Regeln sind für Mädchen - Jungen brauchen ... - Peter-may.de
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Interessant ist nun die Frage, ob sich <strong>Mädchen</strong> und <strong>Jungen</strong> hinsichtlich <strong>de</strong>r Lernwirkungen<br />
unterschei<strong>de</strong>n. Dazu wur<strong>de</strong> die o.a. kreuzverzögerte Korrelationsanalyse <strong>für</strong> bei<strong>de</strong> Geschlechter<br />
getrennt durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen die Abbildungen 4 und 5.<br />
Bei <strong>de</strong>n <strong>Jungen</strong> ergibt sich ein starker Wirkungsstrang vom sinnentnehmen<strong>de</strong>n Lesen über das<br />
alfabetische Schreiben zur Leseflüssigkeit. Vom sinnerfassen<strong>de</strong>n Lesen aus lassen sich kausale<br />
Wirkungen zum Schreiben orthografischer Merkelemente (v.a. Längebezeichnungen) und zum<br />
morphematischen Schreiben belegen, das alfabetische Schreiben stützt auch das<br />
morphematische Schreiben. Signifikante Kausalwirkungen ergeben sich jedoch we<strong>de</strong>r vom<br />
sinnerfassen<strong>de</strong>n Lesen noch vom alfabetischen Schreiben auf das Schreiben orthografischer<br />
Regelelemente; zwar gibt es hier sicher einen Wirkungszusammenhang, aber dieser läßt sich<br />
durch die Korrelationsanalyse statistisch nicht nachweisen. Das orthografische Schreiben von<br />
Regelelementen, von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utliche Wirkungen auf das morphematische Schreiben und auf die<br />
Leseflüssigkeit ausgehen, "hängt" bei <strong>de</strong>n <strong>Jungen</strong> sozusagen "in <strong>de</strong>r Luft", <strong>de</strong>ssen Vorläufer<br />
bleiben in <strong>de</strong>r Kausalanalyse offen. Das sinnentnehmen<strong>de</strong> Lesen scheint bei <strong>de</strong>n <strong>Jungen</strong><br />
größere Wirkungen auf das Schreiben orthographischer Merkelemente zu haben.<br />
Bei <strong>de</strong>r Kausalanalyse <strong>für</strong> die <strong>Mädchen</strong> (siehe Abbildung 5) fällt zunächst die größere Zahl von<br />
Kausalverbindungen auf. Es gibt keine ein<strong>de</strong>utig dominieren<strong>de</strong> Verbindung wie bei <strong>de</strong>n<br />
<strong>Jungen</strong>, son<strong>de</strong>rn viele einzelne Wirkungsstränge stützen sich gegenseitig. Dabei ergibt sich<br />
keine signifikante Kausalverbindung zwischen sinnerfassen<strong>de</strong>m Lesen und alfabetischem<br />
Schreiben, son<strong>de</strong>rn bei<strong>de</strong> Leistungen <strong>sind</strong> bei <strong>de</strong>n <strong>Mädchen</strong> ab <strong>de</strong>m zweiten Schuljahr ähnlich<br />
grundlegend <strong>für</strong> die an<strong>de</strong>ren Fähigkeiten. 5 Deutlich ist ist die zentrale Stellung <strong>de</strong>r Fähigkeit zu<br />
erkennen, orthografische Regelelemente zu schreiben: An<strong>de</strong>rs als bei <strong>de</strong>n <strong>Jungen</strong> wird diese<br />
Fähigkeit <strong>de</strong>utlich sowohl vom sinnerfassen<strong>de</strong>n Lesen als auch vom alfabetischen Schreiben<br />
her gestützt, und es führen vom orthografischen Regelerkennen direkte Wege weiter zum<br />
morphematischen Schreiben und zur Leseflüssigkeit. Das Schreiben orthografischer<br />
Merkelemente scheint dagegen bei <strong>de</strong>n <strong>Mädchen</strong> eine geringere Be<strong>de</strong>utung als Zwischenstation<br />
auf <strong>de</strong>m Weg zum morphematischen Schreiben und Lesen zu haben.<br />
Ein Versuch, die bei<strong>de</strong>n Lernwegstrukturen von <strong>Jungen</strong> und <strong>Mädchen</strong> zusammenfassend zu<br />
vergleichen, führt zu <strong>de</strong>r Hypothese, daß <strong>für</strong> <strong>Jungen</strong> nach <strong>de</strong>m sinnerfassen<strong>de</strong>n Lesen vor<br />
allem das alfabetische Schreiben und die orthografischen Merkelemente eine zentrale Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>für</strong> <strong>de</strong>n schriftsprachlichen Lernprozeß zu haben scheinen, während sich <strong>Mädchen</strong> eher über<br />
<strong>de</strong>n Erwerb von orthografischem Regelwissen vorwärtsbewegen.<br />
Dieser Befund wird durch das o.a. Ergebnis gestützt, daß es zwischen <strong>de</strong>r Rechtschreibleistung<br />
von <strong>Jungen</strong> und <strong>de</strong>n unterrichtlichen Bedingungen erheblich geringere korrelative<br />
Zusammenhänge gibt als bei <strong>Mädchen</strong>: Da schulischer Unterricht meistens versucht, bei <strong>de</strong>n<br />
Kin<strong>de</strong>rn orthografische Sicherheit über die Vermittlung von <strong>Regeln</strong> zu beför<strong>de</strong>rn, profitieren<br />
<strong>Mädchen</strong> davon mehr als die <strong>Jungen</strong>, die ihre orthografischen Fähigkeiten unabhängiger vom<br />
Unterricht erwerben und <strong>de</strong>shalb vermutlich mehr durch wortspezifische Beson<strong>de</strong>rheiten zum<br />
Nach<strong>de</strong>nken über orthografische Regelstrukturen angeregt wer<strong>de</strong>n.<br />
Wenn diese Hypothese stimmt, so müßten sich zwischen <strong>Mädchen</strong> und <strong>Jungen</strong> auch<br />
erkennbare Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Teilleistungen beim<br />
Rechtschreiben zeigen.<br />
d) Relative Stärken und Schwächen von <strong>Jungen</strong> und <strong>Mädchen</strong><br />
Bereits aus <strong>de</strong>r Kausalanalyse geht hervor, daß <strong>Jungen</strong> und <strong>Mädchen</strong> unterschiedliche<br />
Strategien beim Erwerb <strong>de</strong>r Rechtschreibung zu bevorzugen scheinen. Um dieser Frage , ob <strong>für</strong><br />
<strong>Jungen</strong> und <strong>Mädchen</strong> verschie<strong>de</strong>ne Schreibstrategien ein unterschiedliches Gewicht beim<br />
5 Es gibt zwar auch bei <strong>de</strong>n <strong>Mädchen</strong> eine schwache kreuzvögerte Korrelationsdifferenz zwischen <strong>de</strong>m<br />
sinnerfassen<strong>de</strong>n Lesen und <strong>de</strong>m alphabetischen Schreiben. Aber diese ist statistisch nicht signifikant.<br />
Vermutlich beherrschen <strong>Mädchen</strong> schon beim ersten Vergleichszeitpunkt (Mitte Klasse 2) das alphabetische<br />
Schreiben relativ gut, so daß dieses nun nur noch als elementare Wirkungsgröße <strong>für</strong> komplexere<br />
Schreibstrategien erscheint.<br />
Rechtschreiblernen und Geschlecht (PM 92/12) 9