PDF (1.65 MB) - Mohr Siebeck Verlag
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8<br />
Staatsrechtslehre als Mikrokosmos<br />
einzigen wissenschaftlichen Gesellschaft organisiert sind. Sie schotten sich nicht<br />
in verschiedenen z. B. völker‐, europa‐, verfassungs‐ oder verwaltungsrechtlichen<br />
Fachvereinigungen voneinander ab – so sehr es solche spezialisierten<br />
Fachgesellschaften in Orientierung an bestimmten Sachgebieten oder Problemfeldern<br />
ergänzend auch gibt. Zugleich verdeutlichen die Mitgliedschaftsvoraussetzungen,<br />
dass anders als in anderen Wissenschaften unverändert die staatliche<br />
Universität die institutionelle Grundeinheit verfassungs‐ und verwaltungsrechtswissenschaftlicher<br />
Forschung ist 28 .<br />
Die Mitgliedschaft nahezu ausnahmslos aller im Öffentlichen Recht Habilitierten<br />
in der Staatsrechtslehrervereinigung lässt ihre Arbeit als „repräsentativ<br />
für die deutsche Staatsrechtswissenschaft“ erscheinen 29 ; deren kognitive<br />
Argumentationszusammenhänge und Orientierungsmuster organisieren und<br />
konstituieren sie als Fachgemeinschaft 30 . Die Vereinigung ist praktisch konkurrenzlos,<br />
für Themensetzungen maßgeblich und auch europaweit einzigartig 31 .<br />
Ihre Jahrestagungen sind das zentrale Forum für den formellen und informellen<br />
wissenschaftlichen Austausch nicht nur auf dem Gebiet des Staats‐ und Verfassungsrechts,<br />
sondern auch auf den Gebieten des Verwaltungsrechts 32 und<br />
zunehmend auch im Bereich der jeweiligen Zusammenhänge mit dem internationalen<br />
Recht. Vielleicht ist ein Zusammenschluss der Staatsrechtslehrer im<br />
Medium der Vereinigung als sozialer Einheit umso notwendiger, „je unsicherer<br />
die eigentliche wissenschaftliche Kohärenz und je größer die soziale Verantwortlichkeit<br />
der Körperschaft ist“ 33 . Eine solche unspezifische Verantwortlichkeit der<br />
Staatsrechtslehre schlägt sich in den zahlreichen und repräsentativen vielfältigen<br />
politik‐ und staatsbezogenen Aktivitäten von Staatsrechtslehrern auf Basis ihrer<br />
wissenschaftlichen Reputation nieder, als Gutachter und Kommentatoren, als<br />
Mitglieder oder Berater verfassunggebender Versammlungen, als Prozessvertreter<br />
für staatliche Institutionen, politische Parteien oder zivilgesellschaftliche<br />
Kläger, als Mitglieder vieler weiterer Gremien, als öffentliche Personen, Publizisten<br />
oder akademische Lehrer, aber auch als Abgeordnete in Parlamenten<br />
oder als Inhaber höchster politischer Ämter in Regierung und Verwaltung 34 ,<br />
28<br />
v. Bogdandy, Wissenschaft (Fn. 11), Rn. 59.<br />
29<br />
So H. P. Ipsen, 50 Jahre deutsche Staatsrechtswissenschaft im Spiegel der Verhandlungen<br />
der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer. II. Die Verhandlungen von 1949 (Heidelberg)<br />
bis 1971 (Regensburg), AöR 97 (1972), S. 375 (376); s. auch Jestaedt, Staatsrechtslehre<br />
(Fn. 3), S. 4.<br />
30<br />
Vgl. Weingart, Wissensproduktion (Fn. 2), S. 40, 51 ff.<br />
31<br />
v. Bogdandy, Wissenschaft (Fn. 11), Rn. 64 f.<br />
32<br />
Pauly, Wissenschaft (Fn. 5), Rn. 35; Wahl, Herausforderungen (Fn. 6), S. 35 f.<br />
33<br />
Vgl. die Beobachtung von P. Bourdieu, Homo academicus, 1992, S. 125 f.<br />
34<br />
Neuere Übersicht bei A. Voûkuhle, Die politischen Dimensionen der Staatsrechtslehre,<br />
in: Schulze‐Fielitz, Staatsrechtslehre (Fn. 6), S. 135 (143 ff.); für die Weimarer Republik Stolleis,<br />
Vereinigung (Fn. 24), S. 340. – Auch zwei Bundespräsidenten (Karl Carstens und Roman Herzog)<br />
waren Staatsrechtslehrer.