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Rolf Castell<br />

die »Ausmerze« der Unheilbaren in seiner Schrift: »Die Erlösung der Menschheit<br />

vom Elend«. Er forderte eine Selektionskommission mit polizeilicher Macht. Die<br />

Heil- bzw. Sonderpädagogik vertrat eine gegensätzliche Haltung. J. Trüper in Jena<br />

arbeitete religiös gebunden und verstand es, zur Klärung von psychischen<br />

Problemen bei Kindern und Jugendlichen Kontakt zu Vertretern der Theologie,<br />

Psychiatrie und Psychologie herzustellen. Nach dem internationalen Kongress für<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrie 1937 in Paris kam es 1940 zu der Gründung der<br />

deutschen Gesellschaft für Kinderpsychiatrie und Heilpädagogik in Wien unter<br />

dem Vorsitzenden Paul Schröder. Die Gründung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu<br />

dem sein Schüler Hans Heinze (sen.) in Brandenburg-Görden kinderpsychiatrische<br />

Patienten zu töten bereits begonnen hatte und in Moringen ein polizeiliches<br />

Jugendschutzlager eingerichtet worden war. Zwangssterilisation und Euthanasie<br />

waren die schlimmsten Folgen von Selektion. Der Gedanke der Selektion<br />

zwischen heilbar und unheilbar fand auch in dem bekannten Buch von Schröder<br />

und Heinze: »Kindliche Charaktere und ihre Abartigkeit« seinen Platz 8 . Der<br />

Gedanke der sozialen Selektion war von 1919 bis 1951 in der Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie immer wieder zu finden. Es wurde insbesondere zwischen<br />

erziehbaren und unerziehbaren Patienten unterschieden. Die Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie hatte seit 1920 einen Bereich besetzt, der vor 1900 Arbeitsfeld<br />

von Pädagogen und Theologen war, in dem man soziale Selektion wohl so nicht<br />

kannte.<br />

In den 50er Jahren war die Bildung des Fächerkanons in der Kinder- und<br />

Jugendpsychiatrie endgültig etabliert. Er wurde gefördert durch Fachzeitschriften<br />

und Lehrbücher. Einen begrenzten Einfluss auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

hatte seit 1952 die Psychoanalyse. Die Zeitschrift »Die Kinderfehler, Zeitschrift<br />

für pädagogische Pathologie und Therapie in Haus, Schule und sozialem Leben«,<br />

später »Zeitschrift für Kinderforschung«, wurde 1896 von J. Trüper, von Beruf<br />

Lehrer, in Jena gegründet. Er leitete seit 1892 auf der Jenaer Sophienhöhe ein<br />

Heim für entwicklungsgestörte Kinder 9 . Der Kontakt zur Psychiatrie war hier<br />

durch Otto Binswanger und Julius Koch, der zur Theologie durch Friedrich<br />

Zimmer gegeben. In der Zeitschrift vollzog sich nachvollziehbar die Akzentverschiebung<br />

von der Pädagogik zur Psychiatrie. 1923 bezeichnete M. Isserlin die<br />

Psychiatrie <strong>als</strong> Fundament der Zeitschrift. Ab 1936 bis 1944 waren W. Villinger<br />

u.a. die Herausgeber der jetzt somatisch ausgerichteten Zeitschrift. Die analytische<br />

Ausrichtung der Kinder- und Jugendpsychiatrie dauerte in der IACP vom<br />

2. Kongress in London 1948 bis zum 4. Kongress in Lissabon 1958. Dort kam es<br />

durch G. Heuyer zum deutlichen Protest gegen die 10 Jahre psychoanalytische<br />

Dominanz. 1962 in Scheveningen war die Psychoanalyse <strong>als</strong> Thema der IACP<br />

nahezu verschwunden.<br />

8 Schröder, P. (1931).<br />

9 Siehe S. 29f.<br />

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