22.11.2013 Aufrufe

Die Deportationen ungarischer Juden nach Theresienstadt

Die Deportationen ungarischer Juden nach Theresienstadt

Die Deportationen ungarischer Juden nach Theresienstadt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

edrohten <strong>Juden</strong>. Miklós Krausz baute seine Kontakte zur Schweizer 34 und zu anderen neutralen<br />

Legationen in Budapest aus.<br />

Rezsö Kasztner und Joel Brand 35 unternahmen den verzweifelten und umstrittenen Versuch, der SS das<br />

Leben der ungarischen Jüdinnen und <strong>Juden</strong> abzukaufen. Sie glaubten zu erkennen, dass die schlechte<br />

militärische Lage des Deutschen Reichs zumindest bei Teilen der SS zu einem Umdenken in der<br />

<strong>Juden</strong>frage geführt hätte. 36 <strong>Die</strong> Verhandlungen mit der SS erfolgten nicht auf politischer oder gar<br />

humanitärer, sondern auf „wirtschaftlicher Grundlage“. SS-Hauptsturmführer <strong>Die</strong>ter Wisliceny, ein<br />

hochrangiger Mitarbeiter Eichmanns, ließ erkennen, dass die SS bereit wäre, jüdisches Leben – teuer –<br />

zu verkaufen. 37 Am 5. April 1944 kam es zu einem ersten Treffen zwischen Wisliceny, Rezsö Kasztner<br />

und Joel Brand. Wisliceny forderte zwei Millionen Dollar für die Rettung der ungarischen Jüdinnen und<br />

<strong>Juden</strong>. Zehn Prozent der Summe müssten als Beweis der Zahlungsfähigkeit im Voraus erlegt werden.<br />

Kasztner wandte sich an Samu Stern, den Vorsitzenden des ungarischen <strong>Juden</strong>rats um Hilfe bei der<br />

Aufbringung der geforderten Summe. Obwohl Wislicenys Zusagen denkbar vage waren, beschloss Stern,<br />

den „Eintrittspreis“ für die Verhandlungen zu bezahlen. Als Kasztner Hermann Krumey und Otto Hunsche<br />

vom SEK die erste Teilzahlung übergab, organisierte Wisliceny bereits die Ghettoisierung der <strong>Juden</strong> in<br />

Karpatho-Russland. Kasztner beschloss daher, auch um die Rettung einzelner Gruppen <strong>ungarischer</strong><br />

<strong>Juden</strong> zu verhandeln. Am 21. April erklärte sich Krumey tatsächlich bereit, eine bestimmte Anzahl von<br />

<strong>Juden</strong> entweder <strong>nach</strong> Amerika oder in ein neutrales Land ausreisen zu lassen, woraufhin Kasztner<br />

vorschlug, jenen 600 Personen, die im Besitz von Palästina-Zertifikaten waren, die Emigration zu<br />

ermöglichen. Am 2. Mai stimmte Krumey diesem Vorschlag zu, doch sollten noch fast zwei Monate zäher<br />

34 Da die Schweizer Legation auch die Interessen Großbritanniens in Ungarn vertrat, stand Miklós Krausz<br />

als Leiter des Palästina-Amts seit längerer Zeit in engem Kontakt mit ihr. <strong>Die</strong> Hilfsaktionen des Schweizer<br />

Legationsrats Karl Lutz <strong>nach</strong> der deutschen Okkupation waren die umfangreichsten in Budapest. Bauer,<br />

Sale, S. 158–162 und S. 231–237.<br />

35 Rezsö Kasztner war Rechtsanwalt und Journalist und stammte aus dem siebenbürgischen<br />

Klausenburg (heute: Cluj in Rumänien). Nach dem Anschluss Nordsiebenbürgens an Ungarn übersiedelte<br />

er 1940 <strong>nach</strong> Budapest, wo er bald eine bedeutende Rolle innerhalb der Zionistischen Organisation<br />

spielte. Sein Freund Joel Brand stammte ebenfalls aus Siebenbürgen und war in seiner Jugend<br />

Kommunist und Kominternagent gewesen, was ihm zu guten Auslandskontakten verholfen hatte. Später<br />

wandte er sich dem Zionismus zu. Nach der Machtergreifung Hitlers kehrte er 1933 aus Deutschland <strong>nach</strong><br />

Rumänien zurück und übersiedelte später <strong>nach</strong> Budapest, wo er mit seiner Frau Hansi erfolgreich eine<br />

Handschuhfabrik betrieb. Beide Brands waren überzeugte und aktive Zionisten, die sich für die Rettung<br />

von Flüchtlingen einsetzten.<br />

36 Kasztner, Bericht, S. II f.<br />

37 Zur erpresserischen Verwirrungstaktik Wislicenys, die bereits 1942 in der Slowakei begonnen hatte,<br />

siehe: Bauer, Sale, S. 62–101.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!