emilia Galotti - Schauspiel Stuttgart
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↘ ( Roland Barthes, Fragmente einer Sprache einer Liebe )<br />
Die Liebe auf den ersten Blick ist<br />
Hypnose: ich bin von einem Bild<br />
fasziniert: zunächst erregt,<br />
elektrisiert, mutiert, aufgewühlt,<br />
‚betäubt‘, wie es Menon von<br />
Sokrates war, dem Urbild aller<br />
Liebesobjekte, aller hinreißenden<br />
Bilder, oder gar von einer Erscheinung<br />
gebannt, ohne die Spur der<br />
Verliebtheit überhaupt vom Weg<br />
nach Damaskus zu unterscheiden;<br />
später dann wie angeleimt, flachgedrückt,<br />
stillgestellt, mit der<br />
Nase am Bild (am Spiegel) haftend.<br />
[...]<br />
Der hypnotischen Episode, sagt<br />
man, geht gewöhnlich ein Dämmerzustand<br />
voraus: das Subjekt ist<br />
gewissermaßen leer, disponibel<br />
und, ohne es zu wissen, gesellschaftlicher<br />
Umgang, keine Abwechslung<br />
in den Mußestunden,<br />
Homer als einzige Lektüre und<br />
eine Art etwas leerer, prosaischer<br />
Alltagstrost [...].<br />
Diese ‚wunderbare Heiterkeit‘ ist<br />
lediglich Erwartung – Begierde:<br />
ich verliebe mich nicht, wenn es<br />
mich nicht vorher danach verlangt<br />
hätte; die Leere, die ich in mir<br />
ausfülle (und auf die ich […] auf<br />
unschuldige Weise stolz bin),<br />
ist nichts anderes als die mehr<br />
oder weniger lange Zeitspanne, in<br />
der ich meine Umgebung, ohne es<br />
mir anmerken zu lassen, mit den<br />
Augen nach jemanden absuche,<br />
den ich lieben kann. Sicherlich bedarf<br />
es eines Auslösers für die<br />
Liebe, wie beim tierischen ‚Raub‘;<br />
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