

wür<strong>de</strong>n und darunter litten. Fühlen es die Glie<strong>de</strong>r eines menschlichen Leibes nicht, wenn<br />

ein Fuß o<strong>de</strong>r eine Hand erkrankt? Wird nicht sofort <strong>de</strong>r ganze Leib in Mitlei<strong>de</strong>nschaft<br />

gezogen? Genau so ist es in <strong>de</strong>m Leibe Christi. Es wäre kein einheitliches organisches<br />

Ganzes, wenn es an<strong>de</strong>rs wäre. Daß <strong>de</strong>r gegenwärtige Zustand <strong>de</strong>r Zerrissenheit und Weltförmigkeit<br />

die geistliche Empfindsamkeit überaus vermin<strong>de</strong>rt hat, liegt auf <strong>de</strong>r Hand, –<br />

<strong>de</strong>r ganze Organismus ist krank, schwerkrank, – aber sie ist noch da und wird erhalten<br />

durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Leibe wohnt.<br />

Es bleibt uns noch übrig, <strong>de</strong>r Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r [66] Gaben und <strong>Die</strong>nste zu ge<strong>de</strong>nken.<br />

»Und Gott hat etliche in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten,<br />

drittens Lehrer, sodann Wun<strong>de</strong>rkräfte, sodann Gaben <strong>de</strong>r Heilungen, Hilfsleistungen,<br />

Regierungen, Arten von Sprachen. Sind etwa alle Apostel? alle Propheten? alle Lehrer?<br />

haben alle Wun<strong>de</strong>rkräfte? haben alle Gna<strong>de</strong>ngaben <strong>de</strong>r Heilungen? re<strong>de</strong>n alle in Sprachen?<br />

legen alle aus?« (V. 28–30.) Noch einmal wird in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlichsten Weise bestätigt,<br />

daß Gott es ist, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rn und Gaben in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> ihren bezüglichen Platz<br />

und <strong>Die</strong>nst anweist. Der Mensch o<strong>de</strong>r die <strong>Versammlung</strong> haben nichts mit einer Beauftragung<br />

o<strong>de</strong>r Bestätigung zu tun, es sei <strong>de</strong>nn in <strong>de</strong>m ausschließlichen Sinne, daß sie die<br />

von Gott geschenkten Gaben anerkennen und sich <strong>de</strong>n von Ihm gegebenen Lehrern und<br />

Führern unterwerfen. <strong>Die</strong> Quelle aller Autorität und Macht ist in Gott. We<strong>de</strong>r ein Apostel<br />

noch ein Prophet noch ein Lehrer bedurfte einer Einsetzung o<strong>de</strong>r Bestätigung seitens <strong>de</strong>r<br />

Menschen. Der Herr berief und befähigte einen Menschen zu <strong>de</strong>m Werke, das er tun sollte,<br />

und Er tut es heute noch; und <strong>de</strong>r Geist leitet sowohl diesen Einzelnen an, treu zu sein<br />

in <strong>de</strong>r Ausübung seiner Gabe, als auch die an<strong>de</strong>ren, ihn darin anzuerkennen. Darum: »Jenach<strong>de</strong>m<br />

ein je<strong>de</strong>r eine Gna<strong>de</strong>ngabe empfangen hat, dienet einan<strong>de</strong>r damit als gute Verwalter<br />

<strong>de</strong>r mancherlei Gna<strong>de</strong> <strong>Gottes</strong>«. (1. Petr. 4, 10.)<br />

<strong>Die</strong> Fragen <strong><strong>de</strong>s</strong> Apostels in <strong>de</strong>n Versen 29 und 30 weisen ferner auf die bereits erwähnte<br />

Tatsache hin, daß die verschie<strong>de</strong>nen Gaben unter die Glie<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes verteilt<br />

sind, so daß we<strong>de</strong>r einem alle Ver- [67] richtungen obliegen, noch alle dasselbe zu tun<br />

haben. Jenach<strong>de</strong>m ein je<strong>de</strong>r empfangen hat, soll er in Einfalt und Treue dienen, und alle<br />

sollen eifern um die größeren Gna<strong>de</strong>ngaben, die zur Erbauung <strong>de</strong>r Gläubigen und nicht<br />

zum äußeren Schmuck <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> o<strong>de</strong>r zu einem Zeichen für die Ungläubigen<br />

(vergl. Kap. 14, 22) dienten. <strong>Die</strong> Korinther waren kindisch genug, – und wie viele Gläubige<br />

unserer Tage gleichen ihnen darin! – nach <strong>de</strong>r mehr ins Auge fallen<strong>de</strong>n, aber geringsten<br />

Gabe <strong><strong>de</strong>s</strong> Zungenre<strong>de</strong>ns zu trachten und die weit gesegnetere und <strong><strong>de</strong>s</strong>halb »größere«<br />

*) d. h. nicht unabhängig von an<strong>de</strong>ren <strong>Versammlung</strong>en, son<strong>de</strong>rn in Verbindung mit ihnen, aber in vertreten<strong>de</strong>r<br />

Weise für <strong>de</strong>n Ort.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 31<br />

Gabe <strong><strong>de</strong>s</strong> Re<strong>de</strong>ns zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung gering zu schätzen. (Vergl.<br />

Kap. 14, 1–5.)<br />

Aber so begehrenswert es war, diese größeren Gaben zu besitzen – es gab doch noch<br />

etwas Höheres, Begehrenswerteres. »Einen noch vortrefflicheren Weg zeige ich euch«,<br />

sagt <strong>de</strong>r Apostel, und dann re<strong>de</strong>t er von <strong>de</strong>r Liebe. Das ist <strong>de</strong>r beste, vortrefflichste Weg,<br />

auf welchem wir wan<strong>de</strong>ln, dienen und Gott verherrlichen können. Was könnte es mir<br />

nützen, wenn ich Prophezeiung hätte und alle Geheimnisse und Erkenntnis wüßte, ja,<br />

wenn ich selbst <strong>de</strong>n Glauben besäße, Berge zu versetzen, und hätte nicht Liebe? Ich wäre<br />

nichts! Was sind Prophezeiungen, Sprachen und Erkenntnis im Vergleich mit <strong>de</strong>r Liebe?<br />

Sie alle wer<strong>de</strong>n aufhören o<strong>de</strong>r weggetan wer<strong>de</strong>n; aber die Liebe bleibt. Sie ist die Natur<br />

<strong>Gottes</strong> und <strong><strong>de</strong>s</strong>halb ewig. Wo man »von Gott gelehrt ist, einan<strong>de</strong>r zu lieben« (1. Thess.<br />

4, 9), da grünt und blüht alles, da schwin<strong>de</strong>n Eigenliebe, Neid und Ehrsucht, da herrscht<br />

<strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Christus in <strong>de</strong>n Herzen, und Wort und Fe<strong>de</strong>r dienen nicht zum Unsegen<br />

[68] und zur Entzweiung, son<strong>de</strong>rn zur gegenseitigen Erbauung und Tröstung.<br />

Möchte <strong>de</strong>nn an uns und allen unseren geliebten Geschwistern <strong>de</strong>r Wunsch o<strong>de</strong>r das<br />

Gebet <strong><strong>de</strong>s</strong> Apostels in Erfüllung gehen: »Euch aber mache <strong>de</strong>r Herr völlig und überströmend<br />

in <strong>de</strong>r Liebe gegeneinan<strong>de</strong>r und gegen alle …, um eure Herzen ta<strong>de</strong>llos in Heiligkeit<br />

zu befestigen vor unserem Gott und Vater, bei <strong>de</strong>r Ankunft unseres Herrn Jesu mit<br />

allen Seinen Heiligen«! (1. Thess. 3, 12.)


[69]<br />

IV.<br />

Älteste und <strong>Die</strong>ner.<br />

»Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre; beharre in diesen Dingen,<br />

<strong>de</strong>nn wenn du dieses tust, so wirst du sowohl dich selbst erretten als auch die,<br />

welche dich hören.« (1. Tim. 4, 16.)<br />

Den Christen, welche, <strong>de</strong>m bestimmten Gebote <strong>Gottes</strong> folgend, aus <strong>de</strong>n religiösen<br />

»Lagern« <strong>de</strong>r Christenheit »zu Ihm« hinausgegangen sind (Hebr. 13, 13), wird häufig <strong>de</strong>r<br />

Vorwurf gemacht, daß sie je<strong><strong>de</strong>s</strong> »Amt«, o<strong>de</strong>r doch die Fortdauer <strong><strong>de</strong>s</strong>selben, in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong><br />

o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> <strong>Gottes</strong> leugneten. Der Vorwurf ist nicht gerecht. Jene Christen<br />

leugnen nicht das Amt überhaupt, sie verurteilen nur das, was <strong>de</strong>r Mensch daraus gemacht<br />

hat. Sie können das, was man heute unter »Amt« (in geistlichem Sinne) versteht, nicht als<br />

schriftgemäß erkennen und darum auch nicht anerkennen.<br />

<strong>Die</strong> Hauptursache <strong>de</strong>r Verworrenheit <strong>de</strong>r Begriffe in dieser Hinsicht liegt wohl in <strong>de</strong>r<br />

Nichtbeachtung <strong><strong>de</strong>s</strong> Unterschie<strong><strong>de</strong>s</strong> zwischen Amt und Gabe. Auf diesen Unterschied ist<br />

schon oft hingewiesen wor<strong>de</strong>n.*) Das Außerachtlassen <strong><strong>de</strong>s</strong>selben muß notwendigerweise<br />

zu allerlei verkehrten Schlüssen und Handlungen führen.<br />

[70] <strong>Die</strong> Gaben stehen in Verbindung mit <strong>de</strong>m Leibe Christi in seiner Gesamtheit. Sie<br />

wer<strong>de</strong>n verliehen zu <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Sammlung und Auferbauung. Es han<strong>de</strong>lt sich dabei nicht um<br />

<strong>de</strong>n Besitz bestimmter Eigenschaften o<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rer Erfahrungen, um das Erlangthaben<br />

einer gewissen Stufe im Alter o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Erkenntnis; nein, die Gaben sind, wie schon das<br />

Wort ausdrückt, freie Mitteilungen <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, Geschenke <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, vermittelt durch die<br />

Kraft und Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>s</strong> Heiligen Geistes. Er (Christus) ist hinaufgestiegen in die Höhe<br />

und hat <strong>de</strong>n Menschen Gaben gegeben. (Eph. 4, 8.)<br />

Ämter stehen in Beziehung zu <strong>de</strong>r örtlichen Darstellung <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes Christi, <strong>de</strong>r Ortsgemein<strong>de</strong>;<br />

ihre Befugnisse gehen nicht über diese hinaus, <strong>de</strong>r Kreis ihrer Ausübung ist<br />

durchaus auf die örtliche <strong>Versammlung</strong> beschränkt. Deshalb kann man nicht von einem<br />

Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten o<strong>de</strong>r Lehrer einer örtlichen Gemein<strong>de</strong> re<strong>de</strong>n,<br />

wohl aber von Ältesten und <strong>Die</strong>nern (Diakonen) o<strong>de</strong>r <strong>Die</strong>nerinnen <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> zu<br />

Philippi, Jerusalem u. s. w. Jene sind gleichsam Gesamteigentum, diese örtlicher Besitz.<br />

Darum fin<strong>de</strong>n wir einen Apollos heute tätig in Ephesus, bald darauf in Korinth und später<br />

auf <strong>de</strong>r Insel Kreta. (Apstgsch. 18, 24–27; 1. Kor. 3, 6; Tit. 3, 13.) Älteste aber waren an<br />

ihren Wohnort gebun<strong>de</strong>n; hier, und nur hier, war die Stätte ihrer Wirksamkeit.<br />

Der Umstand, daß Luther das griechische Wort diakonia = <strong>Die</strong>nst an vielen Stellen mit<br />

»Amt« übersetzt hat, hat wohl dazu mitgeholfen, die Begriffe zu verwirren. Wenn er z.B.<br />

in Apostelgesch. 6, 4 re<strong>de</strong>t vom »Amte <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes« (vergl. auch Kap. 20, 24; [71] 21, 19),<br />

in 2. Kor. 3, 8 und 9 von »<strong>de</strong>m Amt, das <strong>de</strong>n Geist gibt«, – »das die Verdammnis (die<br />

Gerechtigkeit) predigt« (vergl. Kap. 5, 18), in Eph. 4, 12 vom »Werke <strong><strong>de</strong>s</strong> Amts, dadurch<br />

<strong>de</strong>r Leib Christi erbauet wer<strong>de</strong>«; wenn man ferner in Kol. 4, 17 liest: »siehe auf das Amt,<br />

das du empfangen hast«, o<strong>de</strong>r in 2. Tim. 4, 5: »richte <strong>de</strong>in Amt redlich aus« (vergl. 1. Tim.<br />

1, 12 u. a. St.), so kann man verstehen, daß manche <strong><strong>de</strong>s</strong> Griechischen nicht kundige Leser<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Neuen Testaments nicht zu einem klaren Verständnis <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes kom-<br />

*) Vergleiche auch die im gleichen Verlag erschienene Abhandlung über »Gaben und Ämter« von J. N.<br />

Darby. (Preis 10 Pfg.)


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 33<br />

men können. An all <strong>de</strong>n genannten Stellen steht im Griechischen diakonia = <strong>Die</strong>nst; sobald<br />

man dieses Wort (statt »Amt«) in <strong>de</strong>n Text setzt, wird alles einfach, und die vermeintlichen<br />

Wi<strong>de</strong>rsprüche schwin<strong>de</strong>n.<br />

Es ist eine seltsame Beweisführung, wenn man sagt: »<strong>Die</strong> Scheidung zwischen Gaben<br />

und Amt ist unrichtig. Das Wort Amt heißt im Grundtext diakonia und be<strong>de</strong>utet <strong>Die</strong>nst.*)<br />

Wo nun Gaben sind, die gebraucht wer<strong>de</strong>n, da ist auch ein <strong>Die</strong>nst; wenn also jemand die<br />

Gabe <strong>de</strong>r Ermahnung hat und sie betätigt, mit <strong>de</strong>rselben dient, dann tut er einen <strong>Die</strong>nst,<br />

und <strong>Die</strong>nst ist nach <strong>de</strong>r Schrift so viel wie Amt; <strong>de</strong>mnach besteht nach <strong>de</strong>m Neuen Testament<br />

die Scheidung zwischen Amt und Gaben gar nicht.« – Es ist wohl unnötig, diesen<br />

Worten etwas hinzuzufügen. Auf solchem Wege läßt sich allerdings alles beweisen. Der<br />

Schreiber scheint gar nicht zu wissen, daß gera<strong>de</strong> die Vermengung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Begriffe<br />

Gabe und Amt Anlaß gegeben hat zu <strong>de</strong>r unseligen Scheidung zwischen »Geistlichen«<br />

und [72] »Laien«, zur Aufrichtung <strong>de</strong>r Priesterherrschaft, ja, zu <strong>de</strong>m Aufbau <strong><strong>de</strong>s</strong> ganzen<br />

hierarchischen Systems.<br />

Das Wort diakonia be<strong>de</strong>utet irgend einen <strong>Die</strong>nst, sei es im Evangelium, in <strong>de</strong>r Verkündigung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes an die Gläubigen, in <strong>de</strong>r Austeilung von Liebesgaben an die Witwen,<br />

in <strong>de</strong>r Bedienung <strong>de</strong>r Tische, in <strong>de</strong>r Besorgung <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong> Christi, o<strong>de</strong>r was irgend sonst es<br />

sei. Es erscheint fast immer mit einem Beiwort, das seine nähere Be<strong>de</strong>utung bestimmt. In<br />

Hebr. 1, 14 wird es absolut gebraucht in Verbindung mit »Engeln«; so auch in 2. Tim.<br />

4, 11 im Blick auf Markus: »er ist mir nützlich zum <strong>Die</strong>nst«. Was in bei<strong>de</strong>n Fällen gemeint<br />

ist, ist unschwer zu verstehen. Wenn das Wort von <strong>Die</strong>nst re<strong>de</strong>t, so meint es eben <strong>Die</strong>nst,<br />

und niemals hat diakonia die Be<strong>de</strong>utung von »Amt« in <strong>de</strong>m Sinne, wie man heute von<br />

einem »geistlichen Amt«, »Predigtamt«, »Lehramt« und <strong>de</strong>rgl. re<strong>de</strong>t. Von alle<strong>de</strong>m weiß<br />

die Schrift nichts. Sie re<strong>de</strong>t im Blick auf die Offenbarungen <strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r<br />

<strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) zur Sammlung, Auferbauung &c. von Gaben o<strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngaben,<br />

<strong>Die</strong>nsten und Wirkungen. (1. Kor. 12, 4–6; Eph. 4, 8.)<br />

Das Wort »Amt« enthält <strong>de</strong>n Begriff eines Angestelltseins zu irgend einem <strong>Die</strong>nst, es<br />

umfaßt zugleich all die Obliegenheiten, die mit dieser Stellung verbun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Angestellten<br />

übertragen sind. In diesem Sinne könnte man vielleicht von einem Apostelamt<br />

re<strong>de</strong>n, obwohl zu bemerken ist, daß das dafür gebrauchte griechische Wort eigentlich<br />

»Apostelschaft« be<strong>de</strong>utet. (Vergl. die vier einzigen Stellen, wo es vorkommt: Apstgsch.<br />

1, 25; Römer 1, 5; 1. Kor. [73] 9, 2; Gal. 2, 8.) In <strong>de</strong>m eigentlichen Sinne <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes gibt<br />

es aber nur zwei Ämter in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> <strong>Gottes</strong>, und zwar das <strong>de</strong>r Ältesten und das <strong>de</strong>r<br />

<strong>Die</strong>ner (Diakonen). Bei<strong>de</strong>, Älteste und <strong>Die</strong>ner, wur<strong>de</strong>n förmlich zu einem bestimmten<br />

<strong>Die</strong>nst angestellt und mit ihren Pflichten und Obliegenheiten bekannt gemacht. Zugleich<br />

wer<strong>de</strong>n die Eigenschaften, welche für die Anstellung entschei<strong>de</strong>nd waren, genau aufgezählt.<br />

<strong>Die</strong> Ältesten (Griech.: presbyteroi = Ältere, daher das heute noch übliche »Presbyter«)<br />

waren mit <strong>de</strong>r Beaufsichtigung und Hut <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong> in geistlichem Sinne betraut, die<br />

<strong>Die</strong>ner mit <strong>de</strong>r Sorge für das irdische Wohl <strong>de</strong>r Gläubigen; die einen besorgten gleichsam<br />

die inneren, die an<strong>de</strong>ren die äußeren Angelegenheiten <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n <strong>Versammlung</strong>.<br />

Allerdings konnten die Ältesten auch beson<strong>de</strong>re Gaben haben, und die Diakonen, wenn<br />

sie »wohl gedient hatten, sich eine schöne Stufe erwerben und viel Freimütigkeit im Glauben«<br />

(1. Tim. 3, 13), und so, wie z. B. <strong>de</strong>r Evangelist Philippus, auch in an<strong>de</strong>rer Weise<br />

vom Herrn benutzt wer<strong>de</strong>n und zum Segen für Bekehrte und Unbekehrte dienen.<br />

*) Wenn es <strong>Die</strong>nst be<strong>de</strong>utet, dann sollte man es doch auch so übersetzen.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 34<br />

<strong>Die</strong> Ältesten wer<strong>de</strong>n an verschie<strong>de</strong>nen Stellen »Aufseher« (Griech.: episkopoi, woraus<br />

unser Wort »Bischof« entstan<strong>de</strong>n ist) genannt, weil eben ihre beson<strong>de</strong>re Verantwortlichkeit<br />

darin bestand, Aufsicht zu führen und die Her<strong>de</strong> <strong>Gottes</strong> zu hüten. (1. Petr. 5, 1. 2.)<br />

Älteste und Aufseher waren also nicht etwa zwei verschie<strong>de</strong>ne Klassen von Personen,<br />

son<strong>de</strong>rn dieselben Leute. Paulus sagt zu <strong>de</strong>n Ältesten <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> von Ephesus, die<br />

er nach Milet hatte kommen lassen: »Habet nun acht auf euch selbst und auf die ganze<br />

Her<strong>de</strong>, in welcher [74] <strong>de</strong>r Heilige Geist euch als Aufseher gesetzt hat, die <strong>Versammlung</strong><br />

<strong>Gottes</strong> zu hüten«. (Apstgsch. 20, 28.) Derselbe Apostel schreibt an Titus, daß er auf Kreta<br />

in je<strong>de</strong>r Stadt »Älteste« anstellen möge, und nach<strong>de</strong>m er einige für <strong>de</strong>n Ältesten notwendige<br />

Eigenschaften aufgezählt hat, fährt er fort: »Denn <strong>de</strong>r Aufseher muß unta<strong>de</strong>lig sein<br />

als <strong>Gottes</strong> Verwalter« (Tit. 1, 5–7), so unwi<strong>de</strong>rleglich erweisend, daß »Älteste« und »Aufseher«<br />

gleichbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Begriffe sind, zwei Bezeichnungen für dieselben Personen, die<br />

eine mehr auf Alter und Stellung, die an<strong>de</strong>re mehr auf die Art <strong>de</strong>r Tätigkeit hin<strong>de</strong>utend.<br />

Zu Ältesten konnten naturgemäß nicht junge o<strong>de</strong>r neubekehrte Leute bestellt wer<strong>de</strong>n:<br />

»nicht ein Neuling, auf daß er nicht, aufgebläht, ins Gericht <strong><strong>de</strong>s</strong> Teufels verfalle«. (1. Tim.<br />

3, 6.) Ein Ältester mußte verheiratet sein, und zwar eines Weibes Mann, unta<strong>de</strong>lig in<br />

seinem persönlichen Leben, ein guter Gatte und Vater, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m eigenen Hause wohl vorstand,<br />

von gelin<strong>de</strong>m, friedfertigem Charakter, gastfrei, besonnen, enthaltsam, lehrfähig,<br />

von gutem Zeugnis bei <strong>de</strong>r Welt u. s. w. (vgl. 1. Tim. 3, 1–7; Tit. 1, 6–9.) Als ein »Aufseher«<br />

hatte er die schöne Aufgabe, Sorge zu tragen für die Schafe und Lämmer <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong><br />

Christi, sie zu hüten vor allen Gefahren, von Haus zu Haus, von Familie zu Familie zu<br />

gehen, zu weinen mit <strong>de</strong>n Weinen<strong>de</strong>n, sich zu freuen mit <strong>de</strong>n sich Freuen<strong>de</strong>n, die Alten<br />

zu ermuntern, die Jungen zu ermahnen, die erschlafften Hän<strong>de</strong> aufzurichten und die gelähmten<br />

Kniee zu befestigen, auf je<strong>de</strong>n Einzelnen das Licht <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes leuchten zu lassen<br />

und mit aufrichtiger Liebe und väterlichem Ver- [75] ständnis an <strong>de</strong>n Schwierigkeiten aller<br />

teilzunehmen. Er mußte »fähig sein, sowohl mit <strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong>n Lehre zu ermahnen, als<br />

auch die Wi<strong>de</strong>rspenstigen zu überführen«. Denn es gab schon damals »zügellose Schwätzer<br />

und Betrüger«, welche um schändlichen Gewinnes willen böse, ungeziemen<strong>de</strong> Dinge<br />

lehrten und ganze Häuser umkehrten. (Tit. 1, 9. 10.) Solchen mußten sie rücksichtslos<br />

»<strong>de</strong>n Mund stopfen«.<br />

Es ist offenbar, daß zu solch gesegnetem, vielseitigem <strong>Die</strong>nst nur treue, erprobte Männer<br />

fähig waren, und daß es einer sorgfältigen Auswahl bei ihrer Bestellung bedurfte. Es<br />

war ein großes Vorrecht, in solcher Weise tätig sein zu dürfen. Darum sagt <strong>de</strong>r Apostel<br />

auch: »Wenn jemand nach einem Aufseherdienst trachtet, so begehrt er ein schönes<br />

Werk«. (1. Tim. 3, 1.) Nur durchaus unbescholtene Männer, die persönlich in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Lebensverhältnissen, als Jüngling, Mann, Gatte, Vater, Erfahrungen gemacht<br />

hatten, konnten <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen eines solchen <strong>Die</strong>nstes genügen. Sollten ihre Ermunterungen,<br />

Ermahnungen und Zurechtweisungen Kraft haben, so mußte ihr Leben und ihr<br />

ganzes Verhalten beweisen, daß sie zunächst auf sich selbst acht hatten und unter <strong>de</strong>r<br />

Zucht <strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes stan<strong>de</strong>n. (Apstgsch. 20, 28.)<br />

Betrachten wir einige <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m Apostel genannten Vorbedingungen noch etwas<br />

näher. Sie alle beweisen die Richtigkeit unserer Behauptung, daß es sich zunächst gar<br />

nicht um Begabung han<strong>de</strong>lte, – obwohl diese, wie bemerkt, vorhan<strong>de</strong>n sein konnte, <strong>de</strong>nn<br />

die, »welche wohl vorstehen, sollen doppelter Ehre würdig geachtet wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rlich<br />

die da arbeiten in Wort und Lehre« [76] (1. Tim. 5, 17), – son<strong>de</strong>rn nur um sittliche Eigenschaften<br />

und geistliche Fähigkeiten. So durfte z. B. ein Ältester, wie wir hörten, nicht<br />

unverheiratet sein, aus Grün<strong>de</strong>n, die leicht zu erraten sind. Auch mußte er eines Weibes<br />

Mann sein, d. h. er durfte nicht, wie es in jenen Tagen unter Ju<strong>de</strong>n und Hei<strong>de</strong>n vielfach<br />

gebräuchlich war, mehrere Weiber haben. Das war ein Verstoß gegen <strong>Gottes</strong> ursprüng-


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 35<br />

liche Ordnung. Solchen Männern konnte die Gemeinschaft am Tische <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn nicht<br />

verweigert wer<strong>de</strong>n, wenn sie bekehrt wur<strong>de</strong>n, aber zu Aufsehern, zu heiligen Wächtern<br />

über die Ordnung <strong>Gottes</strong> unter <strong>de</strong>n Gläubigen, waren sie nicht tauglich.<br />

Ferner mußte <strong>de</strong>r persönliche Charakter <strong><strong>de</strong>s</strong> Ältesten unta<strong>de</strong>lig, er selbst vor <strong>de</strong>r Welt<br />

unbescholten sein. Es hat Gott oft gefallen, Leute, <strong>de</strong>ren Vorleben in sittlicher Beziehung<br />

höchst traurig war, als gesegnete Evangelisten zu benutzen und sie vielen zu Wegweisern<br />

aus Schmutz und Gewalttat heraus dienen zu lassen; aber zu einem Aufseherdienst wür<strong>de</strong>n<br />

sie nicht geschickt gewesen sein. Auch war zu einem solchen <strong>Die</strong>nst ein beson<strong>de</strong>res<br />

Maß von Beschei<strong>de</strong>nheit, würdigem Ernst, Sittsamkeit und Enthaltsamkeit notwendig.<br />

Wie hätten sonst die Ermahnungen Gewicht, die Bitten und Vorstellungen Einfluß haben<br />

können? <strong>Die</strong> Möglichkeit eines Hinweises auf eigenes Verfehlen und Zukurzkommen<br />

wür<strong>de</strong> unter Umstän<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>n guten Eindruck von vornherein ausgeschlossen haben.<br />

Weiterhin mußte ein Aufseher »lehrfähig« sein, o<strong>de</strong>r, wie Paulus an Titus schreibt,<br />

»<strong>de</strong>m zuverlässigen Worte nach <strong>de</strong>r Lehre anhangen, auf daß er fähig sei, sowohl mit <strong>de</strong>r<br />

guten Lehre zu ermahnen, als auch die Wi<strong>de</strong>rsprechen<strong>de</strong>n zu überführen«. (Tit. 1, 9.) Es<br />

war [77] nicht erfor<strong>de</strong>rlich, daß er ein »Lehrer« im eigentlichen Sinne <strong><strong>de</strong>s</strong> Wortes war,<br />

aber er mußte die gute, zuverlässige Lehre kennen und imstan<strong>de</strong> sein, das Wort im persönlichen<br />

Verkehr mit <strong>de</strong>n Seelen richtig anzuwen<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Schwachen und Kleinmütigen<br />

zum Trost, <strong>de</strong>n Irren<strong>de</strong>n und Unor<strong>de</strong>ntlichen zur Zurechtweisung, <strong>de</strong>n Verkehrten und<br />

Wi<strong>de</strong>rstreben<strong>de</strong>n zur Überführung; nicht eigenmächtig, zornmütig o<strong>de</strong>r streitsüchtig,<br />

son<strong>de</strong>rn als »<strong>Gottes</strong> Verwalter« sanft und gelin<strong>de</strong>, aber bestimmt und ernst. Denn »eine<br />

gelin<strong>de</strong> Antwort wen<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Grimm ab, aber ein kränken<strong><strong>de</strong>s</strong> Wort erregt <strong>de</strong>n Zorn«; und<br />

»ein weiser Mann versöhnt <strong>de</strong>n Grimm«, »eine gelin<strong>de</strong> Zunge zerbricht Knochen«. (Spr.<br />

15, 1; 16, 14; 25, 15.)<br />

Um allezeit in dieser Verfassung zu sein, durfte ein Aufseher sich nicht <strong>de</strong>m Weingenuß<br />

ergeben. Der Wein »erhitzt« (Jes. 5, 11), raubt Nüchternheit und Besonnenheit und<br />

trübt das Urteil: man unterschei<strong>de</strong>t nicht mehr zwischen <strong>de</strong>m Heiligen und Unheiligen,<br />

zwischen <strong>de</strong>m Reinen und Unreinen. (3. Mose 10, 9. 10.)<br />

Einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>, weshalb ein Ältester verheiratet sein mußte, ist auch wohl darin zu<br />

suchen, daß sein Haus gastfrei sein sollte, offen für je<strong>de</strong>n Bru<strong>de</strong>r und je<strong>de</strong> Schwester.<br />

Einem unverheirateten Bru<strong>de</strong>r ist es kaum möglich, ein solch offenes Haus zu haben.<br />

Gastfreundschaft ist aber Gott beson<strong>de</strong>rs wohlgefällig. (Vergl. Röm. 12, 13; 1. Tim. 5, 10;<br />

Hebr. 13, 2; 1. Petr. 4, 9.) In dieser Hinsicht sollte also <strong>de</strong>r Aufseher <strong>de</strong>n Gläubigen mit<br />

gutem Beispiel vorangehen, »ein Vorbild <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong>« sein. Gajus in Korinth war <strong>de</strong>r Wirt<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Apostels Paulus und <strong>de</strong>r ganzen Ver- [78] sammlung. Er war wohl kein angestellter<br />

Ältester, <strong>de</strong>nn in Korinth scheinen keine Ältesten gewesen zu sein; aber so steht von ihm<br />

geschrieben zur Ermunterung für uns. (Röm. 16, 23.) Welch eine liebliche Vorsorge hatte<br />

<strong>de</strong>r Herr auf diese Weise für das leibliche Wohl Seiner Knechte getroffen, die von Stadt<br />

zu Stadt gingen mit <strong>de</strong>m Worte <strong><strong>de</strong>s</strong> Evangeliums o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Erbauung! Wie ermunternd ist<br />

es auch heute noch für einen <strong>Die</strong>ner <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, <strong>de</strong>r sich auf langer, ermü<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Reise<br />

o<strong>de</strong>r Fußwan<strong>de</strong>rung befin<strong>de</strong>t, zu wissen: Heute abend darf ich frei bei <strong>de</strong>m und <strong>de</strong>m Bru<strong>de</strong>r<br />

einkehren; er ist von <strong>de</strong>m Herrn unterwiesen, gastfrei zu sein, nicht zu viel, aber auch<br />

nicht zu wenig aus <strong>de</strong>m Besuch zu machen!<br />

Eine wichtige Eigenschaft lautete: »nicht geldliebend«, o<strong>de</strong>r: »nicht schändlichem<br />

Gewinn nachgehend«. (Tit. 1, 7.) Petrus ermahnt die Ältesten, »die Aufsicht nicht aus<br />

Zwang zu führen, son<strong>de</strong>rn freiwillig, auch nicht um schändlichen Gewinn, son<strong>de</strong>rn bereitwillig«.<br />

(1. Petr. 5, 2.) In Apstgsch. 20, 35 wird <strong>de</strong>n Ältesten empfohlen, mit eigenen Hän<strong>de</strong>n<br />

zu arbeiten und sich <strong>de</strong>r Schwachen anzunehmen, einge<strong>de</strong>nk <strong>de</strong>r Worte <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn<br />

Jesu: »Geben ist seliger als nehmen«.


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 36<br />

Beson<strong>de</strong>rs ernst war die Bedingung: »<strong>de</strong>r seinem eigenen Hause wohl vorsteht, <strong>de</strong>r<br />

seine Kin<strong>de</strong>r in Unterwürfigkeit hält mit allem würdigen Ernst; <strong>de</strong>nn wenn jemand <strong>de</strong>m<br />

eigenen Hause nicht vorzustehen weiß, wie wird er die <strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong> besorgen!«<br />

(Vergl. Tit. 1, 6.) Es mochte mancherlei Grün<strong>de</strong> für die in <strong>de</strong>m Hause eines Gläubigen<br />

herrschen<strong>de</strong> Unordnung geben, aber wenn solche vorhan<strong>de</strong>n war, wenn es <strong>de</strong>m Hausvater<br />

an <strong>de</strong>r nötigen Weisheit und Energie mangelte, [79] wenn seine Kin<strong>de</strong>r zügellos o<strong>de</strong>r<br />

gar ausschweifend waren, so konnte er nicht mit <strong>de</strong>r Aufsicht über die <strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong><br />

betraut wer<strong>de</strong>n. Selbst <strong>de</strong>r Besitz einer Gabe als Evangelist o<strong>de</strong>r Lehrer än<strong>de</strong>rte hieran<br />

nichts.<br />

Daß ein Ältester kein »Neuling« sein durfte, haben wir bereits erwähnt. Im Alten wie<br />

im Neuen Testament wird unter einem »Ältesten« immer ein Mann in reiferen Jahren<br />

verstan<strong>de</strong>n. Es gibt wohl keine einzige Ausnahme von dieser Regel. Das Wort <strong>de</strong>utet ja<br />

schon an und für sich darauf hin, daß ein junger Mann unmöglich für dieses Amt in Aussicht<br />

genommen wer<strong>de</strong>n konnte. Er wür<strong>de</strong> bald, »aufgebläht, in das Gericht <strong><strong>de</strong>s</strong> Teufels<br />

verfallen« sein. Denn abgesehen von <strong>de</strong>n »jugendlichen Lüsten«, sind Selbstgefälligkeit<br />

und Überschätzung <strong>de</strong>r eigenen Wichtigkeit beson<strong>de</strong>re Gefahren <strong>de</strong>r Jugend.<br />

Fragen wir jetzt nach <strong>de</strong>r Zahl <strong>de</strong>r Ältesten, so ist im Worte <strong>Gottes</strong> darüber keine<br />

Anordnung getroffen; wir wissen nur, daß es in einer <strong>Versammlung</strong> niemals nur einen,<br />

son<strong>de</strong>rn immer mehrere Älteste gab. <strong>Die</strong> Zahl richtete sich je<strong>de</strong>nfalls nach <strong>de</strong>r Größe <strong>de</strong>r<br />

örtlichen Gemein<strong>de</strong> und nach <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Bedürfnissen. In Apstgsch. 14, 23 heißt<br />

es: »Als sie (die Apostel Paulus und Barnabas) ihnen aber in je<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> Älteste<br />

gewählt hatten usw.« Im nächsten Kapitel wird uns berichtet, daß die Apostel und die<br />

Ältesten von Jerusalem sich versammelten. (V. 6.) Im 20. Kapitel ruft Paulus die Ältesten<br />

<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> von Ephesus nach Milet herüber. (V. 17.) Titus wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m Apostel<br />

in Kreta zurückgelassen, [80] damit er »in je<strong>de</strong>r Stadt Älteste anstellen möchte«. (Tit. 1, 5.)<br />

In <strong>de</strong>r Anre<strong>de</strong> an die <strong>Versammlung</strong> in Philippi wer<strong>de</strong>n außer <strong>de</strong>n Heiligen »Aufseher«<br />

(Älteste) und <strong>Die</strong>ner genannt. In Jak. 5, 14 wird <strong>de</strong>r Kranke angewiesen, die Ältesten <strong>de</strong>r<br />

<strong>Versammlung</strong> zu sich zu rufen.<br />

Neben dieser wichtigen, aber lei<strong>de</strong>r so oft vergessenen Tatsache, daß es niemals nur<br />

einen Ältesten, Aufseher o<strong>de</strong>r Vorsteher in einer <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) gab, ist zu<br />

beachten, daß niemand die Obliegenheiten eines Ältesten erfüllen konnte, selbst wenn er<br />

die nötigen Eigenschaften und Fähigkeiten dazu besaß, es sei <strong>de</strong>nn daß er in geziemen<strong>de</strong>r<br />

Weise bevollmächtigt war. Er bedurfte einer Anstellung, und zwar mußte diese durch<br />

einen Apostel o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Bevollmächtigten eines Apostels vollzogen wer<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> ganze<br />

Kraft und Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Einrichtung hing von <strong>de</strong>r Quelle <strong>de</strong>r Autorität ab, aus welcher<br />

sie floß. Nirgendwo fin<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>n Tagen <strong>de</strong>r Apostel ein Beispiel von <strong>de</strong>r Wahl o<strong>de</strong>r<br />

Anstellung von Ältesten seitens einer <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>). We<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Apostelgeschichte<br />

noch in einem Briefe an eine <strong>Versammlung</strong> ist von einer solchen Wahl die<br />

Re<strong>de</strong>. Dagegen wird Titus von Paulus auf Kreta zurückgelassen, »um was noch mangelt,<br />

in Ordnung zu bringen und in je<strong>de</strong>r Stadt«, also in bereits bestehen<strong>de</strong>n <strong>Versammlung</strong>en,<br />

»Älteste anzustellen«. Nach<strong>de</strong>m er diesen Auftrag vollzogen hatte, sollte er zum Apostel<br />

nach Nikopolis kommen. Wir haben somit nicht einmal einen Beweis dafür, daß Titus ein<br />

Recht hatte, an<strong>de</strong>rswo Älteste anzustellen. Der Bereich, auf welchen sich sein Auftrag<br />

bezog, war ganz bestimmt begrenzt.<br />

[81] Dem Satze, daß die Anstellung eines Ältesten nur durch einen Apostel o<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong>sen<br />

Bevollmächtigten habe geschehen können, ist oft wi<strong>de</strong>rsprochen wor<strong>de</strong>n. Man sagt,<br />

die <strong>Versammlung</strong>en (Gemein<strong>de</strong>n) hätten sich ihre Ältesten selbst gewählt und sollten es<br />

heute noch tun. Da man dafür keine Belege bringen kann, we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Form einer durch<br />

<strong>de</strong>n Geist <strong>Gottes</strong> gegebenen Anweisung, noch in geschichtlichen Beispielen, nimmt man


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 37<br />

seine Zuflucht zu Beweisführungen, die oft recht wun<strong>de</strong>rlich sind. So sagt man z. B. »<strong>Die</strong><br />

elf Jünger samt »<strong>de</strong>r Schar« (die ganze Zahl betrug 120) wählen nach <strong>de</strong>r Himmelfahrt<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn unter Gebet und Anwendung <strong><strong>de</strong>s</strong> Loses an Stelle <strong><strong>de</strong>s</strong> abgewichenen Judas <strong>de</strong>n<br />

Matthias zum Apostel. (Apstgsch. 1, 15–26.) … Und wenn die Gläubigen im allgemeinen<br />

hier einen Apostel mitwählen können, <strong>de</strong>r doch eine höhere Stelle innehatte als ein Gemein<strong>de</strong>ältester,<br />

weshalb sollen die Gemein<strong>de</strong>n sich dann nicht an einer Ältestenwahl beteiligen<br />

können?«<br />

Ganz abgesehen von <strong>de</strong>r Frage, ob jene Gläubigen »einer Anordnung <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn zuwi<strong>de</strong>r<br />

han<strong>de</strong>lten« o<strong>de</strong>r nicht, was für unseren Gegenstand nichts beweisen wür<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn<br />

die Einsetzung eines Apostels und eines Ältesten sind eben zwei sehr verschie<strong>de</strong>ne Dinge,<br />

muß von vornherein betont wer<strong>de</strong>n, daß von <strong>de</strong>r Wahl eines Apostels in <strong>de</strong>r angeführten<br />

Stelle überhaupt nicht die Re<strong>de</strong> ist. Nach<strong>de</strong>m Petrus im Anschluß an Psalm 109, 8 die<br />

Erfor<strong>de</strong>rnisse für einen »Zeugen <strong>de</strong>r Auferstehung <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn« <strong>de</strong>utlich bezeichnet hatte,<br />

– es mußte ein Mann sein, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Taufe Johannes’ an bis zur Himmelfahrt Christi mit<br />

<strong>de</strong>n Aposteln gegangen war, – lesen wir weiter: »Und sie stellten zwei dar: Joseph, [82]<br />

genannt Barsabas, <strong>de</strong>r Justus zubenamt war, und Matthias«. Bei<strong>de</strong> Männer entsprachen<br />

ohne Frage <strong>de</strong>n gestellten Anfor<strong>de</strong>rungen, aber die Versammelten wagten nicht, einen<br />

von <strong>de</strong>n zwei zu wählen, son<strong>de</strong>rn warfen Lose über sie, in<strong>de</strong>m sie so <strong>de</strong>m Herrn die Entscheidung<br />

anheimstellten. »Du, Herr, Herzenskündiger aller«, beten sie, »zeige von diesen<br />

bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n einen an, <strong>de</strong>n du auserwählt hast«. Es war also ein Apostel, <strong>de</strong>r die ganze<br />

Sache einleitete, es waren Apostel, welche die zwei Männer vor <strong>de</strong>n Herrn stellten, und<br />

es war <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r wählte.<br />

Aber selbst wenn die Gläubigen <strong>de</strong>n Matthias gewählt hätten, was, wie wir gesehen<br />

haben, keineswegs <strong>de</strong>r Fall war, so wür<strong>de</strong> es doch mehr als gewagt sein, die Schlußfolgerung<br />

daraus zu ziehen, daß sie sich ebenso gut o<strong>de</strong>r gar mit noch größerem Recht an einer<br />

Ältestenwahl hätten beteiligen können. Viel eher noch könnte man <strong>de</strong>n Schluß machen,<br />

wenn wir überhaupt zu solchen Folgerungen berechtigt wären, daß es uns heute noch<br />

gestattet sei, Apostel zu wählen. Aber daran wird kein <strong>de</strong>m Worte unterwürfiger Gläubiger<br />

im Ernst <strong>de</strong>nken.<br />

Unwillkürlich ist man versucht zu fragen: Warum will man durchaus etwas tun, wozu<br />

<strong>Gottes</strong> Wort we<strong>de</strong>r Anleitung noch die Wege weisen<strong>de</strong> Beispiele gibt? <strong>Die</strong> Antwort ist<br />

einfach: Weil man, ohne Rücksicht auf <strong>de</strong>n eingetretenen Verfall und unter Beiseitesetzung<br />

<strong>de</strong>r Wahrheit von <strong>de</strong>r Einheit <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes, »Gemein<strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>n will nach apostolischem<br />

Vorbil<strong>de</strong>«, wie man es nennt, in <strong>de</strong>nen man dann nicht nur Älteste und <strong>Die</strong>ner,<br />

son<strong>de</strong>rn auch Gemein<strong>de</strong>vorsteher, Evangelisten, Prediger &c. nach [83] eigener Wahl ernennen<br />

kann. Man will »unabhängige Gemein<strong>de</strong>n« haben, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Mensch eine<br />

Rolle spielen kann. Das ist das ganze Geheimnis <strong>de</strong>r Sache. Man will einerseits seine Her<strong>de</strong><br />

haben, an <strong>de</strong>ren Spitze man steht, und man will an<strong>de</strong>rerseits die Verantwortlichkeit<br />

von sich auf eine Anzahl Männer abwälzen, die zu Vorstehern, Leitern &c. <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong><br />

gewählt sind. Anstatt hinsichtlich aller Bedürfnisse <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong> Christi einfach auf <strong>de</strong>n<br />

Herrn zu warten und in Anerkennung <strong>de</strong>r allgemeinen Verwirrung die einzelnen Bruchstücke<br />

zu Ihm hin zu sammeln, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r einzig wahre Mittelpunkt ist und <strong><strong>de</strong>s</strong>sen Name<br />

allein Wert hat, will man seine Gemein<strong>de</strong>, seinen Prediger, seine Ältesten usw. haben.<br />

Statt einfältig zu fragen: Wie steht geschrieben? sagt man: Warum sollten wir nicht dies,<br />

warum könnten wir nicht das tun? Mit einem Wort: <strong>de</strong>r Mensch ist auf <strong>de</strong>m Plan.<br />

Wenn <strong>de</strong>r Herr gewollt hätte, daß nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Apostel die Befugnis, Älteste<br />

anzustellen, fortdauern sollte, wür<strong>de</strong> Er, <strong>de</strong>m das Wohl Seiner Gemein<strong>de</strong> so am Herzen<br />

liegt, uns über eine so wichtige Sache nicht eine klare und verständliche Mitteilung gegeben<br />

haben? O<strong>de</strong>r wenn es nach Seinem Willen gewesen wäre, daß die <strong>Versammlung</strong>en


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 38<br />

sich selbst Älteste wählen sollten, wür<strong>de</strong> Er uns diesen Willen nicht so kundgegeben haben,<br />

daß keine Miß<strong>de</strong>utung möglich wäre? Ganz gewiß. Es ist aber keines von bei<strong>de</strong>m<br />

geschehen. Damit ist nicht gesagt, »daß nach <strong>de</strong>m Heimgang <strong>de</strong>r Apostel das Ältestenamt<br />

aufhören sollte«. Im Gegenteil, es besteht fort; nur fehlt es an <strong>de</strong>r Autorität, Älteste zu<br />

ernennen. Und wer sind wir, daß wir ohne ein klares [84] Wort <strong>Gottes</strong> eine so ernste,<br />

be<strong>de</strong>utungsvolle Handlung vornehmen sollten?<br />

Wenn nun <strong>de</strong>nnoch eine kleinere o<strong>de</strong>r größere Zahl von Gläubigen, die sich zu einer<br />

Gemein<strong>de</strong> zusammengeschlossen hat und sich nun »biblisch einrichten« will, selbständig<br />

aus ihrer Mitte einige nach ihrer Meinung für das Ältestenamt passen<strong>de</strong> Männer wählt<br />

und zu Ältesten ernennt, kann man von diesen Brü<strong>de</strong>rn, so treu und ehrenwert sie sein<br />

mögen, <strong><strong>de</strong>s</strong>halb sagen, daß »<strong>de</strong>r Heilige Geist sie als Aufseher in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>)<br />

<strong>Gottes</strong> gesetzt habe«? Und das müßte doch so sein, wenn die »ganze Her<strong>de</strong>«, die<br />

ganze Gemein<strong>de</strong> »in <strong>de</strong>r Stadt« sie als solche anerkennen und ihnen unterwürfig sein soll.<br />

Älteste irgend einer Son<strong>de</strong>rgemeinschaft kennt <strong>Gottes</strong> Wort nicht, nur Älteste <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong><br />

o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> an irgend einem Orte.<br />

Dann hat also doch nach <strong>de</strong>m Heimgang <strong>de</strong>r Apostel und ihrer Bevollmächtigten das<br />

Amt <strong>de</strong>r Ältesten aufgehört, und wir sind <strong><strong>de</strong>s</strong> gesegneten <strong>Die</strong>nstes solcher Männer für<br />

immer beraubt? Keineswegs! <strong>Gottes</strong> lieben<strong>de</strong> Sorge für Sein Volk hört nimmer auf. Der<br />

Herr ge<strong>de</strong>nkt an die Bedürfnisse Seiner Her<strong>de</strong> auch in <strong>de</strong>n schwierigsten Zeiten und stillt<br />

sie. Es gibt, Sein Name sei dafür gepriesen! noch viele Männer, die zu Ältesten o<strong>de</strong>r Aufsehern<br />

geschickt sind, trotz<strong>de</strong>m es keine Apostel mehr gibt, um sie zu wählen und einzusetzen.<br />

Man kann kaum einen Blick in irgend eine <strong>Versammlung</strong> von Kin<strong>de</strong>rn <strong>Gottes</strong><br />

werfen, ohne von <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren würdigen älteren Bru<strong>de</strong>r zu hören, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Irren<strong>de</strong>n nachgeht, die Unor<strong>de</strong>ntlichen zurechtweist, die Kleinmütigen tröstet, <strong>de</strong>n Schwachen<br />

aufhilft, mit einem [85] Wort, <strong>de</strong>r da ermahnt, warnt und Aufsicht übt. Und was ist<br />

die Pflicht <strong>de</strong>r Gläubigen solchen Männern gegenüber, auch wenn sie nicht, wie im Anfang,<br />

förmlich angestellt sind? Sie um ihres Werkes willen zu schätzen, sie zu lieben und<br />

ihnen unterwürfig zu sein als solchen, die <strong>de</strong>r Geist <strong>Gottes</strong> gegeben und gesetzt hat, um<br />

über die Seelen ihrer Geschwister zu wachen. Man braucht sie nicht Älteste zu nennen,<br />

sie nicht zu wählen und anzustellen, um so die <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong> Tatsache möglichst zu ver<strong>de</strong>cken,<br />

daß alles in Verfall und Unordnung ist. Nein, laßt uns lieber diesen Verfall und<br />

seine Folgen bereitwillig anerkennen und uns <strong>de</strong>mentsprechend vor Gott und Menschen<br />

verhalten! Der Herr wird uns in Seiner Gna<strong>de</strong> zu Hilfe kommen, und wir wer<strong>de</strong>n erfahren,<br />

daß Er für Seine kleine, schwache Her<strong>de</strong> sorgt, auch wenn so vieles fehlt, was einst<br />

das Zeugnis zierte.<br />

Bei dieser Gelegenheit sei noch einmal darauf hingewiesen, daß es in <strong>de</strong>n ersten Zeiten<br />

<strong>de</strong>r Kirche wohl nicht in allen Gemein<strong>de</strong>n Älteste gegeben hat, und daß <strong>de</strong>r Apostel<br />

durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist geleitet wor<strong>de</strong>n ist, an solche <strong>Versammlung</strong>en, die keine Ältesten<br />

hatten, Briefe zu richten, die nun für unsere Tage und mangelhaften Zustän<strong>de</strong> von<br />

ganz beson<strong>de</strong>rer Wichtigkeit sind; so z. B. die Briefe an die Thessalonicher und an die<br />

Korinther. In Korinth sah es so unor<strong>de</strong>ntlich aus, daß, wenn irgendwo, dort die Einsetzung<br />

von Ältesten notwendig hätte erscheinen müssen. Aber in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Briefen <strong><strong>de</strong>s</strong> Apostels<br />

fin<strong>de</strong>t sich nicht <strong>de</strong>r geringste Hinweis auf Älteste. Wären sie vorhan<strong>de</strong>n gewesen, so<br />

wür<strong>de</strong> Paulus sicherlich sie zunächst zur Rechenschaft gezogen und sie auf die [86] Vernachlässigung<br />

ihrer Pflichten aufmerksam gemacht haben.*)<br />

*) Man sagt: »Der Schluß ist unrichtig; <strong>de</strong>nn Paulus hat alle seine Gemein<strong><strong>de</strong>s</strong>chreiben an die Heiligen,<br />

Brü<strong>de</strong>r usw. gerichtet und nicht an die Ältesten, Vorsteher, auch wenn solche, wie z. B. in Ephesus, vorhan<strong>de</strong>n<br />

waren«. Selbstverständlich! Hätte er das nicht getan, so wären es ja gar keine Gemein<strong><strong>de</strong>s</strong>chreiben,


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 39<br />

Es scheint überhaupt nicht die Weise <strong>de</strong>r Apostel gewesen zu sein, in ganz jungen<br />

Gemein<strong>de</strong>n Älteste anzustellen. <strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong>en, von welchen in Apostelgesch.<br />

14, 23 die Re<strong>de</strong> ist, bestan<strong>de</strong>n schon seit mehreren Jahren, so daß die geistlichen Fähigkeiten<br />

Zeit zu ihrer Entwicklung gehabt hatten und die Männer, welche für das so wichtige<br />

Ältestenamt ausersehen wer<strong>de</strong>n konnten, mehr bekannt gewor<strong>de</strong>n waren. Hier gehen<br />

wir mit <strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rholt angeführten Schreiber ganz einig, wenn er sagt, daß »die Apostel<br />

wie auch Timotheus und Titus die Gemein<strong>de</strong>n wohl mit zu Rate gezogen und gefragt haben,<br />

welche unter ihnen für diesen wichtigen <strong>Die</strong>nst in Betracht kommen könnten«. Warum<br />

auch nicht? Wenn jemand »nach einem Aufseherdienst trachten« (1. Tim. 3, 1) konnte,<br />

warum sollten dann nicht an<strong>de</strong>re ihn zu einem solchen <strong>Die</strong>nst vorschlagen o<strong>de</strong>r ermuntern<br />

können?<br />

[87] Wenn <strong>de</strong>r Apostel in 1. Thess. 5, 12 die Gläubigen ermahnt, die zu erkennen, die<br />

unter ihnen arbeiteten und ihnen vorstan<strong>de</strong>n im Herrn (vergl. Röm. 12, 8; 1. Tim. 5, 17),<br />

so geht daraus hervor, daß es »Vorsteher« unter ihnen gab, wie an an<strong>de</strong>ren Stellen »Führer«<br />

genannt wer<strong>de</strong>n (Hebr. 13, 7. 17); aber aus <strong>de</strong>r ganzen Re<strong>de</strong>weise <strong><strong>de</strong>s</strong> Apostels ergibt<br />

sich zugleich mit großer Wahrscheinlichkeit, daß diese Männer nicht »angestellte«<br />

Vorsteher o<strong>de</strong>r Führer waren, son<strong>de</strong>rn »durch ihr Werk« (Vers 13) sich als solche erwiesen<br />

hatten. In ähnlicher Weise hatten Stephanas und sein Haus in Achaja sich selbst <strong>de</strong>n<br />

Heiligen zum <strong>Die</strong>nst verordnet, und es sollten ihnen <strong><strong>de</strong>s</strong>halb die Gläubigen »untertan sein<br />

und je<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r mitwirkte und arbeitete«. (1. Kor. 16, 15. 16.)<br />

Wenn man fragt: Wie konnten <strong>de</strong>nn solche Männer als vom Herrn in ihren <strong>Die</strong>nst<br />

gestellt erkannt wer<strong>de</strong>n? so ist die Antwort schon gegeben. »Durch ihr Werk«, sagt <strong>de</strong>r<br />

Apostel. O<strong>de</strong>r: »<strong>de</strong>n Ausgang ihres Wan<strong>de</strong>ls anschauend, ahmet ihren Glauben nach«.<br />

(Hebr. 13, 7.) Woran erkennt man einen wahren Christen? woran einen Evangelisten,<br />

Hirten o<strong>de</strong>r Lehrer? An <strong>de</strong>m treuen Wan<strong>de</strong>l, <strong>de</strong>m Eifer, Seelen für Christum zu gewinnen<br />

o<strong>de</strong>r die für Jesum gewonnenen weiter zu führen, zu pflegen, zu nähren, zu wei<strong>de</strong>n und<br />

zu hüten. So war es in <strong>de</strong>n ersten Tagen <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> <strong>Gottes</strong>, und so ist es heute noch.<br />

Sollten wir nun außer stan<strong>de</strong> sein, solche Männer aus unserer Mitte zu erkennen, die als<br />

Vorsteher und Führer Ruf und Befähigung von <strong>de</strong>m Haupte <strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes empfangen haben?<br />

Und wenn wir auch nicht <strong>de</strong>n Auftrag und die Macht haben, sie zu Aufsehern <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong><br />

<strong>Gottes</strong> zu ernennen, sollten wir sie <strong><strong>de</strong>s</strong>halb weniger achten, [88] ihnen weniger Liebe und<br />

Vertrauen entgegenbringen? Ach! was uns so sehr mangelt, ist nicht Einsicht und Erkenntnis,<br />

son<strong>de</strong>rn Herzenseinfalt und Herzensunterwürfigkeit.<br />

<strong>Die</strong> Anziehung von Stellen wie Apstgsch. 13, 1–3; 15, 1. 2. 22; 2. Kor. 8, 19. 23, um<br />

darzutun, daß die Wahl von Ältesten berechtigt sei, zeigt, wie arm man an Beweisen sein<br />

muß. Daß die <strong>Versammlung</strong>en nicht tote Maschinen waren o<strong>de</strong>r heute sein sollen, ist klar.<br />

Der Geist <strong>Gottes</strong> wirkte in ihnen und leitete sie an, in <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nsten Weise ihre<br />

Teilnahme an <strong>de</strong>m Werke <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn kundzutun, entstehen<strong>de</strong>n Schwierigkeiten zu begegnen,<br />

über die von ihnen gesammelten Gel<strong>de</strong>r zu verfügen, zum Zwecke von Verhandlungen<br />

o<strong>de</strong>r zur Überbringung <strong>de</strong>r Gaben Männer aus ihrer Mitte abzuordnen und <strong>de</strong>rgleichen<br />

Dinge mehr. Aber was beweist das alles für die uns beschäftigen<strong>de</strong> Frage?<br />

Im Anschluß an die erstgenannte Stelle, Apstgsch. 13, 1–3, sei noch ein Wort über das<br />

Hän<strong>de</strong>auflegen gesagt. Was man daraus gemacht hat im Laufe <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rte, ist be-<br />

son<strong>de</strong>rn Briefe an die Ältesten o<strong>de</strong>r Vorsteher.<br />

Daß in <strong>de</strong>m Briefe an die <strong>Versammlung</strong> in Ephesus, wo es Älteste gab, diese nicht erwähnt wer<strong>de</strong>n, ist<br />

wie<strong>de</strong>rum leicht begreiflich. <strong>Die</strong> Zustän<strong>de</strong> waren zur Zeit <strong>de</strong>r Abfassung <strong><strong>de</strong>s</strong> Briefes so gut, daß eine beson<strong>de</strong>re<br />

Warnung o<strong>de</strong>r Mahnung an die Ältesten gar nicht am Platze gewesen wäre. <strong>Die</strong>se hatten getan, was<br />

<strong>de</strong>r Apostel ihnen in Milet ans Herz gelegt hatte. (Apstgsch. 20, 28.)


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 40<br />

kannt. Zunächst sei daran erinnert, daß nirgendwo im Neuen Testament von Hän<strong>de</strong>auflegen<br />

die Re<strong>de</strong> ist als einem Zeichen <strong>de</strong>r Weihung eines Menschen zum Evangelisten, Hirten,<br />

Prediger und <strong>de</strong>rgleichen. Der Herr legte <strong>de</strong>n Kindlein, welche zu Ihm gebracht wur<strong>de</strong>n,<br />

o<strong>de</strong>r auch Kranken zur Segnung und Heilung die Hän<strong>de</strong> auf. <strong>Die</strong> Apostel taten das<br />

Gleiche bei Kranken o<strong>de</strong>r bei solchen, welche noch nicht <strong>de</strong>n Heiligen Geist empfangen<br />

hatten. Weiter geschah das Hän<strong>de</strong>auflegen, um Männer, die von Gott begabt und bereits<br />

in Seinen <strong>Die</strong>nst berufen waren, Seiner Gna<strong>de</strong> [89] zu einem beson<strong>de</strong>ren Werk zu befehlen<br />

(Apstgsch. 14, 26), o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re in förmlicher Weise mit <strong>de</strong>r Besorgung eines <strong>Die</strong>nstes<br />

in zeitlichen Dingen zu betrauen (Apstgsch. 6, 6), o<strong>de</strong>r endlich um durch die Kraft <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Heiligen Geistes einem Menschen eine Gabe zu übertragen. (2. Tim. 1, 6.)<br />

Es mag sein, daß auch Ältesten die Hän<strong>de</strong> aufgelegt wor<strong>de</strong>n sind, aber gesagt ist es<br />

nirgendwo; vielleicht gera<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong>, weil <strong>de</strong>r Heilige Geist voraussah, welch ein<br />

Mißbrauch mit dieser Handlung getrieben wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. <strong>Die</strong> einzige Stelle, welche dahin<br />

ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n könnte, ist 1. Tim. 5, 22, wo nach einigen Vorschriften betreffs <strong>de</strong>r Ältesten<br />

<strong>de</strong>r Apostel sein Kind ermahnt: »<strong>Die</strong> Hän<strong>de</strong> lege nieman<strong>de</strong>m schnell auf«. Aber ob<br />

er dies in Verbindung mit <strong>de</strong>m Vorangegangenen tut, o<strong>de</strong>r ob er ganz allgemein spricht,<br />

ist schwer zu entschei<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>nfalls wäre die Annahme, daß die Worte sich ausschließlich<br />

o<strong>de</strong>r auch nur vornehmlich auf die Einsetzung von Ältesten bezögen, durch<br />

nichts begrün<strong>de</strong>t.<br />

Im allgemeinen war das Hän<strong>de</strong>auflegen im Alten wie im Neuen Testament eine Handlung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Segnens o<strong>de</strong>r <strong><strong>de</strong>s</strong> Sicheinsmachens mit <strong>de</strong>m, welchem die Hän<strong>de</strong> aufgelegt wur<strong>de</strong>n.<br />

Selbst in <strong>de</strong>m obengenannten beson<strong>de</strong>ren Falle <strong>de</strong>r Übertragung einer Gabe durch<br />

<strong>de</strong>n Apostel ist diese Be<strong>de</strong>utung nicht ausgeschlossen. Nach 1. Tim. 4, 14 waren Weissagungen<br />

über Timotheus ergangen, durch welche <strong>de</strong>r Heilige Geist ihn im voraus für <strong>de</strong>n<br />

<strong>Die</strong>nst, <strong>de</strong>n er tun sollte, bezeichnet hatte. Hierdurch geleitet, legte <strong>de</strong>r Apostel ihm die<br />

Hän<strong>de</strong> auf und teilte ihm so mittelst <strong><strong>de</strong>s</strong> Heiligen Geistes die Gna<strong>de</strong>ngabe mit, welche ihn<br />

zu jenem <strong>Die</strong>nst befähigte. [90] Mit <strong>de</strong>m Apostel hatten sich die Ältesten, die am Orte<br />

waren, vereinigt, so daß die Gabe »gegeben wor<strong>de</strong>n war durch Weissagung mit Hän<strong>de</strong>auflegen<br />

<strong>de</strong>r Ältestenschaft«; zugleich war sie nach 2. Tim. 1, 6 in Timotheus durch das<br />

Auflegen <strong>de</strong>r Hän<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Apostels. Aus <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Stellen geht also einerseits hervor, daß<br />

die Ältesten nichts mit <strong>de</strong>r Mitteilung <strong>de</strong>r Gabe zu tun hatten (sie gaben nur ihrer Gemeinschaft<br />

mit <strong>de</strong>m Apostel und Timotheus Ausdruck), und an<strong>de</strong>rerseits, daß <strong>de</strong>r Apostel han<strong>de</strong>lte<br />

im Anschluß an eine bestimmte Offenbarung <strong><strong>de</strong>s</strong> Geistes.<br />

Nach<strong>de</strong>m wir uns so lange bei <strong>de</strong>n »Ältesten« aufgehalten haben, können wir uns im<br />

Blick auf die »<strong>Die</strong>ner« kurz fassen.<br />

Das Amt <strong>de</strong>r <strong>Die</strong>ner o<strong>de</strong>r Diakonen (Griech.: diakonoi) war von geringerer Wichtigkeit<br />

als das <strong>de</strong>r Ältesten. Ihnen lag, wie wir im Anfang unserer Betrachtung sahen, die<br />

Sorge für das irdische Wohl <strong>de</strong>r Gläubigen ob. Darum waren die Anfor<strong>de</strong>rungen, welche<br />

an die Diakonen gestellt wer<strong>de</strong>n mußten, niedriger als bei <strong>de</strong>n Ältesten. Von ihnen heißt<br />

es: »<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>ner <strong><strong>de</strong>s</strong>gleichen, würdig, nicht doppelzüngig, nicht vielem Wein ergeben,<br />

nicht schändlichem Gewinn nachgehend, die das Geheimnis <strong><strong>de</strong>s</strong> Glaubens in reinem Gewissen<br />

bewahren«. (1. Tim. 3, 8. 9.) Sie mußten, ehe sie dienen durften, eine Probezeit<br />

durchmachen und konnten erst angestellt wer<strong>de</strong>n, wenn sie sich als »unta<strong>de</strong>lig« erwiesen<br />

hatten. Auch ihre Weiber mußten »würdig sein, nicht verleum<strong>de</strong>risch, nüchtern, treu in<br />

allem«. Es gab, wie wir aus <strong>de</strong>m Falle <strong>de</strong>r Phöbe ersehen, auch weibliche Diakonen, [91]<br />

»<strong>Die</strong>nerinnen <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>«, aber an <strong>de</strong>r uns beschäftigen<strong>de</strong>n Stelle han<strong>de</strong>lt es sich<br />

ohne Zweifel um die Frauen <strong>de</strong>r Diakonen. Da diese sich naturgemäß vielfach mit <strong>de</strong>n<br />

Umstän<strong>de</strong>n und zeitlichen Angelegenheiten <strong>de</strong>r Familien beschäftigen mußten, konnten


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 41<br />

sich ihre Weiber sehr nützlich dabei machen, was bei <strong>de</strong>n Ältesten, die über die Seelen<br />

<strong>de</strong>r Gläubigen und <strong>de</strong>ren geistliches Wohl zu wachen hatten, ausgeschlossen war. Deshalb<br />

wird bei jenen nichts von Weibern gesagt; hier aber wer<strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen an die Frauen<br />

gestellt, <strong>de</strong>ren Erfüllung das Ansehen ihrer Männer, <strong>de</strong>r Diakonen, erhöhte und sie selbst<br />

vor Schwätzereien und <strong>de</strong>ren üblen Folgen bewahrte.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>ner durften, wie die Ältesten, nur ein Weib haben und mußten ihren Kin<strong>de</strong>rn<br />

und Häusern wohl vorstehen. (V. 12.)<br />

<strong>Die</strong> einzige Stelle, welche uns Näheres über die Wahl und Anstellung von Diakonen<br />

berichtet, ist Apstgsch. 6, 1–6. Zwar wer<strong>de</strong>n die »Sieben«, welche dort zur »Bedienung<br />

<strong>de</strong>r Tische« bestellt wer<strong>de</strong>n, nicht gera<strong>de</strong> Diakonen genannt, aber <strong>de</strong>r ganze Bericht zeigt<br />

<strong>de</strong>utlich, daß es sich um die Anstellung von solchen Männern han<strong>de</strong>lt, wie sie in 1. Tim.<br />

3, 8–13 beschrieben wer<strong>de</strong>n. Und wie geschah die Anstellung? <strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong> o<strong>de</strong>r<br />

Gemein<strong>de</strong> sah sich um nach geeigneten Männern aus ihrer Mitte, die über dieses Geschäft<br />

bestellt wer<strong>de</strong>n konnten, und die Apostel bestellten sie. Hier trat also die <strong>Versammlung</strong><br />

(Gemein<strong>de</strong>) unmittelbar und in entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Weise in Tätigkeit. Und war es nicht ganz<br />

richtig so? Wenn eine <strong>Versammlung</strong> aus ihrem irdischen Besitz zur Unterhaltung <strong>de</strong>r Armen,<br />

Witwen &c. [92] beisteuert, ist es dann nicht durchaus am Platze, daß sie auch eine<br />

Stimme in <strong>de</strong>r Wahl <strong>de</strong>rer hat, welche die Gaben zur Verwendung bringen? Sollte sie sich<br />

nicht nach solchen Männern aus ihr umsehen, die durch ihr bisheriges Verhalten die Gewähr<br />

bieten, daß sie in <strong>de</strong>r Austeilung <strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>r nicht nur mit peinlicher Gewissenhaftigkeit,<br />

son<strong>de</strong>rn auch mit Weisheit von oben zu Werke gehen wer<strong>de</strong>? Ja, zeigt sich nicht<br />

<strong>Gottes</strong> Güte und Treue gera<strong>de</strong> darin, daß Er uns in Seinem Worte ein solch einfaches und<br />

<strong>de</strong>utliches Beispiel von <strong>de</strong>m diesbezüglichen Verhalten einer <strong>Versammlung</strong> gegeben hat?<br />

»Und die Re<strong>de</strong> gefiel <strong>de</strong>r ganzen Menge; und sie erwählten Stephanus, einen Mann<br />

voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon<br />

und Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochien, welche sie vor die Apostel<br />

stellten; und als sie gebetet hatten, legten sie ihnen die Hän<strong>de</strong> auf.« (V. 5. 6.) <strong>Die</strong> ganze<br />

Menge <strong>de</strong>r Gläubigen erwählte also die Männer, welche sie für <strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nst geeignet hielt,<br />

aber doch gab diesen die bloße Wahl noch nicht ihren Platz. <strong>Die</strong> Gewählten wur<strong>de</strong>n vor<br />

die Apostel gebracht, und diese bestellten sie dann förmlich zu ihrem Amt.<br />

Was folgt daraus? Daß wir heute keine Diakonen mehr wählen dürfen? Nein; wenn<br />

das Bedürfnis sich dazu ergibt, hat eine <strong>Versammlung</strong> gewiß heute wie damals die Berechtigung,<br />

sich nach Männern aus ihrer Mitte umzusehen, welche geeignet und imstan<strong>de</strong> sind,<br />

die irdischen Angelegenheiten <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> zu besorgen. <strong>Die</strong> Sache liegt ganz an<strong>de</strong>rs<br />

als bei <strong>de</strong>n Ältesten. Fehlt auch, hier wie dort, die apostolische Macht, um die [93] Gewählten<br />

zu bestätigen und förmlich anzustellen (wer sollte es tun?), so gibt es doch nach<br />

<strong>de</strong>r Schrift keinen Grund, weshalb eine <strong>Versammlung</strong> ihre äußeren Angelegenheiten heute<br />

nicht mehr in <strong>de</strong>r Weise ordnen dürfte, wie <strong>Gottes</strong> Wort in Apstgsch. 6, 1–6 ihr Anleitung<br />

dazu gibt. In<strong><strong>de</strong>s</strong> wird man diese Männer infolge <strong>de</strong>r Zersplitterung wohl nicht <strong>Die</strong>ner<br />

<strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> in … nennen dürfen.<br />

Noch einmal sei daran erinnert, daß es sich hier ausschließlich um äußere <strong>Die</strong>nste,<br />

nicht aber um irgendwelche Betätigung von Geistesgaben han<strong>de</strong>lt. Daß <strong>Die</strong>ner, welche<br />

wohl gedient hatten, sich »eine schöne Stufe« erwerben konnten und »viel Freimütigkeit<br />

im Glauben, <strong>de</strong>r in Christo Jesu ist«, sagt uns 1. Tim. 3, 13; und die Fälle von Stephanus<br />

und Philippus beweisen es. Auch war und ist Gott selbstverständlich nicht beschränkt,<br />

solchen Männern Gaben zur Verkündigung <strong><strong>de</strong>s</strong> Evangeliums, zur Auferbauung <strong>de</strong>r Seinigen,<br />

zur Verteidigung Seiner Wahrheit &c. zu verleihen. Wenn man aber sagt: »Stephanus<br />

tut große Wun<strong>de</strong>r und Zeichen unter <strong>de</strong>m Volke und legt geistesmächtige Zeugnisse vom<br />

Herrn ab, und Philippus verkündigt das Evangelium in Samaria; mithin mußte <strong>de</strong>r <strong>Die</strong>nst,


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 42<br />

zu <strong>de</strong>m die sieben Männer gewählt wur<strong>de</strong>n, die Wortverkündigung und <strong>de</strong>n Evangelistenberuf<br />

in sich schließen«, so wi<strong>de</strong>rspricht das so unmittelbar <strong>de</strong>n einfachen Belehrungen<br />

<strong>de</strong>r Schrift, daß man eine Erklärung nur fin<strong>de</strong>n kann in <strong>de</strong>m dichten, je<strong>de</strong>n klaren Ausblick<br />

und Umblick hin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Nebel menschlicher Meinungen und Lehren, von welchen<br />

man nicht loskommen kann. Immer wie<strong>de</strong>r will <strong>de</strong>r Mensch, bewußt [94] o<strong>de</strong>r unbewußt,<br />

in die Rechte eingreifen, welche Gott sich vorbehalten hat. Nur die Gna<strong>de</strong> vermag uns<br />

von dieser bösen Neigung zu befreien, und je mehr wir sie in uns wirken lassen, <strong><strong>de</strong>s</strong>to<br />

mehr wer<strong>de</strong>n wir mit heiligem Eifer über die Rechte <strong>Gottes</strong> wachen und <strong>de</strong>m Ich <strong>de</strong>n<br />

Platz anweisen, <strong>de</strong>r ihm gebührt, sei es im persönlichen Leben, sei es in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong><br />

und im <strong>Die</strong>nste <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn. Was kann ein Mensch, was eine ganze <strong>Versammlung</strong> zu tun<br />

haben mit <strong>de</strong>r Übertragung <strong>de</strong>r Gaben, die von <strong>de</strong>m verherrlichten Christus ausfließen<br />

und von <strong>de</strong>m Heiligen Geiste ausgeteilt wer<strong>de</strong>n, wie Er will?


[95]<br />

V.<br />

Der Engel <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>.<br />

»Wer ein Ohr hat, höre was <strong>de</strong>r Geist <strong>de</strong>n <strong>Versammlung</strong>en sagt!«<br />

Wenn wir unser Büchlein mit einer kurzen Betrachtung über <strong>de</strong>n »Engel <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>«<br />

schließen, so geschieht es nicht in <strong>de</strong>r Meinung, daß dieser Gegenstand in <strong>de</strong>n<br />

Rahmen <strong>de</strong>r ganzen Abhandlung durchaus hineingehöre. Wir stehen vielmehr unter <strong>de</strong>m<br />

Eindruck, daß das nicht <strong>de</strong>r Fall ist. Weil man aber in <strong>de</strong>m Titel »Engel« vielfach etwas<br />

ganz an<strong>de</strong>res zu fin<strong>de</strong>n gemeint hat, als er nach unserer Überzeugung zum Ausdruck<br />

bringen will, nämlich die Bezeichnung eines Amtes, o<strong>de</strong>r einer bestimmten leiten<strong>de</strong>n Persönlichkeit<br />

in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, so glauben wir, <strong>de</strong>m Leser noch ein Wort darüber schuldig<br />

zu sein.<br />

Aus <strong>de</strong>r Tatsache, daß die sieben Sendschreiben <strong>de</strong>r Offenbarung nicht unmittelbar an<br />

die <strong>Versammlung</strong>en o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n selbst, son<strong>de</strong>rn »an <strong>de</strong>n Engel <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>«<br />

gerichtet sind, hat man gefolgert, daß an <strong>de</strong>r Spitze dieser <strong>Versammlung</strong>en ein Aufseher<br />

o<strong>de</strong>r <strong>Die</strong>ner gestan<strong>de</strong>n habe, »<strong>de</strong>r für seine Her<strong>de</strong> verantwortlich gemacht wer<strong>de</strong>«. Der<br />

Herr wen<strong>de</strong> sich an diesen Engel o<strong>de</strong>r Vorsteher und ziehe ihn für <strong>de</strong>n jeweiligen Zustand<br />

in <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> zur Rechenschaft.<br />

[96] Bevor wir uns jedoch mit dieser Folgerung und <strong>de</strong>n auf sie gegrün<strong>de</strong>ten Handlungen<br />

beschäftigen, mögen einige Bemerkungen über die Gemein<strong>de</strong>n selbst hier einen<br />

Platz fin<strong>de</strong>n.<br />

Daß es zur Zeit <strong>de</strong>r Abfassung <strong><strong>de</strong>s</strong> Buches <strong>de</strong>r Offenbarung sieben <strong>Versammlung</strong>en<br />

(Gemein<strong>de</strong>n) in <strong>de</strong>r römischen Provinz Asien (einem Teile <strong><strong>de</strong>s</strong> jetzigen Kleinasien) gab,<br />

<strong>de</strong>ren Zustand <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n Sendschreiben geschil<strong>de</strong>rten entsprach, unterliegt keinem<br />

Zweifel, wird auch wohl von niemand bestritten. <strong>Die</strong>se sieben Gemein<strong>de</strong>n haben geschichtlich<br />

bestan<strong>de</strong>n. Aber ganz von selbst drängt sich <strong>de</strong>m aufmerksamen Leser <strong>de</strong>r<br />

Briefe die Frage auf: Warum hat <strong>de</strong>r Herr gera<strong>de</strong> diese, außer Ephesus so wenig bekannten<br />

Gemein<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n vielen damals bestehen<strong>de</strong>n ausgewählt? Warum gera<strong>de</strong> sieben?<br />

<strong>Die</strong> Zahl »sieben« ist <strong>de</strong>m Bibelforscher bekannt als Ausdruck von irgend etwas Vollkommenem,<br />

Abgerun<strong>de</strong>tem, in geistlichem Sinne. Daß sie gera<strong>de</strong> hier, in <strong>de</strong>m Buche <strong>de</strong>r<br />

Offenbarung, be<strong>de</strong>utungsvoll ist, liegt auf <strong>de</strong>r Hand. Aber mehr noch. <strong>Die</strong> sieben Sendschreiben<br />

stellen uns nach <strong>de</strong>r Erklärung <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn selbst das, »was ist«, vor Augen.<br />

»Schreibe nun was du gesehen hast (Kap. 1, 9 ff.), und was ist (Kap. 2 u. 3), und was<br />

geschehen wird nach diesem.« (Kap. 4 ff.) Daß diese Einteilung nicht willkürlich ist, beweist<br />

Kap. 4, 1. <strong>Die</strong>selbe Stimme, welche im 1. Kapitel gere<strong>de</strong>t hatte, ruft hier <strong>de</strong>m Propheten<br />

zu: »Komm hier herauf, und ich wer<strong>de</strong> dir zeigen, was nach diesem geschehen<br />

muß«. Das, »was ist«, (was schon zu Lebzeiten <strong><strong>de</strong>s</strong> Johannes bestand) en<strong>de</strong>t daher mit<br />

<strong>de</strong>m 3. Kapitel, und im 4. beginnt die Erzählung <strong><strong>de</strong>s</strong>sen, »was nach die- [97] sem (d. h.<br />

nach <strong>de</strong>m Inhalt <strong><strong>de</strong>s</strong> 2. und 3. Kapitels) geschehen muß« – <strong>de</strong>r Prophet wird von <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>n Himmel entrückt und sieht <strong>de</strong>n Thron, von welchem aus die Gerichte über die Er<strong>de</strong><br />

ergehen.<br />

Es gab also in jener Zeit sieben <strong>Versammlung</strong>en, <strong>de</strong>ren innerer Zustand <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>m<br />

Herrn entworfenen Bil<strong>de</strong> entsprach. Sie wer<strong>de</strong>n mit gol<strong>de</strong>nen Leuchtern (Lichtträgern)<br />

verglichen. In ihrer Mitte wan<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>r in richterlichem Gewan<strong>de</strong> erscheinen<strong>de</strong> Sohn <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Menschen. Daß <strong>de</strong>r Herr allezeit »als Segensquelle« in <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> ist und als Haupt<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Leibes die Seinigen nährt und pflegt, ist zweifellos; aber hier wird Er nicht in diesem


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 44<br />

Charakter geschaut. Er erscheint nicht als Der, welcher Öl auf die Lampen gießt, wenn es<br />

nötig wird, nicht als <strong>de</strong>r gute Hirte <strong>de</strong>r Schafe, o<strong>de</strong>r als Der, welcher die Füße <strong>de</strong>r Seinigen<br />

wäscht o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Menschen Gaben austeilt, son<strong>de</strong>rn in Seiner ernsten Wür<strong>de</strong> als Richter.<br />

Aus Seinem Mun<strong>de</strong> geht ein scharfes, zweischneidiges Schwert hervor, und mit Augen,<br />

die wie eine Feuerflamme sind, sieht Er zu, ob die Leuchter ihrer Verantwortlichkeit<br />

entsprechen.<br />

Ist <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Ausdruck »was ist« auf die sieben örtlichen Gemein<strong>de</strong>n zu beschränken,<br />

an welche die Sendschreiben gerichtet wur<strong>de</strong>n? Waren für sie allein die Mitteilungen <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Herrn bestimmt? O<strong>de</strong>r müssen wir an die ganze christliche Kirche <strong>de</strong>nken, wie sie damals<br />

auf Er<strong>de</strong>n bestand? <strong>Die</strong> Zahl »sieben« leitet unsere Gedanken, wie gesagt, auf etwas<br />

»Vollkommenes«. Jene sieben Gemein<strong>de</strong>n machten aber nur einen ganz kleinen Teil <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

gesamten christlichen Zeugnisses von damals aus. Zugleich wer<strong>de</strong>n die Ermahnungen,<br />

welche auf [98] Grund <strong><strong>de</strong>s</strong> inneren Zustan<strong><strong>de</strong>s</strong> <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n ergehen, an alle gerichtet,<br />

welche ein Ohr haben zu hören: »Wer ein Ohr hat, höre was <strong>de</strong>r Geist <strong>de</strong>n <strong>Versammlung</strong>en<br />

sagt«.<br />

Wir möchten also wohl an die ganze Gemein<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> ersten Jahrhun<strong>de</strong>rts unserer Zeitrechnung<br />

<strong>de</strong>nken, wenn nicht ein wichtiger Punkt dagegen spräche. Je<strong><strong>de</strong>s</strong> Sendschreiben<br />

schil<strong>de</strong>rt bekanntlich einen an<strong>de</strong>ren Zustand, verschie<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n vorhergehen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

nachfolgen<strong>de</strong>n. Es ist <strong><strong>de</strong>s</strong>halb kaum möglich, alle sieben auf <strong>de</strong>n Gesamtzustand <strong>de</strong>r damaligen<br />

Kirche anzuwen<strong>de</strong>n. Alle sieben können nicht zu gleicher Zeit charakteristisch<br />

für diesen Gesamtzustand gewesen sein. Und was für jene ersten Tage gilt, ist selbstverständlich<br />

auch wahr für alle späteren Zeiten. Man kann unmöglich sieben so völlig verschie<strong>de</strong>ne,<br />

ja, einan<strong>de</strong>r entgegengesetzte Zustän<strong>de</strong> zu irgend einem gegebenen Zeitpunkt<br />

auf <strong>de</strong>n allgemeinen Zustand <strong>de</strong>r Kirche anwen<strong>de</strong>n. Wenn das aber so ist, dann ergibt sich<br />

ganz von selbst <strong>de</strong>r Gedanke, daß die Sendschreiben eine Reihenfolge von Zustän<strong>de</strong>n<br />

beschreiben müssen, welche sich im Laufe <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rte, während <strong>de</strong>r ganzen Dauer<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> christlichen Haushalts, in <strong>de</strong>r bekennen<strong>de</strong>n Kirche zeigen wür<strong>de</strong>n, und welche das<br />

Auge <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn voraussah.<br />

Damit wird dann auch die Zahl »sieben« durchaus verständlich, ebenso die Auswahl<br />

<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n, nicht nach Alter, Größe, Be<strong>de</strong>utung o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rgleichen, son<strong>de</strong>rn nach <strong>de</strong>n<br />

damals in ihrer Mitte herrschen<strong>de</strong>n charakteristischen Zustän<strong>de</strong>n. <strong>Die</strong> Geschichte <strong>de</strong>r<br />

Kirche zieht in einem ergreifen<strong>de</strong>n prophetischen Gemäl<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m ersten Beginn <strong><strong>de</strong>s</strong><br />

Verfalls, <strong>de</strong>m Verlassen ihrer ersten [99] Liebe (in Ephesus), bis zum Ausgespieenwer<strong>de</strong>n<br />

aus <strong>de</strong>m Mun<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn (in Laodicäa) an unserem Auge vorüber. Der Herr selbst beurteilt<br />

und richtet <strong>de</strong>n Zustand, warnt, droht und gibt <strong>de</strong>m Überwin<strong>de</strong>r Verheißungen. Er ist<br />

»<strong>de</strong>r Erstgeborene«, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n ganzen Erdkreis richten wird (vergl. die späteren Kapitel <strong>de</strong>r<br />

Offenbarung); aber Sein Gericht beginnt beim Hause <strong>Gottes</strong>.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Versammlung</strong> (Gemein<strong>de</strong>) ist an die Stelle Israels getreten. Jerusalem war einst<br />

<strong>de</strong>r Mittelpunkt o<strong>de</strong>r Sitz <strong><strong>de</strong>s</strong> Zeugnisses <strong>Gottes</strong>. Von dort aus strahlte Sein Licht über die<br />

Er<strong>de</strong>. Israel und Jerusalem haben aber ihrer Verantwortlichkeit als Lichtträger nicht entsprochen<br />

und sind <strong><strong>de</strong>s</strong>halb beiseite gesetzt wor<strong>de</strong>n. An ihre Stelle ist das Christentum<br />

getreten. <strong>Die</strong> bekennen<strong>de</strong> Kirche ist <strong>Gottes</strong> Leuchter o<strong>de</strong>r Lichtträger gewor<strong>de</strong>n. Jerusalem,<br />

die Stadt, welche durch die Ermordung <strong><strong>de</strong>s</strong> Messias <strong>Gottes</strong> Zorngericht über sich<br />

gebracht hat, ist verschwun<strong>de</strong>n, und die bekennen<strong>de</strong> Kirche ist jetzt die einzige Zeugin für<br />

Gott in dieser Welt. Unter diesem Charakter und von diesem Gesichtspunkt aus wird die<br />

Kirche in <strong>de</strong>r Offenbarung gesehen. Daher das Symbol <strong>de</strong>r »sieben gol<strong>de</strong>nen Leuchter«,<br />

in <strong>de</strong>ren Mitte <strong>de</strong>r Sohn <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen wan<strong>de</strong>lt mit »Füßen gleich glänzen<strong>de</strong>m Kupfer, als<br />

glühten sie im Ofen« – wie<strong>de</strong>rum ein ausdrucksvolles Bild <strong><strong>de</strong>s</strong> Gerichts. (Vergl. Dan.<br />

7, 9. 10.)


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 45<br />

Es ist hier in<strong><strong>de</strong>s</strong> nicht <strong>de</strong>r Platz, in weitere Einzelheiten einzugehen. Wir kommen<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong>halb zu unserem eigentlichen Thema.<br />

»Dem Engel <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> in Ephesus schreibe: <strong>Die</strong>ses sagt usw.« So beginnt das<br />

erste Send- [100] schreiben, und mit genau <strong>de</strong>nselben Worten wer<strong>de</strong>n die an<strong>de</strong>ren sechs<br />

eingeleitet. Der Herr wen<strong>de</strong>t sich also nicht unmittelbar an die <strong>Versammlung</strong>en selbst.<br />

Warum nicht? Paulus richtete seinen Brief an »die Heiligen und Treuen, die in Ephesus<br />

sind«; in an<strong>de</strong>ren Fällen schreibt er an »die <strong>Versammlung</strong> <strong>Gottes</strong>, die in Korinth ist«, an<br />

»die <strong>Versammlung</strong> <strong>de</strong>r Thessalonicher in Gott, <strong>de</strong>m Vater«, an »alle Heiligen in Christo<br />

Jesu, die in Philippi sind, mit <strong>de</strong>n Aufsehern und <strong>Die</strong>nern« usw. Seine Anre<strong>de</strong> ist also<br />

immer herzlich und voll Gna<strong>de</strong>. Warum ist es mit einemmale so ganz an<strong>de</strong>rs? Haben sich<br />

die Gedanken und Gefühle <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn im Blick auf Seine Gemein<strong>de</strong> verän<strong>de</strong>rt? Keineswegs.<br />

Wie wäre das möglich? Nein, was sich verän<strong>de</strong>rt hat ist die Gemein<strong>de</strong>. Sie ist nicht<br />

mehr das, was sie im Anfang war, und wenn <strong>de</strong>r Herr sie mit Seinem alles erforschen<strong>de</strong>n<br />

Auge betrachtet, als Herr und Richter, wie wir sahen, so kann Er nicht mehr in <strong>de</strong>m familiären,<br />

vertraulichen Ton <strong>de</strong>r Liebe zu ihr re<strong>de</strong>n wie früher. Er ist <strong>de</strong>r Gerechte und bleibt<br />

in Seinen Regierungswegen sich selbst treu. Er kann sich nicht verleugnen. Und da die<br />

<strong>Versammlung</strong> bereits ihre erste Liebe verlassen hat, so re<strong>de</strong>t Er gleichsam aus einer gewissen<br />

Entfernung und beauftragt Seinen Knecht, nicht an die <strong>Versammlung</strong> selbst, son<strong>de</strong>rn<br />

an ihren Engel o<strong>de</strong>r Vertreter zu schreiben.<br />

Wer ist nun <strong>de</strong>r Engel <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>? Ein wirklicher Engel, eines jener geistlichen<br />

Wesen, die um <strong>de</strong>n Thron <strong>Gottes</strong> her stehen, Seines Winks gewärtig, »Täter Seines Wohlgefallens«?<br />

(Ps. 103, 21.) Das kann nicht wohl sein; es wäre <strong>de</strong>n Wegen <strong>Gottes</strong>, soweit sie<br />

uns bekannt sind, völlig entgegen. Gott gebraucht [101] wohl Engel, um durch sie <strong>de</strong>n<br />

Menschen Seinen Willen kundzutun o<strong>de</strong>r ihnen eine Botschaft zu sen<strong>de</strong>n, niemals aber<br />

hat Er Menschen (hier wäre es Johannes) als Mittelspersonen zwischen sich und Seinen<br />

Engeln verwandt.<br />

Dann war <strong>de</strong>r Engel also doch wohl, wie die meisten Ausleger meinen, irgend eine<br />

amtliche Person, <strong>de</strong>r Aufseher (Bischof) o<strong>de</strong>r ein durch Alter, Erfahrung &c. hervorragen<strong>de</strong>r<br />

Ältester? Auch das ist nicht möglich. Denn wenn auch in nicht viel späteren Tagen (da<br />

<strong>de</strong>r Verfall reißend schnelle Fortschritte machte) eine einzelne Person als Hirte o<strong>de</strong>r Bischof<br />

einer örtlichen Gemein<strong>de</strong> Anerkennung fand, so war das in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Abfassung<br />

<strong><strong>de</strong>s</strong> Buches <strong>de</strong>r Offenbarung doch noch eine völlig unbekannte Sache; sie steht ja auch mit<br />

<strong>de</strong>n Belehrungen <strong>de</strong>r Heiligen Schrift über die <strong>Versammlung</strong> o<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> in gera<strong>de</strong>m<br />

Wi<strong>de</strong>rspruch. <strong>Die</strong> Schrift re<strong>de</strong>t niemals von einem Aufseher o<strong>de</strong>r Ältesten einer Gemein<strong>de</strong>,<br />

son<strong>de</strong>rn immer nur von <strong>de</strong>n Aufsehern o<strong>de</strong>r Ältesten <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> in – –. <strong>Die</strong><br />

Anstellung und Anerkennung einer Person als Leiter, Aufseher, Hirte &c. einer Gemein<strong>de</strong><br />

ist eine Erfindung <strong><strong>de</strong>s</strong> Menschen, nicht mehr und nicht weniger; eine Erfindung allerdings,<br />

die bis in die ersten Anfänge <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Kirche, bis in <strong>de</strong>n Beginn <strong><strong>de</strong>s</strong> 2. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />

unserer Zeitrechnung hinaufreicht, die aber <strong><strong>de</strong>s</strong>halb doch nicht mehr Wert o<strong>de</strong>r<br />

Gewicht hat als je<strong><strong>de</strong>s</strong> an<strong>de</strong>re Menschenfündlein. Und selbst wenn sie noch älter wäre,<br />

wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Herr ihr wohl Seine Anerkennung zuteil haben wer<strong>de</strong>n lassen, Er, <strong>de</strong>r so eifersüchtig<br />

über die Aufrechterhaltung Seiner Wahrheit wacht? Nimmermehr!<br />

[102] Überdies wäre <strong>de</strong>r Titel »Engel« für einen Aufseher o<strong>de</strong>r Ältesten eine völlig<br />

neue Sache, die wie<strong>de</strong>rum durch nichts in <strong>de</strong>n apostolischen Schriften gestützt o<strong>de</strong>r auch<br />

nur ange<strong>de</strong>utet ist. Wir müssen <strong><strong>de</strong>s</strong>halb nach einer an<strong>de</strong>ren Erklärung suchen, und wir<br />

meinen, sie liege in <strong>de</strong>m Buche <strong>de</strong>r Offenbarung, das von Symbolen mannigfaltigster Art<br />

angefüllt ist, nicht fern.<br />

Der Titel »Engel« hat offenbar eine symbolische o<strong>de</strong>r sinnbildliche Be<strong>de</strong>utung, ähnlich<br />

wie die Bezeichnung »Sterne« in Kap. 1, 20: »<strong>Die</strong> sieben Sterne (in <strong>de</strong>r Rechten <strong><strong>de</strong>s</strong>


RUDOLF BROCKHAUS: DIE VERSAMMLUNG DES LEBENDIGEN GOTTES 46<br />

Herrn) sind Engel <strong>de</strong>r sieben <strong>Versammlung</strong>en«. Und wenn das so ist, so haben wir uns<br />

unter <strong>de</strong>m »Engel <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>« eben nicht eine bestimmte amtliche Person, son<strong>de</strong>rn<br />

eine sinnbildliche Vertretung <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>nken. Zu dieser Auffassung gibt uns die<br />

Schrift selbst unmittelbare Anleitung. Immer wie<strong>de</strong>r begegnen wir <strong>de</strong>r Benutzung von<br />

Engeln in vertreten<strong>de</strong>m Sinne. Der Engel <strong><strong>de</strong>s</strong> Herrn, <strong>de</strong>r Engel <strong><strong>de</strong>s</strong> Bun<strong><strong>de</strong>s</strong> – so heißt es an<br />

vielen Stellen in <strong>de</strong>n Büchern <strong><strong>de</strong>s</strong> Alten Testamentes. Gott selbst sagt in 2. Mose 23, 21<br />

von <strong>de</strong>m Engel, <strong>de</strong>n Er Israel als Führer und Hüter sen<strong>de</strong>n wollte: »Hüte dich vor ihm und<br />

höre auf seine Stimme und reize ihn nicht; <strong>de</strong>nn er wird eure Übertretung nicht vergeben,<br />

<strong>de</strong>nn mein Name ist in ihm«. Und oft wer<strong>de</strong>n die Ausdrücke »Jehova« o<strong>de</strong>r »<strong>de</strong>r Engel<br />

Jehovas« wechselseitig gebraucht. Der Engel Jehovas steht für Jehova selbst. (Vergl. z.B.<br />

Richt. 6.) Im Buche Daniel wer<strong>de</strong>n Engel mit Israel o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Mächten einsgemacht:<br />

»Der Fürst <strong><strong>de</strong>s</strong> Königreichs Persien (ein Engelfürst) stand mir entgegen«; »in jener Zeit<br />

wird Michael auf- [103] stehen, <strong>de</strong>r große Fürst, <strong>de</strong>r für die Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ines Volkes steht«.<br />

(Kap. 10, 13; 12, 1.) Im Neuen Testament hören wir, daß die »Engel« <strong>de</strong>r kleinen Kin<strong>de</strong>r<br />

allezeit das Angesicht <strong><strong>de</strong>s</strong> Vaters im Himmel schauen (Matth. 18, 10), und wenn Petrus,<br />

auf wun<strong>de</strong>rbare Weise aus <strong>de</strong>m Kerker befreit, an die Tür <strong><strong>de</strong>s</strong> Hauses <strong>de</strong>r Maria klopft,<br />

sagen die im Hause versammelten Gläubigen <strong>de</strong>r Botschaft bringen<strong>de</strong>n Magd: »Es ist sein<br />

Engel«. (Apstgsch. 12.)<br />

So ist <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Engel <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> gleichsam die Verkörperung ihrer Verantwortlichkeit,<br />

<strong>de</strong>r i<strong>de</strong>ale verantwortliche Vertreter <strong><strong>de</strong>s</strong> Ganzen. <strong>Die</strong> Aufseher <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n,<br />

ob von <strong>de</strong>n Aposteln angestellt o<strong>de</strong>r nicht, hatten infolge ihrer Stellung gewiß eine<br />

beson<strong>de</strong>re Verantwortlichkeit. Der Engel stellt jedoch die ganze <strong>Versammlung</strong> dar, wenn<br />

auch jene Personen zunächst gemeint sein mögen, weil sie eben unter einer höheren und<br />

ernsteren Verantwortlichkeit stan<strong>de</strong>n als die übrigen. Darum kann auch zu <strong>de</strong>m Engel<br />

gesagt wer<strong>de</strong>n: »Ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>inen Leuchter aus seiner Stelle wegtun«, o<strong>de</strong>r: »Ich habe ein<br />

weniges wi<strong>de</strong>r dich, daß du solche dort hast &c.«; während wir an an<strong>de</strong>ren Stellen lesen:<br />

»Der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen«; »auch in <strong>de</strong>n Tagen, in welchen<br />

Antipas mein treuer Zeuge war, <strong>de</strong>r bei euch … ermor<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n ist«; »euch aber sage<br />

ich, <strong>de</strong>n übrigen, die in Thyatira sind, so viele diese Lehre nicht haben« usw.<br />

Der Engel erscheint also an vielen Stellen als gleichbe<strong>de</strong>utend mit <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong>,<br />

an an<strong>de</strong>ren wird zwischen ihm und <strong>de</strong>r <strong>Versammlung</strong> ein Unterschied [104] gemacht, in<strong>de</strong>m<br />

diese selbst o<strong>de</strong>r einzelne Teile von ihr angere<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r hervorgehoben wer<strong>de</strong>n – ein<br />

Beweis also, daß die Briefe, wenn auch nicht unmittelbar, so doch in ihrer ganzen schwerwiegen<strong>de</strong>n<br />

Be<strong>de</strong>utung an die Gemein<strong>de</strong>n selbst sich richten und für sie bestimmt sind. Der<br />

Gedanke an eine einzelne, mit Autorität beklei<strong>de</strong>te Person in ihrer Mitte o<strong>de</strong>r gar an ihrer<br />

Spitze, welche die Verantwortlichkeit für die Gesamtheit trüge, ist völlig ausgeschlossen,<br />

durchaus schriftwidrig. Alle Beweisführungen, die man hierauf stützt, um darzutun, daß<br />

je<strong>de</strong>r örtlichen <strong>Versammlung</strong> ein einzelner Mensch, unter welchem Titel es nun sei – als<br />

Hirte, Lehrer, Prediger, Aufseher o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rgl. – vorstehen und sie leiten solle, sind <strong>de</strong>mnach<br />

hinfällig. Das berührt aber keineswegs die Frage <strong>de</strong>r ernsten Verantwortlichkeit aller<br />

<strong>de</strong>rer, welchen <strong>de</strong>r Herr eine Gabe anvertraut o<strong>de</strong>r einen Auftrag, einen <strong>Die</strong>nst für die<br />

<strong>Versammlung</strong>, Seinen Leib, gegeben hat. <strong>Die</strong>se Verantwortlichkeit bleibt in ihrem ganzen<br />

Umfang bestehen, und da, wo sie gefühlt wird, wird dieses Gefühl Ernst und heilige<br />

Wachsamkeit in <strong>de</strong>r Seele wachrufen.

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