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6<br />

Staatsrechtslehre als Mikrokosmos<br />

erarbeitet auf dieser Basis nach Maßgabe einer auch europaweit weithin einheitlichen<br />

spezifischen juristischen Methodik 11 Vorschläge für die Rechtsanwendung<br />

im Einzelfall oder für die Rechtsgestaltung durch den Gesetzgeber – ohne eine<br />

eigene Entscheidungskompetenz; sie sucht so – wenn auch (schon wegen ihrer<br />

Abhängigkeit von gesetzgeberischen Änderungen) dynamisch auf Wandel hin<br />

angelegt – Konsistenz und Berechenbarkeit in der Rechtsordnung herzustellen,<br />

die korrekte Umsetzung der Ergebnisse demokratischer Willensbildung in und<br />

durch Gesetz zu gewährleisten und den Rechtsanwender davon zu entlasten, in<br />

jedem Einzelfall Grundannahmen immer wieder neu thematisieren zu müssen 12 .<br />

Solche rechtsdogmatische Entscheidungsanleitung ist nicht unpolitisch i. S. einer<br />

Wertungsfreiheit, sondern impliziert wie Richterrecht durchaus rechtspolitische<br />

Gehalte 13 . Staatsrechtslehre kann sich insoweit einer gewissen ideologischen oder<br />

weltanschaulichen Funktion bei der Sozialisation eines gemeinsamen Wertungshorizonts<br />

im Rahmen der Juristenausbildung 14 nicht verschließen.<br />

Der Stand der Rechtsdogmatik informiert immer auch über den jeweiligen<br />

Stand der Diskussion mit ihren (herrschenden und abweichenden) Meinungen,<br />

wie sie nicht durch gesicherte juristische Methodik „abgeleitet“, sondern nur<br />

durch Diskurs und Konsens der Staatsrechtslehre als juristischer Interpretationsgemeinschaft<br />

hergestellt werden können 15 , die ihrerseits zentraler Teil einer umfassenderen<br />

„offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“ ist 16 . Die deutsche<br />

Rechtsdogmatik verknüpft so Wissenschaft und Rechtsanwendungspraxis 17 –<br />

und das alles mit dem zentralen Ziel, das vorhandene Recht rational, rechtssicher<br />

und konsistent, d. h. widerspruchsfrei anzuwenden 18 , trotz der Grenzen, die sich<br />

aus der Heterogenität der Rechtsordnung und ihrer Quellen ergeben 19 . Dem<br />

11<br />

Vgl. A. v. Bogdandy, Wissenschaft vom Verfassungsrecht: Vergleich, in: ders./P. C. Cruz<br />

Villalón/P. M. Huber (Hrsg.), Handbuch Jus Publicum Europaeum, Band II: Offene Staatlichkeit.<br />

Wissenschaft vom Verfassungsrecht, 2008, § 39 Rn. 19 ff., 26 ff.<br />

12<br />

Vgl. Waldhoff, Kritik (Fn. 8), S. 18 f., 27 f.; Hassemer, Dogmatik (Fn. 9), S. 7, 14; systemtheoretisch<br />

reformuliert U. Di Fabio, Systemtheorie und Rechtsdogmatik, in: Kirchhof u. a.,<br />

Dogmatik (Fn. 7), S. 63 (65 ff.).<br />

13<br />

Vgl. R. Wahl, Rechtsdogmatik und Rechtspolitik im Öffentlichen Recht, in: R. Stürner<br />

(Hrsg.), Die Bedeutung der Rechtsdogmatik für die Rechtsentwicklung, 2010, S. 121 (128 ff.).<br />

14<br />

v. Bogdandy, Wissenschaft (Fn. 11), Rn. 6, 45 f., 77.<br />

15<br />

S. etwa W. Heun, Begriff, Eigenart, Methoden der Verfassungsrechtsdogmatik, in: Starck,<br />

Rolle (Fn. 6), S. 35 (43); näher zu den sprachtheoretischen Gründen zsfssd. ders., Original Intent<br />

und Wille des historischen Verfassungsgebers, AöR 116 (1991), S. 185 (202 ff.) m. w. N.<br />

16<br />

Begriffssetzend: P. Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten (1975), in:<br />

ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 155 ff.<br />

17<br />

C. Möllers, Methoden, in: W. Hoffmann‐Riem/E. Schmidt‐Aßmann/A. Voßkuhle (Hrsg.),<br />

Grundlagen des Verwaltungsrechts (GVwR), Band 1, 2. Aufl. 2012, § 3 Rn. 35; für das Verwaltungsrecht<br />

Pauly, Wissenschaft (Fn. 5), Rn. 22 ff.<br />

18<br />

Di Fabio, Systemtheorie (Fn. 12), S. 68 ff., 71 f., 75; Eifert, Verhältnis (Fn. 8), S. 85 ff., 96;<br />

krit. zu solchen Vorstellungen einer Einheit der Rechtsordnung Lepsius, Kritik (Fn. 10), S. 54 ff.;<br />

krit. zum systematischen Anspruch Möllers, Methoden (Fn. 17), Rn. 36.<br />

19<br />

Vgl. Kirchhof/Magen, Dogmatik (Fn. 8), S. 156 ff.

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