SPITZBERGENER ZEITUNG - AWI
SPITZBERGENER ZEITUNG - AWI
SPITZBERGENER ZEITUNG - AWI
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>SPITZBERGENER</strong> <strong>ZEITUNG</strong> - 4 - MÄRZ - JUNI 2005<br />
3801 Manntage von gut 70 Stationsgästen waren<br />
abzuwickeln und zu betreuen, ein Drittel<br />
von Rabot, zwei Drittel Koldewey, von denen<br />
jeder durch seine Individualität faszinierte.<br />
Gleiches gilt für die dauerhaften Bewohner<br />
Ny-Ålesunds, mit denen man auf begrenztem<br />
Raum in engem Kontakt stand, ja stehen musste,<br />
um sowohl den Polartag zu er- und die Polarnacht<br />
zu überleben. Statistisch waren 36<br />
unterschiedliche Projekte zu betreuen, davon<br />
alleine 9 von der französischen Seite, fast e-<br />
benso viele Wetterballone wie Tage an der<br />
Station zu starten. VIPs und Besucher der unterschiedlichsten<br />
Nationen waren durch die<br />
Station zu führen, Rede und Antwort zu stehen,<br />
auch für zahlreiche Menschen von Presse,<br />
Rundfunk und Fernsehen. Messinstrumente<br />
waren zu betreuen und zu warten, gelegentlich<br />
Feldexkursionen per Scooter oder Boot zu einer<br />
der Außenstationen oder ins Gelände mit<br />
einigen Wissenschaftlern zu deren Unterstützung.<br />
So es denn mal ein freies Wochenende gab,<br />
war man bestrebt, sich von der Natur berauschen<br />
zu lassen, deren atemberaubenden Flair<br />
man sich nirgends entziehen konnte, wollte,<br />
oder erst recht deren Nähe suchte. Einige<br />
Holzhütten aus Bergbauzeiten boten immer<br />
wieder und gerne Unterkunft für einen ruhigen<br />
Abend in der Woche, oder auch ein ganzes<br />
Wochenende, alleine zu zweit, oder mit dem<br />
halben Dorf. Bullernde Kanonen- und Emailöfen<br />
wärmten mollig, in der Polarnacht warf<br />
der gelbe Schein alter Petroleumlampen aus<br />
der Gründerzeit seine breiten Schatten, heulender<br />
Wind an der Tür, ab und zu Spuren von<br />
Polarbären auf dem Weg zum Ziel oder nach<br />
Hause. Mitternachtssonne um drei, die einen<br />
nach dem Barabend um Stunden zurück warf,<br />
dafür Zeitung lesend im Freien bei Vollmond<br />
zur Mittagszeit im Winter, der Fjord dabei silbrig<br />
glänzend wie im Bilderbuch und wuselnde<br />
Polarfüchse zwischen den Füßen.<br />
Angenehm und psychisch überlebenswichtig<br />
die Kontakte zu Familie und Freunden unten<br />
im Süden, wenn auch spärlicher als sonst. Man<br />
möge mir dies verzeihen. Wichtig auch das ein<br />
oder andere Carepaket mit Beutelsuppen und<br />
selbstgebackenen Zimtwaffeln zur Weihnachtszeit,<br />
die Heimat rückt dann ein Stück<br />
näher. Erinnerungen an Norddeich Radio und<br />
die Grußsendungen in alle Welt, Koldewey im<br />
Funkloch, nur auf UKW werden zwei Sender<br />
aus Tromsø eingespeist, sonst auf allen Kanälen<br />
nur Rauschen im Äther.<br />
Doch all der Verzicht wird komprimiert durch<br />
die Großartigkeit der Natur und des Nordens<br />
an sich. Sind Kreuzfahrttouristen nach wenigen<br />
Tagen in den Fjorden schon hin und weg von<br />
diesem Land, dann bin ich es nach über einem<br />
Jahr erst recht.<br />
Aufgetürmt: Drei von vier leeren Kisten mit<br />
dem Ex-Stationsleiter. Berge von Wäsche türmten<br />
sich nach dem Leerräumen in der Wohnung<br />
- bleibt die Frage nach dem "Was zieh ich an":<br />
Tempex bei 30 Grad?? :-)<br />
Meine Lieblingskleidung auf Spitzbergen?<br />
Ganz eindeutig mein roter Tempex, von dem<br />
ich mich im späten Frühjahr nur schwer trennen<br />
konnte – Jens und Konni erinnern sich -<br />
und mein norwegischer Strickpulli natürlich.<br />
Und beim Essen: Egons selbstgebackene Kartoffelpuffer<br />
im Blauen Haus.<br />
Ja, diesmal als kleinen Rückblick auf ein Jahr<br />
Leben in der Arktis, man könnte ein ganzes<br />
Buch schreiben. Wie an dieser Stelle üblich, so<br />
möchte ich auch noch ein paar obligatorische<br />
Worte des Dankes loswerden, und zwar an die<br />
Leser der Spitzbergener Zeitung, deren Resonanz,<br />
besonders auf die Rätsel, immer große