PDF (1.65 MB) - Mohr Siebeck Verlag
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10<br />
Staatsrechtslehre als Mikrokosmos<br />
3. Funktionen der Staatsrechtslehrertagung als Medium<br />
Empirisch ist gesichert, dass die Vereinigung – anders als viele andere Fachgesellschaften<br />
– sich im Jahresrhythmus trifft und dennoch die Teilnehmerquote<br />
regelmäßig 40–50 %, bei besonders attraktiven Tagungsorten bis 60 % der an<br />
Universitäten hauptberuflich tätigen Mitglieder umfasst. Dem oft (eher mit<br />
Skepsis) konstatierten Wachstum der Mitgliederzahlen der Vereinigung 42 von<br />
81 (1924) bzw. 82 (1949) auf 714 (2012) korrespondiert keineswegs ein genau<br />
paralleles Wachstum der Tagungsgröße, weil einerseits die Zahl von Planstelleninhabern<br />
an den Universitäten tendenziell nicht mehr wächst, andererseits die<br />
Besuchshäufigkeit von Emeriti und nicht (mehr) an der Universität Berufstätigen<br />
deutlich abnimmt, ebenso wie (schon immer) von jenen, die Gründe haben,<br />
sich dem wissenschaftlichen Reputationswettbewerb auf den Jahrestagungen<br />
der Vereinigung mehr oder weniger dauerhaft zu entziehen 43 .<br />
Diese relativ hohe Besuchsfrequenz macht Jahrestagungen zum zentralen<br />
Treffen der Vereinsmitglieder, mit dem sich wegen der Begrenzung der Teilnehmer<br />
nur auf Mitglieder der Vereinigung mitunter Spekulationen verknüpfen.<br />
So hat die Exklusivität, dass die Tagungen in bewusster Abgrenzung nach außen<br />
44 nur vereinigungsöffentlich in einer „geschlossenen Gruppe“ habilitierter<br />
Wissenschaftler stattfinden, die – mitunter nicht aversionsfreie – Kritik der nicht<br />
zur Teilnahme Berechtigten provoziert 45 . Allein schon die Zahl der Tagungsteilnehmer<br />
(heutzutage zwischen 250 und 350 Mitglieder ohne die Begleitpersonen,<br />
Gäste und <strong>Verlag</strong>svertreter) verbietet insoweit „Verschwörungstheorien“ 46 .<br />
Die organisatorische Struktur der Staatsrechtslehrertagung dient der Entfaltung<br />
wissenschaftlicher Kontroversen und der Suche nach und Ermittlung von<br />
(Teil‐)Konsensen. Die von Anfang an gepflegte Praxis, ein und das selbe staatsoder<br />
verwaltungsrechtliche Thema stets von mindestens zwei Personen und<br />
Sichtweisen behandeln zu lassen, impliziert den Versuch einer Kontrastbildung,<br />
die schon in der anschließenden Aussprache, aber auch später zu kontroversen<br />
Erörterungen anregen soll: Ohne diese auf dialogischen Widerspruch angelegte<br />
besondere, als durchgängiges Strukturmerkmal von der Praxis anderer Fachgesellschaften<br />
deutlich unterschiedene Tagungsform hätte es schon den Weimarer<br />
42<br />
Pauly, Wissenschaft (Fn. 5), Rn. 35, in Bezug auf M. Kloepfer, Vom Zustand des Verfassungsrechts,<br />
JZ 2003, S. 480 (483 f.).<br />
43<br />
Es scheinen eher weniger häufig Gründe von besonders hoher individueller wissenschaftlicher<br />
oder sozialer Kompetenz zu sein.<br />
44<br />
Zu deren Aktivierung nach 1951 vgl. Stolleis, Vereinigung (Fn. 24), S. 354.<br />
45<br />
Z. B. K. Redeker, NJW 1976, S. 2200, der u. a. bereits die Abkürzung VVDStRL für die<br />
Veröffentlichungsreihe als „eigentümlich monströs“ moniert.<br />
46<br />
S. auch H. P. Ipsen, Weitere zehn Staatsrechtslehrer‐Tagungen 1972–1981, AöR 109 (1984),<br />
S. 555 (556).