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Diätologischer Prozess - Verband der Diaetologen Österreichs

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<strong>Diätologischer</strong> <strong>Prozess</strong><br />

Falldarstellung einer Patientin mit Insulinpflichtigem Diabetes Mellitus Typ II<br />

Maria Magdalena Wulz<br />

Diätologin<br />

Christian-Doppler-Klinik<br />

Ignaz-Harrer-Strasse 79<br />

5020 Salzburg<br />

m.wulz@salk.at


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Personenbezogene Daten ...................................................................................... 3<br />

1.1 Eckdaten .......................................................................................................... 3<br />

1.2 Anthropometrische Daten .............................................................................. 3<br />

1.3 Labordaten ....................................................................................................... 3<br />

1.4 Diagnosen ........................................................................................................ 4<br />

1.5 Medikamente ................................................................................................... 4<br />

1.6 Problemidentifizierung ................................................................................... 4<br />

1.7 Krankengeschichte ......................................................................................... 5<br />

1.8 Ernährungsanamnese ..................................................................................... 6<br />

2 Diaetologische Befundung und Beurteilung ........................................................ 9<br />

3 Planung <strong>der</strong> Ernährungstherapie ........................................................................ 11<br />

3.1 Bedarfsberechnung und Kostform .............................................................. 11<br />

3.2 Behandlungsziel ............................................................................................ 12<br />

3.3 Patientenziel .................................................................................................. 12<br />

3.4 Ernährungsmedizinische Intervention ........................................................ 13<br />

4 Umsetzung des ernährungsmedizinischen Therapiekonzeptes ...................... 16<br />

5 Ernährungsmedizinische Beratung / Schulung ................................................. 18<br />

6 Abschließende Arbeiten ...................................................................................... 20<br />

6.1 Evaluierung .................................................................................................... 20<br />

6.2 Dokumentation .............................................................................................. 21<br />

6.3 Abschlussbericht .......................................................................................... 22<br />

6.4 Reflexion ........................................................................................................ 23<br />

7 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 24<br />

2


1 Personenbezogene Daten<br />

1.1 Eckdaten<br />

Initialen:<br />

R.E.<br />

Geschlecht:<br />

weiblich<br />

Alter: 51<br />

Beruf:<br />

Sekretärin<br />

familiäre Situation:<br />

verheiratet, 4 erwachsene Kin<strong>der</strong><br />

Staatsbürgerschaft:<br />

Österreich<br />

Beson<strong>der</strong>heiten:<br />

LKW-Führerschein<br />

1.2 Anthropometrische Daten<br />

Größe gemessen in cm:<br />

165 cm<br />

Gewicht gewogen in kg:<br />

100 kg<br />

BMI: 36,7<br />

1.3 Labordaten<br />

Klinische Chemie gemessener Referenzbereich<br />

Wert<br />

Glucose nüchtern 133 mg/dl 70-100 mg/dl<br />

HbA1C 8,4 % 4,8-6 %<br />

Cholesterin 253 mg/dl 150-220 mg/dl<br />

HDL-Cholesterin 82 mg/dl 48-70 mg/dl<br />

LDL-Cholesterin 139 mg/dl 50-150 mg/dl<br />

Triglyceride 130 mg/dl 1-200 mg/dl<br />

Tab.1: Labordaten vom Tag <strong>der</strong> Aufnahme<br />

3


1.4 Diagnosen<br />

Hereditäre hämorrhagische Telangiektasie (Osler-Weber-Rendu Syndrom), ED<br />

08/2008, heterozygote Mutation im Exon 9 des ACVRL-1 Gens<br />

Angiodysplasien des Magens und Duodenums mit Z.n. Argonplasmakoagulation<br />

10/2008<br />

In Ileocoloskopie keine Angiodysplasien 10/2008<br />

Rez. Epistaxis mit Eisenmangel<br />

Diabetes Mellitus Typ II seit 2004<br />

Fersensporn<br />

Z.n. TBC, therapiert vor 25 Jahren<br />

Sigmadivertikulose 10/2008<br />

Anpassungsstörung und Depression<br />

1.5 Medikamente<br />

Thyrex 100 mg 1/0/0/0<br />

Enalapril HCT 1/0/0/0<br />

Cipralex 10 mg 11/2/0/0/0<br />

Simvastatin 0/0/1/0<br />

Insulatard 6 I.E./0/0<br />

Novo Rapid 2 I.E. pro BE (bisher 3 I.E./BE)<br />

1.6 Problemidentifizierung<br />

Im Februar 2010 wird die Patientin mit Überweisung vom Hausarzt an <strong>der</strong><br />

Suizidprävention Station aufgenommen. Sie ist depressiv und hat zeitweilig<br />

Suizidgedanken, distanziert sich aber von Ausführungsabsichten. Zu vermerken ist,<br />

dass eine schwierige familiäre Situation vorliegt. Ihr Ehemann hat Alkoholprobleme.<br />

Sie zeigt sich mit depressiven Symptomen, hat schlaflose Nächte hinter sich und<br />

berichtet über diverse Schmerzen. Unter an<strong>der</strong>em klagt sie über massive<br />

Magenschmerzen. Sie berichtet von bis zu zehn mal Stuhlgang am Tag mit breiiger<br />

bis flüssiger Konsistenz.<br />

4


1.7 Krankengeschichte<br />

2004 wurde durch den Hausarzt Diabetes Mellitus Typ II diagnostiziert und mit<br />

oralen Antidiabetika begonnen. Aus <strong>der</strong> Familienanamnese geht hervor, dass sie<br />

sowohl mütterlicher als auch väterlicher seits eine genetische Prädisposition<br />

aufweist. Damals wurde sie nach Erstdiagnose mit 800 mg Diabetex eingestellt. Die<br />

Dosis wurde später auf 1000 mg erhöht und zusätzlich mit einem Sulfonylharstoff<br />

ergänzt. Zwei Jahre später wurde sie nach entgleistem Blutzucker im Krankenhaus<br />

nach ausgereizter Tablettentherapie auf Mischinsulin umgestellt. Sie hatte damals<br />

schon oft depressive Phasen, wodurch sie große Schwierigkeiten hatte eine<br />

regelmäßige Mahlzeitenverteilung einzuhalten. 2008 erfolgte während eines<br />

Kuraufenthaltes die Umstellung auf Basis- Bolustherapie. Sie erhielt während des<br />

Aufenthaltes eine Diabetesschulung und wurde mit Insulatard und Novo Rapid<br />

entlassen. Die Insulindosis in <strong>der</strong> Patientenkurve an <strong>der</strong> Suizidprävention Station ist<br />

lediglich mit dem Vermerk „weiß Patientin selbst“ dokumentiert. Die Patientin gibt<br />

beim diätologischen Erstgespräch an sich nicht mehr an die Entlassungsdosis nach<br />

<strong>der</strong> Kur 2008 zu erinnern. Auf die Frage wie viel Einheiten Insulin sie sich<br />

verabreicht gibt sie an, das Basisinsulin an die aktuellen Blutzuckerwerte „nach<br />

Gefühl“ anzupassen. Das kurzwirksame Insulin berechnet sie morgens, mittags und<br />

abends mit 3 internationalen Einheiten (I.E.) pro Broteinheit (BE) ohne<br />

Korrekturfaktor.<br />

Die Patientin führt ein Diabetestagebuch. Aus <strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong><br />

Blutzuckerwerte geht hervor, dass sie sich tatsächlich jeden Tag unterschiedliche<br />

Dosen basales Insulin appliziert. Demnach fallen auch die Blutzuckerwerte extrem<br />

unterschiedlich aus. Die Patientin ist auch nicht in <strong>der</strong> Lage das Protokoll plausibel<br />

zu erläutern. Die Blutzuckerselbstkontrolle führt sie drei bis vier Mal täglich vor den<br />

Mahlzeiten durch. Nach dem Essen misst sie nie. Das Insulin wird während des<br />

stationären Aufenthaltes sachgemäß im Kühlschrank gelagert. Die Inspektion <strong>der</strong><br />

Bauch- und Oberschenkelregion zeigt keinerlei Verletzungen o<strong>der</strong> Hinweise auf<br />

eine unkorrekte Spritztechnik.<br />

Während des stationären Aufenthaltes an <strong>der</strong> Suizidprävention Station wird sie am<br />

10. Februar 2010 dem Internisten vorgestellt. Er schlägt zu Beginn morgens 6 I.E.<br />

5


Insulatard und morgens, mittags und abends 2 I.E. pro BE Novo Rapid vor. Frau<br />

E.R. erhält einen Korrekturfaktor. Sie soll Blutzuckerwerte um 200 mg/dl mit 2 I.E.,<br />

Werte über 200 mg/dl mit 3 I.E. und Werte über 260 mg/dl mit 4 I.E. korrigieren. Die<br />

Patientin soll insgesamt 15 BE mit einer Verteilung von 5 BE in <strong>der</strong> Früh, mittags<br />

und abends erhalten. Weiters schlägt er auf Grund <strong>der</strong> Hypercholesterinämie und<br />

einem LDL- Cholesterin von 139 mg/dl den Beginn mit Simvastatin 20 mg ab 10.<br />

Februar vor. Beim Kontrolltermin eine Woche später ist <strong>der</strong> Internist mit dem<br />

Blutzuckerprotokoll zufrieden. Die Patientin soll diesen Schema zu Hause weiter<br />

führen. In 3 Monaten soll sie zur HbA1c- Kontrolle zum Hausarzt gehen.<br />

1.8 Ernährungsanamnese<br />

Die Patientin versucht regelmäßig drei Mahlzeiten zu essen. Durch die<br />

Depressionen schläft sie oft bis circa 11:00 Uhr vormittags, wodurch meist ihr<br />

Essrhythmus durcheinan<strong>der</strong> kommt. Als Frühstück nimmt die Patientin zwei bis drei<br />

Scheiben Vollkornbrot mit einem Esslöffel Marmelade pro Brotscheibe ohne Butter,<br />

eine Schüssel Müsli und eine Tasse Tee mit Süßstoff zu sich. Das Müsli bereitet sie<br />

mit 180 ml Fruchtjoghurt und 3,6% Fett und einem Esslöffel Fertigmüslimischung<br />

zu. Meist trinkt sie im Laufe des Vormittags 500 ml Tee mit zwei Süßstofftabletten.<br />

Manchmal isst sie eine Hühner- o<strong>der</strong> Rindsuppe mit Gemüse und etwa 100 g<br />

Nudeln zum Frühstück. Normalerweise stellt ein warmes Mittagessen die<br />

Hauptmahlzeit dar. Die Patientin isst sehr wenig Fleisch wobei sie Geflügel den<br />

Vorzug gibt. Sehr gerne isst sie Fisch mit Kartoffeln o<strong>der</strong> Reis und Gemüse.<br />

Gemüse mag sie nur in gekochter Form. Sie fügt hinzu, dass sie generell Rohkost<br />

auf Grund ihrer gastroenterologischen Situation bedingt durch den Morbus Osler<br />

eher meidet. Daher isst sie zur Jause sehr selten Rohkostgemüse und Salat nicht<br />

wie empfohlen zu je<strong>der</strong> Hauptmahlzeit. Es gibt Tage an denen sie nicht kocht.<br />

Beson<strong>der</strong>s wenn ihr Ehemann nicht zu Hause ist. An diesen Tagen bereitet sie sich<br />

eine Brotjause mit Streichkäse, o<strong>der</strong> Butter, Marmelade und Honig zu. Meist wählt<br />

sie drei Scheiben Brot o<strong>der</strong> zwei Stück Gebäck. Nach dem Genuss einer Jause ist<br />

die Gefahr groß, dass sie nicht richtig satt ist, und über den ganzen Tag verteilt<br />

Süßigkeiten nascht. Als Nachspeise mag sie gerne ein Obstdessert in Form von<br />

6


Kompotten o<strong>der</strong> ganzem Obst. Abends mag sie gerne einen Hühner- o<strong>der</strong><br />

Rin<strong>der</strong>suppentopf mit Gemüse, Grießkoch o<strong>der</strong> eine Jause, wenn sie mittags warm<br />

gegessen hat. Der Verzehr von Weißmehlprodukte hält sich sehr gering. Sie achtet<br />

auf eine gesunde Brotauswahl, bei <strong>der</strong> Vollkornprodukte im Vor<strong>der</strong>grund sind. Die<br />

tägliche Trinkmenge beträgt meist 1,5 Liter in Form von Wasser- o<strong>der</strong><br />

Mineralwasser. Fruchtsäfte und Limonaden kommen eher selten vor. Kaffee- und<br />

Teegetränke süßt sie immer mit Süßstoff. Auf Kaffee verzichtet sie auf Grund ihrer<br />

chronischen Magenschmerzen völlig. Beson<strong>der</strong>s abends verfällt sie dem<br />

Heißhunger und isst viele Süßigkeiten und Knabbereien. Die Portionsgrößen sind<br />

nach Angaben von Frau E.R. eher klein. Sie würde sich nicht als „Vielesserin“<br />

bezeichnen. Im Gegenteil, sie versteht nicht wieso sie bei eher geringen Mengen<br />

nicht abnimmt. Die Frage, ob sie in <strong>der</strong> Nacht aufsteht und isst, negiert die<br />

Patientin.<br />

Bis vor <strong>der</strong> Geburt des ersten Kindes 1976 war Frau E.R. normalgewichtig. Bei<br />

je<strong>der</strong> ihrer vier Schwangerschaften nahm sie während <strong>der</strong> Schwangerschaft jedes<br />

mal circa 20 kg an Gewicht zu. Während diverser Kuraufenthalte konnte sie immer<br />

wie<strong>der</strong> erfolgreich ihr Körpergewicht reduzieren. Jetzt ist sie mit einem Body Mass<br />

Index (BMI) von 36,7 kg/m 2 sehr mit ihrem Gewicht unzufrieden. Sie möchte gerne<br />

von 100 kg circa 20 kg abnehmen. Von ihrem Hausarzt erhält sie die Empfehlung<br />

nur 1000 kcal pro Tag zu essen. Er händigt ihr eine Broschüre mit Beispielen von<br />

möglichen Speiseplänen aus. In diesem Kontext dürfte sie auch die Illusion<br />

entwickelt haben, eine Reduktion des Basalinsulin würde sie bei <strong>der</strong><br />

Gewichtsreduktion unterstützen, da sie in diesem Zusammenhang erwähnt hat,<br />

dass Insulin zur Gewichtszunahme führen kann.<br />

Zurzeit macht die Patientin für ihre Verhältnisse viel Bewegung. Sie geht <strong>der</strong>zeit bis<br />

zu drei Mal täglich eine kleine Runde spazieren. Durch die Depressionen gibt es<br />

Tage an denen sie das Haus nicht verlässt. Sie besitzt einen Hometrainer, den sie<br />

in letzter Zeit selten in Anspruch nimmt. 2008 hatte sie eine Knieverletzung,<br />

wodurch sich die Bewegung deutlich vermin<strong>der</strong>te. Der HbA1c- Wert hat sich damals<br />

deutlich verschlechtert.<br />

7


Vor dem stationären Aufenthalt hatte sie bis zu zehn Mal täglich Stuhlgang mit sehr<br />

flüssiger Konsistenz. Sie beklagt ständige Übelkeit ohne Erbrechen und<br />

Magenschmerzen. Die Situation verbessert sich während <strong>der</strong> Zeit im Krankenhaus.<br />

Die Stuhlfrequenz vermin<strong>der</strong>t sich unter <strong>der</strong> Einnahme von drei Messlöffel Optifibre<br />

pro Tag auf vier bis sechs Mal pro Tag.<br />

Die Patientin hat einen LKW- Führerschein. Als Nebenerwerb ist sie bei einer<br />

Pferdetransportfirma tätig. Eine Fahrt dauert dabei teilweise bis zu acht Stunden.<br />

8


2 Diaetologische Befundung und Beurteilung<br />

Die Patientin liegt mit einem BMI von 36,7 kg/m 2 nicht im Normbereich (vgl.<br />

Biesalski et al. 2004, S 15). Um den Zielwert für ihre Altersklasse von 24 BMI-<br />

Punkten zu erreichen ist bei einer Körpergröße von 165 cm eine langsame und<br />

langanhaltende Gewichtsreduktion von 100 kg auf 65 kg notwendig (vgl. Schau<strong>der</strong><br />

et al. 2006, S 707). Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass pro Woche nicht<br />

mehr als ein halbes Kilo, und pro Monat nicht mehr als zwei Kilo abgenommen<br />

werden (vgl. Schau<strong>der</strong> et al. 2007, S 12). Die Gewichtsreduktion soll durch eine<br />

Ernährungsumstellung, sowie körperliche Bewegung erfolgen (vgl. Toeller et al.<br />

2005, S 76).<br />

Zwei Scheiben Brot und ein Esslöffel Müsli entsprechen <strong>der</strong> für sie<br />

bedarfsgerechten Kohlenhydratmenge zum Frühstück (vgl. Toeller et al. 2005, S<br />

81). Sie muss jedoch nicht ganz auf den Verzehr von Streichfetten verzichten. Eine<br />

mo<strong>der</strong>ate Menge von 20 g Streichfett in Form von pflanzlicher Margarine ist möglich<br />

(vgl. Toeller et al. 2005, S 78). Die Fruchtzuckerzufuhr liegt mit einem Esslöffel<br />

Marmelade pro Scheibe Vollkornbrot bei zwei bis drei Brotscheiben pro Mahlzeit zu<br />

hoch (vgl. Toeller et al. 2005, S 85). Das Müsli weist durch den Einsatz von 180 ml<br />

Fruchtjoghurt mit 3,6% Fett einen zu hohen Fett- und Zuckeranteil auf (vgl. Toeller<br />

et al. 2005, S 78). Der Einsatz von Fertigmüslimischungen birgt die Gefahr einer zu<br />

hohen Zuckerzufuhr. Beson<strong>der</strong>s wenn, die Mischungen reich an Dörrobst o<strong>der</strong><br />

Schokolade sind, o<strong>der</strong> dem Müsli zusätzlich Zucker zugesetzt ist. Die<br />

Verzehrsmenge von isoliertem Zucker ist zu vernachlässigen, da Frau R.E. warme<br />

Getränke, Cremen, Puddings und Joghurtdesserts immer mit Süßstoff süßt (vgl.<br />

Toeller et al. 2005, S 85). Die Hühner- o<strong>der</strong> Rindsuppe entspricht mit vier bis fünf<br />

BE Nudeln einer bedarfsangepassten Mahlzeit (vgl. Toeller et al. 2005, S 81). Die<br />

Telleraufteilung im Sinne von 50% Gemüse, 25% Fisch o<strong>der</strong> Fleisch und 25%<br />

Getreide- und Getreideprodukte ist in Ordnung (vgl. Kluthe et al. 2004, S 246).<br />

Positiv zu vermerken ist, dass die Patientin den Fleischkonsum unter drei Mal pro<br />

Woche hält und mindestes zwei mal pro Woche einen heimischen Süßwasserfische<br />

isst (vgl. Toeller et al. 2005, S 81). Obwohl die Patientin sehr reichlich Gemüse in<br />

9


ausschließlich gekochter Form zu sich nimmt, entspricht die Menge nicht den<br />

Empfehlungen von drei Mal Gemüse o<strong>der</strong> Salat am Tag (vgl. Toeller et al. 2005, S<br />

83). An den Tagen, an denen sie keine warme Hauptmahlzeit zu Mittag einnimmt,<br />

verläuft die Mahlzeitenaufteilung nicht sehr günstig. Da sie nur Streichkäse<br />

verwendet, scheint sie Lebensmittelauswahl sehr einseitig. Es ist anzunehmen,<br />

dass <strong>der</strong> Fettanteil, vor allem wenn sie noch Butter verwendet, zu hoch liegt (vgl.<br />

Toeller et al. 2005, S 78). Wenn zum Frühstück Marmelade o<strong>der</strong> Honig als<br />

Brotbelag gewählt wird, sollte Mittags darauf verzichtet werden, da sonst <strong>der</strong><br />

Fruchtzuckeranteil zu hoch ist (vgl. Toeller et al. 2005, S 85). Der Einsatz von Obst<br />

o<strong>der</strong> Obsterzeugnissen als Dessert kann durchaus beibehalten werden. Die<br />

Obstverzehrsmenge insgesamt über den Tag verteilt liegt aber mit bis zu fünf Stück<br />

über den empfohlenen Mengen. Der Anteil an komplexen Kohlenhydraten liegt im<br />

empfohlenen Bereich, da sie bevorzugt Vollkornprodukte zu sich nimmt (vgl. Toeller<br />

et al. 2005, S 84). Die tägliche Trinkmenge liegt mit 1,5 Liter im unteren<br />

Normbereich. Positiv zu vermerken ist, dass Frau R.E. bevorzugt Wasser- und<br />

Mineralwasser, ungezuckerte Tees und sehr selten Obstsäfte und Limonaden als<br />

Durstlöscher einsetzt (vgl. Toeller et al. 2005, S 85).<br />

10


3 Planung <strong>der</strong> Ernährungstherapie<br />

3.1 Bedarfsberechnung und Kostform<br />

Der Grundumsatz wird mittels Harris Benedict Formel (RU(kcal)=655,1+9,56<br />

KG+1,85 H-4,68 A) errechnet und ergibt einen täglichen Kalorienbedarf von 1608,3<br />

kcal (vgl. Elmadfa 2004, S 63). Als Leistungsumsatz wird ein Physical activity level<br />

von 1,4 für sitzende Tätigkeit mit wenig anstrengenden Freizeitaktivitäten, also<br />

leichte Tätigkeit, angenommen, was einen Leistungsumsatz von 2251,6 kcal ergibt<br />

(vgl. Schau<strong>der</strong> 2006, S 202 sowie ÖGE 2001, S 27). Der tägliche Flüssigkeitsbedarf<br />

liegt mit einer Berechnung von 20 ml pro kg Körpergewicht pro Tag bei 2 Liter<br />

Flüssigkeit (vgl. Schau<strong>der</strong> 2006, S 218). Die Broteinheiteinverteilung ist jeweils zu<br />

den Hauptmahlzeiten, in <strong>der</strong> Früh, zu Mittag und am Abend fünf BE, was eine<br />

Tagessumme von 15 BE, also 1500 kcal ergibt. Hier wurde ein Energiedefizit von<br />

500 kcal ausgehend von einem Kalorienverbrauch von 30 kcal pro kg<br />

Körpergewicht berücksichtigt (vgl. Schau<strong>der</strong> 2006, S 707).<br />

Frau E.R. erhält während des stationären Aufenthaltes an <strong>der</strong> Christian-Doppler-<br />

Klinik Stoffwechseldiät mit berechneten BE. Diese Kostform eignet sich für<br />

Diabetiker mit intensivierter Insulintherapie. Es handelt sich hierbei um eine<br />

Mischkost nach dem Prinzip <strong>der</strong> Vollkost laut Rationalisierungsschema (vgl. Kluthe<br />

et al. 2004, S 246). Hierbei wird beson<strong>der</strong>s Augenmerk auf den Purin- und<br />

Fettgehalt <strong>der</strong> Speisen gelegt. Außerdem sind die Gerichte regional und saisonal<br />

um eine optimale Vitamin- und Mineralstoffzufuhr zu gewährleisten. Auf<br />

Haushaltszucker wird hier vollständig verzichtet. Alle Kuchen, Kompotte o<strong>der</strong><br />

Fruchtmuse werden ausschließlich mit Süßstoff gesüßt. Schnell aufschließbare<br />

Zucker werden durch komplexe Kohlenhydrate ausgetauscht. So werden als<br />

Beilage z.B. Vollkorn- o<strong>der</strong> Vollkornserviettenknödel und zum Frühstück und<br />

Abendessen Vollkornbrot angeboten. Auf individuelle Bedürfnisse wird bei <strong>der</strong><br />

Bestellung des Essens eingegangen. Die Patientin erhält insgesamt 15 BE pro Tag.<br />

Die Energiezufuhr entspricht mit circa 1500 kcal pro Tag einer Reduktionskost für<br />

diese Patientin (vgl. Kluthe et al. 2004, S 247).<br />

11


Die Menübestellung im Essensbestellsystem an <strong>der</strong> Christian-Doppler-Klinik wird<br />

von <strong>der</strong> Diätologie vorgenommen, um eine genaue Aufteilung <strong>der</strong> BE zu<br />

garantieren. Die Patientin wird angehalten keine zusätzlichen Mahlzeiten zu sich<br />

zu nehmen.<br />

3.2 Behandlungsziel<br />

Das ernährungsmedizinische Behandlungsziel <strong>der</strong> Diätologie als auch des<br />

Ärzteteams ist es, die Blutzuckereinstellung zu optimieren. Das heißt einen HbA1c-<br />

Wert von 6,5 mg % anzustreben, um Folgeschäden zu vermeiden beziehungsweise<br />

die bereits manifeste Polyneuropathie nicht weiter fortschreiten zu lassen (ÖDG<br />

2009, S 9). Das soll durch eine auffrischende Diabetesschulung passieren. Geplant<br />

ist die Teilnahme an einer Gruppenberatung zum Thema „Gesunde Ernährung“ mit<br />

anschließenden Einzelberatungen mit dem Schwerpunkt „Ernährungsumstellung bei<br />

Diabetes Mellitus Typ II“ und einer kurzen Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> richtigen Einschätzung<br />

von BE <strong>der</strong> Speisen und das sich daraus ergebende Berechnen <strong>der</strong> genauen<br />

Insulindosis, sowie die Korrektur eines zu hohen o<strong>der</strong> zu niedrigen Blutzuckers.<br />

Auch die Insulinreduktion bei Bewegung wird besprochen. Außerdem werden die<br />

Erkennung und Maßnahmen bei einer Hypoglykämie wie<strong>der</strong>holt. Der theoretische<br />

Hintergrund <strong>der</strong> Basis- Bolustherapie wird an Hand von anschaulichen<br />

Blutzuckerkurven verdeutlicht, um die Patientin zur Einsicht zu bringen, dass<br />

Insulindosen nicht eigenverantrwortlich dosiert werden dürfen. Die dreimonatigen<br />

Kontrollen des HbA1c beim Hausarzt sollen beibehalten werden. Bei wie<strong>der</strong>holten<br />

Entgleisungen ist ein Kuraufenthalt in einer Institution mit Schwerpunkt Diabetes<br />

angedacht (ÖDG 2009, S 25).<br />

3.3 Patientenziel<br />

Von Seiten <strong>der</strong> Patientin ist das Ziel das Basalinsulin richtig zu dosieren, um den<br />

Blutzucker im Normbereich halten zu können. Dadurch können<br />

Blutzuckerschwankungen und Hypos vermieden werden. Sie möchte zu Hause<br />

wie<strong>der</strong> drei regelmäßige Mahlzeiten zu sich nehmen und den Verzehr von<br />

Süßigkeiten minimieren.<br />

12


Um das Idealgewicht zu erreichen muss Frau E.R. 35 kg abnehmen. Da sich die<br />

Umsetzung als sehr schwierig gestaltet, fühlt sie sich nicht in <strong>der</strong> Lage dieses Ziel<br />

zu erfüllen. Somit einigt sich die Patientin gemeinsam mit <strong>der</strong> Diätologie auf ein zu<br />

erreichendes Gewicht von 80 kg. Diese Zielvereinbarung kann aus<br />

ernährungsmedizinischer Sicht ebenfalls gut vertreten werden.<br />

3.4 Ernährungsmedizinische Intervention<br />

Es sollen vermehrt Vollkornprodukte zum Einsatz kommen. Der Ballaststoffanteil<br />

soll durch Gemüse und gekochte Salate mit Gemüsesorten, die für die leichte<br />

Vollkost geeignet sind, erhöht werden. Die Ballaststoffaufnahme soll bei mehr<br />

als 40% liegen (vgl. Toeller et al. 2005, S 83). Beson<strong>der</strong>s wenn die<br />

Kohlenhydrataufnahme bis 60% <strong>der</strong> Gesamtenergie liegt, ist es beson<strong>der</strong>s<br />

wichtig auf Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index zu achten. Menge<br />

und Art <strong>der</strong> Kohlenhydrate muss auf die Basis- Bolustherapie angepasst werden<br />

(vgl. Toeller 2005, S 81). Der Anteil an isoliertem Zucker und Fructose muss<br />

reduziert werden. Eine Fructoseaufnahme von bis zu 30 g pro Tag ist<br />

akzeptabel. Schnell aufschließbare Kohlenhydrate (Honig, Kristallzucker,<br />

Marmelade, Fruchtsäfte, Dörrobst etc.) sollen eingeschränkt werden. Die<br />

Patientin soll eine Aufnahme freier Zucker 10% <strong>der</strong> Gesamtenergie nicht<br />

überschreiten (vgl. Toeller 2005, S 85). Somit soll die morgendliche<br />

Kohlenhydratzufuhr auf zwei Scheiben Vollkornbrot und einem Esslöffel Müsli<br />

beschränken. Um den Zuckerkonsum niedrig zu halten, soll Fertigmüsli gegen<br />

Naturflocken ohne Zusätze ausgetauscht werden. Als Brotbelag eignet sich<br />

pflanzliche Margarine und Diabetikermarmelade. Der süße Aufstrich soll von einem<br />

Esslöffel auf einen Teelöffel reduziert werden. Bei <strong>der</strong> Zubereitung des Müslis soll<br />

in Zukunft ein mageres Naturjoghurt verwendet werden. Zum Süßen kann Süßstoff<br />

verwendet werden. Dieser soll auf alle Fälle weiterhin auch zum Süßen aller<br />

warmen Getränke, Cremen, Pudding und Joghurtdesserts verwendet werden. Es<br />

kann weiterhin Obst als Dessert eingesetzt werden. Allerdings soll die<br />

Verzehrsmenge von zwei Stück Obst am Tag nicht überschritten werden.<br />

13


Obstsorten mit hohem Fruchtzuckergehalt wie überreife Bananen, Weintrauben,<br />

Marillen o<strong>der</strong> Zwetschken sollen immer Handteller groß sein.<br />

Fettarmen Lebensmittel, insbeson<strong>der</strong>e Milch- und Milchprodukte mit niedrigem<br />

Fettgehalt und fettreduzierte Wustwaren sollen vermehrt in den Speiseplan<br />

eingebaut werden, da die Gesamtfettaufnahme nicht über 35% <strong>der</strong><br />

Gesamtenergie liegen darf. Gesättigte Fettsäuren sollen weitgehend gemieden<br />

werden. Sie sollen zusammen mit trans-ungesättigten Fettsäuren unter 10% <strong>der</strong><br />

Gesamttagesenergie liegen. Bei erhöhten LDL- Werten kann eine Aufnahme von<br />

8% nützlich sein. Pflanzliche Öle, welche reich an einfach und mehrfach<br />

ungesättigten Fettsäuren sind die günstigsten Fettlieferanten. Einfach<br />

ungesättigte Fettsäuren können bis 20% <strong>der</strong> Gesamtenergie ausmachen (vgl.<br />

Toeller 2005, S 78). Zubereitungsarten wie dünsten o<strong>der</strong> braten in wenig<br />

Pflanzenöl sollen bevorzugt werden. Die Patientin soll daher weiterhin den<br />

Fleischkonsum gegenüber dem Fischkonsum nie<strong>der</strong> halten. Als Maßnahme um den<br />

Anteil an protektiven Omega-3-Fettsäuren zu erhöhen soll eine Portion heimischer<br />

Süßwasserfisch gegen einen fetten Meeresfisch wie Thunfisch, Lachs, Makrele<br />

o<strong>der</strong> Hering ausgetauscht werden. An Tagen an denen zu Mittag die warme<br />

Mahlzeit ausfällt und durch eine kalte Jause ersetzt wird, soll vor allem ein<br />

Augenmerk auf die Fettzufuhr gelegt werden. Es soll nicht nur Streichkäse als<br />

Brotbelag verwendet werden. Als Alternative eignen sich fettarme Wurstsorten wie<br />

Schinken, Bündnerfleisch o<strong>der</strong> kalter Braten. Bei Käse soll <strong>der</strong> Fettgehalt nicht über<br />

35% Fett in <strong>der</strong> Trockenmasse liegen. Auch hier soll wie beim Frühstück ein fein<br />

vermahlenes Vollkornbrot, Grahambrot o<strong>der</strong> Sauerteigbrot zum Einsatz kommen.<br />

Hierbei kann <strong>der</strong> glykämische Index beziehungsweise die glykämische Last und die<br />

Leichte Vollkost berücksichtigt werden.<br />

Der Verzehr von Gemüse, in ausschließlich gekochter Form, ist im Sinne einer<br />

leichten Vollkost durch den Morbus Osler diätetisch gut vertretbar. Die Patientin soll<br />

weitgehend auf schwer verdauliche Gemüsesorten wie Kraut- und Kohlgemüse und<br />

Hülsenfrüchte verzichten. Da durch den Verzicht von Gemüse als Rohkost die<br />

Empfehlung von drei mal täglich Gemüse und Salat nicht eingehalten werden kann,<br />

14


sind Salate in gekochter Form wie zum Beispiel gekochter Karotten-, Sellerie- o<strong>der</strong><br />

Roter Rübensalat eine perfekter Ersatz. Als Alternative zu Vollkornbrot wird ihr ein<br />

fein vermahlenes Vollkornbrot, Grahambrot o<strong>der</strong> Sauerteigbrot angeboten. Generell<br />

soll das Brot für eine gute Verträglichkeit altbacken sein.<br />

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4 Umsetzung des ernährungsmedizinischen Therapiekonzeptes<br />

An <strong>der</strong> Suizidprävention Station wird für alle Patientin als Pflichtveranstaltung eine<br />

Gruppenberatung zum Thema „Gesunde Ernährung“ von <strong>der</strong> Diätologie angeboten.<br />

In dieser Veranstaltung werden die Grundzüge <strong>der</strong> gesunden Ernährung mit <strong>der</strong><br />

Lebensmittelpyramide nach den Leitlinien <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für<br />

Ernährungsmedizin mittels einer Power- Point Präsentation gelehrt und dauern 50<br />

Minuten. Weiters werden beispielsweise mittels Verpackungsmaterial von<br />

Lebensmitteln Vergleiche im Fett- und Zuckergehalt demonstriert. Spielerisch wird<br />

zum Beispiel anhand von leeren Limonadenflaschen o<strong>der</strong> Saftpackungen gezeigt<br />

wie viel Zucker in einem Liter Getränk ist.<br />

Patienten mit ernährungsrelevanten pathologischen Werten (Cholesterin, Glucose<br />

nüchtern, HbA1c, Harnsäure) erhalten eine vertiefende ernährungsmedizinische<br />

Beratung im Ausmaß von 15 bis 30 Minuten. In <strong>der</strong> Beratung wird auf individuelle<br />

diätetische Indikationen des Patienten eingegangen. So wird im Fall von Frau E.R.<br />

beim ersten Termin eine ausführliche Ernährungsanamnese durchgeführt. Da<br />

anamnestisch festzuhalten ist, dass die Patientin korrekt<br />

Broteinheiteinberechnungen durchführen kann und keine Probleme beim Insulin<br />

spritzen o<strong>der</strong> Blutzuckermessen hat, wird eine BE- und<br />

Blutzuckermessungsschulung nicht für notwendig erachtet und somit nicht<br />

eingeplant.<br />

Beim Anamnesegespräch am 16.02. kommt wie bereits erwähnt heraus, dass sich<br />

die Patientin das Basisinsulin selbst anpasst. Da bereits ein internistisches Konsil<br />

ausgeschrieben ist und laut Bericht keine Abän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Insulindosis geplant<br />

sind, fand ein interdisziplinäres Beratungsgespräch zwischen Diätologie und<br />

Internisten statt. Beim Arztgespräch ist scheinbar nicht aufgefallen, dass die<br />

Insulindosis nicht klar festgelegt ist. Der Internist schil<strong>der</strong>t, dass die Angaben <strong>der</strong><br />

Patientin sehr plausibel sind. In Folge dessen wurde die Insulindosis vom<br />

Internisten neu festgelegt. So wurde das basale Insulin mit morgens 6 I.E.<br />

16


festgehalten und das schnell wirksame Insulin mit 2 I.E. pro BE. Die Patientin wird<br />

angehalten über eine Woche bis zum Kontrolltermin ein Blutzuckertagesprofil zu<br />

führen. Aus diätologischer Sicht wird eine Gesamtenergiemenge von 1500 kcal pro<br />

Tag fixiert. Gemeinsam wird entschieden, dass die BE morgens zu mittag und<br />

abends fünf BE betragen sollen, da das Einnehmen von Zwischenmahlzeiten<br />

hin<strong>der</strong>lich bei <strong>der</strong> Gewichtsabnahme ist. Sollte die Patientin nicht zurechtkommen,<br />

kann sie eigenverantwortlich auf eine Aufteilung von drei BE früh, mittags und<br />

abends mit Zwischenmahlzeiten am Vor- und Nachmittag zu je zwei BE umstellen.<br />

17


5 Ernährungsmedizinische Beratung / Schulung<br />

Die ernährungsmedizinischen Beratungen finden stationär statt. Die<br />

Suizidpräventionsstation verfügt über einen Aufenthaltsraum. Der Raum ist in sehr<br />

freundlichen Farben gestaltet und hat eine lichtdurchflutete Loggia. Frau E.R. bekommt<br />

eine Diabetesschulung, die aus einer Gruppenberatung und drei Einzelberatungen<br />

zusammengestellt ist.<br />

Begonnen wird mit einer Gruppenberatung zum Thema „Gesunde Ernährung“. Hier<br />

werden die ernährungsmedizinischen Grundzüge, anhand <strong>der</strong> Lebensmittelpyramide<br />

vermittelt. Das erste Einzelberatungsgespräch am 16.02.2010 dauert 50 Minuten. Es<br />

wird die Pathogenese des Diabetes, <strong>der</strong> Glucosestoffwechsel und die Insulinwirkung im<br />

Körper als auch die Spätschäden eines gestörten Zuckerstoffwechsels erklärt. In diesem<br />

Zusammenhang wird lange auf die Theorie <strong>der</strong> Basis- Bolustherapie eingegangen, da<br />

sich die Patientin wie bereits erwähnt die Basisinsulindosis selbst anpasst. Anhand von<br />

Broteinheitenberechnungsbeispielen geht hervor, dass sich Frau E.R. durch bereits<br />

absolvierte Diabetesschulungen bei diversen Kuraufenthalten bestens auskennt. Daher<br />

wird kein Modul zu diesem Thema angesetzt. Bei <strong>der</strong> Inspektion <strong>der</strong> Bauch- und<br />

Oberschenkelregion sind keine Spritzfehler anamnestisch festzuhalten. Auch eine<br />

Blutzuckermessschulung wird nicht geplant. Bei <strong>der</strong> zweiten Einzelberatung wird das<br />

Thema „Ernährungsumstellung bei Diabetes Mellitus Typ II“ behandelt. Dabei wird die<br />

gesunde Ernährung wie<strong>der</strong>holt, Lebensmittel und Getränke, die den Blutzucker<br />

ansteigen lassen und solche die es nicht tun, cholesterinreiche Lebensmittel und die<br />

Mahlzeitenverteilung durchgenommen. Außerdem werden die Beson<strong>der</strong>heiten bei <strong>der</strong><br />

Ernährung mit Insulin, beim Essen im Restaurant, bei langen LKW- Fahrten und bei<br />

depressiven Phasen durchgenommen. Eine frühe Erkennung von Hypoglykämien mit<br />

dementsprechen<strong>der</strong> Maßnahmenplanung werden besprochen. Die Beratung dauert<br />

ebenfalls 50 Minuten. Bei <strong>der</strong> letzten Beratung vor <strong>der</strong> Entlassung wird nach<br />

Umstellung <strong>der</strong> Insulindosis gemeinsam mit <strong>der</strong> Patientin das Blutzuckerprotokoll<br />

durchgesehen, Unsicherheiten werden geklärt. Frau E.R. wird darüber aufgeklärt, dass<br />

sie alle drei Monate ihren HbA1c- Wert kontrollieren soll und einmal im Jahr zur<br />

Fußinspektion und zum Augenarzt gehen sollte (ÖDG 2009, S 25).<br />

18


Frau E.R. zeigt sich beim Erstkontakt zu Beginn eher zurückhaltend und<br />

verunsichert. Im Laufe des Gespräches zeigt sie immer mehr Interesse. Beson<strong>der</strong>s<br />

als ihr Hintergrund und Handling <strong>der</strong> Basis- Bolustherapie erklärt werden. Beim<br />

zweiten Termin zeigt sie sich in einem deutlich besseren Allgemeinzustand. Zu<br />

diesem Zeitpunkt erfolgt eine Medikamentenumstellung und sie berichtet von einem<br />

guten verlaufendem Therapiegespräch.<br />

19


6 Abschließende Arbeiten<br />

6.1 Evaluierung<br />

Die Patientin wird während eines stationären Aufenthaltes an <strong>der</strong><br />

Suizidpräventionsstation wegen ihres pathologischen Langzeitzuckerwertes dem<br />

Internisten und <strong>der</strong> Diätologie vorgestellt. Demnach erfolgt durch den Arzt die<br />

Optimierung <strong>der</strong> Insulindosis, da hervorgeht, dass die Patientin zur Abdeckung <strong>der</strong><br />

Basalrate sehr unterschiedliche Dosen Insulin verabreicht. Frau E.R. erhält<br />

außerdem ein Korrekturschema. Seitens <strong>der</strong> Diätologie wird die Kostform von<br />

Normalkost auf ein stoffwechseltaugliches Menü laut Rationalisierungsschema<br />

umgestellt. Es erfolgt eine Anpassung <strong>der</strong> Kohlenhydratzufuhr an das<br />

Spritzschema. Es werden ihr morgens, mittags und abends in Absprache mit dem<br />

Internisten je fünf BE angeboten. Die Patientin wird angehalten die 1500 kcal pro<br />

Tag aufzuessen, damit sie sich nicht unter ihrem Grundumsatz ernährt und somit<br />

die Fettverbrennung optimal funktioniert. Sollte sie zu einer Mahlzeit die<br />

vorgegebene Menge nicht schaffen, kann sie eigenverantwortlich auf drei BE bei<br />

den Hauptmahlzeiten reduzieren und Zwischen- und Spätmahlzeiten zu je zwei BE<br />

einbauen. Weitere ernährungstherapeutische Maßnahmen sind die Teilnahme an<br />

einer Gruppenberatung, zwei Einzelberatungen und einem Abschlussgespräch. In<br />

<strong>der</strong> Gruppenberatung werden die Grundlagen <strong>der</strong> gesunden Ernährung gelehrt. Das<br />

Erstgespräch beinhaltet eine ausführliche Ernährungsanamnese. Der ausführlichste<br />

Teil, die Ernährungsumstellung bei Diabetes Mellitus Typ II zum zweiten<br />

Einzelgespräch bildet den Kern <strong>der</strong> Ernährungstherapie. Im Abschlussgespräch<br />

wird die Patientin über die Wichtigkeit von regelmäßigen Kontrollterminen<br />

aufgeklärt. Die Kontrolle des Blutzuckertagesprofils nach einer Woche stationärem<br />

Aufenthalt zeigt eine deutliche Verbesserung <strong>der</strong> Glucosewerte. Frau E.R. freut<br />

sich über den Therapieerfolg und zeigt sich sehr motiviert.<br />

Die durchgeführten ernährungsmedizinischen Beratungen sind sehr gut verlaufen.<br />

Anfänglich zeigte sich die Patientin eher distanziert. Bisher war sich Frau E.R. über die<br />

Tragweite eines langjährigen Diabetes Mellitus Typ II meiner Meinung nach nicht<br />

20


ewusst. Die Betreuung beim Hausarzt verlief meinem Eindruck nach nicht optimal.<br />

Trotz erhöhter HbA1c- Werte wurden keine Maßnahmen gesetzt. Die ausgehändigte<br />

Informationsbroschüre mit <strong>der</strong> Empfehlung 1000 kcal pro Tag zu sich zu nehmen, um<br />

Gewicht zu reduzierten, entspricht absolut nicht den empfohlenen Leitlinien. Durch die<br />

ausführliche Aufklärung über Spätfolgen und Funktion <strong>der</strong> Basis- Bolustherapie wurde<br />

bei <strong>der</strong> Patientin Interesse und Eigenverantwortlichkeit gegenüber ihrem Diabetes<br />

geweckt. Mit je<strong>der</strong> Folgeberatung konnte die Patientin mehr motiviert werden. Durch die<br />

neue Dosierung <strong>der</strong> Insuline, genaue Broteinheitenverteilung des stationären Essens<br />

und regelmäßigen Selbstkontrollen <strong>der</strong> Blutzuckerwerte konnte Frau E.R. selbst die<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Werte sehen, was sie wie<strong>der</strong>um bestärkte konsequenter ihren<br />

Diabetes zu managen.<br />

6.2 Dokumentation<br />

Am 4. Februar 2010 findet <strong>der</strong> erste Teil einer Ernährungsberatung in <strong>der</strong> Gruppe zum<br />

Thema „Gesunde Ernährung“ statt, bei <strong>der</strong> Frau E.R. teil nimmt. Den zweiten Teil<br />

besucht sie zwei Wochen später am 18. Februar. Im ersten Teil werden allgemein das<br />

Thema „Adipositas und Stoffwechselstörungen“ behandelt. Es werden anhand <strong>der</strong><br />

Lebensmittelpyramide die Themen Getränke, Obst, Gemüse und Salat, Getreide,<br />

Getreideprodukte und Milch- und Milchprodukte dargestellt. Durch<br />

Anschauungsmaterialien und Schätzspiele wird vor allem näher auf das Thema<br />

Lipidzufuhr und Fettmodifikation eingegangen. Im zweiten Abschnitt werden die Kapitel<br />

Fleisch und Wurstwaren, Eier, Fette und Öle sowie Süßigkeiten behandelt.<br />

Abschließend wird auf die Pathologie und ernährungsmedizinische Intervention von<br />

Hyperlipidämie und Diabetes eingegangen. Am 15. Februar ist die Patientin trotz<br />

Terminvergabe nicht anwesend, da sie im Qui Gong Kurs teilt nimmt. Am 16. Februar<br />

kommt es zur ausführlichen Ernährungsanamnese. Vorab wird am 15. Februar<br />

telefonisch mit dem behandelnden Arzt die Insulindosis und Zufuhr <strong>der</strong> BE fixiert. Der<br />

Patientin wird am 15. Februar das neue Insulinschema mit Korrekturfaktor erklärt und es<br />

erfolgt eine Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Berechnung von BE. Es folgt ein Aufklärungsgespräch<br />

über die Stoffwechseldiät und Aufteilung <strong>der</strong> BE. Durch die Diätologie passiert die<br />

Umstellung <strong>der</strong> Kostform von Vollkost auf Stoffwechseldiät. Die Menüwahl wird von <strong>der</strong><br />

Diätologin ins Bestellsystem eingegeben, um die genaue Zufuhr von fünf BE morgens,<br />

21


zu mittag und abends zu kontrollieren. Im Anschluss an die Gruppenberatung am 18.<br />

Februar findet <strong>der</strong> ausführlichste Teil, die eigentliche ernährungsmedizinische Beratung,<br />

statt. Dem diätologischen Dokumentationsbericht ist zu entnehmen, dass gesättigte und<br />

trans- ungesättigte Fettsäuren zusammen unter 10% <strong>der</strong> Gesamtenergie liegen sollen.<br />

Öle, die reich an einfach ungesättigten Fettsäuren sind günstige Fettlieferanten. Der<br />

Verzehr von zwei bis drei Portionen Fisch (bevorzugt fetter Meeresfisch) pro Woche und<br />

pflanzliche Lieferanten von n-3-Fettsäuren (z.B. Rapsöl, Nüsse und einige grünblättrige<br />

Gemüse) hilft eine angemessene Aufnahme von n-3-Fettsäuren sicherzustellen . Die<br />

Aufnahme von Cholesterin soll 300 mg pro Tag nicht überschreiten und weiter reduziert<br />

werden, wenn das LDL- Cholesterin erhöht ist. Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und<br />

Getreideprodukte aus vollem Korn sollen Bestandteil <strong>der</strong> Kost sein. Die<br />

Ballaststoffmenge soll Idealerweise bei mehr als 40 g pro Tag liegen. Auf stärkereiche<br />

Kohlenhydrate und rasch resorbierbare Zucker, wie Haushaltszucker als Süßungsmittel,<br />

Honig und Ahornsirup muss weitgehend verzichtet werden. Eine mo<strong>der</strong>ate<br />

Alkoholaufnahme von bis zu 10 g pro Tag ist für Diabetikerinnen, die Alkohol trinken<br />

möchten, akzeptabel.<br />

6.3 Abschlussbericht<br />

Die Patientin ist insulinpflichtige Typ II Diabetikerin. Die Erstmanifestation passiert 2004<br />

durch den Hausarzt. Nach ausgereizter oraler Medikation mit Metformin und<br />

Sulfonylharnstoff wird sie 2006 erstmals mit Mischinsulin eingestellt. Auf Grund<br />

schlechter Compliance und unregelmäßiger Mahlzeitenverteilung bedingt durch<br />

Depressionen wird sie erstmals während eines Kuraufenthaltes auf Basis- Bolustherapie<br />

eingestellt. Nach eigenen Angaben stellt sie keine Berechnungen an und spritzt das<br />

Basisinsulin nach Gefühl. Durch die diätologische Betreuung an <strong>der</strong> Suizidprävention<br />

erfolgt eine auffrischende Diabetesberatung mit einem ausführlichen Ernährungsteil. Bei<br />

Erstkontakt erfolgt eine Ernährungsanamnese, auf <strong>der</strong> die Ernährungsberatung<br />

aufgebaut wird. Die Grundlagen werden durch die Teilnahme an einer Gruppenberatung<br />

zum Thema „Gesunde Ernährung“ gelehrt. In vertiefenden Einzelberatungen wird auf<br />

individuelle Ernährungsempfehlungen bei Diabetes mit Basis- Bolustherapie<br />

eingegangen. Eine Schulung zur Berechnung <strong>der</strong> BE, Hypoglykämieschulung und eine<br />

Schulung zu Blutzuckermessung wird nicht als notwendig erachtet, da sich die Patientin<br />

22


hier bestens auskennt. Während des stationären Aufenthaltes wird die Insulindosis<br />

durch den Internisten festgelegt. Die Kostform wird auf ein diabetesgerechtes<br />

Stoffwechselmenü umgestellt. Frau E. R. erhält früh, mittags und abends fünf BE. Da sie<br />

für ihren LKW- Führerschein vierteljährlich zur HbA1C- Kontrolle muss, erscheint sie<br />

regelmäßig zu den Kontrolluntersuchungen beim Hausarzt. Dieser hat sie offenbar nicht,<br />

wie empfohlen, einmal im Jahr zum Augenarzt und zur Fußinspektion überwiesen. Im<br />

diätologischen Abschlussgespräch wurde sie über notwendige Kontrolltermine<br />

informiert.<br />

6.4 Reflexion<br />

An <strong>der</strong> Christian-Doppler-Klinik gibt es keine Diabetesambulanz. Patienten mit Verdacht<br />

auf Diabetes o<strong>der</strong> manifestem Diabetes werden über ein internistisches Konsil vom<br />

Internisten untersucht. Für mich als Diätologin ist es eine Herausfor<strong>der</strong>ung auf<br />

Stationen, welche nicht als Schwerpunkt mit Diabetikern arbeiten, den Patienten optimal<br />

zu versorgen. Oft wird im Gegensatz zu internistischen Stationen beispielsweise dem<br />

Blutzuckertagesprofil o<strong>der</strong> <strong>der</strong> korrekten Broteinheitenverteilung und Insulingabe zu<br />

wenig Bedeutung beigemessen. Am Fallbeispiel Frau E.R. konnte gezeigt werden, wie<br />

erfor<strong>der</strong>lich eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Internist und Diätologe/in<br />

ist. Die ernährungsmedizinische Beratung fungiert gewissermaßen als Bindeglied<br />

zwischen <strong>der</strong> stationären Ärzteschaft und dem Internisten. Durch die supportive<br />

ernährungsmedizinische Intervention konnte eine verbessernde Blutzuckereinstellung<br />

erzielt werden. Für mich persönlich fehlt die anschließende Nachbetreuung. Es konnten<br />

lei<strong>der</strong> nur Empfehlungen bezüglich diabetischer Kontrolltermine gegen werden. Eine<br />

ambulante Nachbetreuung für unsere Diabetiker könnte in Zukunft, in Zusammenarbeit<br />

mit <strong>der</strong> internistischen Abteilung, angedacht werden.<br />

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7 Literaturverzeichnis<br />

Arbeitsgruppe „Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“, Frankfurt am Main: Umschau<br />

Braus GmbH, 1. Auflage; 2001<br />

Biesalski, H. et al.: Ernährungsmedizin, Stuttgart: Thieme Verlag, 3., erweiterte Auflage;<br />

2004<br />

Ibrahim, E.: Ernährungslehre, Stuttgart: Eugen Ulmer GmbH&Co; 2004<br />

Kluthe, R. et al.: Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher<br />

Ernährungsmedizin; 2004<br />

Schau<strong>der</strong>, P. et al.: Ernährungsmedizin Prävention und Therapie, München:<br />

Urban&Fischer, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage; 2006<br />

Toeller, M. et al. : Evidenz-basierte Ernährungsempfehlungen zur Behandlung und<br />

Prävention des Diabetes mellitus; 2005<br />

Österreichische Diabetesgesellschaft: Leitlinien Diabetes Mellitus für die Praxis<br />

Kurzfassung, überarbeitete und erweiterte Ausgabe; 2009<br />

Internet<br />

www.Adipositas-gesellschaft.de, Juni 2010<br />

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