Vortrag zur Unterrichtsentwicklung - Pädagogische Hochschule ...
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<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
<strong>Vortrag</strong> <strong>zur</strong> Ringveranstaltung im WS 2003/04<br />
An den Schulen und in der Bildungslandschaft ist in den vergangenen Jahren viel in<br />
Bewegung geraten. TIMSS und PISA aber auch die allgegenwärtigen Veränderungen<br />
in der Gesellschaft setzen Lehrer, Schulleitungen und politisch Verantwortliche in<br />
Zugzwang. Verstärkt wird dabei in jüngerer Zeit die Qualität von Unterricht diskutiert.<br />
Überlegungen, wie und wodurch die Qualität schulischen Lernens verbessert und<br />
gesichert werden kann, nehmen in der schulpädagogischen Diskussion breiten Raum<br />
ein. Neben der wichtigen Frage, welche Bildungsinhalte heute von Bedeutung sind,<br />
liegt der Fokus vor allem darauf, eine neue Lernkultur zu etablieren. Konsens besteht<br />
heute weitgehend darin, dass Veränderungen im Bereich des Unterrichts, sollen sie<br />
nachhaltig sein, immer auch organisatorische und personelle Entwicklungen nach<br />
sich ziehen. <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> muss also immer mit Organisations- und Personalentwicklung<br />
einhergehen. Die Kontroversen Mitte der 1990er Jahre, ob Schulentwicklung<br />
im Kern <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> sein muss und ob der Akzent auf einer Entwicklung<br />
der Organisation bzw. des Systems Schule liegt 1 , scheinen mir weitgehend<br />
überwunden. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte sein, dass Schulen, welche ihre<br />
Entwicklungsprozesse autonom in die Hand nehmen auch selbst darüber entscheiden,<br />
in welchem Bereich ihrer Schule Entwicklungsprozesse begonnen oder intensiviert<br />
werden sollen.<br />
Trotz zahlreicher Erfahrungen mit einer Reihe an Modellen <strong>zur</strong> <strong>Unterrichtsentwicklung</strong><br />
zeigt ein Blick in die Schulen, dass noch eine Menge zu tun ist.<br />
In meinem Beitrag möchte ich zwei - wie ich meine wesentliche – Aspekte einer<br />
neuen Lernkultur herausgreifen. Zum einen die eher theoretische Frage, welche Dimensionen<br />
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> aufweisen muss, um sinnvolle Veränderungen<br />
bewirken zu können, zum anderen die eher praxisbezogene Frage, wie Lehrkräfte<br />
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong>sprozesse wirkungsvoll gestalten können.<br />
Zwei Annahmen sind dabei für mich grundlegend:<br />
1 Dahinter stehen u.a. unterschiedliche Diskussionstraditionen: Johannes Bastian bezieht sich in seiner<br />
Forderung nach <strong>Pädagogische</strong>r Schulentwicklung auf die „lebendige Tradition innerer Schulreform“<br />
(Bastian 1998, 32): , während Hans-Günther Rolff auf Modelle der Organisationsentwicklung<br />
<strong>zur</strong>ückgreift. Gegen Ende der 1990er Jahre nähern sich die Positionen deutlich an.<br />
1<br />
pdf: tfa 07’2005
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
1. <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> ist nicht per se sinnvoll, sondern muss sich aus einer<br />
Verbesserung der Unterrichtsqualität heraus legitimieren.<br />
2. Jeder Entwicklungsprozess beinhaltet im Kern einen Lernprozess der beteiligten<br />
Lehrkräfte.<br />
Betrachtet man die Literatur zu einer neuen Lernkultur 2 , so fällt auf, dass die meisten<br />
Autoren darauf zielen, die Methodenkompetenz der Lehrkräfte zu verbessern um die<br />
Methodenvielfalt im Unterricht zu erhöhen. Diese Zielsetzung ist sicher nicht falsch,<br />
betrachtet man empirische Untersuchungen <strong>zur</strong> methodischen Gestaltung von Unterricht<br />
in der Sekundarstufe.<br />
Etwa die Erhebungen von Nuhn 1998, von Thorsten Bohl 2000 oder meine Untersuchung<br />
mit Fragebögen und Unterrichtsbeobachtungen zeigen, dass nach wie vor<br />
darbietende und fragend-entwickelnde Unterrichtsformen am meisten praktiziert werden.<br />
Kooperative und offene Unterrichtsformen nehmen nach wie vor nur ca. 20%<br />
des Unterrichts in Anspruch. Wünschenswert wäre allerdings, in diesem Bereich<br />
noch weitreichendere Erkenntnisse zu gewinnen. Sucht man nach den Gründen, so<br />
fällt in meinen Befragungen auf, dass sich die Lehrkräfte höchst unsicher darüber<br />
sind, wie sie die Qualität alternativer Lernformen und die Lernerfolge der Schüler einschätzen<br />
sollen. Dieses Ergebnis wird in eindrücklicher Weise durch Untersuchungen<br />
von Dann, Diegritz und Rosenbusch ergänzt, die die Qualität von Gruppenunterricht<br />
genauer unter die Lupe nahmen. Sie fanden zum einen heraus, dass es sehr wohl<br />
Qualitätsmerkmale für kooperatives Arbeiten gibt, zum anderen, dass den untersuchten<br />
Lehrkräften diese Qualitätsmerkmale wenig bekannt waren. Den besten Gruppenunterricht<br />
praktizierten die Lehrkräfte, welche über die elaboriertesten subjektiven<br />
Theorien zu dieser Unterrichtsform verfügten.<br />
Aus diesen verschiedenen empirischen Ergebnissen lässt sich folgern, dass neben<br />
quantitativen Veränderungen hinsichtlich der Lehr-Lernkultur ganz entscheidende<br />
qualitative Weiterentwicklungen treten müssen. Diese setzen bei den subjektiven<br />
Theorien der Lehrkräfte an.<br />
Betrachtet man nun die gängigen Modelle zu <strong>Unterrichtsentwicklung</strong>, etwa von Klippert<br />
(2000) oder von Horster/Rolff (2001), so fällt zusammengefasst und etwas vereinfacht<br />
auf, dass diese Modelle im Bereich der Lehr-Lernformen viele Vorschläge<br />
machen, was alles an Methoden im Unterricht eingesetzt werden kann, dass sie aber<br />
2 z.B. Klippert 1999; Klippert 2000; Meyer 2001; Horster/Rolff 2001<br />
2<br />
pdf: tfa 07’2005
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
kein Konzept bieten, wie Lehrkräfte lernen können, diese Methoden qualitativ hochwertig<br />
im Unterricht einzusetzen und diese Qualität auch selbst zu überprüfen.<br />
Um dies gewährleisten zu können, ist es meiner Ansicht nach notwendig, Maßnahmen<br />
<strong>zur</strong> <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> schulpädagogisch-didaktisch zu begründen. Diese<br />
Begründung darf nicht auf der wissenschaftlichen Ebene hängen bleiben, sondern<br />
muss Bestandteil der Arbeit der einzelnen Lehrkräfte bzw. Teams sein.<br />
Diese Forderung erscheint naheliegend. Durchforstet man jedoch konzeptionelle Literatur<br />
und Erfahrungsberichte zu <strong>Unterrichtsentwicklung</strong>, stellt man schnell fest,<br />
dass der Frage, wie sich methodische Innovationen schulpädagogisch-didaktisch<br />
begründen lassen und wie diese Begründungen sich in der täglichen Praxis nutzen<br />
lassen, wenig Beachtung geschenkt wird.<br />
Was kann eine schulpädagogisch–didaktische Begründung leisten?<br />
Zwei Bereiche erscheinen mir zentral:<br />
Schulpädagogisch-didaktische Begründung und Reflexion fördert die Professionalisierung<br />
der Lehrkräfte und schulpädagogisch-didaktische Begründung und Reflexion<br />
steigert die Qualität von Unterricht.<br />
Diese beiden Thesen möchte ich am Beispiel eines eigenen <strong>Unterrichtsentwicklung</strong>skonzeptes<br />
verdeutlichen. Exemplarisch für eine neue Lernkultur wähle ich den<br />
Bereich kooperativen Lernens. Kooperatives Lernen kann – was ich hier nicht näher<br />
ausführe – umfangreich auf theoretischer und empirischer Basis schulpädagogischdidaktisch<br />
begründet werden 3 .<br />
Was leistet nun diese schulpädagogisch-didaktische Begründung im <strong>Unterrichtsentwicklung</strong>sprozess?<br />
Betrachten wir zunächst die Ebene der Professionalisierung genauer.<br />
Bereits seit Anfang der 1990er Jahre haben Wahl, Dann u.a. 4 mit ihren Forschungen<br />
die zentrale Bedeutung subjektiver Theorien für das Handeln von Lehrkräften aufgezeigt.<br />
Dies wurde inzwischen in vielen Veröffentlichungen <strong>zur</strong> Professionalisierung<br />
etwa von Bauer und Kanders, Meyer oder Terhardt aufgegriffen. Jede Arbeit die unterrichtliches<br />
Handeln von Lehrkräften verändern will, muss bei deren subjektiven<br />
Theorien ansetzen. Schulpädagogisch-didaktische Reflexion und Begründung<br />
3 vgl. dazu Schnebel 2003, 117-158; auch Konrad/Traub 2000<br />
4 u.a. Wahl 2002; Dann 1994; Dann u.a. 1999<br />
3<br />
pdf: tfa 07’2005
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
scheint sich zunächst stärker auf das theoretische Wissen von Lehrkräften zu beziehen.<br />
Dem ist aber nur vordergründig so. Reflexion und Begründung sind prozesshafte<br />
Begriffe, die theoretische Konstrukte mit Handlungserfahrungen verbinden. Die<br />
Reflexions- und Begründungsprozesse ermöglichen den Lehrkräften, ihre subjektiven<br />
Theorien aufzubrechen und neu zu konstruieren.<br />
Am Beispiel von <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen:<br />
Lehrkräfte haben in einer Trainingseinheit gelernt, dass es für verschiedene kooperative<br />
Methoden ganz unterschiedliche didaktische Funktionen gibt, welche heranzuziehen<br />
sind, wenn eine geeignete Methode ausgewählt werden soll. Dies war für die<br />
beteiligten Lehrkräfte weniger trivial als es sich zunächst anhört. Das neu erworbene<br />
didaktische Wissen konnten die Lehrkräfte nutzen, um Planungsentscheidungen zu<br />
begründen und Erfahrungen bei der Durchführung zu reflektieren. Nicht selten stand<br />
in Reflexionsphasen bei Gruppensitzungen die Frage nach dem sachgemäßen Einsatz<br />
einer Methode <strong>zur</strong> Diskussion. Durch diese Begründungs- und Reflexionsschleifen<br />
gelangte das neu erworbene didaktische Theoriewissen auf die Ebene subjektiver<br />
handlungsleitender Theorien und verbesserte das professionelle Handeln der<br />
Lehrkräfte.<br />
Schulpädagogisch-didaktische Reflexion und Begründung dient auch der Qualitätsentwicklung.<br />
Zunächst kann begründet werden, warum es überhaupt sinnvoll ist, mit<br />
bestimmten Lernformen – etwa kooperativem Lernen – die Lernkultur zu verändern.<br />
Die Lehrkraft folgt also nicht nur Trends sondern begründet nachvollziehbar ihre Entscheidung.<br />
Aus positiven Implikationen einer innovativen Lernform folgt aber nicht<br />
automatisch, dass die Qualität des Unterrichts steigt. Die Lehrkraft benötigt Kriterien,<br />
unter welchen Bedingungen die neuen Lernformen tatsächlich zu effektiverem Lernen<br />
beitragen. Solche Kriterien, an denen die Qualität von Unterricht überprüft werden<br />
kann, liefern schulpädagogisch-didaktische Begründungen.<br />
Am Beispiel wird dies deutlich:<br />
Dann, Diegritz und Rosenbusch 5 fanden eine Reihe Faktoren, die effektives Lernen<br />
in Gruppen begünstigen, z.B. ein geringes und begrenztes Maß an Intervention<br />
durch die Lehrkraft 6 . Mit diesen Faktoren haben Lehrkräfte didaktische Kriterien an<br />
der Hand, die ihnen ermöglichen, kooperativen Unterricht effektiver zu gestalten bzw.<br />
5 Dann, Diegritz, Rosenbusch (1999)<br />
6 vgl. Dann, Diegritz, Rosenbusch 1999, 47<br />
4<br />
pdf: tfa 07’2005
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
Rückmeldung darüber zu erhalten, wie effektiv der Unterricht im Hinblick auf das entsprechende<br />
Kriterium einzuschätzen ist. Damit sind die Lehrkräfte nicht mehr auf ihre<br />
Intuition angewiesen, sondern können konkrete Indikatoren für eine gesteigerte Unterrichtsqualität<br />
entwickeln.<br />
Dass hier enge Bezüge zwischen Professionalisierung und Qualitätsentwicklung bestehen,<br />
ist offensichtlich.<br />
Dies wird besonders deutlich in Maßnahmen, die diese Prozesse begleiten und voranbringen<br />
sollen. Für mein Konzept sind hier besonders Evaluation und prozessbegleitende<br />
Teamarbeit mit externer Begleitung zu nennen.<br />
Evaluation taucht im Zusammenhang von Schulentwicklung häufig auf. Sie wird etwa<br />
von Eikenbusch (1998) oder Kempfert und Rolff (1999) als das Mittel der Wahl betrachtet,<br />
um Qualitätsentwicklung voranzubringen. Die Prozessmodelle für Evaluation<br />
und Qualitätsentwicklung ähneln sich dabei stark. Allerdings zeigen die inzwischen<br />
vielfältigen Erfahrungen mit Evaluation, dass Entwicklungsprozesse genau dann abbrechen,<br />
wenn evaluiert wurde. Darauf weist etwa Koch-Priewe (2000) dezidiert hin.<br />
Sie erklärt dieses Phänomen u.a. damit, dass Evaluation sich häufig auf das Abbilden<br />
von Fakten, auf eine Ist-Soll-Analyse beschränkt. Die hinter diesen jeder Itemformulierung<br />
stehenden subjektiven und wissenschaftlichen Theorien werden nicht<br />
reflektiert (Koch-Priewe 2000, 72f). Dies lässt sich in der praxisorientierten Literatur<br />
zu Evaluation ebenfalls deutlich zeigen. Dort werden Evaluationsinstrumente, vorzugsweise<br />
Evaluationsbögen, abgedruckt, ohne zu klären, welche theoretischen Bezüge<br />
die verschiedenen Fragen und Kategorien aufweisen. Stehen Lehrkräfte vor<br />
den Ergebnissen einer solchen Evaluation, wird es schwierig, die Ergebnisse sinnvoll<br />
zu interpretieren. Dem möchte ich eine Form von Evaluation entgegenstellen, die<br />
schulpädagogisch-didaktisch fundiert und prozessorientiert ist.<br />
Wie bereits oben erwähnt, liefert eine schulpädagogisch-didaktische Fundierung Kriterien<br />
für die Qualität des Veränderungsprozesses. Evaluation bedient sich dieser<br />
Kriterien und bildet sie in operationalisierten Indikatoren ab. Den Lehrkräften, die ihren<br />
Unterricht evaluieren ist es dann möglich, aus den Ergebnissen der Evaluation<br />
Schritte für die weitere Entwicklung zu ziehen.<br />
Ein Beispiel:<br />
5<br />
pdf: tfa 07’2005
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
Die bereits erwähnte Forschergruppe um Dann und Diegritz fand heraus, dass ein<br />
Merkmal effektiver Gruppenarbeit darin besteht, dass die Schüler nach dem Arbeitsauftrag<br />
wenig desorientiert sind und zügig mit der Arbeit beginnen 7 . Dieses Merkmal<br />
lässt sich im Unterricht unmittelbar durch Lehrer, Schüler oder Beobachter evaluieren.<br />
Zeigt die Evaluation ein hohes Maß an Desorientierung, so weiß die Lehrkraft<br />
anhand der zugrundeliegenden theoretischen schulpädagogisch-didaktischen Einbettung,<br />
dass das Maß der Desorientierung zum einen mit der Klarheit, Strukturiertheit<br />
und Darbietung des Arbeitsauftrages zusammenhängt und zum anderen damit, ob<br />
sich die Lehrkraft vergewissert hat, dass die Schüler den Arbeitsauftrag verstanden<br />
haben. Überprüft die Lehrkraft anhand des Evaluationsergebnisses diese<br />
Komponenten kann sie unmittelbare Folgerungen für ihr zukünftiges Handeln<br />
ableiten, z.B. auf mehr Präzision im Arbeitsauftrag achten.<br />
An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine solche Evaluation den Beteiligten ermöglicht,<br />
Rückmeldung über Unterricht auf einem theoretischen Hintergrund zu reflektieren<br />
und durch Evaluation sowohl das eigene unterrichtliche Handeln als auch die<br />
Qualität des Unterrichtes weiterzuentwickeln.<br />
Ein zweites Prozessmoment spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Ausgehend von den<br />
Erkenntnissen Diethelm Wahls (1994; 2002) muss davon ausgegangen werden, dass<br />
die Arbeit an subjektiven Theorien intensiver Lernprozesse bedarf. Dazu sind Unterstützungssysteme<br />
notwendig. Aus diesem Grund spielen neben schulpädagogischdidaktischen<br />
Elementen Teamarbeit und externe Beratung eine wichtige Rolle.<br />
Durch Arbeit in Kleingruppen und Tandems und durch coaching werden die Lehrkräfte<br />
darin unterstützt, Veränderungsprozesse im Unterricht in Gang zu setzen und ihre<br />
Erfahrungen im Tandem und in der Gruppe zu reflektieren. Die Aufgabe des externen<br />
Beraters besteht darin, theoretisches Input im Sinne schulpädagogisch-didaktischer<br />
Fundierung zu leisten und die Lehrkräfte bei Fragen und Problemen zu beraten.<br />
Aus den genannten Überlegungen heraus entwickelte ich ein Modell zu <strong>Unterrichtsentwicklung</strong><br />
durch kooperatives Lernen. Um es nochmals deutlich zu machen: Kooperatives<br />
Lernen steht hierbei exemplarisch für neue Lernformen, alternativ wären<br />
auch Projektunterricht oder andere didaktisch begründete Formen denkbar.<br />
Mein Modell möchte ich abschließend kurz vorstellen und mit einigen Ergebnissen<br />
der begleitenden Pilotstudie kommentieren.<br />
7 Dann, Diegritz, Rosenbusch 1999, 120<br />
6<br />
pdf: tfa 07’2005
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
Die Einstiegsphase des Modells gliedert sich in 6 Trainingseinheiten zu je einem Tag<br />
und dazwischen liegenden Implementationsphasen. Über den ganzen Prozess hinweg<br />
findet Evaluation statt.<br />
Die Trainingseinheiten vermitteln den Lehrkräften neue kooperative Methoden, bieten<br />
theoretische Begründungen und bahnen die Erweiterung didaktischer Kompetenz<br />
an. Außerdem ist während der Trainingseinheiten Raum für Erfahrungsaustausch, für<br />
schulpädagogisch-didaktische Reflexion und für Klärung von Fragen und Schwierigkeiten.<br />
Außerdem wird die Evaluation vorbereitet und ausgewertet. Die Trainingseinheiten<br />
werden von der externen Beraterin geleitet. Die Implementierungsphasen dienen<br />
der unterrichtlichen Erprobung. Diese wird durch Tandemarbeit vorbereitet und<br />
begleitet. Die ersten drei Trainingseinheiten folgen relativ dicht aufeinander und bieten<br />
sehr viel Input, sukzessive wird der Bearbeitung der subjektiven Theorien durch<br />
Reflexion und Evaluation mehr Raum gegeben.<br />
Im Abstand<br />
von<br />
1-2 Wochen<br />
Nach ca.<br />
4 Wochen<br />
.<br />
4 Trainingseinheiten<br />
Kennen lernen kooperativer Unterrichtsformen,<br />
Vermittlung theoretischer Hintergründe und didaktischer Prinzipien<br />
Erarbeitung von Auswertungs- und Evaluationsmethoden,<br />
Erarbeitung konkreter Umsetzungen im Unterricht mit Unterstützung<br />
durch die Berater.<br />
Erprobungsphase: (8 Wochen)<br />
Einsatz der kooperativen Lernformen und der Evaluationsmethoden<br />
im Unterricht.<br />
Wöchentlicher Austausch und gegenseitige Besuche in den<br />
Lehrertandems.<br />
2 Hospitationen durch die Beraterin.<br />
5. Trainingseinheit:<br />
Rückmeldung, Verbesserung,<br />
Training von Lehrerverhaltensweisen: Arbeitsaufträge und Lehrerintervention<br />
. 6. Trainingseinheit<br />
Auswertung und Feedback<br />
Möglichkeiten der Weiterführung<br />
Gruppe<br />
Lehrertandems<br />
bzw. individuell<br />
Individuell<br />
Lehrertandems<br />
Gruppe<br />
Gruppe<br />
7<br />
pdf: tfa 07’2005
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
Der Einstieg in den <strong>Unterrichtsentwicklung</strong>sprozess wurde wissenschaftlich begleitet<br />
8 .<br />
Schüler und Lehrkräfte wurden vor und nach der Implementationsphase befragt, die<br />
prozessbegleitende Evaluation diente nicht nur der Rückmeldung für Lehrer und<br />
Schüler, sondern wurde gleichzeitig wissenschaftlich ausgewertet. Schüler-, Lehrerund<br />
Beobachtersicht wurden dabei im Sinne einer Triangulation zueinander in Beziehung<br />
gesetzt.<br />
Im Hinblick auf die zuvor ausgeführten Thesen konnte die Pilotstudie folgendes zeigen:<br />
• Das Lehrertraining <strong>zur</strong> <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen hat zu<br />
einer Veränderung der Unterrichtspraxis der beteiligten Lehrkräfte geführt. Alle<br />
Lehrkräfte arbeiteten während und nach Beendigung des Trainings häufiger und<br />
in längeren Phasen mit kooperativen Lernformen.<br />
• Die Lehrkräfte erweiterten ihr Methodenrepertoire und ihre didaktischen Kompetenzen.<br />
• Wichtige Lehrerverhaltensweisen, welche die Qualität kooperativen Lernens beeinflussen,<br />
wurden sichtbar. Die Lehrkräfte zeigten erste Ansätze diese positiv zu<br />
verändern.<br />
• Kooperatives Lernen erwies sich als geeignet, die Qualität kooperativer Lehr-<br />
Lern-Formen herzustellen und zu sichern.<br />
• Evaluation diente der Reflexion und Qualitätssicherung von Unterricht und förderte<br />
dadurch dessen Weiterentwicklung, wurde von den Lehrkräften aber auch als<br />
zusätzliche Belastung empfunden.<br />
• Kollegiale Unterstützung erlebten die Beteiligten als sehr wichtig. Teilweise wurde<br />
die Tandemarbeit allerdings durch organisatorische Hindernisse erschwert.<br />
• Es gibt verschiedene Hinweise darauf, dass sich die Subjektiven Theorien der<br />
Lehrkräfte verändert haben. Die Lehrkräfte beurteilen heute eigenen Frontalunterricht<br />
kritischer und suchen verstärkt nach Möglichkeiten, kooperatives Lernen einzusetzen.<br />
8 eine ausführliche Darstellung der wissenschafltichen Untersuchung, die gesamten Ergebnisse und<br />
deren Diskussion finden sich in Schnebel (2003): <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen.<br />
8<br />
pdf: tfa 07’2005
<strong>Unterrichtsentwicklung</strong> durch kooperatives Lernen<br />
Dr. Stefanie Schnebel<br />
Was lässt sich aus den theoretischen Überlegungen und aus den Ergebnissen folgern?<br />
Ich denke in aller erster Linie, dass sich Konzepte <strong>zur</strong> <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> intensiv<br />
mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie Lehrerinnen und Lehrer lernen, wie<br />
sie ihr professionelles Handeln weiterentwickeln.<br />
Dazu genügt es nicht, dass Lehrer ihr Methodenrepertoire erweitern, vielmehr geht<br />
es darum, subjektive Theorien zu verändern und didaktische Kompetenzen weiterzuentwickeln.<br />
Gleichzeitig muss die Qualität von Unterricht im Blick bleiben.<br />
In meinem Beitrag habe ich versucht zu begründen, dass diese beiden Forderungen<br />
vorangebracht werden können, wenn <strong>Unterrichtsentwicklung</strong> schulpädagogischdidaktisch<br />
begründet und reflektiert wird. Daneben ist es notwendig, Prozessstrategien<br />
zu entwickeln, welche die Implementierung einer neuen Lernkultur unterstützen<br />
und den Lehrkräften Raum für Reflexion und neue Erfahrungen bieten. Kollegiale<br />
Unterstützung und externe Beratung sind hier ebenso zu nennen wie eine prozessbegleitende<br />
Evaluation.<br />
Durch seine umfassende lerntheoretische und didaktische Fundierung bietet kooperatives<br />
Lernen eine sinnvolle Möglichkeit, eine schulpädagogisch-didaktische <strong>Unterrichtsentwicklung</strong><br />
in Gang zu setzen, welche die Professionalisierung der Lehrkräfte<br />
und die Qualität von Unterricht gleichermaßen voranbringt.<br />
9<br />
pdf: tfa 07’2005