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Leseprobe als PDF - E-cademic

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Uwe-Jens Gerhard und Anke Schönberg<br />

psychopathischen Minderwertigkeit von Julius Ludwig August Koch ersetzte. Von<br />

Ziehens 445 Publikationen befassen sich 52 mit kinderpsychiatrischen Themen im<br />

engeren und weiteren Sinn (Abb. 2, S. 42). Mit seinem Lehrbuch »Die<br />

Geisteskrankheiten des Kindesalters«, welches in drei Teilen von 1902 bis 1906<br />

verlegt wurde, gehört er zu den Begründern der Kinder- und Jugendpsychiatrie.<br />

Diese Schrift sollte sowohl der Ausbildung von Ärzten <strong>als</strong> auch der Beratung von<br />

Pädagogen dienen. Ziehens wissenschaftliches Werk ist sehr umfangreich und<br />

umfasst ebenso die Psychologie und die Philosophie. Außerdem beschäftigte er<br />

sich sehr intensiv mit pädagogischen Fragestellungen (Abb. 3, S. 42). Erste<br />

entwicklungspsychologische Untersuchungen unternahm Ziehen in Zusammenarbeit<br />

mit dem Pädagogen Wilhelm Rein, der ihm eine große Zahl von<br />

Schulkindern aus seiner Seminarschule an der Jenaer Universität vermittelte. Er<br />

verfolgte Untersuchungen zur Ideenassoziation hinsichtlich des Vorstellungsschatzes<br />

und Vorstellungsablaufs, die er 1898 in seinem Werk »Die Ideenassoziation<br />

des Kindes« veröffentlichte. In dem von Rein herausgegebenen<br />

»Enzyklopädischen Handbuch der Pädagogik« verfasste Ziehen zudem eine Reihe<br />

von Artikeln. Der Spät-Herbartianer Wilhelm Rein studierte in Jena Theologie<br />

sowie Pädagogik bei dem Reformpädagogen Karl Volkmar Stoy. Nachdem er am<br />

Pädagogischen Universitätsseminar in Leipzig tätig war, führte ihn sein<br />

beruflicher Weg 1871 <strong>als</strong> Re<strong>als</strong>chullehrer nach Barmen, dann 1872 <strong>als</strong><br />

Seminaroberlehrer nach Weimar und schließlich 1876 <strong>als</strong> Seminarleiter nach<br />

Eisenach. Nach einer Honorarprofessur 1886 in Jena wurde er dort 1912 zum<br />

ordentlichen Professor ernannt und war bis 1917 der einzige Lehrstuhlinhaber für<br />

Pädagogik in Deutschland. In Jena baute Rein das von Stoy begründete<br />

Pädagogische Seminar und die angegliederte Übungsschule zu einem Zentrum<br />

von Weltruf aus. Die entstehende Volksschulbewegung verdankt Rein wesentliche<br />

Impulse. Er trat 1905/06 gegen die Rekonfessionalisierung der Volksschule und<br />

für die Simultanschule ein.<br />

Nun zurück zu Theodor Ziehen. Ziehen war Mitbegründer des Vereins für<br />

Kinderforschung und leistete mit einer Vielzahl von Arbeiten einen großen<br />

Beitrag zur wissenschaftlichen Fundierung der Heilpädagogik. Seit 1897 war er<br />

wie bereits erwähnt zunächst mit Herman Schiller und später mit Theobald Ziegler<br />

Herausgeber der »Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der<br />

Pädagogischen Psychologie und Physiologie«. Zudem propagierte er die Beratung<br />

der Eltern von ethisch verwahrlosten, nicht eigentlich kranken Kindern und<br />

Jugendlichen und dürfte damit der heutigen Erziehungsberatung Pate gestanden<br />

haben. In Jena beteiligte sich Ziehen mit großem Anklang an Lehrerfortbildungsund<br />

Volkshochschulkursen. Das Erziehungsheim für psychopathische Knaben in<br />

Templin und der Berliner »Erziehungs- und Vorsorgeverein für geistig<br />

zurückgebliebene (schwachsinnige) Kinder« verdankten ihm ihre Entstehung. In<br />

einer Abhandlung über Theodor Ziehens pädagogische Bedeutung von 1912<br />

wurde betont, dass er in seiner Person gewissermaßen den Idealtypus des<br />

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