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Freaks (1932) - Das Dokument des Grauens

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<strong>Das</strong> <strong>Dokument</strong> <strong>des</strong> <strong>Grauens</strong><br />

te wurden den verkrüppelten und entstellten Tyrannen aus Europa und Asien zugeschrieben<br />

2 .<br />

In Geschichte, Religion, Folklore<br />

und Literatur wimmelt es vor missgestalteten<br />

Außenseitern, welche die Welt<br />

veränderten: Goliath, Calaban, Frankenstein,<br />

Gloucester, der Däumling<br />

und Kaiser Wilhelm sind nur einige,<br />

welche weltweiten Ruhm erlangt haben 3 .<br />

Der Unfall einer abnormen Geburt wurde<br />

als Schande angesehen und die missgestalteten<br />

Kinder wurden ausgesetzt<br />

und den Elementen zum Sterben überlassen.<br />

Falls zufällig eine dieser Launen der<br />

Natur überlebte, wurde sie stets mit Argwohn<br />

betrachtet. Die Gesellschaft mied<br />

Abbildung 14.3: Schwere inhaltliche Fehltritte<br />

bleiben nicht aus<br />

ne derart behinderte Familie schämte<br />

sie aufgrund ihrer Deformierung und ei-<br />

sich stets wegen <strong>des</strong> Fluchs, der über sie<br />

gekommen war 4 .<br />

Hin und wieder wurde einer dieser Unglücklichen an einen Hof gebracht, damit<br />

er zum Amüsement der Noblen ausgelacht und lächerlich gemacht werden konnte 5 .<br />

Andere mussten sich mit Betteln, Stehlen oder Hungern durchschlagen.<br />

Die Liebe zur Schönheit ist ein tief sitzender Drang, welchen wir seit dem Anfang<br />

der Zivilisation in uns bergen. Die Abscheu, mit welcher wir das Abnorme, Missbildungen<br />

und Verstümmelungen betrachten, ist das Ergebnis einer langen Konditionierung<br />

2 Beachten Sie, dass die amerikanische Geschichte hier explizit ausgenommen wird.<br />

3 Hier wird deutlich, dass der Text wahrscheinlich in Eile verfasst wurde. Goliath war ein Kriegsheld<br />

und weniger Außenseiter als sein Bezwinger David. Der Name Calibans, der einen Spiegel zerschlug,<br />

weil er sein eigenes Antlitz nicht mehr ertragen konnte, ist hier falsch geschrieben. In Universals Frankenstein<br />

(1931) kann wohl die Ursache dafür gesehen werden, dass der Autor hier Frankenstein und<br />

seine Schöpfung verwechselte, denn Frankenstein selbst war in keinster Weise entstellt. Ob der geblendete<br />

Gloucester aus Shakespeares King Lear jedermann geläufig und ein gutes Beispiel für solche eine<br />

Aufzählung ist, darf angezweifelt werden; Gloucester war dem Autoren wohl in Erinnerung, da etwa<br />

zur gleichen Zeit eine Neuinszenierung von King Lear im Londoner Old Vic Theatre unter der Regie<br />

von John Gielgud Aufsehen in den Medien erregte. Und schließlich zeugt die Erwähnung <strong>des</strong> besiegten<br />

Kriegsgegners Kaiser Wilhelm weder von Intelligenz noch von der Seriösität, welche dieser Prolog zu<br />

suggerieren versucht. Spätestens damit ist klar, dass dieser mit der heißen Nadel gestrickte Text nicht<br />

aufklärt, sondern nur Klischees bedient.<br />

4 Auffällig ist hier, dass dieser Abschnitt keineswegs ein humanistisches Plädoyer für die Behinderten<br />

ist, sondern sie letztlich als Missgeburten darstellt. Bemitleidet werden hier nicht sie, sondern ihre<br />

Familien, die mit dieser Schande leben müssen. Der Ton <strong>des</strong> Prolog unterscheidet sich hier nicht von<br />

jenem einer durchschnittlichen Jahrmarktsbude jener Tage.<br />

5 Derartiges gibt es auch heute noch. Jetzt findet dies nicht mehr nur im erlauchten Kreise statt,<br />

sondern in Form von Talk- und Reality Shows.<br />

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