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Café32 - KPÖ Oberösterreich

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Café <strong>KPÖ</strong><br />

Linke Zeitschrift<br />

für <strong>Oberösterreich</strong><br />

Nummer 32, August 2010<br />

Verkaufspreis: 1 Euro<br />

Aus dem Inhalt<br />

Seite 2<br />

Rado Prostacki über<br />

Gesellschaft als Gefängnis.<br />

Seite 4<br />

Leo Furtlehner über das<br />

Abschiebeland Österreich.<br />

Seite 5<br />

Ein anderer Blick auf Afrika.<br />

Interview mit Monique Muhayimana<br />

von Michael Schmida.<br />

Seite 7<br />

Wolfgang Quatember über<br />

Neonazis in Ebensee.<br />

Seite 8/9<br />

Cartoon von Bertram Könighofer<br />

aus der Sammlung Comics<br />

gegen Rechts.<br />

Seite 10/11<br />

Thomas Schmiedinger über<br />

islamistische Mobilisierung in<br />

Österreich.<br />

Seite 12<br />

Thomas Rammerstorfer über<br />

rechte Codes in Pop und Rock.<br />

Die Bilder dieser Ausgabe<br />

Das Land <strong>Oberösterreich</strong> hat<br />

zwei politischen Kulturprojekten<br />

im Rahmen des KUPF<br />

Innovationstopfes die<br />

Finanzierung verweigert. Das<br />

wäre nicht passiert, wenn die<br />

richtigen Projekte konzipiert<br />

worden wären. Die Bilder sind<br />

ein Hinweis für zukünftige<br />

EinreicherInnen.<br />

Schlechte<br />

Arbeit<br />

Der Jubel um die Arbeitslosenstatistik ist unangebracht. Von Alois Franz.<br />

Regierung, Medien und wer sonst noch<br />

das Abfeiern des Status Quo zu seiner professionellen<br />

Aufgabe gemacht hat,<br />

konnten sich kaum einkriegen vor lauter<br />

dumpfem Jubel darüber, dass hierzulande<br />

die Arbeitslosenquote niedriger ist als in<br />

den anderen EU-Ländern. Abgesehen<br />

davon, dass diese Zahlen äußerst zweifelhaft<br />

sind, weil sie sich auf Umfragen<br />

beziehen, ist die Arbeitslosenzahl mit<br />

211.000 im Sommermonat Juli immer noch<br />

enorm hoch. Kurz nach diesem medialen<br />

Schulterklopfen über das Ranking der<br />

Arbeitslosenzahlen war den selben Medien<br />

zu entnehmen, dass sich die Zahl der LeiharbeiterInnen<br />

im Vergleich zum letzten<br />

Jahr um mehr als 60 Prozent erhöht habe.<br />

Mehr als 300.000 Menschen haben zudem<br />

nur eine geringfügige Beschäftigung, das<br />

heißt, sie verdienen weniger als 340 Euro<br />

im Monat. Nur die schlechten, unsicheren<br />

Jobs werden mehr. Selbst die äußerst<br />

handzahme Gewerkschaft weist darauf<br />

hin, dass die Leiharbeit-Jobs Arbeitsplätze<br />

zweiter Güte sind. Weil Beschäftigte nach<br />

einem Auftrag gewöhnlich nicht weiterbeschäftigt<br />

werden, bestehe ein hohes<br />

Armutsrisiko.<br />

Von Prekarisierung sind also längst nicht<br />

mehr nur ein paar Leute aus der Kultur-,<br />

der Medienarbeit oder der Wissenschaft<br />

betroffen. Sie ist in der Mitte der Arbeitswelt<br />

angekommen. Sozialpolitische<br />

Placebos, wie etwa die bedarfsorientierte<br />

Mindestsicherung unterwerfen nur noch<br />

mehr Menschen dem Arbeitsmarkt der<br />

schlechten Jobs. Maßnahmen, die zur<br />

Folge hätten, dass man schlechte Jobs<br />

einfach nicht annehmen muss, wie etwa<br />

ein bedingungsloses Grundeinkommen,<br />

daran traut sich weder die Gewerkschaft<br />

und schon gar nicht der Sozialminister<br />

auch nur im Entferntesten zu denken.


Seite 2<br />

Knast ist<br />

überall<br />

Willkommen im<br />

Café <strong>KPÖ</strong>!<br />

Man kann es nicht mehr<br />

hören: Restlose Aufklärung der<br />

Vorfälle und der Zusammenhänge<br />

um Schmiergelder,<br />

Haider Millionen, Buwog- und<br />

Hypo-Deals sei ein Gebot der<br />

Stunde, sagt der Bundespräsident.<br />

Diese restlose<br />

Aufklärung solle dazu dienen,<br />

die Glaubwürdigkeit der<br />

Politik hierzulande wieder<br />

herzustellen. Na sowas. Es geht<br />

nicht darum, die Verantwortlichen<br />

zur Rechenschaft zu<br />

ziehen, sondern darum, einen<br />

Zustand wieder herzustellen,<br />

der genau diese Vorgänge aufs<br />

Neue ermöglichen wird.<br />

„Restlose Aufklärung“ ist ein<br />

groß angelegtes Verschleierungsmanöver,<br />

welches zum<br />

Ziel hat, zu verbergen, dass in<br />

einer Klassengesellschaft die<br />

dazugehörige Klassenjustiz nur<br />

eine Aufgabe hat, nämlich die<br />

Unten niederzuhalten, damit<br />

diese die Geschäfte der<br />

oberen Klassen nicht stören.<br />

„Restlose Aufklärung“ ersetzt<br />

somit die medialen Sommerungeheuer<br />

früherer Zeiten, die in<br />

schottischen Seen ihr Unwesen<br />

getrieben haben sollen. Trotzdem<br />

wünschen wir Ihnen eine<br />

spannende Café-<strong>KPÖ</strong>-Lektüre<br />

welche frei von Loch-Ness-Amphibien<br />

ist. Dafür voll von Geschichten<br />

die den Blick nicht<br />

verschleiern. Dies sollte dem<br />

g’spritzten Most vorbehalten<br />

sein, der Ihren Restsommer<br />

freundlich begleiten möge,<br />

meint<br />

Ihre Café <strong>KPÖ</strong> Redaktion.<br />

Die Gefängnisse hierzulande sind<br />

überfüllt, heißt es in einer Aussendung<br />

der Justizministerin. Nicht etwa, weil dubiose<br />

Vereinigungen, wie der<br />

Freundeskreis des ehemaligen Finanzministers<br />

Grasser dingfest gemacht worden<br />

wären, oder weil man Haiders<br />

Seilschaften in Politik und Big Business<br />

habhaft geworden wäre, nicht etwa weil<br />

man den aristokratischen Waffenschieber<br />

und Ministerinnengatten Alfons<br />

Mensdorff-Pouilly, samt dessen Clique<br />

dorthin verbracht hätte, wo er schon<br />

längst sitzen müsste. Über diese breitet<br />

die österreichische Justiz nach wie vor<br />

schützend ihren Mantel aus. Die<br />

Verfahren und die Ermittlungen füllen<br />

zwar die Seiten diverser Blut-und-Blech-<br />

Gazetten, herausgekommen ist aber noch<br />

nie etwas.<br />

Obwohl Strafgefangene in der Regel<br />

früher auf Bewährung entlassen werden,<br />

ist die Zahl der Gefangenen gestiegen.<br />

Und sie wird laut der Prognose von<br />

KriminalsoziologInnen weiterhin steigen.<br />

Cartoon: Baluba<br />

Rado Prostackis Medienambulanz<br />

Es wird munter verurteilt und<br />

eingesperrt. Es sind vermutlich die so genannten<br />

Kleinkriminellen, jene die nicht<br />

in die Zuständigkeit des Justiz-Ressorts<br />

fallen sollten, sondern in die des Sozial-<br />

Ressorts. Die beiden dafür zuständigen<br />

Ministerinnen Fekter und Bandion-Ortner<br />

machen jedoch kein Hehl daraus, dass sie<br />

gewillt sind, mit eisernem Besen zu<br />

kehren. Da für sie längst nicht mehr die<br />

Resozialisierung von kriminell<br />

Gewordenen das Ziel ist, sondern pure<br />

Rache und Abschreckung.<br />

Überfüllte Gefängnisse erzählen jedoch<br />

nicht nur über die Justiz eines Landes, sie<br />

erzählen vielmehr über die Gesellschaft,<br />

in der wir leben. Laut Human Rights<br />

Watch gibt es in Österreich 105 Gefangene<br />

pro 100.000 Einwohner. Österreich liegt<br />

damit knapp hinter China mit 119. Hier<br />

befindet sich Österreich in guter<br />

Gesellschaft. Wenn die Bedeutung des<br />

Einsperrens als Machttechnik zunimmt,<br />

die Gefängnisse überfüllt sind, wird bald<br />

die Gesellschaft zum Gefängnis.


Schuften<br />

für Merkel<br />

Seite 3<br />

Lutz Holzinger über Sparpakete, Lohnbremsen und Sparparolen.<br />

Zur Rettung des Euro wurde allen<br />

Mitgliedstaaten der Europäischen Union<br />

ein strikter Sparkurs verordnet. Als Drahtzieher<br />

fungiert die deutsche Bundesregierung<br />

im Interesse ihrer Exportwirtschaft.<br />

Die Schieflage der Finanzmärkte, die sich<br />

in einer weltweiten Krise bemerkbar<br />

gemacht hat, ist im Wesentlichen auf die<br />

Überakkumulation von Kapital<br />

zurückzuführen, das nicht mehr produktiv<br />

angelegt werden kann. In der Folge ist<br />

eine massive Abwertung von Finanztiteln<br />

über die Bühne gegangen, die vor allem<br />

Pensionsfonds und besser gestellte<br />

Pensionisten zu spüren bekommen haben,<br />

die in Lebensversicherungen und<br />

Privatpensionen investiert hatten. Die Reichen<br />

und Superreichen sind bereits<br />

wieder hoch weiß, wie diverse<br />

Untersuchungen bestätigen.<br />

Nicht aus dem Schneider ist die<br />

europäische Währung. Sie überspannt ein<br />

Netz von Volkswirtschaften, die sich<br />

höchst ungleichmäßig und ungleichzeitig<br />

entwickeln. Die gemeinsame Währung verhindert,<br />

dass durch An- und Aufwertungsprozesse<br />

der nationalen Währungen die<br />

unterschiedliche Produktivität der einzelnen<br />

Volkswirtschaften ausgeglichen wird.<br />

Der Euro gleicht daher einem<br />

Druckkochtopf, der von einer rabiaten<br />

Senkung der deutschen Lohnstückkosten<br />

(durch Lohnbremse und Produktivitätsdruck)<br />

angeheizt wird und niederkonkurrierte<br />

„Partner“ wie Griechenland, Italien<br />

oder Spanien weich kocht. Damit die<br />

ganze Gemeinschaft nicht aus dem Sicherheitsventil<br />

spritzt, wird ein beliebtes<br />

neoliberales Instrument bemüht: Sparen<br />

auf Kosten der Werktätigen und PensionistInnen.<br />

In der herrschenden Lage wäre es<br />

volkswirtschaftlich ratsam, die<br />

Staatsausgaben zu steigern, um die<br />

Wirtschaft anzukurbeln und die Steuereinnahmen<br />

zu erhöhen. Darüber hinaus gilt<br />

es, die überbordenden Profite durch<br />

höhere Löhne und kürzere Arbeitszeit zu<br />

bekämpfen. Mit dem rabiaten Sparkurs in<br />

der EU, der auch in Österreich nach den<br />

Landtagswahlen in der Steiermark und<br />

Wien droht, wird lediglich den Interessen<br />

der deutschen Wirtschaft entsprochen,<br />

ihre Stellung am Weltmarkt weiter zu verbessern.<br />

Die Deutschen haben es wieder<br />

einmal – diesmal unter friedlichen Bedingungen<br />

– geschafft, ganz Europa für sich<br />

schuften zu lassen. Frau Merkel sei Dank!<br />

Die<br />

Friedl<br />

Perlketterl-Emanze<br />

Es geht die Mär um, Frauen<br />

wären – auch in der Politik –<br />

die Netteren, Umgänglicheren.<br />

Gut, sie haben über Jahrtausende<br />

trotz Unterdrückung<br />

die Menschheit bis in die<br />

Gegenwart herübergerettet,<br />

lernten dabei auch, sich der<br />

jeweiligen Lage möglichst gut<br />

anzupassen. Das mussten sie<br />

auch. Und taten sie es mal<br />

nicht, dann gab es keine Gnade:<br />

weder von Gott, noch vom<br />

Vaterland. Also versuchten die<br />

meisten von ihnen, der jeweils<br />

geforderten Rolle innerhalb<br />

des Patriarchats gerecht zu<br />

werden. Das tun viele noch bis<br />

heute. Weibliche Sozialisation<br />

nennt man das.<br />

Auch Maria Fekter unterzog<br />

sich ihr: brav, angepasst,<br />

konservativ, zielstrebig. Als<br />

„Musterschülerin“ will sie<br />

noch „besser“ als ihre männlichen<br />

Kollegen sein. Zum Dank<br />

gaben ihr die Herren sogar das<br />

Innenministerium. Und sie<br />

lässt dafür nun die Sau raus,<br />

dass es sogar manch einem<br />

Parteifreund zu viel wird: ein<br />

Abgrund an Hartherzigkeit,<br />

Sturheit und Arroganz tut sich<br />

bei ihr auf, den man landläufig<br />

bereits „Fekterismus“ nennt.<br />

Die Frau ist auch noch stolz<br />

darauf. Und hat deshalb von<br />

wirklicher Emanzipation rein<br />

gar nichts begriffen. Genauso<br />

wenig wie von Rehaugen und<br />

Frauensolidarität.


Seite 4<br />

Abschiebeland<br />

Österreich<br />

Skizzen zur hiesigen Migrationspolitik. Von Leo Furtlehner<br />

Radikal<br />

links?<br />

Als die Finanzkrise am Kochen<br />

war sprach sich der<br />

mittlerweile auf einen hochdotierten<br />

Job bei der Linz AG abgewanderte<br />

SPÖ-Chef Erich<br />

Haider bei einer<br />

Filmvorführung von „Let´s<br />

make Money“ ganz radikal für<br />

einen Systemwechsel aus. Das<br />

ist nicht ungewöhnlich: Wenn<br />

ihnen die kapitalistische<br />

Scheiße bis zum Hals steht,<br />

werden sogar führende Sozialdemokraten<br />

radikal –<br />

zumindest in Worten.<br />

Die Performance der<br />

Kanzlerpartei überzeugt nicht,<br />

der Frust an der Basis wächst,<br />

es wird gezielt gegengesteuert.<br />

Da sprießen die Initiativen nur<br />

so aus dem Boden. Angefangen<br />

von der trotzkistischen Funke-<br />

Gruppe über die „Denkfabrik“<br />

der SJ bis zur „SPÖ-Linken“<br />

und dem Ackerl-Projekt „Morgenrot“<br />

reicht das Angebot.<br />

Über Faymann & Co. angefressene<br />

SP-Mitglieder und WählerInnen<br />

haben reichlich<br />

Auswahl.<br />

Die Situation ist freilich fatal:<br />

Da hat es die SPÖ durch<br />

gezielte Entpolitisierung<br />

geschafft, frustrierte<br />

WählerInnen systematisch zu<br />

Strache & Co. zu vertreiben.<br />

Damit sie nicht nach links zur<br />

<strong>KPÖ</strong> wandern, hat man<br />

schließlich durch strikte<br />

Abgrenzung Marke „Eisenstädter<br />

Erklärung“ vorgesorgt.<br />

Dazu dienen solche Projekte.<br />

Gewisse SPÖ-Kreise reduzieren das Elend<br />

der österreichischen Asyl- und Migrationspolitik<br />

auf die Innenministerin und<br />

verschleiern die Mitverantwortung für<br />

jene Gesetze, auf welche sich Fekter<br />

stützt. „Maria ohne Gnaden“ hat ihre VorgängerInnen<br />

punkto Härte jedoch locker<br />

getopt. Jüngst etwa mit der von der SPÖ<br />

beklatschten Ankündigung die Fremdenpolizei<br />

aufzustocken. Durch verschärfte Kontrollen<br />

will die Regierung 17,5 Millionen<br />

Euro auf Kosten der Asylbetreuung zur<br />

Budgetsanierung einsparen.<br />

Schon jetzt kontrolliert die Sozialabteilung<br />

die Asyleinrichtungen auf Missbrauch –<br />

begleitet von uniformierter<br />

Fremdenpolizei, die bei Verdacht AsylwerberInnen<br />

in die Schubhaft überstellt. Manche<br />

Kontrollen erfolgen unter Missachtung<br />

des auch Flüchtlingen zustehenden Privatlebens<br />

zu nächtlicher Zeit – für Menschen<br />

die nicht aus Jux und Tollerei geflohen<br />

sind traumatisierend und an unselige Zeiten<br />

erinnernd. BetreuerInnen werden<br />

ebensowenig informiert wie<br />

DolmetscherInnen beigezogen.<br />

Als Spitzelsystem werden Hausbesorger<br />

oder Nachbarn befragt, ob Flüchtlinge „irgendwelche<br />

Geräte“ eingekauft haben<br />

oder einer (illegalen) Arbeit nachgehen.<br />

Mit anonymen Anrufen wird aus<br />

Polizeikreisen provoziert. Asylwerber werden<br />

als kriminell erklärt.<br />

De facto können Asylwerberinnen keine<br />

legale Arbeit aufnehmen. Daher sind sie<br />

auf die geringe und seit 2004 nicht mehr<br />

valorisierte Grundversorgung, also Unterkunft<br />

und Essen, angewiesen und zur<br />

Untätigkeit verdammt. Um das zu<br />

verschleiern werden vor allem aus dem<br />

FPÖ-Umfeld Phantasiezahlen über das „Luxusleben“<br />

von AsylwerberInnen<br />

verbreitet. „Flucht ist kein Verbrechen“ ist<br />

für diese Regierung ein Fremdwort. Für<br />

sie ist Österreich ein Abschiebeland. Mit<br />

der „Selbstabschiebung“ der gut integrierten<br />

Zogajs wurde das einmal mehr demonstriert.<br />

„Recht muss Recht bleiben“, so die<br />

Doktrin von Faymann & Pröll – aber nur<br />

wenn es um AsylwerberInnen geht.<br />

Paradox, wenn sich gleichzeitig Wirtschaft<br />

und Außenminister für mehr Zuzug stark<br />

machen. Zur Bekräftigung wurden den<br />

Asylvereinen der Zugang zur Schubhaft<br />

und die Mittel für die Rechtsberatung<br />

gestrichen. Rechtsanwälte und NGOs sind<br />

Feindbild der Regierung. Die Schubhaftbetreuung<br />

wurde einem Verein übertragen,<br />

der sich irreführend „Menschenrechte<br />

Österreich“ nennt und dessen Spezialität<br />

es ist, Flüchtlinge zur Heimkehr zu<br />

bewegen.


Ein Land<br />

Seite 5<br />

namens Afrika<br />

Interview mit der Mitarbeiterin der Afrika VernetzungsPlattform Monique Muhayimana. von Michael Schmida.<br />

Mit der Initiative „Ke Nako Afrika –<br />

Afrika jetzt!“ sollte ein positives und<br />

differenziertes Bild über den<br />

Nachbarkontinent gegeben werden. Du<br />

hast aktiv bei „Ke Nako“ mitgearbeitet.<br />

Wie ist dein Resümee?<br />

Insgesamt fand ich es sehr schön, da viele<br />

AfrikanerInnen die hier leben mitgemacht<br />

haben und sich präsentiert haben. Wir<br />

haben sicher vom Interesse rund um die<br />

Fußball-WM in Südafrika profitiert und<br />

haben ein anderes, auch positives Bild<br />

von Afrika vermitteln können. „Ke Nako“<br />

war der Versuch detaillierte<br />

Informationen über den Kontinent Afrika<br />

zu geben. Viele glauben ja noch immer<br />

Afrika ist ein Land. Was ich persönlich<br />

gut und gelungen fand, waren unsere<br />

Informations-Workshops an<br />

verschiedenen Schulen in Linz. Dabei<br />

konnten wir feststellen, dass die Kinder<br />

zwar wenig Vorurteile, aber auch wenig<br />

Informationen über Afrika haben.<br />

Insgesamt redet man hier – auch<br />

aufgrund der Berichterstattung in den<br />

Medien - leider nur über die Probleme,<br />

die der Kontinent hat.<br />

Reden wir über die Gründe warum<br />

Menschen den Kontinent verlassen. Wie<br />

ist die Situation beispielsweise in<br />

deinem Herkunftsland Ruanda?<br />

Ruanda ist ein sehr kleines Land,<br />

ungefähr so groß wie Niederösterreich,<br />

von der Bevölkerung aber so groß wie<br />

Österreich. Ruanda war lange Zeit ein stabiles<br />

Land mit wenig Migration nach<br />

Europa. Dann kam der Krieg und<br />

Völkermord in den neunziger Jahren. Viele<br />

flohen daraufhin aus Ruanda. Ich bin<br />

dann hier in Österreich gelandet. Viele<br />

möchten natürlich nach Europa und nicht<br />

in ein anderes afrikanisches Land, denn<br />

in den Nachbarländern gibt es keine<br />

Arbeit, dafür aber eine korrupte<br />

Wirtschaft, ungerechte Verteilung von<br />

Reichtum und keine Demokratie oder nur<br />

eine schwache Demokratie. Und natürlich<br />

darf man nicht vergessen, dass noch<br />

immer die ehemaligen Kolonialmächte im<br />

Hintergrund stehen und korrupte<br />

Machthaber unterstützen weil sie auch Interessen<br />

in Afrika verfolgen.<br />

Der Neoliberalismus als globale Erscheinung<br />

trifft im besonderen Afrika. Wie<br />

schauen die konkreten<br />

Auswirkungen aus?<br />

Viele Länder sind davon<br />

betroffen. Nehmen wir nur die<br />

Landwirtschaft. Die lokalen<br />

Bauern können im<br />

internationalen Wettbewerb<br />

nicht bestehen. In Ruanda bekommt<br />

man beispielsweise<br />

Textilien wie T-Shirts aus China<br />

zu niedrigeren Preisen, wie<br />

lokal produzierte. Und dann<br />

sind da noch größere<br />

Industriestandorte in manchen<br />

Ländern. Hier sind es aber<br />

nicht die Einheimischen die<br />

das Geld verdienen, sondern<br />

die Investoren aus dem<br />

Ausland.<br />

Entwicklungshilfe oder<br />

neuerdings schöner als<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

bezeichnet steht in der<br />

Kritik. Nicht zuletzt, da der<br />

Nutzen für die Bevölkerung<br />

nicht immer gegeben ist. Wie<br />

siehst du das?<br />

Es gibt sicher Projekte die den<br />

Leuten geholfen haben. Aber<br />

ich würde diese Projekte auf<br />

nur 20 Prozent schätzen. Die<br />

meisten sind jedoch<br />

Großprojekte, ohne Nutzen für<br />

die Bevölkerung. Als ich noch<br />

in Afrika war, haben wir<br />

versucht über Mikrokredite<br />

eine andere Strategie zu<br />

verfolgen. Der Einfluss von<br />

Außen etwa aus Europa war<br />

dabei eher gering. Natürlich<br />

hat man auch bei kleinen Projekten<br />

mit Korruption zu tun,<br />

aber in einem ganz anderen<br />

Ausmaß. Und schließlich ging<br />

es bei unseren Projekten<br />

immer auch um eine Stärkung<br />

der Frauen.


Seite 6<br />

Föderaler<br />

Unsinn<br />

Neun hochbezahlte Landtage<br />

beschließen neun<br />

verschiedene Bauordnungen,<br />

Jugendschutz- und Hundehaltungsgesetze<br />

und ähnliches<br />

mehr. Wer mit dem Hund von<br />

Ennsdorf nach Enns spaziert<br />

oder dort als Jugendlicher<br />

abends in die Disko geht muss<br />

sich auf eine andere Gesetzeslage<br />

einstellen.<br />

Seit dem EU-Beitritt 1995 sind<br />

gut 80 Prozent der Kompetenzen<br />

nach Brüssel gewandert.<br />

Wurde damit schon die<br />

Kompetenz des Parlaments<br />

massiv ausgehöhlt, so ist die<br />

föderale Gesetzgeberei zum<br />

kompletten Unsinn<br />

verkommen. Faktisch stellen<br />

die neun Landtage und Landesregierungen<br />

eigentlich nur<br />

mehr einen milliardenschweren<br />

Apparat zur Machtsicherung<br />

für die dominanten<br />

Parteien dar. Die Länder<br />

verblasen heuer 124,5<br />

Millionen Euro Parteienfinanzierung,<br />

da schaut der<br />

Bund mit 46,7 Millionen Euro<br />

fast bescheiden aus.<br />

Während die Politik auf nationaler<br />

Ebene ausgehöhlt und<br />

auf kommunaler Ebene<br />

finanziell ausgetrocknet wird<br />

genieren sich die<br />

Landesfürsten und ihre<br />

Lakaien nicht, noch mehr<br />

Macht für ihre Konservierungsund<br />

Blockadepolitik zu verlangen.<br />

Hier zeigt sich das negative<br />

historische Erbe des Feudalismus.<br />

Höchste Zeit, die<br />

Landespolitik auf den ihr<br />

zustehenden Platz als bloße<br />

Verwaltungsebene<br />

zurechtzustutzen.<br />

Inhaltliche<br />

Zensur?<br />

Interview mit dem KUPF-Geschäftsführer Stefan Haslinger. Von Alois Franz.<br />

Die FPÖ motzt gewohnheitsmäßig gegen<br />

Projekte des KUPF-Innovationstopfs,<br />

der Kulturreferent verweigert prompt<br />

die Finanzierung zweier Projekte. Was<br />

ist geschehen?<br />

Das vorweg Interessante an der Causa ist,<br />

dass die FPÖ in den letzten Jahren das<br />

gewohnheitsmäßige Gemotze (fast) nicht<br />

praktiziert hat, sondern sich in Kunstund<br />

Kulturbelangen äußerst ruhig<br />

verhielt. War die Kulturarbeit vielleicht<br />

zu wenig politisch? Der Kausalzusammenhang<br />

zwischen Gemotze der FPÖ und der<br />

Verweigerung der Förderung kann<br />

gesehen werden, „Beweise“ dafür gibt es<br />

keine. Aber die politische Dimension der<br />

ganzen Sache ist unverkennbar. Nicht<br />

nur, weil es zwei politische Kulturprojekte<br />

sind, denen die Förderung verweigert<br />

wird, sondern weil ohne inhaltliche<br />

Begründung von Seiten des Landes die<br />

Förderung nicht zuerkannt wird.<br />

Ist diese Form von inhaltlicher Zensur<br />

eine neue Qualität oder Business as<br />

usual?<br />

Wenn es sich um inhaltliche Zensur<br />

handeln sollte (wer mag hier den Beweis<br />

erbringen), dann ist das eine neue<br />

Qualität. Selbst in den Zeiten des „Kulturkampfes“<br />

in <strong>Oberösterreich</strong>, als eine wild<br />

gewordene FPÖ gegen jede Form<br />

zeitgenössischer Kunst- und Kulturarbeit<br />

Sturm lief, gab es von Landesseite<br />

einigermaßen Rückendeckung.<br />

Ist dieser Akt des Landes die<br />

Ankündigung einer härteren Gangart<br />

gegenüber der freien Szene. Stichwort<br />

Sparprogramme?<br />

Über die Zukunft des KUPF<br />

Innovationstopfs zu spekulieren ist noch<br />

zu früh. Allerdings wurde der KUPF schon<br />

im April angekündigt, dass eine Dotierung<br />

dieses Topfes als nicht gesichert<br />

angenommen werden muss. Ob sich die<br />

„härtere Gangart“ nur auf die Freie Szene<br />

beziehen wird, bleibt zu beobachten.<br />

Wenn es zu Einsparungen kommt (wovon<br />

leider auszugehen ist), dann müssen diese<br />

aliquot auf alle Bereiche aufgeteilt<br />

werden, bzw. muss es zu einer<br />

Umverteilung kommen.<br />

Hat die KUPF, die den Innovationstopf<br />

kuratiert hat, nun ein Glaubwürdigkeitsproblem<br />

bei ihren Mitgliedern?<br />

Die KUPF hätte ein Glaubwürdigkeitsproblem,<br />

wenn sie die Sache stillschweigend<br />

hinnehmen würde. Das tut sie nicht, sondern<br />

hat eine Kampagne gestartet<br />

(http://www.zumutungen.at) um den Sachverhalt<br />

öffentlich zu thematisieren. Es ist<br />

Aufgabe der KUPF als<br />

Interessensvertretung im Namen unserer<br />

Mitglieder Tendenzen und Bedrohungen<br />

schnell aufzuzeigen, auch um zu<br />

verhindern, dass solche Beispiele Schule<br />

machen.


Der Fall<br />

Ebensee<br />

Seite 7<br />

Neonazistische Umtriebe nächst der KZ-Gedenkstätte Ebensee. Von Wolfgang Quatember.<br />

Ein Jahr nach dem Anschlag auf die<br />

Gedenkfeier im ehemaligen KZ Ebensee<br />

wurden vier Jugendliche wegen Verstoß<br />

gegen das Verbotsgesetz angeklagt. Mit<br />

„Heil Hitler“, „Sieg Heil, ihr Schweine“,<br />

Tarnanzug und Schüssen aus Softguns und<br />

einer CO2- Pistole provozierten sie<br />

Besucher. Die jugendlichen Ebenseer<br />

begingen einen bisher unbekannten Tabubruch.<br />

KZ-Gedenkstätten waren bereits<br />

mehrfach Ziele von (Brand)- Anschlägen.<br />

Die Täter agierten zumeist nachts und<br />

anonym. Zum ersten Mal jedoch wurden,<br />

wenn auch vermummt, offen Besucher<br />

einer Gedenkfeier angegriffen.<br />

Seit Jahren ist Jürgen Windhofer mit Aktivitäten<br />

im „Kampfverband Oberdonau“<br />

polizeibekannt und vorbestraft. Seine<br />

Rolle im Klub „Objekt 21“ in Desselbrunn<br />

dürfte seine Verurteilung beschleunigt haben.<br />

Jahrelang auf freiem Fuß konnte er<br />

über Ebensee hinaus seine Kontakte pflegen.<br />

Inwieweit ein Zusammenhang zur<br />

Störung der Gedenkfeier besteht, ist nicht<br />

bekannt.<br />

Manche betrieben Tatumkehr: Aus den<br />

Opfern des Anschlages und den Organisatoren<br />

der Gedenkfeier wurden plötzlich<br />

die Provokateure. Forderungen, endlich<br />

die „nicht mehr zeitgemäßen“ Gedenkfeiern<br />

zu beenden, wurden laut. Eine<br />

Ebenseer Berufsschullehrerin forderte:<br />

„Schluss mit der dauernden Erinnerung…<br />

Schluss mit dem ständigen schlechten Gewissen,<br />

Schluss mit der ganzen Hetzerei<br />

und Wiedergutmachung… Sperrt die Stollen<br />

zu und lasst unsere Kinder frei. Es<br />

reicht.“ Als „Lausbubenstreich“ und mit<br />

„Atombomben auf Spatzen schießen“, verharmloste<br />

H.C. Strache den Anschlag. Ein<br />

Redakteur der „Salzburger Nachrichten“<br />

vermutete, dass die pädagogische Arbeit<br />

in der KZ-Gedenkstätte gescheitert sei.<br />

Besuche in KZ-Gedenkstätten bedeuten<br />

keine automatische Immunisierung gegen<br />

Rechtsextremismus. Kinder werden nicht<br />

als Rassisten geboren, sondern von<br />

Erwachsenen zu solchen gemacht. Wenn<br />

Jugendliche ab der 8. Schulstufe mit dem<br />

Thema “Nationalsozialismus“ konfrontiert<br />

werden, haben sie bereits fertige Bilder<br />

im Kopf, geprägt durch Unterhaltungsmedien<br />

und Familie. Rechtsextremismus ist<br />

kein jugendspezifisches Phänomen und<br />

keine Erscheinung von Randgruppen, er<br />

ist längst in der Mitte der Gesellschaft<br />

angekommen. Die Fokussierung alleine<br />

auf NS-Apologien durch die Medien nützt<br />

dem Kampf gegen den Rechtsextremismus<br />

kaum. Nur eine aktive Zuwanderungs- und<br />

Integrationspolitik begleitet von bildungs-<br />

politischen Maßnahmen, Sprachunterricht,<br />

Integration auf<br />

dem Arbeitsmarkt und zivilgesellschaftlichem<br />

Engagement<br />

kann die Lösung sein.<br />

Kaum ein anderer KZ-Standort<br />

hat sich so offensiv mit seiner<br />

Regionalgeschichte<br />

auseinandergesetzt.<br />

Offensichtlich machte gerade<br />

der starke Besuch der Gedenkstätte<br />

diese zum<br />

Anziehungspunkt für eine<br />

rechtsextreme Provokation.<br />

Vier Tatbeteiligte wohnen in<br />

der auf dem KZ-Lagergelände<br />

errichteten Siedlung oder sind<br />

dort aufgewachsen. Während<br />

in Mauthausen das Erinnern<br />

aus dem Ort weitgehend ferngehalten<br />

wurde, ist dies in<br />

Ebensee anders: „Wie können<br />

Leute hier wohnen“, ist eine<br />

häufig formulierte Frage. Manche<br />

Bewohner fühlen sich in<br />

ihrer kleinbürgerlichen Idylle<br />

gestört und wollen „ihre Ruhe<br />

haben“.<br />

In diesem Milieu werden<br />

latenter Antisemitismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit<br />

gekoppelt mit der Ablehnung<br />

der Gedenkstättenbesucher<br />

verbal geäußert. Wozu Erwachsene<br />

nicht bereit sind, sind Jugendliche<br />

das viel eher. Das<br />

Ziel aller Beteiligten sollte es<br />

daher auf jeden Fall sein, aus<br />

den jugendlichen Tätern mündige<br />

und verantwortungsbewusste<br />

Menschen zu<br />

machen. Eine Entschuldigung<br />

und Konfrontation mit den<br />

Angegriffenen sowie<br />

Verantwortlichen in der<br />

Gedenkstätte scheint auf jeden<br />

Fall notwendig.


Poster<br />

Quelle: Comics gegen Rechts, Bertram Könighofer. Web: www.comicsgegenrechts.at


Seite 10<br />

Die Hetzer s<br />

Wohnbeihilfe<br />

gekürzt<br />

Als Vorgeschmack für einen sozialpolitischen<br />

Kahlschlag kritisiert<br />

die Landes-<strong>KPÖ</strong> die<br />

erfolgte Änderung bei der<br />

Gewährung der Wohnbeihilfe.<br />

Seit 1. Juli 2010 wird die Wohnbeihilfe<br />

bei Neuanträgen nur<br />

mehr ab Antragsdatum<br />

gewährt, die bislang übliche<br />

rückwirkende Gewährung für<br />

sechs Monate wurde komplett<br />

gestrichen. Nur bei Folgeanträgen<br />

wird heuer die Beihilfe<br />

noch rückwirkend bis sechs<br />

Monate ausbezahlt, ab 2011 nur<br />

mehr rückwirkend für drei<br />

Monate.<br />

Es ist bezeichnend für den<br />

schlechten politischen Stil von<br />

Wohnbaulandesrat Manfred<br />

Haimbuchner (FPÖ) wie auch<br />

Finanzreferent LH Josef<br />

Pühringer (ÖVP), dass diese<br />

Änderungen offenbar ohne Information<br />

nach außen lediglich<br />

durch die Information im<br />

Internet erfolgte. Laut<br />

Wohnplattform wurde diese<br />

schleichende Änderung von der<br />

Abteilung Wohnbeihilfe<br />

bestätigt und auch der Verband<br />

der Gemeinnützigen, die GWG<br />

Linz und die WAG waren nicht<br />

informiert. Auch dort waren<br />

entsprechende Unterlagen und<br />

Informationen nicht mehr<br />

aktuell.<br />

Betroffen von dieser<br />

Verschlechterung sind einmal<br />

mehr Haushalte mit geringem<br />

Einkommen und Menschen in<br />

prekären Situationen durch<br />

Arbeitsverlust, Krankheit und<br />

dergleichen.<br />

Thomas Schmiedinger über islamistische Mobilisierung, zweifelhafte Allianzen u<br />

Nach der Erstürmung der Mavi Marmara<br />

durch die israelische Armee kam es in<br />

ganz Europa zu politischen<br />

Mobilisierungen türkischer NationalistInnen<br />

und Anhängern des politischen Islam<br />

und verstärkten Übergriffen auf Jüdinnen<br />

und Juden.<br />

„Wach auf Hitler“<br />

Auch in Wien kam es bisher zu zwei<br />

großen Demonstrationen auf denen offen<br />

antisemitische Plakate getragen wurden.<br />

Von der ersten relativ spontanen Demonstration<br />

am 1. Juni, wurde ein Video angefertigt,<br />

in der ein Plakat mit der<br />

Aufschrift „Wach auf Hitler“ zu sehen<br />

war. Fahnen der Hizbollah wurden auf<br />

beiden Demonstrationen mitgeführt. Die<br />

Demonstration vom 4. Juni, wurde von einem<br />

breiten Bündnis an Gruppierungen<br />

aus dem Spektrum des politischen Islam,<br />

des türkischen Rechtsextremismus und einiger<br />

Gruppen aus der<br />

antiimperialistischen Linken getragen. Die<br />

auf der Demonstration getragenen Symbole<br />

weisen darauf hin, dass türkische<br />

NationalistInnen aus dem Umfeld der beiden<br />

rechtsextremen Parteien Milliyetçi<br />

Hareket Partisi (MHP, Partei der Nationalistischen<br />

Bewegung) und der Büyük Birlik<br />

Partisi (BBP, Partei der Großen Einheit)<br />

und AnhängerInnen der Islamischen<br />

Gemeinschaft Milli Görüs, die in<br />

Österreich unter dem Namen „Islamische<br />

Föderation“ auftritt, den Großteil der<br />

DemonstrantInnen stellten.<br />

In trauter Einigkeit<br />

Unter den AufruferInnen zur Demonstration<br />

befanden sich aber auch<br />

Vorfeldorganisationen der Hamas, der Fatah,<br />

der türkischen Regierungspartei AKP,<br />

die Jugendorganisation der Islamischen<br />

Glaubensgemeinschaft (MJÖ), irakische<br />

und syrische Baathisten. Zwar hatten auch<br />

einige kleine Gruppen aus der<br />

antiimperialistischen Linken, wie die<br />

Linkswende oder die Kommunistische Initiative,<br />

mit zur Demonstration<br />

aufgerufen; allerdings war die Demonstration<br />

selbst so stark von türkischen<br />

Rechtsextremisten – überwiegend jungen<br />

Männern – geprägt, dass sogar einige der<br />

linken DemonstrationsteilnehmerInnen<br />

später Kritik an der Demonstration übten.<br />

Raketenwerfer auf Transparenten<br />

Ein Mitglied der Linkswende beteuerte in<br />

der Internetplattform Facebook, dass sie<br />

nicht gewusst hätten, dass die Demonstration<br />

„dermaßen viele Nationalisten anziehen<br />

würde“ und in der Gruppe „bereits<br />

darüber diskutiert“ würde. Jene, die dies<br />

so sahen, setzten sich aber offenbar nicht<br />

durch. Immerhin konterte die Linkswende<br />

auf die Pressekonferenz der Israelitischen<br />

Kultusgemeinde (IKG): „Muzicant,<br />

Fastenbauer und Schmidinger diffamieren<br />

jeden Protest gegen Israel als<br />

antisemitisch. Sie versuchen den Schaden<br />

für Israel zu begrenzen.“ Öffentliche<br />

Kritik wurde hingegen von einigen linken<br />

DemonstrationsteilnehmerInnen auf der<br />

linksradikalen Internetplattform „Indymedia“<br />

geübt. Hier schilderten einige


fühlen<br />

ich verfolgt<br />

Seite 11<br />

d sozialdemokratische Ignoranz.<br />

TeilnehmerInnen, dass sie mit den Zielen<br />

der Demonstration solidarisch waren und<br />

deshalb daran teilgenommen hätten,<br />

allerdings „(…)nur sehr wenige (ich habe<br />

vier gesehen) Banner entsprachen dem,<br />

was ich selber mittragen würde. Andere<br />

zeigten offenen Antisemitismus oder<br />

Raketenwerfer, es wurde gegen die<br />

gesamte israelische Bevölkerung gehetzt.“<br />

„Rechtschaffene Menschen“<br />

Weniger einsichtig zeigte sich hingegen<br />

SPÖ-Gemeinderat Al Rawi. Die Kritik der<br />

Israelitischen Kultusgemeinde, die über<br />

verbale und physische Übergriffe auf Jüdinnen<br />

und Juden im Zusammenhang mit<br />

den Protesten berichteten, wies die<br />

offizielle Islamische Glaubensgemeinschaft<br />

mit der Drohung zurück, die<br />

IKG solle nicht das „gesellschaftliche Klima<br />

gegenseitigen Respekts und Akzeptanz<br />

aufs Spiel zu setzen, indem<br />

rechtschaffene Menschen, aufrechte Antifaschisten<br />

und Gegner jeglicher Art von<br />

Diskriminierung als Hetzer ins Eck“ stelle.<br />

Al Rawi selbst äußerte mehrfach, dass er<br />

sich durch eine „hetzerische Politik“ der<br />

IKG verfolgt fühle. Der Hetzer fühlt sich<br />

gehetzt und inszeniert sich als Opfer<br />

einer Kampagne gegen seine Person.<br />

Stimmen aus der Moschee?<br />

Auch Parteiaustritte bekannter jüdischer<br />

Funktionäre der SPÖ konnten bisher<br />

allerdings noch keinen einzigen<br />

prominenten Politiker dazu bringen, sich<br />

öffentlich gegen die Aussagen Al Rawis zu<br />

stellen oder gar dessen Rücktritt zu<br />

verlangen. Die Wiener SPÖ scheint auch<br />

um den Preis des interreligiösen Friedens<br />

unbedingt auf die Wählerstimmen zu<br />

schielen die Al Rawi (vermeintlich?) aus<br />

den Moscheen bringen soll. Ernst Meir<br />

Stern, ein langjähriger Funktionär des<br />

Bunds sozialdemokratischer Juden machte<br />

sich in seinem Austrittsschreiben, das er<br />

im Juni jener Partei schickte, der er als<br />

Sohn eines jüdischen Schutzbündlers seit<br />

den 1970er-Jahren angehörte, keine<br />

Illusionen: „Im Bewusstsein, damit nicht<br />

allein dazustehen, sage ich Ihnen, dass<br />

sie vielleicht, als kleineres Übel bei künftigen<br />

Wahlen noch jüdische Stimmen<br />

bekommen werden. Doch deren Herzen<br />

hat die SPÖ längst verloren. Aber was<br />

zählen schon ein paar tausend Juden<br />

gegen hunderttausende Moslems in Österreich…“<br />

Ganze Gruppe in Geiselhaft<br />

Stern mag damit gut die Kalkulationen<br />

der SP-Parteispitze beschrieben haben. In<br />

der Realität werden Al Rawi und die islamischen<br />

Verbände jedoch bei weitem<br />

nicht von hunderttausenden Muslimen<br />

unterstützt. Die überwiegende Mehrheit<br />

der Muslime in Österreich ist weder in<br />

der offiziellen Islamischen<br />

Glaubensgemeinschaft, noch bei Milli<br />

Görüs oder einem anderen reaktionären<br />

Verband organisiert. Für diese schweigende<br />

Mehrheit ist es oft genauso ärgerlich<br />

von diesen Gruppen in Geiselhaft genommen<br />

zu werden, wie pauschalen Angriffen<br />

gegen den Islam ausgesetzt zu sein.<br />

Ein Orden für<br />

Heller<br />

Das österreichische<br />

Ehrenkreuz für Wissenschaft<br />

und Kunst ist eine<br />

Auszeichnung der Republik,<br />

welches Personen verliehen<br />

wird, welche „sich durch anerkennenswerte<br />

Leistungen Verdienste<br />

erworben haben“. Es<br />

wird vom Präsidenten auf<br />

Vorschlag der jeweiligen<br />

MinisterInnen verliehen.<br />

Solche Verdienste haben sich<br />

nach Claudia Schmieds<br />

Dafürhalten die Intendanten<br />

von Linz 09 Martin Heller und<br />

Ulrich Fuchs erworben. Anfang<br />

September wird beiden diese<br />

Auszeichnung im Linzer<br />

Rathaus verliehen. Um welche<br />

Verdienste es sich dabei genau<br />

handelt ist der Einladung nicht<br />

zu entnehmen. Früher wurden<br />

solche Ehrenzeichen vor allem<br />

erfolgreichen Feldherren überreicht,<br />

welche siegreiche<br />

Schlachten geschlagen haben<br />

oder gar Kriege für das jeweilige<br />

Land gewonnen haben.<br />

In gewisser Weise haben<br />

Heller und Fuchs auch eine<br />

Schlacht geschlagen. Vor allem<br />

gegen die Freie Kunst- und<br />

Kulturszene. Eine Schlacht, die<br />

zum Ziel hatte, die Kunst und<br />

die Kultur final dem Tourismus<br />

und dem Kommerz zu<br />

unterwerfen. Dafür mag den<br />

beiden ein Orden gebühren.<br />

Doch der Ausgang dieser<br />

Schlacht ist längst nicht<br />

entschieden. Da haben zum<br />

Glück jene noch ein Wörtchen<br />

mitzureden die sich damals<br />

gewehrt haben und es noch<br />

heute tun.


Seite 12<br />

Musikalische<br />

Brückenbauer<br />

Thomas Rammerstorfer über Böhse Onkelz, den guten Großvater und erregte Enkeln.<br />

Die extreme Rechte kann<br />

einem mitunter leid tun.<br />

Permanent will sie<br />

massentauglich sein; deshalb<br />

muss sie mal diesem, mal<br />

jenem Trend hinterherhecheln,<br />

muss tarnen und täuschen,<br />

verbergen und verändern. Sie<br />

muss sich bei jeder<br />

Gelegenheit selbst verleugnen<br />

können, aber trotzdem für<br />

ihre AnhängerInnen immer erkennbar<br />

bleiben. Sie muss der<br />

Jugend ein Sammelsurium aus<br />

Ängsten, Vorurteilen und Komplexen<br />

als neue, revolutionäre<br />

Idee verkaufen. Keine leichte<br />

Aufgabe, sollte man meinen.<br />

Und doch gelingt sie erstaunlich<br />

gut.<br />

Musik spielt eine zentrale Rolle.<br />

Adolf Hitler war einer der<br />

ersten Popstars, meinte David<br />

Bowie, und damit hatte er<br />

nicht ganz unrecht. Die<br />

Inszenierungen des Dritten<br />

Reiches waren – für ihren<br />

Zweck – perfekt. Gern nahmen<br />

auch spätere Popstars<br />

Anleihen z. B. an Leni<br />

Riefenstahl: Bowie eben,<br />

Queen (Video „Radio Gaga“)<br />

und schließlich Rammstein.<br />

Letztere waren mit den Böhsen<br />

Onkelz häufig Objekt<br />

antifaschistischer Kulturkritik,<br />

wobei die allzu oft gestellte<br />

Frage war, ob die Musiker nun<br />

Rechtsextreme wären oder<br />

nicht, eigentlich bedeutungslos<br />

ist. Denn ob die ewigen Buben<br />

von Rammstein und den<br />

Onkelz nun Anhänger der Lehren<br />

von Hitler, Stalin oder<br />

Yogi-Bär sind, ist irrelevant.<br />

Entscheidend ist, welche<br />

Ästhetik sie wieder salonfähig<br />

machten, wie sie die<br />

Hörgewohnheiten veränderten und ihre<br />

Funktion als musikalische Brückenbauer<br />

nach rechts: Fast jeder, der heute eindeutige<br />

Nazi-Bands wie Landser hört, hat mal<br />

mit den Onkelz angefangen.<br />

Oder noch viel harmloser: „I am from<br />

Austria“ von Reinhard Fendrich,<br />

mittlerweile sein wohl bekanntestes Lied:<br />

die Blut-und-Boden-Lyrik kommt an.<br />

Neben dem offiziellen Video tummeln sich<br />

davon mittlerweile von Fans<br />

selbstgebastelte mit patriotischen<br />

Motiven auf you tube - und oft auch mit<br />

rechtsextremen Kommentaren.<br />

Fendrich ist sicher kein Unmensch, er hat<br />

antirassistische Lieder geschrieben (z. B.<br />

„Brüder“ – leider ein kommerzieller Flop)<br />

und der FPÖ verboten, seinen Heimat-Hit<br />

im Wahlkampf 2005 einzusetzen. Für die<br />

rechten HörerInnen ist das bedeutungslos.<br />

Warum auch sollte man die diversen<br />

Distanzierungen von rechts - die<br />

glaubwürdigen von Fendrich, die unglaubwürdigen<br />

von Rammstein - allzu ernst<br />

nehmen, verleugnet man seine eigene<br />

Einstellung doch selbst täglich dreimal,<br />

bis der Hahn kräht? Bekennerunmut ist in<br />

diesem Millieu nicht verpönt, sondern<br />

Standard. Man muss also auch nicht reaktionär<br />

sein, um Reaktionäres zu<br />

verbreiten. Das Böse kommt oft in Gestalt<br />

des Dummen daher. In ihrem „Großvater“,<br />

an sich eine Ode an die Gewaltlosigkeit,<br />

schildern STS den braven Opa, der von<br />

seiner Teilnahme am Russlandfeldzug<br />

erzählt. Die Feindberührung mit „an<br />

Russn“ verlief aber friedlich: „Ihr habts<br />

eich gegenseitig a Tschick anboten“.<br />

Der saubere Wehrmachts-Großvater<br />

wurde – oder blieb - Teil des österreichischen<br />

kollektiven Geschichtsbildes, und<br />

ein anderer mutmaßlich sauberer Großvater<br />

zog ein paar Wochen nach Erscheinen<br />

der erbaulichen Single in die Hofburg ein:<br />

Kurt Waldheim. So einen netten Opa muss<br />

man einfach wählen. Die heimischen<br />

Rechtsextremen marschieren indes noch<br />

heute Jahr für Jahr beim neonazistischen<br />

Dresdner „Trauermarsch“ hinter einem<br />

enkelerregendem „Großvater, wir danken<br />

dir!“- Transparent mit. Welcher da genau<br />

gemeint ist? Keine Ahnung. Vermutlich<br />

aber nicht der Schnorrer von STS.


Finstere<br />

Zeugnisse<br />

Seite 13<br />

Edith Friedl über beleuchtete Glaskästen, Denkmalschutz und Abrissbirnen.<br />

„Auch Alt-Wien war einmal neu“, lästerte<br />

weiland Karl Kraus gegen engstirnige<br />

Konservierer alter Bausubstanz. Stimmt.<br />

Andererseits ist es aber genau das, was<br />

Menschen so fasziniert: nicht das Glatte<br />

und Sterile, sondern gelebte, erkennbare<br />

Patina gefällt und darüber hinaus ist es<br />

diese gute Mischung aus Chaos und<br />

Ordnung, die Scharen von Touristen<br />

anzieht. Altstädte bieten das, sogar in<br />

Linz: enge Gässchen, holpriges Pflaster,<br />

uralte Erker, romantische Winkel und<br />

überraschende Ausblicke. Kein Mensch<br />

käme auf die Idee, Linz wegen des neuen<br />

Bahnhofsviertels mit seinen gleißenden<br />

Hochhausfassaden zu besuchen, sondern<br />

die wahren Renner sind immer noch der<br />

Pöstlingberg mit der skurril-liebenswerten<br />

Grottenbahn, der barocke<br />

Hauptplatz und die anschließenden alten<br />

Stadtteile. Hier darf der Denkmalschutz<br />

durchaus schalten und walten, das verstehen<br />

alle. Sogar die Stadtpolitik.<br />

Komplizierter wird’s da schon, wenn es<br />

um Architektur geht, die so gar nicht den<br />

Klischee-Vorstellungen von Schützenswertem<br />

entspricht: Arbeitersiedlungen im<br />

Franckviertel etwa, in den 1920er Jahren<br />

von Kurt Kühne entworfen, das ehemalige<br />

Fischerdorf und „Arme-Leute-Viertel“ entlang<br />

der Donau in Urfahr, Fabrikbauten<br />

aus den Anfängen der Industrialisierung,<br />

die einzigartige Eisenbahnbrücke oder das<br />

Gasthaus „Zum goldenen Hirschen“, in<br />

dem 1891 die Linzer SPÖ gegründet wurde.<br />

Hier wird hauptsächlich von den „Sozis“<br />

im Linzer Rathaus immer wieder versucht,<br />

dem Denkmalschutz ein Schnippchen zu<br />

schlagen - zum Teil mit Erfolg.<br />

Kostengründe werden da halt angeführt,<br />

um die Abrissbirne gekonnt in Stellung zu<br />

bringen. Denkmalschutz hin oder her,<br />

man fackelt daher nicht mehr lang: Weg<br />

mit dem alten Proletenzeug, ein neues<br />

Image muss her – koste es, was es wolle!<br />

Denn unsere Stadt soll schöner, unsere<br />

Stadt soll moderner, unsere Stadt soll die<br />

Hochburg der bunt beleuchteten Glaskastln<br />

werden! Schlicht und einfach: voi geil.<br />

(Nur das „Nudlaug“ der Architektenkammer<br />

hat dabei nicht so recht<br />

mitgespielt. Was soll’s, Schwamm drüber,<br />

hat ja eh fast nix gekostet...)<br />

Wirklich kompliziert entwickelt sich allerdings<br />

die Sache mit den Nazi-Bauten. Von<br />

denen gibt’s viele in Hitlers Lieblingsstadt<br />

und viele tun sich mit ihnen<br />

schwer. Soll das alles<br />

konserviert werden? Und<br />

wenn ja, warum? Gut, man<br />

versteht, dass das KZ Mauthausen<br />

erhaltungswürdig ist. Bei<br />

den Stollen im KZ Gusen lässt<br />

das Interesse daran schon<br />

merklich nach. Und in Linz? In<br />

Linz will man, gegen den<br />

Willen des Denkmalamtes, nun<br />

schnellstens zumindest die<br />

Brückenkopfgebäude aus der<br />

NS-Ära umkrempeln und – erraten!<br />

– illuminierte<br />

Glaskästen von Architekt Adolf<br />

Krischanitz auf die Gebäude<br />

setzen. Der Denkmalschutz ist<br />

dagegen: „Einem Bau<br />

historische Bedeutung<br />

beizumessen, bedeutet keine<br />

moralische Wertung, sondern<br />

das schlichte Anerkennen der<br />

Tatsache seiner Zeugnisfähigkeit<br />

für eine bestimmte<br />

Epoche.“ Da ist was dran.<br />

Die Herrschaftsarchitektur<br />

früherer finsterer Zeiten - also<br />

Burgen, Schlösser oder Stifte -<br />

widerspiegeln diese<br />

Zeugnisfähigkeit ebenfalls,<br />

ohne dass jemand auf die Idee<br />

käme, sie infrage zu stellen.<br />

Warum also dann die<br />

Repräsentationsbauten der<br />

Nazis mit Sahnehäubchen aus<br />

Glas behübschen? Reicht es<br />

nicht, dass sie bereits in<br />

Anlehnung an die „Lichtdome“<br />

von Hitlers Lieblingsarchitekten<br />

Speer nächtens<br />

zum Strahlen gebracht<br />

werden? Trotzdem: einen<br />

Adolf auf einen Adolf-Bau zu<br />

setzen, das hat schon auch<br />

was. Aber müssen’s dann<br />

unbedingt wieder Leuchtkastln<br />

sein?


Seite 14<br />

Tipps &<br />

Termine<br />

Grillen gegen Rechts oder<br />

Reclaim the Beach.<br />

Sonntag, 29. August 2009,<br />

14 Uhr, Donaustrand Alturfahr<br />

West.<br />

Keine Party, vielmehr ein<br />

politisches Statement für die<br />

offene Zugänglichkeit des<br />

öffentlichen Raums. Mit Musik,<br />

Grillerei und ausreichend<br />

Getränken.<br />

Am Samstag, 4. und<br />

Sonntag, 5. September<br />

2010 findet das 64.<br />

Volksstimmefest auf der<br />

Jesuitenwiese im Wiener<br />

Prater statt.<br />

Solidorf, Initiativenstraße,<br />

Kultur- und Medienplatz'l,<br />

Sportfest, Lesung "Linkes<br />

Wort", Rote Galerie im<br />

Grünen, Kinderland und<br />

Kasperltheater, Stände mit einem<br />

vielfältigen Warenangebot<br />

von Büchern bis<br />

Kunsthandwerk, kulinarische<br />

Spezialitäten aus aller Welt<br />

und das Musik- und Kulturprogramm<br />

auf vier Bühnen erwarten<br />

die BesucherInnen.<br />

Ein Hund<br />

der Hund<br />

Vom Leben auf dem Lande. Von Doris Rögner.<br />

Haben Sie sich eigentlich schon einmal ein<br />

inneres Bild davon gemacht, wie so ein<br />

Leben auf dem Lande ausschaut? Heterosexuelles<br />

Paar mit Kindern, Haus mit<br />

Garten, zwei Autos, Hund. Klischee und<br />

Volltreffer in einem, gratuliere! In<br />

meinem Fall ist der Hund als letzter dazugekommen.<br />

Weil er einen Platz zum<br />

Bleiben suchte und wir ein Haus mit<br />

Garten haben. Weil Tiere gut für Kinder<br />

sind. Weil er zum Spazierengehen<br />

motiviert. Weil er ein angenehmer freundlicher<br />

Zeitgenosse ist, obwohl er aus dem<br />

Mund stinkt, wofür er aber nichts kann.<br />

Anfangs war er ein sehr ruhiger Hund, seit<br />

kurzem hat er aber die Angewohnheit, BesucherInnen<br />

und PassantInnen zu verbellen.<br />

Das geht uns ziemlich auf die Nerven.<br />

Nun ist mir aber etwas in die Hände gefallen,<br />

das mich diese Eigenschaft in einem<br />

neuen, hoffnungsvollen Licht sehen lässt:<br />

Die FPÖ hat im Linzer Gemeinderat einen<br />

Antrag eingebracht, die Hundesteuer für<br />

Wachhunde in Privathaushalten von 44 auf<br />

10 Euro jährlich zu senken. (Für Hunde,<br />

welche Betriebe bewachen, gilt diese<br />

Ermäßigung offenbar ohnehin.)<br />

Begründung: Eine angebliche<br />

Abschreckungswirkung von 83 Prozent auf<br />

potentielle Einbrecher. Sollte diese FPÖ-<br />

Idee irgendwann landesweit umgesetzt<br />

werden, könnte ich meinen Hund zum<br />

Wachhund ausbilden lassen und so 34<br />

Euro im Jahr sparen. Wenn ich dann nur<br />

vier Euro draufzahle, kann ich jedes Jahr<br />

nach Wien fahren und den Hund ein Mal<br />

hinscheißen lassen, wo ich will, ohne das<br />

Gackerl ins Sackerl zu packerln. Vors Rathaus,<br />

vors Parlament, vor die Lugner City,<br />

mitten auf den Heldenplatz… Nur vor<br />

einem habe ich Angst: Ich habe meinen<br />

Hund vor zwei Jahren aus Griechenland<br />

mitgebracht. Außerdem ist er eine Promenadenmischung<br />

unklarer Herkunft. Es besteht<br />

also Anlass zur Sorge, dass er, wenn<br />

es nach der FPÖ ginge, sofort aus<br />

Österreich ausgewiesen würde.<br />

PS: Laut FPÖ-Antrag hat ein Nachbar mit<br />

guter Einsicht immerhin 54 Prozent<br />

Abschreckungswirkung, eine nahe Polizeistation<br />

61 Prozent. Sollten Sie sich also<br />

keinen Hund anschaffen können, lehren<br />

Sie Ihren Nachbarn das Bellen, schneiden<br />

Sie seine Thujenhecke um und bringen Sie<br />

ihm von der nächsten Demonstration ein<br />

Polizeikapperl mit.<br />

Am Samstag, 11. September<br />

2010 (Treffpunkt 14:00<br />

Uhr, Altes Rathaus, Hauptplatz)<br />

findet wieder ein<br />

Stadtrundgang „Auf den<br />

Spuren des roten Linz“ mit<br />

Casimir Paltinger statt.<br />

Bei der etwa zweistündigen<br />

Führung durch die Linzer<br />

Innenstadt werden wichtige<br />

Schauplätze von historischen<br />

Ereignissen in Linz besucht<br />

und dazu fachkundige Informationen<br />

geboten.<br />

Anmeldungen bei <strong>KPÖ</strong>-Linz.<br />

Telefon (0732) 652156 oder<br />

(0699) 11898738, Mail<br />

ooe@kpoe.at .


Elementare<br />

Lebenskunde<br />

Seite 15<br />

Bärbel Staub über Erwin Riess’ jüngsten Groll-Roman.<br />

Münchner<br />

Impressionen<br />

Die Donau ist kein harmloser Fluß: Die Opfer<br />

von Unterweltfehden, Unfällen und<br />

Selbstmorden, ehelichen Meinungsverschiedenheiten<br />

und Erbschaftsstreiten<br />

sind ihre Beute und das Bild des Friedens<br />

trügt. Seit den Anfängen von Cafe <strong>KPÖ</strong> begleiten<br />

uns die Abenteuer von Herrn<br />

Groll, dem Dozenten und dem<br />

allgegenwärtigen Gewässer. In dem Roman<br />

„Herr Groll und der rote Strom“ erfahren<br />

wir endlich, wie Herr Groll und der Dozent<br />

einander kennengelernt haben. Natürlich<br />

ist auch dabei die Donau im Spiel und der<br />

Dozent nimmt ein unfreiwilliges Bad.<br />

Außerdem machen wir Bekanntschaft mit<br />

Horst und seinem Sohn Juri, der sich schon<br />

als Bub auf der Donau auskennt wie ein<br />

Alter. Herr Groll, der beim Binder-<br />

Heurigen seine Kanzlei für Lebens-und<br />

Vermögensberatung betreibt, hat auch für<br />

Horst stets ein offenes Ohr und ein paar<br />

Doppler im Kofferraum. Guten Rat kann<br />

Horst allerdings brauchen, wird doch<br />

direkt neben seiner Behausung eine weibliche<br />

Wasserleiche im roten Kleid von der<br />

Donau angeschwemmt. Die betuchten Herren<br />

mit den teuren Sportwagen, die im<br />

Nachbarhaus logieren, und für die Horst so<br />

manchen Dienst verrichtet, sind an der<br />

Aufklärung der Todesumstände nicht unbedingt<br />

interessiert, und man weiß, sie<br />

schrecken vor nichts zurück um den Schein<br />

des Anstands zu wahren. Herr Groll muss<br />

eingreifen, die Situation erfordert vollen<br />

Einsatz, raffinierteste Hinterlist wird bei<br />

der Ermittlung notwendig: Von seinem<br />

Freund Schebesta, einem Veteran der <strong>KPÖ</strong><br />

Floridsdorf hat Groll gelernt, dass<br />

Bildungsbürger bei Wagner-Musik aus<br />

ihren Löchern gekrochen kommen. Auch<br />

wenn für Groll selbst die Musik<br />

einigermaßen ungewohnt ist: Es handelte<br />

sich um ein auf- und abschwellendes<br />

Geraune, das von einem röhrenden Hirsch<br />

überlagert wurde. Schebesta behält recht,<br />

die List gelingt, die Ereignisse überstürzen<br />

sich, Madame Nostritz, die Mutter des Dozenten<br />

sieht sich von einer gehenkten<br />

Puppe bedroht, Juri verschwindet und die<br />

Donau mutiert zu einer alles verschlingenden<br />

Flut.<br />

Weiters erfahren wir, warum Wasserkraftwerke<br />

an Hochwassern schuld sind und<br />

was die Floridsdorfer Schule der<br />

Ökonomie gegen Abweichungen vom rechten<br />

Weg des Profitstrebens einzuwenden<br />

hat. Ob Grolls Geliebte Anita den<br />

wichtigsten Platz in seinem Herzen besetzt,<br />

erfahren wir nicht, es könnte auch die<br />

Donau sein. Die Donau ist kein harmloser<br />

Fluß.<br />

Erwin Riess:Herr Groll und der rote<br />

Strom. Otto Müller Verlag, Salzburg 2010<br />

Friedrich Anis Kommissar<br />

Tabor Süden klärt keine<br />

Morde auf, er ist kein Held<br />

und kein teutonischer<br />

Superbulle. Nun ist Tabor<br />

Süden durchaus kein Weichei,<br />

er ist nur der Meinung, dass<br />

ein Kieberer nicht<br />

zwangsläufig ein Arschloch<br />

sein muss. Er nimmt sich Zeit,<br />

mit Leuten zu reden und zieht<br />

keine voreiligen Schlüsse. Das<br />

Besondere an den Kriminalromanen<br />

von Friedrich Ani ist,<br />

mit relativ unspektakulären<br />

Vermisstenfällen Spannung zu<br />

erzeugen und einen Eindruck<br />

von München abseits der<br />

Schickeria zu vermitteln.<br />

Der Roman Süden und der<br />

glückliche Winkel erzählt die<br />

Geschichte vom Verschwinden<br />

des Cölestin Korbinian, der als<br />

Postler ein ruhiges Leben und<br />

eine ebensolche Ehe geführt<br />

hat. Was ist sein Geheimnis?<br />

Obwohl seine Frau nicht<br />

geahnt hat, dass er jede<br />

Woche die gleiche Spitzweg-<br />

Ausstellung im Haus der Kunst<br />

besucht und mit einem<br />

fremden Hund spazieren geht,<br />

ist das noch lange kein Grund,<br />

ihm ein gefährliches Doppelleben<br />

zu unterstellen. Eine<br />

Kunststudentin und ein Turm<br />

mitten in München bringen<br />

Kommissar Süden auf die richtige<br />

Spur.<br />

Friedrich Ani: Süden und der<br />

glückliche Winkel. Droemer<br />

Knaur, München 2003


Herr Groll<br />

Reisen auf Von Erwin Riess<br />

Seite 16<br />

Pyla, bei Larnaca<br />

Er hatte die Norwegerin am<br />

Friedhof kennengelernt. Sie<br />

hieß Bente, und Groll fühlte<br />

sich auf eine eigenartige Weise<br />

zu ihr hingezogen. Bente<br />

war außergewöhnlich schweigsam.<br />

Wenn Groll sie etwas<br />

fragte, gab sie zwar Antwort,<br />

höflich und genau, aber mit<br />

wenig Worten und einem Ton,<br />

der es Groll nahelegte, auf<br />

weitere Fragen zu verzichten.<br />

Vom Friedhof aus bot sich ein<br />

grandioser Blick auf die weite<br />

Bucht, die Kalkfelsen von Kap<br />

Pyla, die Hotelzeile neben dem<br />

englischen Stützpunkt, die Raffinerie<br />

und den Handelshafen<br />

von Larnaca. Das Mädchen studierte<br />

die Bucht aufmerksam,<br />

als müsse sie sich alle<br />

Einzelheiten einprägen.<br />

Groll war auf den Friedhof gekommen,<br />

weil er seinem<br />

Freund, Paris, einen Besuch<br />

abstatten wollte. Paris war<br />

sechs Monate zuvor, zweiundzwanzigjährig,<br />

an<br />

Knochenkrebs verstorben. Die<br />

letzte Zeit war er regungslos<br />

im Bett gelegen, und sein<br />

Gesicht war das eines Heiligen<br />

gewesen. So hatten die Leute<br />

im Dorf gesprochen. Es war ihre Art<br />

gewesen, mit dem Unfaßbaren<br />

umzugehen, und zuerst waren sie gekommen,<br />

um dem Heiligen die Hand zu<br />

küssen, und dann, als es mit Paris zu<br />

Ende ging, waren sie gekommen, um sich<br />

von ihm segnen zu lassen; der junge Todgeweihte<br />

segnete die lebenden Alten.<br />

Nicht nur die Griechen des Dorfs waren<br />

gekommen, auch die Türken ließen es<br />

sich nicht nehmen, Paris ihre Aufwartung<br />

zu machen.<br />

Als sie vom Schauen müde waren, lud<br />

Groll das Mädchen zum griechischen<br />

Dorfwirt. Nachdem sie eine Flasche roten<br />

Landwein geleert hatten, schlenderten sie<br />

über den Hauptplatz zum türkischen Dorfwirt<br />

und tranken auch dort eine Flasche<br />

Wein. Groll fand den türkischen Wein<br />

besser, Bente waren beide willkommen.<br />

Groll hätte gern ein paar Worte mit ihr<br />

gewechselt, aber Bente trank, ohne zu reden.<br />

Es sei erbärmlich, jetzt mit dem Taxi nach<br />

Larnaca zurückzufahren, sagte Groll<br />

schließlich zu Bente. Besser wäre es, die<br />

sechs Kilometer auf der Straße zu laufen,<br />

die führe leicht bergab, und man komme<br />

durch Olivenhaine und Weizenfelder, und<br />

der Wind, der über die Felder streicht,<br />

rieche nach Salbei. Bente nickte<br />

zustimmend, und so machten die beiden<br />

sich in der beginnenden Dämmerung auf<br />

den Weg. Auf den ersten beiden<br />

Kilometern bis zu den letzten Häusern<br />

des Ortes genossen sie noch die Aussicht<br />

auf die Bucht. Dann, als es immer dunkler<br />

wurde, konzentrierten sie sich auf das<br />

Gehen beziehungsweise das Rollen und<br />

kamen in einen guten Rhythmus. Bente<br />

machte sich einmal in die Felder davon<br />

und blieb einige Minuten aus. Groll war<br />

in Sorge um das Mädchen, er glaubte sich<br />

dunkel daran erinnern zu können, daß<br />

Schilder davor warnten, die Straße zu<br />

verlassen. Schließlich aber kam Bente<br />

wieder, und sie setzten den Weg fort.<br />

Müde und durstig kehrten sie schließlich<br />

an der Uferstraße in ein Wirtshaus ein,<br />

das von Grolls Freund Kyriacos geführt<br />

wurde. Sie aßen gut und ausgiebig und<br />

tranken dazu leichten Landwein. Als Groll<br />

seinem Freund gegenüber erwähnte, daß<br />

Bente in den Feldern verschwunden sei,<br />

um sich zu erleichtern, wurde Kyriacos<br />

bleich. Er rannte in die Küche und kam<br />

mit einer Flasche Krimsekt wieder.<br />

Auf Bente, sagte er und entkorkte die Flasche<br />

mit einem dumpfen Knall. Auf Bente<br />

und ihren Geburtstag. Bente sah erstaunt<br />

auf. Beidseits der Straße seien Tausende<br />

Minen vergraben, seit dem 74-er Krieg<br />

lägen sie dort in der Erde, es seien so<br />

viele, daß niemand sich die Mühe mache,<br />

sie zu entfernen, sagte Kyriacos und<br />

schenkte den Sekt ein. Bente hob das<br />

Glas und prostete Groll zu.<br />

Auf uns, sagte sie.<br />

Impressum:<br />

Aktuell, Nummer 04, August 2010<br />

Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: <strong>KPÖ</strong>-<strong>Oberösterreich</strong>,<br />

Melicharstraße 8, 4020 Linz, Telefon (0732) 652156, Mail:<br />

ooe@kpoe.at; Web: http://ooe.kpoe.at<br />

Bankverbindung: Oberbank 480 2195 00, Bankleitzahl 15.000.<br />

Druck: digitaldruck.at<br />

Redaktion: Alois Franz, Leo Furtlehner, Gerlinde Grünn, Renate<br />

Hofmann, Michael Schmida.<br />

Grafik: Alois Franz<br />

Lektorat: Wolfgang Rohrstorfer<br />

Österreichische Post AG / Sponsoring-Post. GZ 02Z030467 M. Benachrichtigungspostamt 4020 Linz.

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