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II. Was ist Staatsrechtslehre? 5
liche Bezugspunkt staatlichen Handelns auch eine wissenschaftliche Disziplin 4 .
Dabei bewirkt die Verschränkung von Verfassungs‐ und Verwaltungsrechtswissenschaft
5 (auch aufgrund von Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) ein enges „Verhältnis
der Interdependenz“ 6 , bei der sich verfassungs‐ und verwaltungsrechtliche Fragen
meist nur in ihrer Zusammenschau i. S. einer Einheit des Öffentlichen Rechts
problemangemessen behandeln lassen.
Staatsrechtslehre als Wissenschaft des Öffentlichen Rechts ist nach ihrem
Selbstverständnis in erster Linie eine rechtsdogmatische Wissenschaft 7 . Verfassungs‐
wie Verwaltungsrechtsdogmatik arbeiten allerdings nicht mit ideologieverdächtigen
„Dogmen“ als weltanschaulich gesetzten oder geprägten
Prämissen. Rechtsdogmatik meint vielmehr eine „auf Anwendungsbezug ausgerichtete
methodisch konsentierte Aufbereitung der geltenden generell‐abstrakten
Normen für Einzelfallentscheidungen“ 8 . Dies ermöglicht eine Systematisierung
auf einer „mittleren Abstraktionsebene“ zwischen den einzelnen
Normen in den Rechtstexten und dem Einzelfall 9 , mitunter auch zwischen
übergreifenden Prinzipien allgemeiner Art und dem Gesetz 10 . Rechtsdogmatik
4
Zu den Voraussetzungen dieses pragmatischen Vorgehens M. Jestaedt, „Öffentliches
Recht“ als wissenschaftliche Disziplin, in: C. Engel/W. Schön (Hrsg.), Das Proprium der
Rechtswissenschaft, 2008, S. 241 (243 ff.).
5
Vgl. Jestaedt, Staatsrechtslehre (Fn. 3), S. 4; W. Pauly, Wissenschaft vom Verwaltungsrecht:
Deutschland, in: A. v. Bogdandy/S. Cassese/P. M. Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum
Europaeum, Band IV: Verwaltungsrecht in Europa: Wissenschaft, 2011, § 60 Rn. 30;
G. F. Schuppert, Die Verwaltungsrechtswissenschaft im Kontext der Wissenschaftsdisziplinen,
in: ebd., § 70 Rn. 5 ff.
6
So J. Ipsen, Der Einfluß des Verfassungsrechts auf das Verwaltungsrecht, in: C. Starck
(Hrsg.), Die Rolle der Verfassungsrechtswissenschaft im demokratischen Verfassungsstaat, 2004,
S. 177 (179); gleichsinnig F. Schoch, Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Verwaltungsrechtslehre
und Staatsrechtslehre, in: H. Schulze‐Fielitz (Hrsg.), Staatsrechtslehre als Wissenschaft,
2007, S. 177 (179 f.); R. Wahl, Herausforderungen und Antworten: Das Öffentliche Recht der
letzten fünf Jahrzehnte, 2006, S. 31 ff.
7
Z. B. M. Jestaedt, Wissenschaftliches Recht, in: G. Kirchhof/S. Magen/K. Schneider
(Hrsg.), Was weiß Dogmatik?, 2012, S. 117 ff.; A. von Arnauld, Die Wissenschaft vom Öffentlichen
Recht nach einer Öffnung für sozialwissenschaftliche Theorie, in: A. Funke/J. Lüdemann
(Hrsg.), Öffentliches Recht und Wissenschaftstheorie, 2009, S. 65 (69 f., 100); zur Systematik als
besonderer Qualität rechtsdogmatischen Denkens E. Schmidt-Aûmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht
als Ordnungsidee, 2. Auflage 2004, S. 3 ff.
8
Vgl. zuletzt C. Waldhoff, Kritik und Lob der Dogmatik, in: Kirchhof u. a., Dogmatik
(Fn. 7), S. 17 (26), zu den Verständnisvarianten der Literatur ebd. S. 22 ff.; M. Eifert, Zum
Verhältnis von Dogmatik und pluralisierter Rechtswissenschaft, in: Kirchhof u. a., Dogmatik
(Fn. 7), S. 79 (80); G. Kirchhof/S. Magen, Dogmatik: Richterliche Notwendigkeit und Grundlage
fächerübergreifenden Dialogs – eine systematisierende Übersicht, in: Kirchhof u. a., Dogmatik
(Fn. 7), S. 151 (153 ff.).
9
W. Hassemer, Dogmatik zwischen Wissenschaft und richterlicher Pragmatik, in: Kirchhof
u. a., Dogmatik (Fn. 7), S. 3 (7, 14); Eifert, Verhältnis (Fn. 8), S. 81; s. auch W. Kahl, Über einige
Pfade und Tendenzen in Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtswissenschaft – Ein Zwischenbericht,
Die Verwaltung 42 (2009), S. 463 (465).
10
Vgl. z. B. Kirchhof/Magen, Dogmatik (Fn. 8), S. 164 f., 168, 172; krit. O. Lepsius, Kritik
der Dogmatik, in: Kirchhof u. a., Dogmatik (Fn. 7), S. 39 (59); Jestaedt, Recht (Fn. 7), S. 134 f.