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Die Deportationen ungarischer Juden nach Theresienstadt

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Verhandlungen und beträchtliche Zahlungen notwendig sein, ehe dieser Transport – dann allerdings mit<br />

fast 1.700 Personen – Ungarn verließ, um <strong>nach</strong> einem längeren Aufenthalt im „Bevorzugtenlager“ Bergen-<br />

Belsen, wo zu diesem Zweck das „Ungarnlager“ eingerichtet wurde, in die Schweiz zu fahren. 38<br />

Am 25. April und am 5. Mai 1944 trat Adolf Eichmann mit einem erstaunlichen Angebot an Joel Brand<br />

heran: Er erklärte sich bereit, eine Million <strong>Juden</strong> – so hoch schätzte die deutsche Führung die Zahl der in<br />

Ungarn lebenden Jüdinnen und <strong>Juden</strong> ein – für die Lieferung von zehntausend Lastkraftwagen und<br />

anderen Waren aus dem Westen freizulassen. 39 Schon allein eine bindende Zusage der Westmächte<br />

sollte für die Freilassung von hunderttausend Jüdinnen und <strong>Juden</strong> in den Westen sowie die Sprengung<br />

der Gaskammern von Auschwitz genügen. 40<br />

Am 19. Mai kam Joel Brand in Begleitung des Doppelagenten Andor Grosz in Istanbul an, um die<br />

Westmächte und die jüdische Führung Palästinas über Eichmanns Angebot zu informieren und die Gefahr<br />

zu schildern, in der sich die <strong>Juden</strong> Ungarns befanden. <strong>Die</strong> <strong>Deportationen</strong> <strong>nach</strong> Auschwitz hatten am 15.<br />

Mai, also noch vor seiner Abreise, begonnen. Andor Grosz fiel die Hauptaufgabe des Unternehmens zu:<br />

Er war von Otto Klages, dem Kommandanten des SD-Nachrichtendienstes in Budapest, beauftragt<br />

worden, Verhandlungen über einen Separatfrieden zwischen dem SD (!) – also Himmler – und den<br />

westlichen Alliierten in die Wege zu leiten. <strong>Die</strong> Brand-Mission diente dazu, dieses heikle Unternehmen zu<br />

tarnen, und sollte darüber hinaus die Sympathien der, wie man glaubte, mächtigen jüdischen Lobby in<br />

den USA gewinnen. 41<br />

Beide Missionen scheiterten. <strong>Die</strong> Westmächte waren nicht bereit, auf „dieses für die nationalsozialistische<br />

Führung typische, ungelenke Friedensangebot“ einzugehen. 42 Denn der Separatfrieden sollte zum Bruch<br />

der westlichen Alliierten mit der Sowjetunion führen, ebenso wie die geforderten LKWs nur für den Einsatz<br />

an der Ostfront bestimmt waren. Dazu waren die westlichen Alliierten nicht bereit; ihr Ziel war vielmehr die<br />

38 Am 21. 8. 1944 überquerten 384 Mitglieder des Palästina-Transports die Schweizer Grenze. In der<br />

Nacht vom 6. zum 7. 12. folgten diesen die restlichen 1.368 Transportteilnehmer.<br />

39 Außer 10.000 LKW verlangten die Deutschen die Lieferung von 200 Tonnen Tee, 800 Tonnen Kaffee,<br />

zwei Millionen Kisten Seife sowie andere kriegswichtige Waren, insbesondere Wolfram, ohne nähere<br />

Mengenangabe. Siehe: Braham, Genocide, S. 941 ff.; Kasztner, Bericht, S. 33 ff.; Yehuda Bauer, „Onkel<br />

Saly“ – <strong>Die</strong> Verhandlungen des Saly Mayer zur Rettung der <strong>Juden</strong> 1944/45, in: Vierteljahrshefte für<br />

Zeitgeschichte (1977), S. 188–219, hier: S. 190 ff.<br />

40 Eichmann schloss eine Auswanderung <strong>nach</strong> Palästina aus, da dies den Abmachungen der Deutschen<br />

mit ihrem Verbündeten, dem Großmufti von Jerusalem Haj Amin el-Husseini, zuwidergelaufen wäre.<br />

41 Bauer, „Onkel Saly“, S. 190 f. Zum Einfluss Klages, der Himmler auf die internationalen Beziehungen<br />

der Rettungskomitees hingewiesen haben soll, siehe auch Kolb, Bergen-Belsen, S. 94 sowie Andreas<br />

Biss, Der Stopp der Endlösung. Kampf gegen Himmler und Eichmann in Budapest, Stuttgart 1966, S. 50 f.<br />

<strong>Die</strong> ausführlichste Analyse der Verhandlungen bietet Bauer, Sale, S. 102–238.<br />

42 Bauer, „Onkel Saly“, S. 190.

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