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Die Deportationen ungarischer Juden nach Theresienstadt

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Ungarn, Österreich und Deutschland 60 sowie die harten Lebens- und Arbeitsbedingungen der<br />

ungarischen „Provinzjuden“ in Ostösterreich, Südmähren und Bergen-Belsen dürfen nicht darüber<br />

hinwegtäuschen, dass die Verhandlungen dennoch tausenden <strong>Juden</strong> das Leben retteten. 61<br />

Am 16. Juni 1944, zwei Tage <strong>nach</strong>dem Eichmann Kasztner versprochen hatte, ungarische <strong>Juden</strong> in<br />

Österreich „aufs Eis“ zu legen, begann die Konzentration der <strong>Juden</strong> in der Zone 4, die<br />

Gendarmeriedistrikte Szeged und Debrecen, im Osten und Südosten des heutigen Ungarns. Zwischen<br />

dem 25. und dem 28. Juni wurden aus den Ghettos in Szolnok, Szeged, Baja und Debrecen etwa 41.000<br />

Menschen deportiert. 62 Ein Teil dieser Transporte fuhr nicht <strong>nach</strong> Auschwitz, sondern <strong>nach</strong> Strasshof an<br />

der Nordbahn. Am 30. Juni avisierte Ernst Kaltenbrunner in Wien die Ankunft von 12.000 jüdischen<br />

ArbeitssklavInnen aus Ungarn. 63 Tatsächlich kamen etwa 15.000 Personen in Strasshof an.<br />

<strong>Die</strong> Ärztin Dr. Charlotte Wieser, die aus Szeged <strong>nach</strong> Strasshof deportiert wurde, beschrieb die Leiden<br />

während des Transports:<br />

„<strong>Die</strong> Fahrt, die vier bis fünf Tage dauerte, machte ich in einem Krankenwaggon als Ärztin mit. Trotzdem in<br />

diesem sterbenskranke Leute und Säuglinge untergebracht waren, hatten wir keinen Tropfen Wasser<br />

während der ganzen Fahrt. Der Wagen wurde bei der Abfahrt fest verschlossen. In diesem Waggon<br />

waren Männer, Frauen und Kinder und konnten wir unsere Notdurft nur auf einem im Waggon<br />

befindlichen Kübel verrichten. Wir konnten uns weder selbst waschen, noch konnte ich die<br />

Injektionsspritzen, die ich sehr häufig brauchte, reinigen. Ich musste mit schmutzigen Händen und<br />

ungereinigten Spritzen die Injektionen machen. <strong>Die</strong> Kinder schrieen und die Kranken jammerten ganz<br />

entsetzlich. Während der Fahrt starben auch einige, die aber nicht aus dem Waggon genommen wurden,<br />

sondern bis Strasshof in diesem blieben.<br />

Als wir ausgeladen wurden, wurden die Toten und darunter auch solche, die noch nicht tot, aber schwer<br />

krank waren, am Bahnhof in den Kohlenstaub gelegt. Wir ersuchten, selbst diese Leute transportieren zu<br />

können, was uns zwar gestattet wurde, doch erhielten wir erst sehr spät abends einen Karren hiezu. Wir<br />

lagen dann vier Tage auf einer Wiese und die Kranken im Walde. Ein Kollege von mir machte sich<br />

erbötig, die Kranken, die in ein Spital kommen sollten, zu begleiten. Es wurde ihm dies erlaubt, doch<br />

60 Auf die Hilfs- und Rettungsaktionen der Vertreter der neutralen Staaten, vor allem Raoul Wallenbergs<br />

und Karl Lutz’ von der schwedischen bzw. Schweizer Gesandtschaft, kann in diesem Beitrag nicht näher<br />

eingegangen werden. Für einen Überblick über Rettungsversuche in Ungarn selbst siehe: Cohen,<br />

Resistance and Rescue.<br />

61 Bauer, Sale, S. 196–238.<br />

62 Ferenczy zählte 40.505, Veesenmayer 41.499 Deportierte. Siehe: Braham, Genocide, S. 607.<br />

63 Brief des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Ernst Kaltenbrunner, an den Bürgermeister von<br />

Wien, SS-Brigadeführer Blaschke vom 30. 6. 1944, Dok. 3803-PS, in: IMG, Band XXXIII, Nürnberg 1947,<br />

S. 168 f.

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