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Leseprobe als PDF - E-cademic

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Rolf Castell<br />

Einleitung<br />

»Dies eine fühl ich und erkenn es klar,<br />

Das Leben ist der Güter höchstes nicht,<br />

Der Übel größtes aber ist die Schuld.«<br />

Friedrich Schiller (1803).<br />

Die Entwicklung der Kinder- und Jugendpsychiatrie aus dem Fach Psychiatrie<br />

war ein übernationaler Prozess. Die auf Kinder- und Jugendliche bezogene<br />

Spezialisierung brachte eine Verengung des Blickwinkels, aber gleichzeitig eine<br />

Öffnung zu Nachbardisziplinen wie Pädiatrie, Pädagogik, Psychologie, Jurisprudenz<br />

und der Sozialverwaltung. Obwohl der Entwicklungsjahre wenige sind,<br />

fühlen wir uns an die Worte Thomas Manns erinnert: »Tief ist der Brunnen der<br />

Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?« 1<br />

Staatliche Obrigkeit hatte im 19. Jahrhundert Gesetze zur allgemeinen<br />

Schulpflicht und gegen Kinderarbeit erlassen. 1900 und 1901 war in das<br />

Bürgerliche Gesetzbuch Art. 136 die Berufsvormundschaft für uneheliche Kinder,<br />

für arme Pflegekinder und für gefährdete Kinder (auch die Zwangserziehung)<br />

eingeführt worden. Nun folgte 1922 das Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt 2 . Vor<br />

1922 gab es Gesetze über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger auf Länderebene<br />

3 . Es ging um das Recht des Kindes »auf Erziehung zur leiblichen,<br />

seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit«. Das Reichsgesetz, niedergelegt auf<br />

16 eng bedruckten Seiten mit 78 Paragraphen, schloss die Hilfe, aber auch den<br />

Zugriff des Staats auf die Jugend durch Jugendämter in Fragen der Unterbringung,<br />

Vormundschaft und Fürsorgeerziehung ein. Für diesen Zugriff waren immer<br />

wieder Gutachten von dritten Seiten notwendig. Das Reichsgesetz von 1922 sah<br />

dafür in § 65 die ärztliche Untersuchung von jugendlichen Psychopathen in Heilund<br />

Pflegeanstalten bis zu 6 Wochen Dauer vor. Die Abteilung für Kinder und<br />

Jugendliche der Psychiatrischen Klinik in Frankfurt/M. war die erste in<br />

Deutschland, an der man sich seit 1900 und seit 1914 <strong>als</strong> Universitätsabteilung mit<br />

dieser Aufgabe beschäftigte. Es folgten Tübingen 1919, Heidelberg, Berlin und<br />

Leipzig 1926.<br />

Schiller, Friedrich (1803) der Dichter der Tugend und der Freiheit; hier die Schlussverse<br />

aus »Die Braut von Messina«.<br />

1 Mann, Th. (1933).<br />

2 Reichsgesetzblatt (1922, S. 102).<br />

3 z.B. in Preußen vom 13.3.1878 und 2.7.1900.<br />

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