Leseprobe als PDF - E-cademic
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Johannes Trüper<br />
(1870) aus der Jenaer Zeit fanden Entwicklungsaspekte und pädagogische<br />
Sichtweisen Eingang. Mit dem Lehrbuch »Allgemeine Psychopathologie« (1878)<br />
hat er den Begriff Psychopathologie in den allgemeinen psychiatrischen<br />
Sprachgebrauch eingeführt. In besonderer Weise hat das Buch durch Kraepelin<br />
eine Würdigung erfahren, indem er ganze Passagen für sein Werk »Compendium<br />
der Psychiatrie« (1883) übernahm. Die besondere Art der Zusammenarbeit<br />
zwischen Pädagogen und Medizinern in Jena soll hier anhand des Wirkens von<br />
verschiedenen Ärzten an dem bereits erwähnten Trüperschen Erziehungsheim<br />
dargestellt werden. Zunächst einige Anmerkungen zu dem Arzt, Psychologen und<br />
Philosophen Theodor Ziehen, der sich selbst publizistisch mit pädagogischen<br />
Fragen auseinandersetzte 7 .<br />
Theodor Ziehen wurde 1862 in Frankfurt a. M. geboren. Interessanterweise<br />
wurden seine Brüder Julius und Ludwig Ziehen <strong>als</strong> Pädagogen bekannt. Theodor<br />
Ziehen zeigte bereits <strong>als</strong> Schüler ein starkes philosophisches Interesse. Die<br />
Psychiatrie mit ihren engen Beziehungen zur Psychologie und damit zur<br />
Philosophie erschien ihm <strong>als</strong> das geeignetste Fach innerhalb der Medizin.<br />
Nachdem er 1885 promovierte, ging er <strong>als</strong> Assistent an die Privatirrenanstalt von<br />
Karl Ludwig Kahlbaum in Görlitz (Niederschlesien). Hier beschäftigte er sich<br />
insbesondere mit dem »Medizinischen Pädagogikum«, in dessen Rahmen<br />
jugendliche Patienten am Schulunterricht, an ergotherapeutischen Maßnahmen<br />
und am Turnen teilnehmen konnten. Entscheidend für Ziehens berufliche Zukunft<br />
war die Begegnung mit Otto Binswanger, der ihn 1886 <strong>als</strong> Oberarzt an der<br />
Psychiatrischen Universitätsklinik in Jena einstellte. In die 14 Jenaer Jahre, die er<br />
selbst <strong>als</strong> die fröhlichste und sorgloseste Zeit seines Lebens bezeichnete, fielen<br />
1887 die Habilitation und 1892 die Berufung zum außerordentlichen Professor für<br />
Psychiatrie. Nachdem er erfolglos versucht hatte, einen Lehrauftrag für<br />
Psychologie in Jena zu erhalten, nahm er 1900 eine Berufung auf den psychiatrischen<br />
Lehrstuhl in Utrecht (Niederlande) an. 1903 war er Ordinarius für<br />
Psychiatrie und Neurologie in Halle und ab 1904 in Berlin. 1912 ließ er sich von<br />
seinen Lehrverpflichtungen befreien, um sich <strong>als</strong> Privatgelehrter seinen<br />
philosophischen und psychologischen Studien in Wiesbaden zu widmen. 1917<br />
wurde er zum Ordinarius für Philosophie in Halle bestellt. Eine erneute Berufung<br />
nach 1945 an die Pädagogische Fakultät in Halle verhinderte sein sich<br />
verschlechternder Gesundheitszustand. Theodor Ziehen verstarb 1950 in<br />
Wiesbaden. Als sein wichtigstes Werk auf psychiatrischem Gebiet kann das<br />
Lehrbuch »Psychiatrie« (1894) betrachtet werden. Ziehen versuchte hier, die von<br />
ihm vertretene Assoziationspsychologie auf die Psychiatrie zu übertragen. Die<br />
Neugruppierung der Psychosen und der Terminus »Affektive Psychose« gehen auf<br />
ihn zurück. Eine Neuerung in seinem Klassifikationssystem war die Einführung<br />
des Begriffs der psychopathischen Konstitution, den er von seinem akademischen<br />
Lehrer Otto Binswanger übernahm und durch den er die Kategorie der<br />
7 Vgl. Gerhard, U.-J. (2002a, b, 2004).<br />
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