Franz Haider (1907-1968) - KPà Oberösterreich
Franz Haider (1907-1968) - KPà Oberösterreich
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<strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong> (<strong>1907</strong>-<strong>1968</strong>)<br />
Magistratsbediensteter, Sportler, Parteifunktionär,<br />
Widerstandskämpfer, Arbeiterpolitiker, Journalist:<br />
Das vielseitige Leben des Kommunisten <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>.<br />
Eine Dokumentation der KPÖ-Oberösterreich
Seite 2<br />
Ein Vorwort<br />
Am 11. Sep tem ber <strong>1907</strong> wur de<br />
<strong>Franz</strong> Hai der ge bo ren, sein hun dert ster<br />
Ge burts tag ist uns An lass für eine Do -<br />
ku men ta ti on, die weit ge hend auf die<br />
umfangreichen Materialsammlungen<br />
von Pe ter Kam mers tät ter (1911-1993)<br />
basiert.<br />
Das Le ben von <strong>Franz</strong> Hai der war<br />
sehr be wegt und da mit cha rak ter is tisch<br />
für ei nen Po li ti ker der Ar bei te rIn nen be -<br />
we gung des 20. Jahr hun derts. Früh zei -<br />
tig in der so zial de mo kra ti schen Ar bei -<br />
te rIn nen be we gung und im Sport ver ein<br />
tä tig kam er schon 1933 zur KPÖ, wo er<br />
von An fang an füh ren de Funk tio nen<br />
wahrnahm. <strong>Haider</strong> war maßgeblich im<br />
Wi der stand ge gen den grü nen und<br />
brau nen Fa schis mus tä tig und war bis<br />
zur Be frei ung 1945 in Gars ten in haf -<br />
tiert.<br />
1945 wur de er als Nach fol ger des im<br />
KZ Maut hau sen er mor de ten Sepp Teufl<br />
zum Lan des ob mann der KPÖ ge wählt –<br />
eine Funk ti on die er 23 Jah re lang bis<br />
zu sei nem Tode im Jah re <strong>1968</strong> aus üb te.<br />
Kurz fris tig war Hai der auch Lan des -<br />
haupt manns tell ver tre ter in der pro vi so -<br />
rischen Landesregierung, später Vertre -<br />
ter der KPÖ in der Zi vil ver wal tung<br />
Mühl vier tel für den sow je tisch be setz -<br />
ten Teil Ober ös ter reichs und spä ter von<br />
1955 bis <strong>1968</strong> Ge mein de rat der Lan -<br />
des haupt stadt Linz.<br />
Heu er wäre <strong>Franz</strong> Hai der hun dert<br />
Jah re alt ge wor den – Grund ge nug für<br />
eine Wür di gung, auch in Form ei ner<br />
Do ku men ta ti on. Wir ver su chen mit<br />
aus ge wähl ten Re den und Ar ti keln von<br />
und über <strong>Franz</strong> Hai der der Viel sei tig -<br />
keit sei ner Per son als Par tei funk tio när<br />
und Po li ti ker ge recht zu wer den.<br />
Wenn wir mit die ser Do ku men ta ti on<br />
<strong>Franz</strong> Hai der wür di gen, dann tun wir<br />
dies nicht als historische Reminiszenz,<br />
son dern in dem Be wusst sein und der<br />
Ab sicht, sei ne Ta ten, Er fah run gen und<br />
An re gun gen als Teil der Par tei ge -<br />
schichte festzuhalten. In diesem Sinne<br />
bleibt er uns in Er in ne rung.<br />
Leo Furtlehner<br />
Landessprecher der<br />
KPÖ-Oberösterreich<br />
Linz, Au gust 2007<br />
Im pres sum: Me dien in ha ber (Ver le ger),<br />
Herausgeber, Hersteller: KPÖ-Ober ös -<br />
terreich, Me li char stra ße 8, 4020 Linz,<br />
Te le fon +43 732 652156, Mail<br />
ooe@kpoe.at, Web http://ooe.kpoe.at<br />
Vom lin ken So zial de mo kra ten zum Lan des ob mann der KPÖ<br />
Widerstandskämpfer und<br />
Kommunist<br />
<strong>Franz</strong> Hai der wur de am 11. Sep -<br />
tem ber <strong>1907</strong> in Linz ge bo ren. Sein<br />
Va ter <strong>Franz</strong> Hai der war ein aus<br />
Ansfelden gebürtiger Bauernknecht,<br />
Zimmermann und später Oberbauar<br />
bei ter bei der Bahn, sei ne Mut ter<br />
Maria <strong>Haider</strong>, geborene Müller war<br />
ein aus Sa xen ge bür ti ges Haus mäd -<br />
chen und spä ter Ta bak ar bei te rin,<br />
bei de wa ren ab 1905 Mit glie der der<br />
So zial de mo kra tie.<br />
<strong>Franz</strong> Hai der be such te bis 1921 die<br />
Volks- und Bür ger schu le und be gann<br />
nach ei nem Zwi schen spiel als Hü ter<br />
und Stall bur sche bei ei nem Groß bau ern<br />
1922 eine kauf män ni sche Leh re bei der<br />
EBG, wo er dann bis 1925 als An ge -<br />
stell ter tä tig war. Zwi schen 1925 und<br />
1927 war er Ober bau ar bei ter bei der<br />
Bahn und 1927 am Streik ge gen das<br />
Schattendorf-Urteil beteiligt. Das Abbla<br />
sen die ses Streiks durch die<br />
SPÖ-Füh rung wirk te auf ihn wie auch<br />
an de re jun ge So zial de mo kra ten nie der -<br />
schmet ternd und sie be gan nen die Po li -<br />
tik der SPÖ-Füh rung mit kri ti schen Au -<br />
gen zu be trach ten. Von 1927 bis 1934<br />
war <strong>Haider</strong> Magistratsangestellter im<br />
städtischen Gaswerk.<br />
Von frü her Ju gend auf war <strong>Franz</strong><br />
<strong>Haider</strong> in der sozialdemokratischen Bewe<br />
gung tä tig, in der Ge werk schafts ju -<br />
gend und als Wehr tur ner im Schutz -<br />
bund, von 1927 bis 1933 war er Mit -<br />
glied der SPÖ. Vor al lem aber mach te<br />
er sich als Sport ler mit her vor ra gen den<br />
Lei stun gen ei nen Na men. Be reits 1928<br />
wur de er Sport wart des ATSV-Linz und<br />
ge hör te ab 1931 dem Aus schuss die ses<br />
Ver eins an. 1931 ver lor er bei ei nem<br />
tra gi schen Berg un fall am Mon te Rosa<br />
(Schweiz) durch Er frie run gen Fin ger<br />
und Ze hen, wo durch sei ne ak ti ve Sport -<br />
lauf bahn been det wur de, er je doch wei -<br />
ter hin als Sport funk tio när tä tig war.<br />
Der gescheiterte Heimwehrputsch<br />
von 1931 war für die Wehr tur ner An -<br />
lass zu er höh ten An stren gun gen zur<br />
Ver tei di gung der De mo kra tie, wo bei<br />
die jun gen So zia lis ten in den füh ren den<br />
Schutz bund funk tio nä ren Ri chard Stras -<br />
ser, Ri chard Ber na schek und Otto<br />
Husch ka Ga ran ten da für sa hen, dass die<br />
lin ken Kräf te im ent schei den den Au -<br />
gen blick rich tig han deln wür den. Die<br />
be harr li che Auf klä rungs ar beit des<br />
Kom mu nis ten Hein rich Frau en ber ger<br />
bei den Wehr tur nern war je doch der<br />
Aus gangs punkt für ein er wa chen des In -<br />
ter es se von Hai der und an de ren an der<br />
Po li tik der Sow jet union. Ge gen ei ni gen<br />
Wi der stand in ner halb der SPÖ im März<br />
1933 nahm Hai der an ei ner in ter na tio -<br />
na len Kon fe renz der Ar bei ter sport ler<br />
teil, de ren Er geb nis se er in mehr als 30<br />
Vor trä gen pro pa gier te.<br />
Zustrom zur KPÖ<br />
Be reits 1933 ström te ein Teil der mit<br />
der Füh rung der SPÖ un zu frie de nen<br />
Ar bei ter, vor al lem Ar bei ter sport ler so -<br />
wie sämt li che 300 Mit glie der der so -<br />
zialdemokratischen „Arbeiterhilfe“ zur<br />
KPÖ, ob wohl die Kom mu nis ti sche Par -<br />
tei seit 26. Mai 1933 ver bo ten war. Bei<br />
ei ner Lan des kon fe renz der KPÖ im<br />
Sep tem ber 1933 im Gast haus Neu wirt<br />
auf der „Gis“ (Ge mein de Lich ten berg)<br />
nahm eine Ab ord nung lin ker So zial de -<br />
mo kra ten un ter Füh rung von <strong>Franz</strong> Hai -<br />
der teil, die im Ver lau fe die ser Kon fe -<br />
renz auch of fi ziell Mit glie der der KPÖ<br />
wur den, der Hai der schon nach sei ner<br />
Rüc kkehr von der Ar bei ter de le ga ti on in<br />
die Sow jet union im Mai 1933 bei ge tre -<br />
ten war. Be reits bei die ser Lan des kon -<br />
ferenz wurde <strong>Haider</strong> Mitglied der<br />
KPÖ-Lan des lei tung und als Agit prop<br />
(Ver ant wort li cher für Agi ta ti on und<br />
Pro pa gan da) be auf tragt.<br />
Im Vor feld des Fe bru ar auf stan des<br />
1934 trug die KPÖ be wusst die Aus ein -<br />
an ders et zung über den ein zu schla gen -<br />
den Weg in die So zial de mo kra ti sche<br />
Par tei hin ein. Da bei spiel te auch <strong>Franz</strong><br />
Hai der eine wich ti ge Rol le. Bei drei<br />
gro ßen Ver trau ens män ner kon fer en zen<br />
der SPÖ im Herbst 1933 tra ten im The -
e sien saal Sepp Teufl, in Ur fahr Fe lix<br />
Brand stät ter und in der Dorf hal le in der<br />
Franc kstra ße <strong>Franz</strong> Hai der als kom mu -<br />
nis ti scher Dis kus sions red ner auf.<br />
Der sozialdemokratische Referent in<br />
der Dorf hal le war kein ge rin ge rer als<br />
Otto Bau er und mu ß te in sei nem<br />
Schluss wort ein räu men: „Der jun ge Ge -<br />
nos se (näm lich <strong>Franz</strong> Hai der, die Red.)<br />
hat zu 99 Pro zent recht. Was aber ist<br />
dann, wenn das eine Pro zent ein tritt,<br />
dass die Ar bei ter schaft die Ge fahr noch<br />
nicht ge nug ver steht?“ Schon am 10.<br />
Fe bru ar 1934 rief die KPÖ-Zei tung<br />
„Rote Fahne“zum Generalstreik auf.<br />
Die KPÖ rich te te im Gast haus „Zur<br />
Stadt Linz“ eine ei ge ne Ver bin dungs -<br />
stel le ein und Hai der hat te Ri chard Ber -<br />
na schek ver geb lich vor ge schla gen die<br />
Lei tung des Schutz bun des vom „Ho tel<br />
Schiff“ in ein il le ga les Zen trum zu ver -<br />
le gen. Am 12. Fe bru ar 1934 mel de ten<br />
sich vie le Kom mu nis ten bei den Sam -<br />
mel plät zen des Schutz bun des und nah -<br />
men an den Kämp fen teil, <strong>Franz</strong> Hai der<br />
beim Wirt schafts hof, der Dies ter weg -<br />
schu le und der Dorf hal le. Die Wehr tur -<br />
ner ab tei lung des Schutz bun des ar bei te -<br />
te mit der 54. Schutz bund ab tei lung zu -<br />
sammen, die als radikalste Abteilung<br />
galt.<br />
Gegen den grünen Faschismus<br />
Nach der Nie der schla gung des Fe -<br />
bruaraufstandes etablierte sich das aus -<br />
trofaschistische Regime. Für die illega -<br />
le Ar bei ter be we gung be gan nen Jah re<br />
der Ver fol gung. <strong>Franz</strong> Hai der wur de<br />
aus dem Ma gi strats dienst ent las sen und<br />
war ab 1934 Be rufs re vo lu tio när, wo bei<br />
er die Or ga ni sie rung der Un ter stüt zung<br />
der Fe bru ar op fer über die „Rote Hil fe“,<br />
die Ge win nung der ent täusch ten So zial -<br />
de mo kra tIn nen für die KPÖ und die<br />
He raus ga be der „Ro ten Front“ (Auf la ge<br />
2.500 bis 3.000 Exem pla re) als Haupt -<br />
auf ga ben sah. Bei ei ner Lan des kon fe -<br />
renz der KPÖ Ende Au gust 1934 bei<br />
dem Klein bau ern Eder in Am berg (Ge -<br />
meinde Gramastetten) wurde <strong>Franz</strong><br />
Hai der wie der um als Mit glied der Lan -<br />
des lei tung ge wählt.<br />
Am 12. Sep tem ber 1934 wur de Hai -<br />
der ver haf tet und zu ei ner sechs mo na ti -<br />
gen Polizeiverwaltungsstrafe verurteilt,<br />
aus wel cher er am 12. März 1935 ent -<br />
las sen wur de. In ei nem Be richt der<br />
Bun des po li zei di rek ti on Linz vom 23.<br />
Sep tem ber 1934 wird Hai der im Zu -<br />
sam men hang mit Er mitt lun gen ge gen<br />
<strong>Franz</strong> Sin zin ger, Hans Go lob, Mi cha el<br />
Rei sin ger und an de ren we gen Her stel -<br />
lung und Ver brei tung der il le ga len „Ro -<br />
ten Front“ er wähnt, wo bei Hai der als<br />
„Lieferant der mit Flugschriftentext<br />
versehenen Matrize“ fungierte. Am 18.<br />
Jän ner 1935 mu ß te die Staats an walt -<br />
schaft Linz je doch im Zu sam men hang<br />
mit einer Anklage eines Hochverratsver<br />
fah rens die Er mitt lun gen ge gen<br />
<strong>Haider</strong> sowie gegen zahlreiche andere<br />
der 55 Angeklagten wegen Mangels an<br />
Beweisen einstellen.<br />
Am 7. Ok to ber 1935 er folg te die Be -<br />
ru fung Hai ders zur il le ga len In lands lei -<br />
tung der KPÖ nach Wien, vom Fe bru ar<br />
1936 bis 1938 ab sol vier te er ein Stu di -<br />
um an der Le nin-Schu le in Mos kau wo<br />
er auch sei ne spä te re Frau Anna La dis -<br />
lav ken nen lern te. An fang 1938 kehr te<br />
er nach Brünn (CSR) zu rück und ließ<br />
sich dort als österreichischer Flüchtling<br />
le ga li sie ren. Zum Zeit punkt der Ok ku -<br />
pa ti on Ös ter reichs durch Na zi deutsch -<br />
land im März 1938 war Hai der in der<br />
Tsche cho slo wa kei und die Ge sta po re -<br />
gi strier te in ei nem Be richt vom 2. No -<br />
vem ber 1938, dass Hai der als Emi grant<br />
in der CSR in ver schie de nen Or ten an<br />
der ehemaligen Grenze des mittlerweile<br />
eben falls an nek tier ten Su de ten lan des<br />
und Ober do naus neue Kurierlinien<br />
aufzubauen bemüht war. 1938 wurde in<br />
Wien sein Sohn Helmut geboren.<br />
Nach der Ok ku pa ti on der Tsche cho -<br />
slo wa kei durch Hit ler deutsch land war<br />
Hai der in der Grenz ar beit an der tsche -<br />
chisch-pol ni schen Gren ze tä tig und<br />
wur de am 29. März 1939 ver haf tet, von<br />
dort nach Dres den und am 4. Sep tem ber<br />
1939 nach Linz über stellt, wo ein spä ter<br />
eingestelltes Verfahren wegen Hochund<br />
Lan des ver rat er öff net wur de bis er<br />
am 27. Sep tem ber 1939 ent las sen wur -<br />
de. 1939 er folg te eine Re or ga ni sie rung<br />
der Landespartei, wobei <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong><br />
als Ver bin dungs mann zu Willi Schmidt<br />
in Wien beauftragt wurde.<br />
Neubildung der Landesleitung<br />
Vom Herbst 1939 bis 1941 war Hai -<br />
der wie der als An ge stell ter des Gas -<br />
werks tä tig. 1940 hei ra te ten <strong>Franz</strong> und<br />
Anna Hai der, sei ne Gat tin und sein<br />
Sohn über sie del ten nach Linz. Im sel -<br />
ben Jahr erfolgte eine neuerliche Umstruk<br />
tu rie rung durch Bil dung ei ner<br />
Lan des lei tung, die sich aus Sepp Teu -<br />
fel, <strong>Franz</strong> Hai der, Karl Reindl, <strong>Franz</strong><br />
Ha sel mayr, Max Grüll und Eli sa beth<br />
Rechka zusammensetzte und deren<br />
Ver bin dungs mann zum ZK der KPÖ<br />
Er win Pu schmann war und mit Gi se la<br />
Tscho fe nig-Tau rer, die 1945 im La ger<br />
Schör gen hub er mor det wur de, zu sam -<br />
menarbeitete. Anna <strong>Haider</strong> ging zur<br />
illegalen Arbeit nach Wien.<br />
Am 5. Mai 1941 wur den <strong>Franz</strong> und<br />
Anna Hai der in Linz we gen „kom mu -<br />
nistischer Betätigung“ verhaftet, seine<br />
Frau wur de so fort, <strong>Franz</strong> Hai der am 5.<br />
Juni 1941 nach Wien über stellt. Ge -<br />
mein sam mit Er win Pu schmann, <strong>Franz</strong><br />
Se bek und Mar ga re the Schüt te-Li hotz -<br />
ky und Karl Li setz stan den bei de am<br />
22. Sep tem ber 1942 vor dem 2. Se nat<br />
Seite 3<br />
des Nazi-Volks ge richts ho fes in Wien.<br />
<strong>Franz</strong> Hai der wur den die bür ger li chen<br />
Ehrenrechte für zehn Jahre aberkannt<br />
und er wur de zu 13 Jah ren Zucht haus<br />
wegen „Nichtanzeige eines hochverräterischen<br />
Unternehmens“ verurteilt.<br />
Anna Hai der wur de zu 15 Jah ren Zucht -<br />
haus verurteilt und in die Strafanstalt<br />
Aichach (Bayern) eingewiesen.<br />
Am 3. No vem ber 1942 wur de <strong>Franz</strong><br />
Hai der un ter der Num mer 391/42 in das<br />
Zucht haus Gars ten ein ge wie sen, wo er<br />
gemeinsam mit anderen Widerstands -<br />
kämp fern – so etwa dem 1996 ver stor -<br />
be nen Rai mund Zim per nik – bis zur<br />
Be frei ung durch die US-Ar mee im Mai<br />
1945 in haf tiert war. Nach der Ver haf -<br />
tung <strong>Franz</strong> Hai ders wur de 1941 die<br />
Lan des lei tung nach Wels ver legt und<br />
von Her mann Höl ler mann, Karl Schar -<br />
rer, Karl Misch ka und Lud wig Hartl ge -<br />
bil det, die spä ter alle von den Na zis er -<br />
mor det wur den. Noch im Jän ner 1945<br />
wur de Hai ders Mut ter Ma ria in Linz<br />
von der Ge sta po ver haf tet, über leb te ei -<br />
nen US-Bom ben an griff auf das Frau en -<br />
ge fäng nis Ka plan hof stra ße und wur de<br />
nach der Befreiung am 3. Mai 1945 aus<br />
dem Lager Schörgenhub entlassen.<br />
Landesobmann der KPÖ<br />
<strong>Franz</strong> Hai der wur de am 7. Mai 1945<br />
aus dem Zucht haus Gars ten ent las sen<br />
und ge lang te über Steyr und Wien Ende<br />
Mai nach Linz. Dort über nahm <strong>Franz</strong><br />
Hai der die Funk ti on als KPÖ-Lan des -<br />
ob mann und wur de als sol cher vom 13.<br />
Lan des par tei tag am 23./24. Fe bru ar<br />
1946 be stä tigt, er übte die se Funk ti on<br />
bis zu sei nem Tod am 15. März <strong>1968</strong><br />
aus. Ab Juni 1945 fun gier te Hai der als<br />
He raus ge ber und Mit ar bei ter der<br />
KPÖ-Zei tung „Österreichische Nach -<br />
rich ten“, im mer noch il le gal, weil in der<br />
US-Be sat zungs zo ne erst ab 19. Sep tem -<br />
ber 1945 Parteien und Parteizeitungen<br />
erlaubt waren.<br />
Im Juni 1945 nahm Hai der an Be -<br />
sprechungen der „Österreichischen<br />
Frei heits be we gung“ und der ihr an ge -<br />
schlos se nen Wi der stands be we gun gen<br />
in Ried im Inn kreis teil und wur de in<br />
de ren Lan des au schuss ge wählt. Im Juni<br />
und Au gust 1945 fan den Kon takt ge -<br />
sprä che Hai ders mit Lud wig Ber na -<br />
schek über die Grün dung ei ner ein heit -<br />
lichen Arbeiterpartei statt, die jedoch<br />
dann von der SPÖ ab ge bro chen wur -<br />
den. Im Sep tem ber und Ok to ber 1945<br />
nahm Hai der an der ers ten und zwei ten<br />
Län der kon fe renz in Wien teil. Vom 29.<br />
Ok to ber bis 13. De zem ber 1945 war<br />
<strong>Haider</strong> auf Grund eines Dreiparteienab -<br />
kom mens zwi schen ÖVP, SPÖ und<br />
KPÖ kurz fris tig Lan des haupt mannstellvertreter<br />
in der provisorischen<br />
Landesregierung.<br />
Die Ver fol gung war frei lich noch
Seite 4<br />
nicht zu Ende. Am 29. Mai 1946 wur de<br />
<strong>Franz</strong> Hai der, der auch He raus ge ber des<br />
Par tei or gans „Neue Zeit“ war, von der<br />
US-Be sat zungs be hör de fest ge nom men,<br />
weil angeblich in einem Artikel der<br />
„Neu en Zeit“ am 20. Mai ein Aus -<br />
spruch des US-Leut nants Ryon vor sätz -<br />
lich falsch zi tiert wor den war. Am 29.<br />
Mai 1946 wur de Hai der von ei nem Mi -<br />
litärgericht zu zwei Monaten Gefängnis<br />
so wie 600 Schil ling Geld stra fe ver ur -<br />
teilt, die er in ei ner Au ßen stel le des<br />
Landesgerichtes Linz absitzen mußte.<br />
Vom 16. De zem ber 1947 bis 27. Juli<br />
1952 ge hör te Hai der dem po li ti schen<br />
Beirat der Zivilverwaltung Mühlviertel<br />
(die ser Teil Ober ös ter reichs war sow je -<br />
tisch be setzt und hat te da her eine ei ge ne<br />
Ver wal tung) an. Vom 15. No vem ber<br />
1955 bis zu sei nem Tode im Jah re <strong>1968</strong><br />
war <strong>Haider</strong> auch Gemeinderat von<br />
Linz. Be reits 1938 war Hai der Mit glied<br />
des illegalen Zentralkomitees der KPÖ,<br />
dem er of fi ziell vom 13. Par tei tag am<br />
19.-21. April 1946 bis zu sei nem Tod<br />
im Jah re <strong>1968</strong> an ge hör te. Von 1949 bis<br />
1951 war er auch Mitglied des<br />
Politischen Büros des ZK der KPÖ.<br />
Quellen:<br />
Wi der stand und Ver fol gung in Ober -<br />
ös ter reich 1934-1945, Ös ter rei chi scher<br />
Bun des ver lag, 1982<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Haider</strong> <strong>Franz</strong> –<br />
Ein Le ben im Dien ste der ös ter rei chi -<br />
schen Arbeiterklasse, Berichte aus seinem<br />
Le ben, Re den und Auf sät ze, 1987<br />
<strong>Franz</strong> Hai der und der Sport:<br />
Mit großer Energie…<br />
Aus sei nen ei ge nen Er zäh lun gen<br />
oder den Erzählungen seiner Freun -<br />
de geht her vor, wie viel <strong>Franz</strong> Hai der<br />
der Sport be deu te te. Er be trieb vie le<br />
Sport ar ten, die da mals in der Zeit<br />
von 1923 bis 1934 in der Ar bei ter -<br />
sport be we gung be son ders po pu lär<br />
wa ren, zum Bei spiel die Frei übun gen<br />
(Gymnastik), Geräteturnen,<br />
Schwimmen, besonders Leichtathletik,<br />
Schi lau fen, Hand ball usw.<br />
Was der Wunsch je des gro ßen<br />
Leicht ath le ten war, war auch sein<br />
Wunsch, näm lich Zehn kampf meis ter zu<br />
wer den. Nach den Aus sa gen sei ner ehe -<br />
ma li gen Sport ka mer aden und Freun de<br />
war er dem Ziel sehr nahe in der Ar bei -<br />
ter sport be we gung Ös ter reichs. Die ses<br />
Ziel wur de krass been det durch den<br />
Berg un fall am Mon te Rosa (Sig nal kup -<br />
pe 4.600 m).<br />
Nach der erfolgreichen Besteigung<br />
des Gip fels am 26. April 1931 und der<br />
Näch ti gung in ei ner dem Gip fel nahe<br />
ge le ge nen Un ter kunft, ge schah beim<br />
Ab stieg und bei der Ab fahrt am 27.<br />
April beim Grenz glet scher zum Aus -<br />
gangs punkt zu der Betenns-Hütte das<br />
Un glück. Der Seil ge fähr te von <strong>Franz</strong><br />
Hai der, An ton Eis ner stürz te in eine<br />
Gletscherspalte. Trotz großer Bemü -<br />
hun gen von <strong>Franz</strong> Hai der und der bei -<br />
den anderen Bergkameraden Karl Derndor<br />
fer und Al fred Ehart ge lang es ih nen<br />
nicht, den Ver un glüc kten zu retten.<br />
An ton Eis ner wur de ei ni ge Tage spä -<br />
ter vom Zer mat ter Berg füh rer tot ge bor -<br />
gen. Die an de ren drei zo gen sich bei<br />
die ser Ret tungs ak ti on schwe re Er frie -<br />
run gen zu. Ab ge se hen von meh re ren<br />
Mo na ten Kran ken haus auf ent halt wur -<br />
den ih nen auf ope ra ti vem Weg un ter<br />
an de rem Fin ger und Ze hen ab ge nom -<br />
men. Am Ende die ses Ab schnit tes wird<br />
ein Be richt über die ses Ge sche hen ab -<br />
ge druckt. Da mit wa ren die gro ßen Zie le<br />
in sei nem Sport ler le ben für im mer ver -<br />
lo ren.<br />
Schon mit 21 Jahren Sportwart<br />
Mit gro ßer Ener gie, wie wir spä ter<br />
le sen wer den, ver such te er, trotz schwe -<br />
ren Be hin de run gen an der Spit ze mit zu -<br />
hal ten, was durch die po li ti schen Er eig -<br />
nis se 1933, 1934 und den da rauf fol -<br />
gen den Jah ren bis 1945 zum voll kom -<br />
menen Stillstand seiner sportlichen Tä -<br />
tigkeit führte.<br />
<strong>Franz</strong> Hai der war nicht nur ak ti ver<br />
Sport ler, son dern ne ben bei auch ak ti ver<br />
Sport funk tio när, der sich nach sei nem<br />
Berg un fall durch be son de re Ak ti vi tät<br />
be merk bar mach te. Mit 21 Jah ren (11.<br />
3. 1928) war er be reits Sport wart des<br />
ATSV des Be zir kes Linz. In den Aus -<br />
schuss des Groß ver ei nes des ATSV von<br />
Linz wur de er am 3. 3. 1931 als Sport -<br />
wart ge wählt.<br />
<strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong> berichtete, dass Ende<br />
1931 das In ter es se für den Sport und<br />
den Spiel ver kehr im ATSV be gann, mit<br />
der Sow jet union lang sam im mer stär ker<br />
wur de. Er schreibt in dem Ab schnitt<br />
„Der Weg zur Par tei“ da rü ber. Die De -<br />
le gie rung zur in ter na tio na len Sport kon -<br />
fe renz 1933 nach Mos kau fand ein mü ti -<br />
gen Wi der hall in der Ar bei ter Turn- und<br />
Sport be we gung: die Be zirks lei tung der<br />
SP muss te sich den Be schlüs sen der<br />
Tur ner an schlie ßen und die De le gie -<br />
rung be stä ti gen.<br />
Nach sei ner Rüc kkehr aus der SU<br />
ge hör te er ei ner Kom mis si on des 18.<br />
Turn krei ses an, die alle Vor be rei tun gen<br />
für ein Sport ab zei chen nach dem sow je -<br />
tischen Muster trafen: „Ludwig Berna -<br />
schek arbeitete aktiv mit mir zusammen<br />
für die po li ti sche Prü fung. Die Kom -<br />
mis si on be stand un ter an de rem aus<br />
Lud wig Ber na schek, <strong>Franz</strong> Hai der und<br />
<strong>Franz</strong> Be lik. Sie be in hal te te ca. 40 Fra -<br />
gen. Es wur de auf eine brei te Ver bin -<br />
dung mit dem sow je ti schen Sport ein -<br />
geleitet“, so berichtet <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>.<br />
Ehemalige Sportkameraden über<br />
<strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong><br />
Josef Bakule: „<strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong> hatte<br />
we nig Zeit, er mach te eine Abend schu le<br />
und hat te für den Sport we nig Zeit, dass<br />
er bei Wettkämpfen mitmachte. Im<br />
Zehn kampf war er mein Kon kur rent. Er<br />
war ein gu ter Sport ler. Da mals wa ren<br />
wir die be sten von Ober ös ter reich. Die -<br />
se Tech nik, die sie heu te ha ben, bringt<br />
so hohe Lei stun gen. Wir mach ten das<br />
da mals nicht so rich tig. Wir mach ten<br />
auch da mals vor her (vor dem Kampf)<br />
kein Wär me trai ning, son dern tra ten<br />
‘kalt’ beim Wett kampf an, (dar um sind<br />
ge gen heu te die Lei stun gen nied rig, da -<br />
mals wa ren sie hoch) .“<br />
Hil de Feich tin ger, ge bo re ne Neu -<br />
bau er (sie hat te in der ers ten Ar bei ter -<br />
olym pia de 1925 in Frank furt am Main<br />
im Acht kampf der Frau en den 1. Platz<br />
be legt. Bei der 2. Olym pia de 1931<br />
konn te Hil de Neu bau er ih ren Sieg von<br />
1925 wie der ho len). Un ter an de rem sag -<br />
te sie über <strong>Franz</strong> Hai der: „Er war ein<br />
her vor ra gen der Zehn kämp fer, den<br />
Sport nahm er sehr ernst. Au ßer dem<br />
war er beim Schwim men tä tig und ging
Schi fah ren.“<br />
Theo dor Schim böck: „Ich lern te<br />
<strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong> beim Handballspielen<br />
1926/27 ken nen. 1928 wur de er Zehn -<br />
kämp fer. Wir wa ren Zehn kämp fer und<br />
trainierten gerne gemeinsam Stabhoch -<br />
sprung. <strong>Franz</strong> war be son ders stark in<br />
den Sport ar ten Wurf und Sprin ten, weil<br />
er ein schnel ler Läu fer war … zu den<br />
Aus tra gun gen, zum Bei spiel in Gmun -<br />
den, Laa kir chen oder Steyr fuh ren wir<br />
mit den Fahr rä dern, denn für eine Bahn -<br />
kar te hät te es nie ge reicht. Es gab kei -<br />
nen Trai ner. Jetzt gibt es über all Trai -<br />
ner.“<br />
Lisl Rechka: „Im Arbeiterschwimmver<br />
ein war er Lehr wart.“<br />
Jo sef Wink ler: „<strong>Franz</strong> Hai der war im<br />
tech ni schen Aus schuss. Er fun gier te<br />
dort als Schieds rich ter. Er nahm den<br />
Sport sehr ernst, trotz sei ner Fin gers tut -<br />
zen war er der ein zi ge, der uns zei gen<br />
konn te, wie man ei nen Speer rich tig<br />
wirft, kein an de rer Trai ner konn te ihm<br />
den klei nen Fin ger rei chen. Er war für<br />
uns ein Vor bild. Er hat te im mer einen<br />
ehrlichen Charakter.“<br />
Jo sef Nit sche: „Vor dem Un glück<br />
war er in ei ner kör per li chen Ver fas -<br />
sung, dass er zu ei nem der be sten Zehn -<br />
kampf sport ler von Ös ter reich ge hört<br />
hat te. Al les blic kte im mer auf den <strong>Franz</strong><br />
Hai der, denn er fiel durch sei ne<br />
Leistungen auf.“<br />
Sportliche Leistungen<br />
Lei der ge ben die vor han de nen Un -<br />
ter la gen kei ne Be stä ti gung von sei nen<br />
sport li chen Lei stun gen. Die von Hans<br />
Scho bers ber ger und Dr. Fritz Mayrho -<br />
fer verfasste „Geschichte der Linzer Ar -<br />
bei ter-Turn- und Sport be we gung (1903<br />
- 1934) be stä ti gen nicht die von vie len<br />
Freun den vor han de ne Mei nung. In der<br />
vor hin er wähn ten Ar beit heißt es: „Der<br />
gro ße Do mi na tor bei die sen Kämp fen<br />
war in den zwan zi ger Jah ren Max Lot -<br />
te ra ner … der in den meis ten Ein zel dis -<br />
zi pli nen den Sieg er rang … Bei der Ju -<br />
gend bzw. in der all ge mei nen Klas se<br />
anfangs der dreißiger Jahre waren es<br />
dann Wil li Rauch, <strong>Franz</strong> Presslmayr,<br />
<strong>Franz</strong> Gründling und <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>, die<br />
diese Tradition weiterführten.“<br />
So man che Sport art in der ös ter rei -<br />
chi schen Ar bei ter sport be we gung wur -<br />
de nach dem Ers ten Welt krieg or ga ni -<br />
siert, das heißt, es wur den dem ent spre -<br />
chen de Ver ei ne ge grün det. In Linz Ers -<br />
ter Lin zer Ar bei ter-Schwimm ver ein<br />
(ASV) am 20. Sep tem ber 1921. Das<br />
erste Wettschwimmen in seiner Ver -<br />
eins ge schich te wur de von die sem Ver -<br />
ein am 19. 9. 1926 im Mi li tär be cken der<br />
städ ti schen Schwimm schu le durch ge -<br />
führt. In ei ner Dis tanz von 94 Me ter er -<br />
reich te <strong>Franz</strong> Hai der den ers ten Platz im<br />
Rückenschwimmen in der Zeit von 1<br />
Minute und 47 Sekunden.<br />
Bei der Vereinsmeisterschaft am 28.<br />
8. 1927 lan de te <strong>Franz</strong> Hai der bei 50<br />
Meter Rückenschwimmen am 3. Platz<br />
mit ei ner Zeit von 47.3 Se kun den bei ei -<br />
ner Luft- und Was ser tem pe ra tur von 14<br />
Grad Celsius. Beim Wettschwimmen<br />
am 9. Sep tem ber 1928, bei ei ner Lage<br />
von 48 m er reich te <strong>Franz</strong> Hai der den<br />
ers ten Platz in ei ner Zeit von 40 Se kun -<br />
den. Bei der Vereinsmeisterschaft am<br />
25. Au gust 1929 er reich te <strong>Franz</strong> Hai der<br />
bei 48 m im Rü cken schwim men den<br />
ers ten Platz in ei ner Zeit von 31.4 Se -<br />
kun den. Weitere Kämpfe wurden nicht<br />
festgehalten.<br />
Trotz Behinderung dabei<br />
Einige Beispiele von seiner Beteili -<br />
gung an leicht ath le ti schen Aus tra gun -<br />
gen der ATSV vor und nach sei ner<br />
Verletzung:<br />
25 Jah re ATSV Linz, 23./24. 6. und<br />
30. 6./1. 7. 1928: Bei der Aus tra gung<br />
der Zehnkampf-Männer erreichte Josef<br />
Ba ku le den 1. Platz und <strong>Franz</strong> Hai der<br />
Seite 5<br />
den 2. Platz. In den Ein zel kämp fen bei<br />
dieser Veranstaltung erreichte beim 200<br />
m Lauf <strong>Franz</strong> Hai der den 1. Platz mit<br />
ei ner Zeit von 26 Se kun den, auch im<br />
Speer wer fen er hielt er den 1. Platz mit<br />
ei ner Weite von 38.13 Metern.<br />
Bei ei ner Ver an stal tung am 6. und 7.<br />
Au gust 1932 er reich te <strong>Franz</strong> Hai der in<br />
Salz burg bei der leicht ath le ti schen und<br />
wehr sport li chen Meis ter schaft des 18.<br />
Krei ses beim Speer wer fen eine Wei te<br />
von 42.25 Me tern und da mit wie der den<br />
ers ten Platz, eben so im Ku gels to ßen<br />
mit ei ner Weite von 11.43 Metern.<br />
Theo dor Schim böck, der eben falls<br />
bei dieser Meisterschaft angetreten war:<br />
„Ich war sehr über rascht, als ich beim<br />
200 m Lauf dem <strong>Franz</strong> Hai der, ob wohl<br />
er be hin dert ge we sen war, nicht da von -<br />
lau fen konn te. Wir ka men da mals<br />
zugleich ins Ziel.“<br />
Am 16. Juli 1933 bei der Meis ter -<br />
schaft des ASKÖ, Be zirk Linz er reich te<br />
<strong>Franz</strong> Hai der beim Ku gels to ßen 11.55<br />
m und da mit den 2. Platz und beim<br />
Speer wer fen den 1. Platz mit ei ner Wei -<br />
te von 38.54 Meter.<br />
Nach den Be rich ten sei ner Freun de<br />
war er ein begeisterter Schifahrer, aber<br />
bei Schi wett kämp fen scheint er nir -<br />
gends auf. Fredl Ehart be rich tet:<br />
„Haupt säch lich wa ren wir auf dem<br />
Dachs tein. Den kann ten wir bes ser als<br />
un se re nä he re Um ge bung. <strong>Franz</strong> war<br />
ein gu ter Schi fah rer.“ Er war auch ein<br />
gu ter Berg stei ger, der große Pläne<br />
hatte.<br />
Fredl Ehart: „Wir hat ten im mer<br />
schon vor, dass wir eine gro ße Berg tour<br />
ma chen woll ten. Im Ge spräch war der<br />
Mon te Rosa mit dem Grenz glet scher<br />
mit dem Blick auf das Mat ter horn.<br />
Quelle:<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Franz</strong> Hai -<br />
der…<br />
Hand ball mann schaft des ATSV Linz Stamm 1927 (<strong>Franz</strong> Hai der 5. von links<br />
in der letz ten Rei he)
Seite 6<br />
Aus den Er in ne run gen von Anna Hai der:<br />
Der <strong>Franz</strong>l<br />
Ein Ge spräch vom 6. 8. 1987 mit<br />
Hai der Anni, Jahr gang 1902 (22. 3.)<br />
wohn haft im Hil lin ger Se nio ren heim<br />
Linz.<br />
Den <strong>Franz</strong>l sah ich zum ers ten Mal<br />
nach dem 34er Jahr auf dem Leo pol di -<br />
berg, wo wir Schutz bünd ler uns tra fen.<br />
Es war auch ein ge wis ser Hau er da bei,<br />
war sein il le ga ler Name. Wir ka men da -<br />
mals zu sam men, um da rü ber zu spre -<br />
chen, was wir wei ter ma chen woll ten.<br />
Das war nach dem Fe bru ar 1934. Der<br />
<strong>Franz</strong> sprach da mals über Ober ös ter -<br />
reich. Ich war da mals noch mit ei nem<br />
an de ren li iert, dem Va ter von Kar li,<br />
des halb hör te ich ihm nur in halt lich zu,<br />
weil ich ja per sön lich als Mann an ihm<br />
nicht interessiert gewesen war. Danach<br />
ging der Kar li mit den Schutz bünd lern<br />
in die Sow jet union.<br />
Der Ma rek <strong>Franz</strong>l sag te dann zu mir,<br />
dass ich in die Sow jet union fah ren soll -<br />
te, um zu stu die ren. Ich fuhr hin über.<br />
Der Ma rek brach te mich zur Bahn, und<br />
ich fuhr nach Prag. Ich hat te dort eine<br />
Stel le, wo ich mich mel den soll te,<br />
Tschisch kov. Ich kam zu ei ner Frau, zu<br />
der Mut ter der Ös ter rei cher. Sie führ te<br />
mich mit dem Lau scher Fritz zu sam -<br />
men, der mich in die Alt stadt zu Ma ri na<br />
brach te, eine lie be Tsche chin. Ein mal<br />
muss te ich aufs tsche chi sche Kon su lat,<br />
wo mir ein Bild in die Hand fiel, wo<br />
stand 75 Pro zent Wai sen. Da rauf sah<br />
ich mei nen Kar li, wie er Fuß ball spiel te.<br />
Ich bat den Kon sul, dass ich mir das<br />
Bild he raus neh men dürf te, weil mein<br />
Kind drauf war. Ich er zähl te ihm al les<br />
und durf te mir das Bild neh men. Da -<br />
rauf hin gab er mir das Vi sum auch<br />
gleich mit. Das Bild schic kte ich von<br />
Prag aus mei ner Mut ter zum Auf he ben,<br />
und ich habe es bis heu te noch.<br />
Ich fuhr gleich mit der ers ten Par tie<br />
hin über. Der Fritz sag te zu mir, dass ich<br />
mir als ers tes um ei nen Mann schau en<br />
soll te, weil das wür de das wich tigs te<br />
sein. Das war ty pisch Fritz. Er sag te, ich<br />
soll te für ei nen Mann gleich zwei Kof -<br />
fer mit neh men. Er er zähl te mir, dass es<br />
sich um ei nen Ober ös ter rei cher han del -<br />
te, der kei ne Fin ger hät te. Ich sag te, ob<br />
die Kof fer nicht ein an de rer Mann tra -<br />
gen könn te, aber der Fritz sag te, dass es<br />
für mich sehr wich tig wäre, dass ich die<br />
Kof fer trug. Er glaub te nicht, dass ich<br />
an ban deln soll te, son dern er woll te<br />
wirk lich nur, dass ich die sem Mann<br />
half.<br />
Wir ka men hin über, an der Gren ze<br />
wur den wir ab ge holt und vor ge führt.<br />
Ich ging mit mei nem fal schen Pass nach<br />
vor ne und frag te, was ich ma chen soll te.<br />
Ich woll te in die Sow jet union. Ich sag -<br />
te, dass ich mein Kind be su chen woll te,<br />
das mit den Schutz bünd lern nach 1934<br />
in die Sow jet union ge kom men war.<br />
Des halb lie ßen sie mich durch. Das war<br />
die Rote Ar mee. Auf der pol ni schen<br />
Gren ze durf ten wir durch fah ren.<br />
Im Mos kau ka men wir auf den Bahn -<br />
hof. Das war Fe bru ar 1936. Am 1. Mai<br />
1936 war ich beim Auf marsch da bei,<br />
ich wein te da mals wie ein klei nes Kind.<br />
Auf dem Bahn hof stand ein Of fi zier der<br />
Ro ten Ar mee. Er hör te mich re den, kam<br />
auf mich zu und frag te mich, ob ich et -<br />
was such te Er nahm uns alle mit, die<br />
Sprecherin war eigentlich ich. Der<br />
Kom pein Si mon aus Kärn ten war auch<br />
da bei. Er half mir auch ver schie de nes.<br />
Ein Mann war da bei, der woll te mich zu<br />
Frau en in Prag mit neh men, der ging auf<br />
alle Frau en los. Der Si mon riet mir da -<br />
von ab.<br />
Ich wur de auf ein Zim mer ge führt,<br />
dann kam plötz lich der Ernst Fi scher zu<br />
mir. Ich er zähl te ihm ei ni ges, auch wie<br />
wir die Schutz bünd ler über die Gren ze<br />
ge bracht hat ten. Ich konn te ja schie ßen,<br />
denn das lern te ich als Wehr tur ne rin<br />
beim Schutz bund. Plötz lich ging die<br />
Türe auf, ein Mann kam he rein mit ei -<br />
nem grau en An zug, ich kann te ihn<br />
nicht, doch er kam mir be kannt vor. Der<br />
Ge nos se Fi scher sag te mir, dass es ein<br />
Oberösterreicher wäre. Ich erzählte ihm<br />
von dem ers ten Tref fen. Da sah ich den<br />
Hai der das zwei te Mal.<br />
Ein mal spiel ten wir in ei ner Schu le<br />
Vol ley ball, da bei war auch der Ho fer<br />
Pe ter, der Fuchs Ernst, eine gan ze Men -<br />
ge wa ren dort. Die meis ten gin gen dann<br />
an die Spa nien front, auch ich woll te<br />
nach Spa nien, Ich sprach da rü ber mit<br />
dem Fürn berg Friedl, der mich aber<br />
frag te, was ich dort ei gent lich tun woll -<br />
te. Ich hieß da mals He le ne. Kol ver aber<br />
Mirl rie fen mich alle. Wir spiel ten Vol -<br />
ley ball, als plötz lich die Türe auf ging,<br />
und eine gan ze Men ge Män ner trat he -<br />
rein. Mit ten drin nen war der <strong>Franz</strong>l. Er<br />
zog den Rock aus, stell te sich so hin,<br />
warf den Ball ganz ge schickt zu rück.<br />
Ich be kam so ei nen Zorn, warf ihm den<br />
Ball hin auf, schrie, dass er ihn sich be -<br />
hal ten soll te und ging weg.<br />
Dann wa ren wir ge mein sam in der<br />
Schu le. Im Mai un ge fähr fing die Schu -<br />
le an. Die Go go lewsky schu le brann te<br />
ab. In der Nacht saß ich im mer und stu -<br />
dier te, denn fast alle an de ren hat ten<br />
schon Vor kennt nis se, aber ich muss te<br />
Anna Hai der (1902-1990)<br />
von Grund auf an fan gen. Ich ar bei te te<br />
Tag und Nacht. Ein mal klet ter te je mand<br />
beim Fens ter he rein, es war der <strong>Franz</strong>l,<br />
er schrec kte sich, weil er dach te, er<br />
wäre in sei nem Zim mer, klet ter te so fort<br />
zu rück und ne ben an ins Fens ter, in sein<br />
Zim mer. Jetzt hat ten sie Angst, dass ich<br />
et was sa gen wür de, aber es war mir<br />
egal.<br />
Dem Kar li sein Va ter wur de dann<br />
Nazi. Er war Tsche che, ich konn te ihn<br />
nicht hei ra ten, weil ich sonst al les ver -<br />
lo ren hät te. Er war beim SA-Mo tor -<br />
sturm. Das war für mich aus schlag ge -<br />
bend, dass ich von ihm weg ging. Un se -<br />
rem Sohn sag te ich nichts, er wuss te es<br />
bis zum Schluss nicht, dass sein Va ter<br />
Nationalsozialist gewesen war. Sein<br />
Va ter hieß Karl Ulip. Er war si cher kein<br />
über zeug ter Nazi, aber trotz dem. Sei ne<br />
Eltern waren Sozialdemokraten. Er<br />
war te te sehr lan ge auf mich. Auch sein<br />
Va ter hat te ihn ver sto ßen, aber die Mut -<br />
ter hielt zu ihm. Sein Va ter war ein lie -<br />
ber Kerl.<br />
Be vor die Schu le be gon nen hat te,<br />
gin gen der Schül ler Ri chard, der Teubl<br />
Ro bert und ich spa zie ren. Ich hat te an<br />
den Ri chard eine gro ße Bit te, näm lich<br />
mei nen Sohn zu se hen. Er sag te, dass<br />
wir gleich ge hen wür den. Da sah ich<br />
mei nen Sohn zum ers ten Mal. Ich stand<br />
an ei ner Hau se cke, als plötz lich ein gro -<br />
ßer Bub da her kam. Ich hat te ihn zwei<br />
Jah re nicht mehr ge se hen. Er schau te<br />
mich an und schrie nur mehr: „Mama,<br />
Mama, Mama, das kann nicht wahr<br />
sein.“ Wir fie len uns um den Hals und<br />
konn ten über haupt nichts re den. Er war<br />
da mals elf Jah re alt. Wir gin gen ganz<br />
lang spa zie ren. Ich wohn te da mals noch<br />
im Lux-Ho tel, wo wir ins Res tau rant<br />
gin gen. Ich glaub te, dass Kir schen was -<br />
ser ein gu tes Ge tränk war, aber der
Kell ner sag te zum Kar li, dass er mir sa -<br />
gen soll te, dass das ein Schnaps sei. Wir<br />
lachten natürlich. Der Karli musste wie -<br />
der weg und sag te, dass er mir am<br />
nächs ten Tag, wenn er wie der Ruhe ge -<br />
funden hätte, alles erzählen würde. Er<br />
ging heim, ich blieb im Ho tel Lux. Für<br />
den nächs ten Tag mach ten wir uns et -<br />
was aus. Er führ te mich ins Le nin Mau -<br />
so leum. Er sag te, dass ich im mer dort -<br />
hin ge hen soll te, wenn mich et was be -<br />
drüc kte, wenn ich Heim weh hät te,<br />
wenn ich ir gend wel che Sor gen hät te,<br />
denn dort wür de ich stark, das wür de<br />
mir Kräf te ge ben. Auf dem Ro ten Platz<br />
setz ten wir uns nie der. Dort er zähl te er<br />
mir dann vie les.<br />
Er er zähl te mir auch, dass er zur Lei -<br />
tung ge ru fen wor den war. Er wuss te<br />
nicht, was sie von ihm woll ten, er dach -<br />
te, er hät te et was an ge stellt. Er ging<br />
zum Lei ter, der ihm nur sag te, dass je -<br />
mand ge kom men wäre, auf den er sich<br />
sehr freu en wür de, näm lich sei ne Mut -<br />
ter. Er sag te, er hät te sich nicht hal ten<br />
kön nen, fiel hin und wein te nur aus lau -<br />
ter Freu de. Der Lei ter sag te ihm, dass<br />
sei ne Mut ter aus dem Land Oster reich<br />
ge kom men war, dass sie eine bra ve Ge -<br />
nos sin wäre, und dass er sie so oft se hen<br />
könn te wie er nur woll te, aber dass eine<br />
Zeit kom men wür de, wo die se Be su che<br />
wie der auf hö ren wür den. Der Kar li fiel<br />
dem Lei ter um den Hals, bus sel te ihn ab<br />
und ging. Dann kam er zu mir. Er konn -<br />
te es gar nicht glau ben. Die se Er in ne -<br />
run gen sind für mich ganz furcht bar.<br />
Dann kam ich ständig mit ihm<br />
zusammen.<br />
Wir gin gen im mer in ein Cafe, wo er<br />
sich im mer et was kau fen durf te, denn er<br />
selbst hat te ja kein Geld. Ein mal sag te<br />
er zu mir, ich soll te ihm Geld ge ben,<br />
weil er sich eine Pi rosch ka kau fen woll -<br />
te. Er woll te sie gar nicht wirk lich, son -<br />
dern ihm fiel auf, dass uns dau ernd ein<br />
Mann be ob ach te te, und er nahm an,<br />
dass es ein Spit zel sein wür de. Er woll te<br />
nach vor ne ge hen, und ich soll te mich<br />
un auf fäl lig nach die sem Mann um se -<br />
hen. Ich schau te mich um und be merk -<br />
te, dass es der <strong>Franz</strong>l ge we sen war.<br />
Es hieß ja im mer schon, dass ich ir -<br />
gend wo ei nen rus si schen Mann ha ben<br />
müsste, weil ich jedes Wochenende<br />
weg fuhr und im mer zur sel ben Zeit wie -<br />
der heim kam, des halb fuhr mir der<br />
<strong>Franz</strong>l nach und schau te sich das an.<br />
Dann setz te er sich zu uns. Der Kar li<br />
sag te ab dem Mo ment nicht mehr Mama<br />
zu mir, son dern nur mehr Ge nos sin<br />
Mirl. Der <strong>Franz</strong>l er kann te so fort die<br />
Ähnlichkeit. Karli benannte immer meine<br />
Mut ter, also sei ne Groß mut ter als<br />
Mut ter le und ich war im mer das An nerl.<br />
So kam ich dann ei gent lich mit dem<br />
<strong>Franz</strong> zu sam men. Es gab über mich sehr<br />
vie le Nie der schrif ten noch vom Schutz -<br />
bund. Der <strong>Franz</strong>l er kun dig te sich über -<br />
all und er fuhr so sehr viel, das heißt, er<br />
wuss te dann schon mehr über mich als<br />
ich selbst von mir wuss te. Ich glau be,<br />
dass die Schutz bünd ler auch<br />
übertrieben hatten.<br />
Ich hat te ein mal gro ße Pro ble me und<br />
muss te mit je man den da rü ber re den,<br />
des halb ging ich zum <strong>Franz</strong>l, der mir<br />
vieles ausredete, der sagte, dass nicht<br />
je der gleich wäre, und dass die Men -<br />
schen un ter die ser Zeit sehr lei den wür -<br />
den. Wir gin gen dann öf ters mit ein an -<br />
der spa zie ren. So ka men wir dann zu -<br />
sammen.<br />
Ich hat te ein Zim mer für mich al lei -<br />
ne, weil ich die ein zi ge Frau war. Au -<br />
ßer dem war die Han si dort, die mit dem<br />
Fall schirm ab ge sprun gen war. Das war<br />
irgendwie dem Karli seine zweite<br />
Mami. Sie hat te ei nen Mann mit ei nem<br />
Kind.<br />
In der Schu le wa ren wir un ge fähr<br />
zwei ein halb Jah re. Im Jän ner 1938 kam<br />
ich nach Hau se, am 15. Fe bru ar ent band<br />
ich den Hel muth. Ich war hoch schwan -<br />
ger zu rüc kge fah ren. Ich kam in Qua ran -<br />
tä ne, nur der <strong>Franz</strong>l durf te zu mir kom -<br />
men. In der Tsche cho slo wa kei über -<br />
nahm mich der Hon ner, der nach schau -<br />
te, ob ich nicht et was mit ge nom men<br />
hat te, aber ich hat te trotz dem et was mit<br />
für den Hirsch Ber ti. Er hei ra te te die<br />
Menz Pep pi. Die saß ein mal mit mir.<br />
Ich fuhr heim, der <strong>Franz</strong> kam im<br />
März nach Prag, dann ging er kurz nach<br />
Brunn und mel de te sich dort als ös ter -<br />
rei chi scher Flücht ling. Ich weiß noch,<br />
dass der Vati, der Pu schmann, ein mal<br />
zu mir ge kom men war und sag te, dass<br />
er den Alex - den <strong>Franz</strong>l - nicht fin den<br />
konn te, aber ich konn te ihm nicht hel -<br />
fen. Das war 1938. Der <strong>Franz</strong> kam dann<br />
mit dem Point ner nach Dres den, nach -<br />
dem sie in Prag ver haf tet wor den wa -<br />
ren.<br />
Es wur de sehr schnell in Linz be -<br />
kannt, dass der <strong>Franz</strong>l in Prag ver haf tet<br />
wor den war, und die gan zen Sport ler,<br />
wo die meis ten Nazi ge wor den wa ren,<br />
setz ten sich da für ein, dass der <strong>Franz</strong>l<br />
nach Österreich überstellt wurde.<br />
Der <strong>Franz</strong>l hat te es mir er zählt, dass<br />
ei nes Ta ges ein Mann in sei ne Zel le<br />
kam, nach sei nen Fin gern frag te, sei nen<br />
fal schen Pass zer riss und das Geld, das<br />
<strong>Franz</strong>l hat te, ein stec kte und zu ihm sag -<br />
te, dass er ei gent lich auf der an de ren<br />
Sei te kämp fen soll te und sich ein set zen,<br />
und dass er nach Ös ter reich über stellt<br />
wür de. Mit Be glei tung wur de er nach<br />
Ös ter reich ge schickt, ins Kol ping haus.<br />
Er wur de vor ge führt, aber es wa ren kei -<br />
ne Un ter la gen da, wes halb sie ihn frei -<br />
las sen muss ten, und wir konn ten<br />
heiraten.<br />
Ich war da mals in Wien. Er schrieb<br />
mir, dass er frei wäre. Er such te sich<br />
Seite 7<br />
eine Ar beit und konn te wie der dort ar -<br />
bei ten, wo er an ge fan gen hat te, bei der<br />
EBG. Er schrieb, dass er eine Ar beit<br />
hät te, dass alle Wege ge si chert wä ren<br />
und wir hei ra ten könn ten. Er kam nach<br />
Wien, wo wir dann hei ra te ten. Gleich<br />
nach der Hoch zeit fuhr ich mit ihm nach<br />
Linz zu rück. Bei mei ner Schwä ge rin,<br />
der Ma rek Pol di, hat ten wir die Ta fel.<br />
Der Stre cha Wal li war mein Bei stand,<br />
der Ma rek Lois war dem <strong>Franz</strong>l sein<br />
Bei stand. Wir zo gen in die da ma li ge<br />
Ring stra ße - heu ti ge Gru ber stra ße - ein.<br />
Der Hon ner hat te mich sechs Mo na te<br />
kalt ge stellt ge habt, aber dann ar bei te te<br />
ich wie der. Dann ar bei te te ich mit dem<br />
Tul lan Wal ter. Ich war die zwei te in der<br />
ös ter rei chi schen Lei tung, und ich muss -<br />
te noch eine zwei te Lei tung zu sam men -<br />
stel len. Au ßer dem hat te ich eine jü di -<br />
sche Ärz tin da bei, die Be ne dikt.<br />
Ein mal kam die Hel la Pu schmann zu<br />
mir. Mit dem Tul lan traf ich mich im<br />
Kaf fee Stadt park, dann gin gen sie hoch,<br />
und ich zog mich zu rück. Als die Pu -<br />
schmann zu mir kam, sag te sie, dass alle<br />
auf mich war ten wür den, was denn mit<br />
mir los wäre. Ich sag te zu ihr, dass sie<br />
nicht schnell ge nug ver schwin den<br />
könn te, dass ich mich schon mel den<br />
wür de, wenn es wie der gin ge, aber zu<br />
die ser Zeit hat te ich nicht ge wusst, wie<br />
ich dran wäre.<br />
Aber der Pu schmann woll te, dass ich<br />
nach Prag käme, aber mein Pass war<br />
schon ab ge lau fen. Ich woll te zur Ge sta -<br />
po und sa gen, dass ich nach Zel pau fah -<br />
ren müss te, dort hat te ich ei nen Cou sin.<br />
Ich schrieb ihm ei nen Brief, dass er mir<br />
schrei ben soll te, dass ich zur Ent bin -<br />
dung sei ner Frau kom men soll te. Sie<br />
stand wirk lich vor der Ent bin dung. Mit<br />
sei nem Brief und dem ab ge lau fe nen<br />
Pass ging ich auf die Ge sta po. Die Ge -<br />
sta po sag te, ich soll te mir gleich ei nen<br />
fri schen Pass neh men, und er ließ mich<br />
dort hin fah ren. Au ßer dem ließ ich<br />
gleich den Hel muth in den Pass ein tra -<br />
gen, weil ich ihn mit neh men woll te. Ich<br />
fuhr na tür lich nicht zu mei nem Cou sin,<br />
son dern fuhr nach Prag<br />
Mit mei nem Sohn stieg ich in Prag<br />
aus und ging zu der Mut ter der Ös ter rei -<br />
cher, die mich in ein Zim mer führ te, wo<br />
der Vati, der - Alex (<strong>Franz</strong>l) und noch<br />
zwei Ge nos sen, ei ner der Point ner, sas -<br />
sen. Der Hel mut war da mals 10 Mo na te<br />
alt, und der <strong>Franz</strong>l sah ihn zu die sem<br />
Zeit punkt das ers te Mal. Das war im<br />
De zem ber 1938. Ich blieb zwei oder<br />
drei Wo chen. Wir wa ren schon an nek -<br />
tiert. Ich schrieb ihm vor her schon im -<br />
mer und schrieb ihm auch, dass ich ver -<br />
folgt wür de. Sie woll ten ein fach wis sen,<br />
wer der Va ter die ses Kin des war. Ich<br />
sag te im mer, dass es ein Kind der Lie be<br />
wäre. Ich sag te im mer, dass ich nicht<br />
wüss te, wer der Va ter wäre, dass ich
Seite 8<br />
den Na men ver ges sen hät te, aber dass<br />
ich ei nes ge nau wüss te, dass der Va ter<br />
kein Jude war.<br />
Ich erzählte ihnen alles, alles über<br />
die Leu te, die hoch ge gan gen wa ren,<br />
auch dass die Hel la zu mir ge kom men<br />
war und ver lang te, dass ich nach Prag<br />
fah ren soll te. Ich er zähl te auch, wie ich<br />
es schaff te, nach Prag zu fah ren. Ich<br />
wuss te, dass ich noch nicht be ob ach tet<br />
wur de und dass ich ru hig ar bei ten konn -<br />
te, das war sehr wich tig.<br />
Die Mutter der Österreicher stellte<br />
uns ein Schlaf zim mer zur Ver fü gung,<br />
und der Bub schlief zwi schen uns, denn<br />
er konn te nicht al lei ne schla fen, er<br />
muss te im mer bei mir lie gen. Wir ka -<br />
men auch mit dem Stei ner <strong>Franz</strong> zu sam -<br />
men, ein tsche chi scher Stu dent, und sei -<br />
ner Frau, die auch stu dier te. Sie hat ten<br />
ein Zim mer, wo im mer alle zu sam men -<br />
ge kom men wa ren. Bei ih nen konn te ich<br />
den Bu ben ba den.<br />
Der Vati und der <strong>Franz</strong>l be schlos sen<br />
dann, wie ich weiterzuarbeiten hätte.<br />
Mit der Kras nitz ki kam ich zu sam men,<br />
mit der sollte ich weiterarbeiten. Sie<br />
hatte als Gewerkschafterin die ganzen<br />
gro ßen Be trie be in Wien über. So hat ten<br />
wir dann die Lei tung schon ziem lich zu -<br />
sam men. Es wur de noch al les be spro -<br />
chen, was ich zu tun und zu ar bei ten<br />
hät te, dann fuhr ich zu rück und stieg in<br />
die Ar beit ein. Bei den Flo rids dor fern<br />
war einer, der im Zentralkomitee war,<br />
der <strong>Franz</strong> war in der Lei tung und ein<br />
paar an de re. Ich such te mir mei ne Leu -<br />
te, von de nen ich ge wusst hat te, dass sie<br />
gut wa ren. (Turner <strong>Franz</strong>)<br />
Ich be kam auch an de re dazu, zum<br />
Bei spiel ei nen Stra ßen bah ner, dann den<br />
Srch, den Se bek, das war auch ein gu ter<br />
Bursche. So arbeiteten wir zusammen,<br />
und so hat te ich die Lei tung bei sam -<br />
men. In der Fa vo ri ten stra ße ka men wir<br />
zu sam men, der Vati kam auch vor bei,<br />
der half auch mit. Er über prüf te die Lei -<br />
tung, und er kam zu dem Er geb nis, dass<br />
es rich tig ge we sen war, wie ich es ge -<br />
macht hat te.<br />
Ei ner war da bei, ein Trotz kist, der<br />
sag te, dass sie sich von ei ner Frau be -<br />
vor mun den las sen müss ten. Der Leo<br />
Frit sche war auch da bei. Er brach te ein<br />
Flug blatt he raus. Ich schau te den Vati<br />
an und sag te, dass das kein Flug blatt<br />
wäre.<br />
Dem <strong>Franz</strong> und mir mach te die Schu -<br />
le sehr viel Freu de. Als er zu rüc kkam<br />
hat te er bis zu sei ner Ver haf tung die<br />
Funk ti on des Se kre tärs vom Teufl<br />
Sepp. Das war in Ös ter reich. In der<br />
Tschechei machte er Grenzarbeit, ich<br />
weiß es zwar nicht, aber ich glau be,<br />
dass er in der Tsche chei auch eine<br />
Funk ti on hat te, da er ja mit dem Vati<br />
gearbeitet hatte. Den Altrichter lernten<br />
wir auf der Schu le ken nen, er war<br />
Kreis se kre tär in Bud weis.<br />
Ich traf mich ein mal mit dem Vati,<br />
der mir sag te, dass der <strong>Franz</strong>l un auf -<br />
find bar wäre, und dass ich aufs<br />
schlimms te ge fasst sein müss te. Der<br />
<strong>Franz</strong>l ging mit dem Point ner in Prag<br />
spa zie ren, wur de ab ge fan gen und es<br />
wur de ein Pass bei ihm ge fun den. Der<br />
<strong>Franz</strong>l soll te nach Eng land, er woll te<br />
aber nach Ös ter reich. Der Point ner<br />
woll te auch nach Ös ter reich, auch nicht<br />
nach Eng land. Des halb hat ten sie sich<br />
ge trof fen. Es war Stand recht. Es war<br />
Raz zia. Der Pass und das Geld wur den<br />
ge fun den, des halb wur den sie gleich<br />
verhaftet.<br />
Die bei den ka men nach Dres den. Als<br />
er ver hört wur de in ei nem Zim mer,<br />
woll te er, wenn die Türe auf ging, beim<br />
Fens ter hin aus sprin gen und gleich flie -<br />
hen. Die Türe ging auf, aber der Mann<br />
stürz te gleich auf den <strong>Franz</strong>l, und sie la -<br />
gen bei de auf dem Tisch. Der Ge sta po -<br />
mann sag te, dass er nach Ös ter reich<br />
müss te, dass ihm dort der Pro zess ge -<br />
macht wür de. So ähn lich muss es ge we -<br />
sen sein. Ich glau be nicht, dass er dort<br />
ge schla gen wor den war, aber ganz si -<br />
cher weiß ich es nicht. Der Point ner<br />
wur de un heim lich ge schla gen.<br />
Sie woll ten den Hai der <strong>Franz</strong> er -<br />
schla gen, er woll te sich ver tei di gen und<br />
zog ei nen Ge sta po mann über den Tisch.<br />
Bei de la gen über dem Tisch. Dann kam<br />
der Chef und sag te, er sol le sich zu sam -<br />
men pa cken. Dann wur den ihm Pass und<br />
Geld weg ge nom men. Er kam nach Ös -<br />
terreich, wo sie keine Unterlagen über<br />
ihn ge fun den hat ten. Die wa ren alle ver -<br />
nich tet. Wir hei ra te ten am 2. März<br />
1940.<br />
Ei nes Ta ges kam ein Brief, dass ich<br />
nach Wien fah ren soll te. Ich nahm mei -<br />
nen Sohn, fuhr nach Wien und brach te<br />
mei nen Sohn zur Mut ter. Die Woh nung<br />
ge hör te ei gent lich mir, aber be vor ich<br />
damals weggefahren war, überschrieb<br />
ich die Woh nung auf mei ne Mut ter, da -<br />
mit sie sie nicht hin aus schmei ßen konn -<br />
ten, wenn irgendetwas geschehen wäre.<br />
Ich wohn te im mer mit mei ner Mut ter<br />
zusammen.<br />
Als wir im Ge fäng nis wa ren, durf ten<br />
wir nur alle vier Mo na te schrei ben und<br />
alle vier Monate Besuch bekommen.<br />
Nach der Ver haf tung sa hen wir uns<br />
neun Mo na te nicht. Ich be kam da mals<br />
nur zwei Hie be, aber ich sah die Ster ne<br />
und die Zäh ne wa ren ein ge schla gen,<br />
Als ich in die Zel le kam, rann mir das<br />
Blut run ter. Ein sehr net ter Poli zist<br />
wisch te mir das ge stoc kte Blut ab und<br />
zog mei ne Zäh ne he raus. Zu die sem<br />
Zeit punkt war mir schon al les egal. Ich<br />
war in ei ner klei nen Zel le mit ei ner 300<br />
Watt Bir ne, denn ich war ja blind bzw.<br />
ge blen det, als ich he raus kam. Das Ge -<br />
wand wur de zwar ge wa schen, aber es<br />
war um den Hals noch ganz blu tig. Das<br />
Ge wand wur de dann mei ner Mut ter<br />
nach Hau se ge schickt, und alle glaub -<br />
ten, ich sei schon geköpft worden.<br />
In Linz wohn te ich zu sam men mit<br />
meiner Schwiegermutter, mit dem<br />
<strong>Franz</strong>l und mei nem Sohn. Den Brief be -<br />
kam ich da mals vom Pu schmann aus<br />
Wien. An ei nem be stimm ten Tag muss -<br />
te ich nach Hüt tel dorf fah ren, die Hel la<br />
war te te mich ab, und wir tra fen den<br />
Vati in sei nem Haus. Er sag te, dass ich<br />
eine schwere Arbeit übernehmen müss -<br />
te. Bis dort hin hat te ich ja nur die Antifa-Front<br />
auf ge baut.<br />
Be vor ich noch in die Sow jet union<br />
ge kom men war, mach ten wir ei ni ge op -<br />
ti sche Ak tio nen, zum Bei spiel häng ten<br />
wir ein mal den Doll fuß auf ei nen Gal -<br />
gen ge hängt und auf ge hängt. Zwei<br />
Tage hing die ses Pla kat, weil sie es<br />
nicht he run ter brach ten. Von über all her<br />
ka men die Leu te, um die ses Pla kat zu<br />
se hen. 28 Mann wa ren da und ver such -<br />
ten, das Pla kat he run ter zu ho len. Sie<br />
glaub ten, dass eine Bom be oben wäre.<br />
Wir ha ben recht ge lacht.<br />
Mei ne Mut ter war zwar eine recht<br />
tap fe re Frau, aber sie sag te trotz dem, als<br />
ich da mals nach Wien kam, dass ich<br />
jetzt schon wie der an fin ge, ich soll te es<br />
doch las sen. Aber ich er wi der te ihr,<br />
dass ich müss te, dass ich nicht an ders<br />
könn te. Sie woll te halt nicht dass es mir<br />
schlecht gin ge.<br />
Mit der Hel la und dem Vati fuh ren<br />
wir dann in die Fa vo ri ten stra ße, wo ich<br />
den Sche beg, den Srch, Frit sche, Sturm,<br />
Libetz getroffen hatte. So waren wir<br />
beisammen. Die Leitung musste zusammengestellt<br />
werden. Der Turner Walter<br />
war hoch ge gan gen. Ich bau te das auf<br />
und muss te noch an de re Leu te da zu ge -<br />
ben. Den <strong>Franz</strong>l aus Flo rids dorf, Mei er<br />
Adi gab ich dazu. Bei die ser Sit zung<br />
wur den zwei Fra gen auf ge wor fen. Der<br />
Li betz und der Sturm wehr ten sich, dass<br />
das eine Frau ma chen soll te. Das zwei te<br />
war, dass ich eine Phio le ho len soll te.<br />
Ich tat es nicht gern, weil Le nin sag te,<br />
dass in die Parteiarbeit keine Sabotage<br />
kom men dürf te, aber dass sie sa hen,<br />
dass ich nicht fei ge war, tat ich es. Die<br />
Phio le über gab ich dem Ossi, aber sie<br />
ist nicht mehr auf ge taucht. (Phio le,<br />
Glasbehälter mit Gift-Gas)<br />
Dann fuhr ich mit mei nem Sohn wie -<br />
der nach Linz und sag te, dass ich nach<br />
Wien ar bei ten gin ge. Der <strong>Franz</strong>l war<br />
ein ver stan den. Nach der Ak ti on mit der<br />
Phio le gin gen dann ei ni ge hoch. Auch<br />
ich wur de von die sem Zeit punkt an be -<br />
ob ach tet. Be merkt habe ich es des halb,<br />
weil ich in der Stra ßen bahn eine Frau<br />
aus mei nem Haus traf, sie stand, ich<br />
sass, wir grü ß ten uns nur, und nach die -<br />
ser Be grü ßung be merk te ich schon, wie<br />
sie be ob ach tet wur de, also war es für
mich klar, dass ich be ob ach tet wur de.<br />
Sie war mit ei nem Ver bre cher zu -<br />
sam men. Sie hat te die Auf ga be ih rem<br />
Freund zu deu ten, wenn eine Pro sti tu -<br />
ier te mit Geld ein ge stie gen war. Ihr<br />
Freund ging der nach und ent riss ihr die<br />
Hand ta sche. Er wur de dann da mals ver -<br />
haf tet und hin ge rich tet. Da durch dass<br />
wir uns ge grüßt hat ten und sie kei ner<br />
kann te, wur den so fort sie und ihr<br />
Freund be ob ach tet. Zwei Tage spä ter<br />
kam dann die Ge sta po zu mir. Ich wuss -<br />
te das da mals nicht, und die Ge sta po<br />
glaub te, dass ich bei die sen Ver bre chen<br />
mitbeteiligt gewesen war.<br />
Ein mal ging ich mit mei ner Mut ter<br />
ins Kino. In die ser Nacht läu te te es um<br />
vier Uhr in der Früh an mei ner Woh -<br />
nungs tür. Ich schau te nach, und es war<br />
die Formanek, die Hausmeisterin. Sie<br />
war ganz über rascht, was ich da woll te,<br />
und ich sag te, dass ich doch wohl noch<br />
meine Mutter besuchen dürfte. Sie hatte<br />
das Jahr 1934 mit er lebt. Sie sag te, dass<br />
die Gestapo gerade bei ihr gewesen<br />
war. Sie wur de ge fragt, ob bei ihr im<br />
Haus eine Frau mit ei nem grau en Kos -<br />
tüm und ei nem wei ßen Haar strei fen im<br />
Haar sein wür de. Ich hat te eine Pig -<br />
ment stö rung, da durch der wei ße Strei -<br />
fen. Sie sag te, dass sie so eine Frau<br />
noch nie im Haus ge se hen hät te. Der<br />
Ge sta po mann ging hin auf und zeig te ihr<br />
die Tür, wo er glaub te, dass ich wohn te.<br />
Es war die Türe mei ner Mut ter. Die<br />
Hausmeisterin erzählte uns das gleich,<br />
und so be schloss ich, um mei ne Mut ter<br />
nir gends hin ein zu zie hen, wieder zu<br />
verschwinden.<br />
Ich ging zur Reith Kät he, die mir ei -<br />
nen An zug und eine Kap pe von ih rem<br />
Sohn von der Front gab. Ich hat te die<br />
Haa re wie ei nen Bu ben kopf ge schnit ten<br />
und setz te die Kap pe auf. Ich sag te mei -<br />
ne gan zen Tref fen ab. Ich sag te, dass<br />
wir uns in zwei bis drei Wo chen zur<br />
glei chen Zeit wie der ref fen wür den. Ich<br />
kam aber nicht mehr dazu. Der <strong>Franz</strong>l<br />
von Flo rids dorf kam hin auf und frag te,<br />
was los wäre. Ich er zähl te es ihm.<br />
Dann fuhr ich nach Linz. In mei nem<br />
ei ge nen Wag gon traf ich zwei Män ner,<br />
die mich auch be ob ach tet hat ten. Ich<br />
ging in die Ring stra ße, mach te kein<br />
Licht und blieb im Fins tern sit zen. Ich<br />
hör te den <strong>Franz</strong>l pfei fend nach Hau se<br />
kom men. Er glaub te ja, ich wäre in<br />
Wien. Er kam he rein, mach te Licht und<br />
frag te, was ich hier täte. Ich hät te mich<br />
nicht hin ein ja gen las sen sol len. Ich war<br />
wie der zu hau se. Ein mal kam der <strong>Franz</strong>l<br />
aus Wien und er zähl te mir, dass der<br />
Vati ge sagt hät te, dass ich um ge fal len<br />
wäre, aber der <strong>Franz</strong>l be stritt dies aufs<br />
hef tigs te. Er konn te sich das nicht vor -<br />
stel len, und es stimm te auch nicht. Der<br />
Ossi er zähl te dem Vati, dass ich alle<br />
Ver ab re dun gen ab ge sagt hät te, des halb<br />
hat te der Vati ge glaubt, dass ich um ge -<br />
fal len wäre, da bei war es der Ossi. Der<br />
<strong>Franz</strong>l re de te mit dem Teufl Sepp da rü -<br />
ber, der sag te, dass man sich bei kei nem<br />
Men schen si cher sein könn te, aber dass<br />
er auf jeden Fall abwarten sollte.<br />
Ich ging im mer ins Ei sen bah -<br />
ner-Dampf bad. Dort kam auch die<br />
Rech ka Liesl hin. Sie woll te mit mir<br />
hin ge hen, aber ich sag te ihr, dass ich<br />
glaub te, be ob ach tet zu wer den. Aber<br />
auch sie glaub te, dass ich al les nur über -<br />
spitz te. Sie sag te, wenn ich halt nicht<br />
mit ihr ge hen woll te, dann gin ge sie<br />
eben al lei ne. Ich ging, und als ich an der<br />
Land stra ße ging, sprang ein Mann aus<br />
einem Haus, der mich fotografierte. Er<br />
hat te aber kei nen Fo to ap pa rat in der<br />
Hand, ich hör te es aber kli cken. Ich<br />
glaub te schon fast, dass ich spin ne, der<br />
<strong>Franz</strong>l auch, und auch alle an de ren wa -<br />
ren der Mei nung, dass ich mir al les ein -<br />
bildete.<br />
Ich ging zum Kin der arzt Mei er. Die<br />
Mut ter ging auch mit. Ich ließ den Bu -<br />
ben un ter su chen. Als ich hin ein ge hen<br />
woll te, sag te der Arzt, dass es noch ei -<br />
nen Mo ment dau ern wür de, und zwei<br />
Män ner gin gen vor mir hin ein und blie -<br />
ben nur ganz kurz. Dann hol te mich der<br />
Arzt hin ein. Er un ter such te den Bu ben<br />
und sag te dann, ich soll te nach Hau se<br />
ge hen. Da bei schau te er mich ganz ei -<br />
gen tüm lich an. Kur ze Zeit spä ter ver -<br />
letz te sich der Hel mut bei Ei sen roh ren,<br />
und ich ließ den Dok tor Mei er ho len. Er<br />
sag te, wir soll ten auf den Bu ben nicht<br />
so hei kel sein, er wür de schon sei nen<br />
Mann stel len. So ging er fort.<br />
Ei nes Ta ges kam der <strong>Franz</strong>l und sag -<br />
te, dass er auch be ob ach tet wür de. Er<br />
ging zur EBG, ein Mann kam auf ihn zu<br />
und sag te: „Herr Hai der“, sonst ei gent -<br />
lich nichts. Ein Mann, der Di rek tor bei<br />
der EBG wer den soll te, warn te ihn und<br />
sag te ihm, dass eine Nach fra ge we gen<br />
ihm gewesen wäre.<br />
Er ging zum Teufl Sepp und sag te,<br />
dass ich mir nichts ein bil den wür de,<br />
dass er auch be ob ach tet wür de. Er ging<br />
zur Mir li und woll te über den Mei er Ig -<br />
naz wis sen, was los wäre. Es stimm te,<br />
wir be ka men die Aus kunft, dass wir<br />
bei de un un ter bro chen be ob ach tet wür -<br />
den. So hat ten wir die Be stä ti gung. Mir<br />
sag te er nichts da von, weil er mich in<br />
Sicherheit wiegen wollte. Wir beschlos -<br />
sen nur, nichts mehr zu ma chen, weil<br />
wir kei ne Loc kvö gel sein woll ten.<br />
Eines Tages, ich strickte gerade meiner<br />
Mut ter eine We ste, war ge ra de fer -<br />
tig, läu te te es, die Türe ging auf und der<br />
Mei er Ig naz kam he rein. Die Mut ter<br />
wur de blass, weil sie ihn kann te, ich<br />
kann te ihn nicht. Ich frag te, was er<br />
woll te. Er sag te zur Mut ter: „Frau Hai -<br />
der, Sie ken nen mich eh.“ Ich frag te,<br />
wer er wäre. Er sag te, dass ihn die<br />
Seite 9<br />
Schwie ger mut ter ken nen wür de, und<br />
dass wir in den Kel ler ge hen müss ten.<br />
Dort woll te er was nach schau en. In<br />
Wirk lich keit sag te er uns, dass wir ver -<br />
haf tet wer den wür den. Es war ein zwei -<br />
ter Wiener Gestapomann dabei, der in<br />
der Zwi schen zeit in der Woh nung<br />
blieb. Die ser such te alle Bü cher durch.<br />
Der Hel mut frag te auch, was der Mann<br />
woll te. Er nahm mich um den Hals und<br />
woll te mich nicht mehr los las sen. Der<br />
Ge sta po mann frag te mich, wo wir was<br />
ver steckt hät ten. Ich sag te, dass ich<br />
nicht wüss te, wo nach sie such ten, und<br />
sie soll ten nur su chen bis sie fin den,<br />
was sie wollten. Ich wusste von nichts.<br />
Der Mei er kam mit der Schwie ger -<br />
mut ter wie der he rauf. Sie war ganz<br />
blass, weil sie ja auch schon wuss te,<br />
dass der <strong>Franz</strong>l zur glei chen Zeit in der<br />
EBG ver haf tet wur de. Ein Mann, ein<br />
Schwarzer, hatte damals beobachtet,<br />
dass die Män ner vor her in die Lade des<br />
<strong>Franz</strong>ls etwas hineingelegt hatten, da -<br />
mit sie ei nen Grund hat ten, ihn zu ver -<br />
haf ten. Der sag te es auch dem Di rek tor.<br />
Alle zwei ka men wir ins Kol ping haus.<br />
Ich hör te den Bu ben nach mir schrei en,<br />
der Wie ner Ge sta po mann warf ihm ein<br />
Stück Scho ko la de hin. Wir ahn ten ja<br />
schon, dass un se re Ver haf tung be vor -<br />
ste hen wür de, des halb hat ten wir uns<br />
vor her noch alle fo to gra fie ren las sen,<br />
da mit ein An den ken von uns<br />
dagewesen war.<br />
Ich sah den <strong>Franz</strong>l nicht mehr, ob -<br />
wohl wir bei de ins Kol ping haus ge -<br />
bracht wor den wa ren. Der <strong>Franz</strong>l blieb<br />
in Linz, ich wur de nach Wien ge bracht.<br />
Ich wur de in Wien ver hört und saß dort<br />
sechs Monate im Gestapokeller. Dort<br />
hau ten sie mir auch die Zäh ne ein. Der<br />
<strong>Franz</strong>l blieb in Linz. Ich kam in die<br />
Schiffs amt gas se. Da kam er erst nach<br />
Wien, was ich aber nicht ge wusst hat te.<br />
In der Schiff amts gas se war ich sehr<br />
un glüc klich, ich wein te un un ter bro -<br />
chen. Ein mal ging die Türe auf und die<br />
Menz Pep pi kam he rein. Sie strich mir<br />
übers Haar. Sie frag te, ob ich eine Wie -<br />
ne rin wäre. Ich be jah te. Sie wun der te<br />
sich, dass ich von Linz ge kom men war,<br />
aber ich klär te es auf, weil ich ja mit ei -<br />
nem Lin zer ver hei ra tet war. Sie sag te,<br />
dass sie alle ge weint hät ten, als sie hier -<br />
her ge kom men wa ren. Ich soll te mich<br />
nur aus wei nen, dann bei dem Guc kloch<br />
hin un ter schau en und das Zei chen-ABC<br />
lernen.<br />
Ich stieg hin auf, lern te das Zei -<br />
chen-ABC, konn te mich so mit ver stän -<br />
di gen und be merk te, was dort für ein<br />
Elend herrsch te. Frau en mit acht Kin -<br />
dern, das klein ste acht zehn Mo na te alt<br />
und wei ter sol che Fäl le. Ich sah so viel<br />
Elend, dass mei ne Sor gen im mer klei -<br />
ner und we ni ger wur den, dass ich ei -<br />
gent lich gar nicht be rech tigt war, über
Seite 10<br />
mei ne Klei nig kei ten zu wei nen. Und so<br />
fing ich an zu ar bei ten.<br />
Ein mal kam je mand, der sag te, dass<br />
ein Herr hier wäre, der mich ken nen<br />
wür de. Ich glaub te es nicht, denn ich<br />
nahm an, dass mich kei ner hier ken nen<br />
könn te. Ich kam mit ihm zu sam men. Er<br />
sag te, er wäre der klei ne Wil li. Er war<br />
schon zu le bens läng lich ver ur teilt, als<br />
ihn noch je mand be las tet hat te, wo -<br />
durch er dann das To des ur teil aus ge -<br />
spro chen be kam.<br />
Ich muss te sehr viel über mich er ge -<br />
hen las sen. Sie dämpf ten auf mei nen<br />
Hän den ihre Zi ga ret ten aus, aber ich<br />
sag te, dass es mir nichts aus ma chen<br />
wür de und dass sie nur ganz fest aus -<br />
dämp fen soll ten. Ich er trug al les, ob -<br />
wohl ich furcht ba re Schmer zen hat te<br />
Dann be kam ich auch mei ne zwei Ohr -<br />
feigen.<br />
Je des Mal, wenn ich weg ge ru fen<br />
wur de und sah, dass die Se kre tä rin an -<br />
we send war, war ich er leich tert, weil es<br />
nur zu ei nem Ver hör kom men wür de,<br />
aber wenn nie mand da war, wenn ich<br />
ge ru fen wur de, be kam ich so gro ße<br />
Angst, dass ich mir am liebs ten das Le -<br />
ben ge nom men hät te.<br />
Ein mal hol ten sie mich und nie mand<br />
war da. Ich hat te furcht ba re Angst. Sie<br />
stell ten mir den Frit sche ge gen über. Der<br />
Fritsche wurde geschlagen, so etwas<br />
habe ich noch nie ge se hen. Al les war<br />
rot. Er sag te nichts. Ich sag te schon im -<br />
mer, dass er ja sa gen soll te, aber er er -<br />
wi der te, wozu soll ich ja sa gen, wenn es<br />
nicht stimm te.<br />
Wir ar bei te ten da mals bei der Tep -<br />
pich er zeu gung. Es staub te dort und war<br />
sehr schmut zig, ich hol te mir eine Blut -<br />
ver gif tung. Der Arm war schon ganz<br />
blau, und ich konn te ihn über haupt<br />
nicht mehr be we gen. Der Arzt kam,<br />
sag te ich soll te mich um dre hen und gab<br />
mir ei nen Tritt. Ich kam in die Zel le.<br />
Eine sozialistische Aufseherin schimpfte<br />
selbst über die se Ak ti on. Am nächs -<br />
ten Tag konn te ich den Arm über haupt<br />
nicht mehr be we gen. Die Auf se he rin<br />
sah mei nen Arm, wusch mich, zog mich<br />
an und brach te mich zu den Schwes tern<br />
ins Kran ken haus. Dort sah ich dann den<br />
<strong>Franz</strong>l wieder.<br />
Von den Schwes tern schrieb ich ihm.<br />
Ich schic kte ihm ei ni ge Sa chen, die<br />
Schwes tern wa ren sehr lieb und brach -<br />
ten mir so gar Bau ern speck, den ich ihm<br />
schic kte. Die nächs te Wo che da rauf<br />
ging beim <strong>Franz</strong>l die Zel len tü re auf,<br />
und er soll te zum Zahn arzt ge hen, ob -<br />
wohl er sich nicht ge mel det hat te.<br />
Die Schwes ter Ja ko bi ner kam zu mir<br />
ins Zim mer und frag te mich, ob mein<br />
Mann leicht kei ne Fin ger hät te. Ich er -<br />
zähl te ihr von dem Un fall, und sie sag te,<br />
dass er hier wäre. Ich bet tel te sie an,<br />
mich zu ihm zu las sen. Da sah ich ihn<br />
dann. Ich ver sprach ihr nur ei nen Sand<br />
zu ho len und wie der zu rüc kzu ge hen.<br />
Ich woll te ihn nur se hen. Der <strong>Franz</strong>l<br />
ging auf die Toi let te, ich stand hin ter<br />
dem Guc kloch und schrie ihm. Ich hielt<br />
al les, was ich der Schwes ter ver spro -<br />
chen hat te. Das nächs te Mal be kam ich<br />
ei nen Brief mit der Sta lin re de, die At -<br />
lantikkarte.<br />
Ungefähr zwei Wochen später waren<br />
wir Frau en alle bei sam men, denn Män -<br />
ner und Frau en durf ten ja nicht bei sam -<br />
men sein. Es kam je mand, der sag te,<br />
dass alle Frau en in Qua ran tä ne muss ten.<br />
Auf ein mal hieß es: „Hai de rin!“ Ich<br />
ging hin aus und mit ten im Gang stand<br />
der <strong>Franz</strong>l. Die Schwes ter Ve ven zia<br />
mach te ihr Zim mer auf, stieß uns bei de<br />
hin ein und sperr te zu. Wir be spra chen<br />
gleich, was wir jetzt ma chen könn ten.<br />
Wir woll ten eine Zei tung hin aus ge -<br />
ben. Wir hat ten nur klei ne Pa pier chen<br />
und schrie ben in Druc kschrift. Die De -<br />
se rek Wil ma, die Haas <strong>Franz</strong>l, die<br />
Schwester Restituta und ich arbeiteten<br />
da ran. Von die sem Mo ment an ga ben<br />
wir eine rich ti ge Zei tung he raus. Der<br />
Tul ler Wal ter mach te es auch und wur -<br />
de aus die sem Grund ge köpft.<br />
Da sah ich ihn das ers te Mal nach<br />
neun Mo na ten. Er schrieb gleich mei ner<br />
Mut ter, dass ich nicht tot wäre, dass ich<br />
wahr schein lich ei nen Hieb be kom men<br />
hat te. Bei der Ver hand lung konn te ich<br />
mit dem <strong>Franz</strong>l re den. Der Vati kam<br />
dann auch dazu, der sag te, dass wir froh<br />
sein soll ten, dass al les so vor über ge gan -<br />
gen war.<br />
Ich wur de zu erst ver hört, dann der<br />
<strong>Franz</strong>l. Der Pu schmann sag te (Vati ist<br />
der Dec kna me von Pu schmann) dass<br />
ich ihm ver zei hen soll te, dass er an mir<br />
ge zwei felt hat te, er wäre noch nie so<br />
ent täuscht wor den wie da mals. Der Se -<br />
bek sag te auch, dass es ihm jetzt klar<br />
wäre, dass sie bei mir nie et was zu<br />
fürch ten ge habt hät ten. Dann ka men<br />
wir wieder auseinander. Der <strong>Franz</strong>l<br />
woll te, dass ich al les ver su chen soll te,<br />
um noch im Kran ken haus blei ben zu<br />
kön nen, denn dort konn te ich sehr gut<br />
po li tisch ar bei ten, aber es ging nicht.<br />
Ich hat te ja auch ein sehr gu tes Ver -<br />
hält nis mit den Schwes tern, den Auf se -<br />
hern und so wei ter, es war ein ein fa ches<br />
Ar bei ten, ob wohl ich als Kom mu nis tin<br />
be kannt ge we sen war. Ich be kam auch<br />
von den Ärz ten al les, was ich brauch te<br />
und woll te, ich ver mu te, dass dies alle<br />
keine richtigen Nazi gewesen waren.<br />
Die Mut ter vom <strong>Franz</strong>l nahm Kon -<br />
tak te auf. Ich trug al les zu sam men, was<br />
ich nur be kom men konn te und schic kte<br />
al les dem <strong>Franz</strong>l. Ich kann mich noch<br />
ge nau er in nern, dass der Wolfs tei ner,<br />
ein Nazi, ei nen gro ßen Ren ken Speck<br />
im Gast haus her ge zeigt hat te mit der<br />
Be mer kung, dass die sen am nächs ten<br />
Tag der Hai der be kom men wür de. Die -<br />
ser Speck wür de nach Gars ten ge hen.<br />
Der Wolfs tei ner tat viel für den <strong>Franz</strong>l,<br />
das hat er der Mimi zu ver dan ken, der<br />
Frau vom Wolfs tei ner. Sie hielt sehr<br />
viel auf den <strong>Franz</strong>.<br />
In Gars ten lern te er ei nen tsche chi -<br />
schen Of fi zier ken nen, mit dem er sich<br />
spä ter noch traf. Der Tsche che kam ex -<br />
tra zu sei nem Fünf zi ger. Der <strong>Franz</strong>l ar -<br />
beitete in Garsten auch politisch, zum<br />
Bei spiel in der Wä sche rei. Er half auch<br />
ei nem Arzt, der ihm sehr viel ge hol fen<br />
hat te, in Goi sern Fuß zu fas sen. Es gab<br />
dort auch noch ei nen Kri mi nel len, der<br />
nach Ried ge kom men war, der ih nen<br />
auch sehr viel ge hol fen hat te. Er wur de<br />
aber wie der rüc kfäl lig. Nach sei ner Ent -<br />
las sung in Gars ten fuhr er nach Wien<br />
zum Ko ple nig und Fi scher, Hon ner,<br />
Friedl. Sie saßen bei sam men und un ter -<br />
hiel ten sich über die Lan des lei tung. Er<br />
wurde vorgeschlagen.<br />
Bei der Ver haf tung im Jah re 1946<br />
wur de er von der Po li zei ab ge holt, nicht<br />
von zu hau se. Der Le har Sepp war Hilfs -<br />
polizist, der entlassen werden sollte.<br />
Der <strong>Franz</strong> ging hin zum In ter ven ie ren.<br />
Der <strong>Franz</strong>l gab ei nen Ar ti kel in die Zei -<br />
tung, wie die Ame ri ka ner bei uns<br />
herrsch ten. Da rauf hin wur de er ver haf -<br />
tet. Er war zwei Mo na te in Haft und be -<br />
kam den Pa ra ty phus. Er kam krank<br />
nach Hau se.<br />
Bei ihm kann man wirk lich sa gen,<br />
dass er sein gan zes Le ben der Ar bei ter -<br />
be we gung ge op fert hat te. Wenn ich<br />
ehr lich sa gen kann, dann kann ich nur<br />
sa gen, dass mein Mann so für die Ar -<br />
bei ter be we gung ge ar bei tet und hat da -<br />
durch sehr we nig Zeit für die Fa mi lie<br />
auf ge bracht. Der Hel mut muss Taxi<br />
fah ren, ob wohl er stu die ren hät te kön -<br />
nen, aber die Nazi-Leh rer lie ßen ihn<br />
nicht zu, weil er ein Kom mu nis ten kind<br />
war. Auch ich muss te auf vie les ver -<br />
zichten.<br />
Der Glei ß ner mach te in Ried eine<br />
Ver samm lung. Er re de te und re de te. Er<br />
sag te da mals, dass sie wüss ten, dass die<br />
Kom mu nis ten kom men wür den, aber<br />
dass sie sie so lan ge hin aus zö gern wür -<br />
den, so lan ge es gin ge. Der Glei ß ner<br />
woll te ha ben, dass ich eine Tra fik be kä -<br />
me, da mit ich aus der po li ti schen Bahn<br />
hin aus flie gen wür de. Ich pass te ihm<br />
nicht, das sag te er mir so gar selbst. Er<br />
ließ da mals durch bli cken, dass Frau en<br />
nichts in der Po li tik zu tun hät ten. Er<br />
woll te mich im mer weg ha ben. Ir gend -<br />
wie war mir die Tra fik nicht unan ge -<br />
nehm, weil ich den <strong>Franz</strong>l ein bis serl<br />
un ter stüt zen hät te kön nen, wenn ich et -<br />
was ver dient hät te. Der <strong>Franz</strong>l wollte<br />
das nicht.<br />
Ein mal sag te eine Ge nos sin, dass alle<br />
KZler eine Tra fik be kä men, dass sie zu -<br />
erst ins KZ gin gen und dann wol len sie
eine Tra fik. Sie sag te, es fehl te nur<br />
mehr, dass die Hai ders auch noch eine<br />
be kä men. Der <strong>Franz</strong>l hat te das ge hört,<br />
frag te mich, ob ich das auch ge hört hät -<br />
te und ich rief so fort an, dass ich kei ne<br />
Tra fik ha ben möch te. Ein Jahr spä ter<br />
be kam die se Ge nos sin auch eine Tra fik.<br />
Mein <strong>Franz</strong>l ar bei te te im mer ohne ei -<br />
ge ne In ter es sen für sei ne Ideo lo gie. Ich<br />
bin heu te stolz auf ihn, dass ich ihm ge -<br />
folgt bin und nicht ge gen ihn ge ar bei tet<br />
hat te. Der Küh rer Rudi sag te dem<br />
<strong>Franz</strong>l, dass er in der Kriegs ge fan gen -<br />
schaft von Hex mann er fah ren hat te,<br />
dass ich zum Tode ver ur teilt wor den<br />
war.<br />
Der Frank Wil li ar bei te te mit mir im<br />
An ti fa 1934. Da bau ten wir die Antifa-Front-Be<br />
we gung auf. Wenn der<br />
Frank Wil li zu ei nem Treff nicht kom -<br />
men hat te kön nen, schrieb er mir im mer<br />
ei nen Lie bes brief, wenn er zum Bei -<br />
spiel be schat tet wor den war. Ein mal<br />
schic kte er mir je man den, dass er be -<br />
schat tet wür de, und wir brach ten ihn in<br />
die Tsche chei und von dort in die Sow -<br />
jet union. So kam er zu den Schutz bund -<br />
kin dern. Au ßer dem hat te er die Kriegs -<br />
ge fan ge nen über. Dort lern te ihn der<br />
Kar li ken nen. Der Kar li hat te auch eine<br />
Sym pa thie für ihn. Über ein Foto ka -<br />
men sie da rauf, dass ich den Frank hin -<br />
über ge bracht hät te. Jetzt häng te sich der<br />
Kar li mit Leib und See le an den Wil li.<br />
Er wur de sein best er Freund. Der Wil li<br />
ging dann nach Jugoslawien.<br />
Ein mal kam dann je mand hin ins<br />
Heim und frag te, ob ein Ober ös ter rei -<br />
cher dort wäre. Der Wil li mel de te sich,<br />
und er wur de ge fragt, ob er ei nen Hai -<br />
der <strong>Franz</strong> ken nen wür de, was er be jah -<br />
te. So er fuhr er, dass <strong>Franz</strong>l und ich zum<br />
Tode ver ur teilt wa ren. (To des ur teil<br />
wur de be an tragt, Hai der Anni be kam<br />
15 Jah re, Hai der <strong>Franz</strong> be kam 13 Jah -<br />
re.) Von der Be gna di gung wuss te er<br />
nichts. Er ging nach Hau se zum Kar li,<br />
et was blass, der ihn so fort frag te, ob er<br />
et was Neu es über mich ge hört hät te. Er<br />
ver nein te, aber der Kar li glaub te ihm<br />
nicht. Da sag te er ihm, dass ich zum<br />
Tode ver ur teilt wor den war. 1944 fiel<br />
der Kar li. Das er fuhr ich vom Stei ner<br />
Hansl. Er war bei den Schutzbündlern.<br />
Den Ros ner lern te ich auch drü ben<br />
ken nen. Im mer wenn ich ge kocht hat te,<br />
roch er, dann sag te er, dass es gut wäre,<br />
und dass er das schon es sen wür de. In<br />
der Le nin schu le war der <strong>Franz</strong>l in ei -<br />
nem an de ren Sek tor wie ich, denn wir<br />
waren damals sehr viele Österreicher.<br />
In Strass hof hat te ich ei nen Grund.<br />
Der Kar li, der Va ter von Kar li war ein<br />
Tsche che und konn te sich nichts kau -<br />
fen, des halb spar te ich und kauf te den<br />
Grund. Ich war bei der Ge mein de an ge -<br />
stellt. Ich ließ den Grund auf ihn schrei -<br />
ben und leg te ihm im mer das Geld hin,<br />
da mit er ein zah len konn te. Er war ja<br />
vor her Schutz bünd ler. Er bau te sich ein<br />
Häus chen hin und wohn te dort. Ich<br />
lern te ei nen Un garn ken nen, den Imre,<br />
der dort auch ei nen Grund ge habt hat te.<br />
Sei ne Frau hat te bei den Na zis die<br />
Brief kon trol le ge habt. Sie saß an ei ner<br />
Stel le, wo die Post durch kam. Sie ließ<br />
die Post zu Kar li durch, aber das er fuhr<br />
ich erst im Jah re 1945. Es kam so gar<br />
eine Kar te mit Git tern durch, wo rauf<br />
stand, dass ich krank wäre und im Kran -<br />
ken haus, so gar dies ließ sie durch. Der<br />
Kar li hat te sich so fort aus ge kannt. Alle<br />
Brie fe von uns gingen durch.<br />
Meine Schwiegermutter war vier<br />
Mo na te be vor wir frei ge gan gen wa ren,<br />
ver haf tet wor den, im Jän ner 1945. Den<br />
Bu ben gab sie zur Sche va lek und warf<br />
ihr die Geld bör se hin. Sie hielt den Bu -<br />
ben bei sich, mei ne Schwie ger mut ter<br />
wur de von der Ge sta po weg ge bracht<br />
Ein gewisser Gahleitner, ein National -<br />
so zia list, wohn te auch in der Ring gas se.<br />
Sei ne Frau brach te dem Hel mut im mer<br />
Bä cke rei. Ein mal brach te sie ihm eine<br />
Oran ge und Scho ko la de, was die Haus -<br />
meis te rin sah. Eine Stun de spä ter wur de<br />
die Frau Gah leit ner schon vor ge la den<br />
und zur Rede ge stellt, aber sie sag te,<br />
dass das Kind wohl nichts da für könn te.<br />
Drei Tage vor der Ver haf tung der<br />
Schwie ger mut ter kam die Frau Gah leit -<br />
ner und sag te, dass sie et was we gen<br />
dem Bu ben un ter neh men soll ten, da er<br />
sonst nach Hart heim ge bracht wür de.<br />
Die Sche va lek schic kte so fort ein Te le -<br />
gramm, die Pol di soll te den Bu ben so -<br />
fort ho len. Ihr Mann hol te ihn dann mit -<br />
ten in der Nacht, bei der Sche va lek,<br />
brach te ihn zu mei ner Schwes ter nach<br />
Enns, die fuhr mit ihm nach Wien, stell -<br />
te ihn der Mutter vor die Türe, läutete<br />
und fuhr sofort in die Arbeit<br />
Quelle:<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>…<br />
Anni <strong>Haider</strong><br />
(1902-1990)<br />
Seite 11<br />
Anni Hai der, ge bo re ne La dis lav,<br />
kam am 22. März 1902 als Toch ter ei -<br />
ner Wiener Arbeiterfamilie zur Welt.<br />
Schon vor dem Fe bru ar 1934 war sie<br />
Betriebsrätin in einem Textilbetrieb<br />
und nahm ak tiv an den Fe bru ar kämp fen<br />
des Jah res 1934 teil. Sie emi gier te an -<br />
schlie ßend in die Tsche cho slo wa kei<br />
und von dort aus 1936 in die Sow jet -<br />
union, wo hin ihr am 11. Sep tem ber<br />
1924 ge bo re ner Sohn Karl La dis lav<br />
(aus ei ner Be zie hung mit Karl Ulip)<br />
schon kurz nach den Fe bru ar er eig nis -<br />
sen mit ei ner Kin der grup pe ge kom men<br />
war.<br />
Wäh rend der Emi gra ti on in Mos kau<br />
lern te sie <strong>Franz</strong> Hai der ken nen. Anni<br />
und <strong>Franz</strong> Hai der kehr ten An fang 1938<br />
nach Ös ter reich zu rück, wo sie am 15.<br />
Fe bru ar 1938 ih ren Sohn Hel mut zur<br />
Welt brach te. Auch in den nächs ten<br />
Jah ren war sie stän dig zwi schen Wien,<br />
Linz und Prag für die il le ga le KPÖ tä -<br />
tig. Am 2. März 1940 hei ra te ten Anni<br />
und <strong>Franz</strong> Hai der. 1941 wur de sie ge -<br />
mein sam mit <strong>Franz</strong> Hai der, Er win Pu -<br />
schmann, <strong>Franz</strong> Sebek, Margarete<br />
Schüt te-Li hotz ky und Karl Li setz durch<br />
eine Spitzel in der Leitung verraten und<br />
verhaftet.<br />
Anni Hai der wur de we gen „Nicht an -<br />
zeige des Vorhabens eines hochverräteri<br />
schen Un ter neh mens“ am 22. Sep tem -<br />
ber 1942 zu 15 Jah ren, <strong>Franz</strong> Hai der zu<br />
13 Jah ren Zucht haus ver ur teilt. Pu -<br />
schmann, Se bek und Li setz we gen<br />
„Vor be rei tung zum Hoch ver rat“ zum<br />
Tode, Schüt te-Li hotz ky zu 15 Jahren<br />
Zuchthaus ver ur teilt. Anni Hai der war<br />
eben so wie Schüt te-Li hotz ky im Zucht -<br />
haus Ai chach in Bay ern in haf tiert, in<br />
dem sie schließ lich von den US-Trup -<br />
pen am 29. April 1945 be freit wur de.<br />
<strong>Franz</strong> Hai der war im Zucht haus Gars -<br />
ten bei Steyr ein ge sperrt. Im Jah re 1943<br />
kam ihr Sohn Karl La dis lav bei ei nem<br />
Par ti sa nen ein satz in der Sowjetunion<br />
ums Leben.<br />
Nach dem Krieg übte sie wich ti ge<br />
Funk tio nen in der Par tei, in der Frau en -<br />
be we gung und spä ter in der Pen sio nis -<br />
ten be we gung aus. So war sie nach 1945<br />
Frau en vor sit zen de der KPÖ in Ober ös -<br />
ter reich und spä ter lang jäh ri ge Lan des -<br />
vor sit zen de des Bun des De mo kra ti -<br />
scher Frau en (BDF). Von 1946 bis<br />
1955 ge hör te sie der Landesleitung der<br />
KPÖ-Oberösterreich an.<br />
Anni Hai der ge noss durch ihre an ti -<br />
fa schis ti sche Tra di ti on und ih ren auf -<br />
rech ten Cha rak ter brei te Ach tung und<br />
An er ken nung. Sie starb nach län ge rem<br />
Lei den am 22. Juni 1990 in Linz.
Seite 12<br />
<strong>Franz</strong> Hai der vor dem NS-Volks ge richts hof:<br />
13 Jahre Zuchthaus wegen Hochverrat<br />
Im nach ste hen den Aus zug be rich -<br />
tet Margarethe Schütte über den<br />
Pro zess, der am 22. Sep tem ber 1942<br />
ge gen Er win Pu schmann, <strong>Franz</strong> Se -<br />
bek, Anna Hai der, <strong>Franz</strong> Hai der,<br />
Margarethe Schütte und Karl Lisetz<br />
wegen Vorbereitung zum Hochverrat<br />
statt ge fun den hat te:<br />
Mit te Juli 1942 er hiel ten wir die An -<br />
kla ge, am 22. Sep tem ber war die Ver -<br />
hand lung vor dem Zwei ten Se nat des<br />
Volks ge richts ho fes Ber lin im gro ßen<br />
Schwurgerichtssaal des Landesgerichts<br />
in Wien.<br />
Die Anklage<br />
In der An kla ge schrift (die ich hier<br />
trotz vie ler Be mü hun gen lei der nicht<br />
auf trei ben konn te) wa ren fünf Ge nos -<br />
sen zusammengefasst: Erwin Pu -<br />
schmann, <strong>Franz</strong> Se bek, Anna Hai der,<br />
<strong>Franz</strong> Hai der und ich. Ge nos se Li setz<br />
war al lein an ge klagt und wur de erst bei<br />
der Ver hand lung uns an ge glie dert. Die<br />
An kla ge schrift war ein Buch von 36<br />
Seiten. Alle waren wegen Vorbereitung<br />
zum Hoch ver rat, Er win au ßer dem we -<br />
gen Landesverrat angeklagt. Es waren<br />
neun Pa ra gra phen an ge führt.<br />
Im ers ten Ab schnitt, in wel chem der<br />
Staatsanwalt kurz umreißt, weshalb<br />
man an ge klagt ist, stand: „Ich kla ge an:<br />
Er win Pu schmann die il le ga le KPÖ in<br />
Österreich wieder aufgebaut zu haben.<br />
Sämtliche Angeklagte waren ihm dabei<br />
be hilf lich, ins be son de re die an ge klag te<br />
Schüt te, die die Ver bin dung zwi schen<br />
ihm und dem Aus lands ap pa rat her zu -<br />
stel len ver sucht hat! ...“<br />
Es folgte eine ein ge hen de Schil de -<br />
rung der Tä tig keit der KPÖ seit ih rer Il -<br />
legalität, die erstaunlich sachlich und<br />
nicht un rich tig ab ge fasst war. Da nach<br />
kam von je dem ein zel nen eine Be -<br />
schrei bung sei nes po li ti schen Vor le -<br />
bens, dann sei ner Straf tat.<br />
Die Anklageschrift war geheim, die<br />
Ver hand lung ge schlos sen. Au ßer dem<br />
Ge richt und den An wäl ten wa ren nur<br />
Ge sta po und Pres se an we send, ob wohl<br />
in den Zei tun gen na tür lich nichts über<br />
die se Ver hand lun gen er schien. Die An -<br />
ge hö ri gen wur den bei un se rer Ver hand -<br />
lung das ers te Mal, aber nur zur Ur teils -<br />
ver kün dung, in den Ge richts saal ge las -<br />
sen, das wuss ten wir aber vor her nicht.<br />
Verteidigung (allgemein)<br />
Was un ser Ver hal ten vor Ge richt an -<br />
be trifft, so ha ben wir Ge fan ge ne im Be -<br />
zirks ge fäng nis Schiff amts gas se uns auf<br />
fol gen den Stand punkt ge ei nigt: Die<br />
Ver hand lun gen sind, da dort kei ner lei<br />
Pub li kum von au ßen, nicht ein mal un -<br />
se re An ge hö ri gen, zu ge las sen wer den,<br />
als rein fa schis ti sches Thea ter zu be -<br />
trachten. Die einzig wichtige Aufgabe<br />
da bei ist für uns, sich so zu ver hal ten,<br />
dass mög lichst vie le Ge nos sen mit dem<br />
Le ben da von kom men, da mit sie sich<br />
spä ter wie der dem Kampf der Par tei<br />
wid men kön nen. Re vo lu tio nä res Auf -<br />
treten war diesem faschistischen Ge -<br />
richt gegenüber als falsches Heldentum<br />
zu betrachten.<br />
Das war unsere allgemeine Richtlinie,<br />
na tür lich muss te sich je der im Rah -<br />
men dieser Richtlinie entsprechend seinen<br />
per sön li chen Mög lich kei ten ver tei -<br />
di gen. Wem es mög lich war, der soll te<br />
sich am be sten ganz dumm stel len, was<br />
man chen Frau en half. Wer dies nicht<br />
konn te, soll te sich ge ge be nen falls auf<br />
den Pakt be ru fen, vor al lem da rauf hin -<br />
wei sen, dass er die Straf tat in ei ner Zeit<br />
be ging, in der man mit ei ner be vor ste -<br />
hen den be waff ne ten Aus ein an ders et -<br />
zung SU-Deutsch land nicht rech nen<br />
konn te.<br />
Das Gericht<br />
Un se re Ver hand lung dau er te mit<br />
kur zer Mit tags pau se 12 Stun den. Die ser<br />
II. Ber li ner Se nat des Volks ge richts ho -<br />
fes fäll te be reits seit Ende Au gust bei<br />
KP in Wien fast nur To des ur tei le. Al -<br />
lein in der Wo che un se rer Ver hand lung<br />
wur den von die sem Se nat in 5 Ver hand -<br />
lun gen von 29 an ge klag ten Ge nos sen<br />
(da von 11 Frau en) 20 zum Tode ver ur -<br />
teilt (da von 4 Frau en). Be an tragt wur de<br />
bei al len 29 das To des ur teil, das wur de<br />
bereits vorher in Berlin festgelegt. Der<br />
Vor sit zen de hieß Hart mann, au ßer ihm<br />
wa ren noch ein Bei sit zer, 2 Wehr -<br />
machtsoffiziere und ein Offizier des<br />
Reichsarbeitsdienstes, Mitglieder des<br />
Gerichts. Mit Ausnahme des Beisitzers<br />
(Wiener) waren alle, einschließlich<br />
Staatsanwalt und Sekretär, Deutsche.<br />
Die Ver hand lung wur de mit äu ßers -<br />
ter Schär fe ge führt. Er win wur de oft an -<br />
ge schrie en, vor al lem, weil er so lei se<br />
sprach, er konn te aber nicht lau ter spre -<br />
chen. Sei ne Stim me hat sich ge gen frü -<br />
her ganz ver än dert, weil man ihm bei<br />
der Gestapo die Geschlechtsteile zer -<br />
schla gen hat. Es fiel auch auf, dass alle<br />
männ li chen An ge klag ten, mit Aus nah -<br />
me des Ge nos sen Hai der schlecht hör -<br />
ten, weil sie so ge schla gen wor den wa -<br />
ren.<br />
Die Verhandlung<br />
Er win stritt na tür lich al les ab, was<br />
nur ir gend mög lich war. Er ver tei dig te<br />
sich auf fol gen der Platt form. Er und sei -<br />
ne Mitarbeiter betätigten sich während<br />
der Zeit des Pak tes zwi schen der SU<br />
und Deutsch land, die Ar beit be schränk -<br />
te sich da bei auf ei nen Kampf um die<br />
Besserstellung der Arbeiterschaft. Wir<br />
arbeiteten nicht für eine Niederlage<br />
Deutsch lands. Da mit hoff te er, wohl al -<br />
len an de ren Ge nos sen zu hel fen.<br />
Se bek nahm ei nen ähn li chen Stand -<br />
punkt ein, be ton te, dass er die sen<br />
Kampf nur in ner halb der le ga len Na zi -<br />
or ga ni sa tio nen füh ren woll te und stritt<br />
jede illegale Betätigung ab. Anna Hai -<br />
der konn te wür dig ab strei ten und wur de<br />
nur we gen Nicht an zei ge Pusch manns<br />
ver ur teilt, eben so <strong>Franz</strong> Hai der, der sich<br />
hin ter sei ner Sport or ga ni sa ti on ver -<br />
schanz te. Ich selbst be stritt na tür lich<br />
auch was nur ir gend mög lich, da mir<br />
nur eine ca. drei wö chi ge Ar beit nach -<br />
weis bar war, stell te ich die se als eine<br />
vor ei li ge Un über legt heit hin.<br />
Be son ders tra gisch war fol gen der<br />
Vorfall: Die Gestapo belastete Erwin<br />
mit ei ner Flug schrift, die er bei der Ge -<br />
sta po zug ab, selbst ver fasst zu ha ben,<br />
die aber nicht mehr ver viel fäl tigt und<br />
ver teilt wer den konn te. Bei der Ver -<br />
hand lung er klär te Er win, dass die se<br />
Schrift gar nicht von ihm, son dern von<br />
„Ossi“ ver fasst wor den war. Auf die<br />
Fra ge, wa rum er bei der Ge sta po an ders<br />
ausgesagt hätte, erklärte er, .diese Sache<br />
dort auf sich ge nom men zu ha ben, weil<br />
er „Ossi“, der nicht ver haf tet war, ret ten<br />
wollte! Diese scharfe, äußerst gefährliche<br />
Schrift war also nichts an de res als<br />
eine Pro vo ka ti on der Ge sta po selbst,<br />
durch „Ossi“.<br />
Ge nos se Frit sche, der am Tage vor -<br />
her zum Tode ver ur teilt wor den war. Er<br />
ent las te te Hai der voll kom men und leg te<br />
ein völ lig un ge bro che nes Auf tre ten an<br />
den Tag. Ein Gestapobeamter, der zu -<br />
erst auch nur we gen ei ni ger De tails<br />
über den Ge nos sen Hai der be fragt wur -<br />
de.<br />
Diese Gelegenheit benützte aber Er -<br />
win, um eine of fi ziel le Äu ße rung über<br />
„Ossi“ zu er zwin gen. Er win ließ näm -<br />
lich durch sei nen An walt den Ge sta po -<br />
zeugen fragen, wer eigentlich dieser<br />
„Ossi“ mit le ga lem Na men Gla ser sei,<br />
von dem die An ge klag ten so viel re den,<br />
und der gar nicht ein mal ver haf tet zu<br />
sein scheint und auch nir gends als Zeu -<br />
ge aufträte. Der Gestapozeuge verweigerte<br />
darüber jede Aussage, aus staats-
Seite 13<br />
Literatur<br />
Fahn dungs bild der Ge sta po von <strong>Franz</strong> Hai der<br />
po li zei li chen Grün den, wie er sag te.<br />
Da mit war das, was Er win be zwec kte,<br />
erreicht, es war sozusagen amtlich be -<br />
stä tigt, wel che Rol le „Ossi“ spiel te.<br />
Die Rede des Staats an walts brach te<br />
zuerst einen allgemeinen Überblick der<br />
Tä tig keit der KPÖ seit 193S. Dann ging<br />
er auf die spe ziel le Tä tig keit Er wins<br />
über, der als höch ster Spit zen funk tio när<br />
der KPÖ, der bis da hin vor ei nem deut -<br />
schen Ge richt stand, be zeich net wur de.<br />
Auch alle an de ren An ge klag ten wur den<br />
als wichtige Funktionäre hingestellt,<br />
wo bei Pu schmann, Se bek, Li setz und<br />
Schüt te zu sam men ge fasst wur den, da<br />
sie gar nicht we gen ak ti ver Be tä ti gung,<br />
son dern nur we gen Nicht an zei ge, ver -<br />
ur teilt wer den konn ten. Zum Schluss<br />
beantragte der Staatsanwalt für alle 6<br />
Angeklagten das Todesurteil.<br />
Die 5 Anwälte beantragten bei allen<br />
eine Mil de rung der Stra fen auf Zucht -<br />
haus stra fen und hiel ten ent spre chen de<br />
Ver tei di gungs re den, aber das ge hör te<br />
eben auch zu dem von vor ne he rein ab -<br />
gekarteten Theater. Mit Ausnahme des<br />
Genossen <strong>Haider</strong> machten alle Genos -<br />
sen von ih rem Schluss wort Ge brauch<br />
und ver tei dig ten sich auf die oben be -<br />
schriebene Weise. Alle machten äußerlich<br />
ei nen ganz ru hi gen und festen<br />
Eindruck.<br />
Das Urteil<br />
Um 5 Uhr zog sich der Se nat zu rück,<br />
um 6 Uhr soll te das Ur teil ver kün det<br />
wer den. Aber erst nach drei stün di ger<br />
Be ra tung, also erst um 8 Uhr abend er -<br />
schien das Ge richt wie der und ver kün -<br />
de te das Ur teil, nach dem die An ge hö ri -<br />
gen in den Saal ge las sen wur den. Pu -<br />
schmann, Se bek und Li setz wur den<br />
zum Tode, Schüt te und Anna Hai der zu<br />
15 Jah ren Zucht haus, <strong>Franz</strong> Hai der zu<br />
13 Jah ren Zucht haus ver ur teilt. Al les<br />
ver lief in voll kom me ner Ruhe, die Ge -<br />
nossen hielten sich ausgezeichnet. Das<br />
Ur teil war güns ti ger als wir er war te ten,<br />
denn wir rech ne ten fest da mit, dass wir<br />
alle 6 zu Tode ver ur teilt werden<br />
würden.<br />
Was bei de Hai ders an be langt, so wa -<br />
ren sie wohl et was leich ter be las tet als<br />
die an de ren, und was mich be trifft, so<br />
hat mich le dig lich die da ma li ge au ßen -<br />
politische Lage gerettet, in welcher<br />
Deutsch land noch sehr gro ßen Wert auf<br />
gute Be zie hun gen zur Tür kei leg te. Da<br />
ich dort an säs sig war, mein Mann zur<br />
Zeit der Ver hand lung dort leb te, ich<br />
selbst so wie auch mein Mann im tür ki -<br />
schen Unterrichtsministerium arbeite -<br />
ten, wäre es für Deutsch lands Pres ti ge<br />
in der Tür kei nicht güns tig ge we sen,<br />
wenn ich hier hin ge rich tet worden<br />
wäre.<br />
Er win soll sich noch in der Zeit zwi -<br />
schen der Ver hand lung und sei nem<br />
Tode sehr ver än dert ha ben, be son ders<br />
nachdem unsere Kagraner Genossen,<br />
die Ende Au gust alle elf bei ei ner Ver -<br />
hand lung zum Tode ver ur teilt wor den<br />
wa ren, hin ge rich tet wur den. Bis da hin<br />
hoff te er im mer noch, dass es für die<br />
leichter Belasteten besonders für die<br />
Frau en Be gna di gun gen ge ben wür de.<br />
Da durch, dass er „Ossi“ sol ches Ver -<br />
trau en schenk te, fühl te er sich für die se<br />
gan ze Tra gö die voll ver ant wort lich. Er<br />
mach te sich die un sag bars ten Vor wür fe<br />
da rü ber und hat des halb noch zum<br />
Schluss die entsetzlichsten Qualen, die<br />
je ein Genosse ertragen musste, erlitten.<br />
Am 7. Jän ner 1943 wur de er hin ge rich -<br />
tet. Von „Ossi“ habe ich später nichts<br />
mehr gehört.<br />
Quelle:<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>…<br />
Wi der stand und Ver fol gung in<br />
Ober ös ter reich 1934-1945, Ös ter -<br />
rei chi scher Bun des ver lag, 1982<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Haider</strong><br />
<strong>Franz</strong> – Ein Le ben im Dien ste der<br />
österreichischen Arbeiterklasse,<br />
Berichte aus seinem Leben, Reden<br />
und Auf sät ze, 1987<br />
Gugglber ger Mar ti na, „Ver su -<br />
che, an stän dig zu blei ben“ - Wi -<br />
der stand und Ver fol gung von<br />
Frau en im Reichs gau Ober do nau.<br />
In: Hauch Ga briel la (Hg.), Frau en<br />
im Reichs gau Ober do nau, Ge -<br />
schlechtsspezifische Bruchlinien<br />
im Nationalsozialismus, Reihe:<br />
Ober ös ter reich in der Zeit des Na -<br />
tionalsozialismus, Band 5, OÖ<br />
Lan des ar chiv, Linz, 2006<br />
Um Ober ös ter reich. Der 13.<br />
oberösterreichische Landesparteitag<br />
der KPÖ, Ver lag Neue Zeit,<br />
1946<br />
Oliver Rathkolb, Politische<br />
Pro pa gan da der ame ri ka ni schen<br />
Besatzungsmacht in Österreich<br />
1945 bis 1950. Ein Bei trag zur<br />
Geschichte des Kalten Krieges in<br />
der Pres se-, Kul tur- und Rund -<br />
funkpolitik, Dissertation, Wien,<br />
1981.<br />
Friedrich Hausjell, Österreichische<br />
Ta ges zei tungs jour na lis ten<br />
am Be ginn der Zwei ten Re pub lik<br />
(1945 - 1947). Eine kol lek tiv bio -<br />
gra phi sche Ana ly se ih rer be ruf li -<br />
chen und po li ti schen Her kunft.,<br />
Dis ser ta ti on, Salz burg, 1985<br />
Amts blatt der Lan des haupt stadt<br />
Linz, Jahr gang 1955, Num mer 16<br />
Pro to koll des 14. Par tei ta ges<br />
der KPÖ, Wien, 1948<br />
Pro to koll des 16. Par tei ta ges<br />
der KPÖ, Wien, 1954<br />
Pro to koll des 17. Par tei ta ges<br />
der KPÖ, Wien, 1957<br />
Pro to koll des 18. Par tei ta ges<br />
der KPÖ, Wien, 1961<br />
Wolf gang Mueller, Ar nold<br />
Sup pan, Nor man M. Naimark,<br />
Gen na dij Bord ju gov (Hg.), Sow -<br />
jetische Politik in Österreich<br />
1945-1955, Ver lag der Ös ter rei -<br />
chischen Akademie der Wissenschaf<br />
ten, Wien, 2005
Seite 14<br />
<strong>Franz</strong> Hai der an Sepp Teufl (Lan des ob mann der il le ga len KPÖ):<br />
Brief aus dem Gefängnis Garsten<br />
Lie ber Freund!<br />
Die gan ze Sa che ist vor läu fig ab ge -<br />
schlos sen. Ur sprüng lich hat te ich mit<br />
ei ner Min dest dau er die ser Etap pe von<br />
ca. 24 - 26 Mo na te ge rech net. Die Ver -<br />
kür zung brach te auch die Ver schär fung<br />
- auf grund der Zu spit zung der all ge mei -<br />
nen Lage; das Gute da ran: ein Wie der -<br />
se hen um ein hal bes Jahr frü her, hof fe<br />
längs tens in ca. ei nem Jahr!<br />
Zu dem letz ten kurz Ge schil der ten: Die<br />
Vor ge schich te kennst Du ja. Lei der war<br />
im Moment meines Unfalles die Situati -<br />
on eine ver än der te. Du weißt ja, mit<br />
Un fall rech ne te ich stark, dazu war mir<br />
letz tes Tref fen beim Ski lauf wert voll. Du<br />
weißt dar um auch um mei ne Zwei fel an<br />
O. H. (Otto Husch ka) Ver si che run gen:<br />
„mir kön ne nichts ge sche hen“.<br />
Nun bei den ers ten „Be hand lungs ver -<br />
su chen“ wuss te ich, dass Puhl mann<br />
nicht jene Rol le spiel te wie wir so si cher<br />
an neh men muss ten. Zu gleich aber spür -<br />
te ich - mehr Qua li tät mir ge gen über -<br />
dass mei ne Frau ernst haft ge fähr det,<br />
aber auch ich (trotz der Mei nung un se -<br />
res Freun des „M.“) (Mai er Ig naz) nicht<br />
zu hal ten sei. Noch mehr: dass so wohl<br />
M. wie O. H. - bei de von ver schie de nen<br />
Stand punk ten ir re ge führt (be wusst), um<br />
mich wie der ir re zu füh ren.<br />
Für mich gab es da durch nur eine Auf -<br />
ga be: mich ein zu schal ten und die Din ge<br />
so gut als mög lich zu ent wir ren. Mei ne<br />
Aus sa gen be zo gen sich rein auf mich,<br />
und wa ren so ge hal ten wei te ren Schrit -<br />
ten einen Riegel vorzuschieben (von<br />
hier aus!!!) und den ers ten Ret tungs an -<br />
ker für mei ne Frau zu wer fen. (Also vor<br />
„un nö ti gem Zu ge ben“ war kei ne Spur,<br />
das schien der Form nach - dem In halt<br />
nach war es eine Not wen dig keit. Die<br />
frü he re Ent wic klung gab mir Recht.<br />
Man ches kann ich heu te noch nicht da -<br />
rü ber schrei ben.)<br />
Im Ver lau fe der Mo na te wur de das Bild<br />
im mer kla rer. Vo rerst die vol le Rein wa -<br />
schung von P. von dem schwe ren Ver -<br />
dacht: die Fest stel lung, das Op fer ei nes<br />
ganz ge ris se nen Be trü gers ge we sen zu<br />
sein (durch wel che Feh ler? heu te we nig<br />
Wort da rü ber breit zu re den; eins: im -<br />
mer wieder: Wachsamkeit, prüfen!)<br />
dann die ver schie de nen Ir re füh run gen -<br />
für künf ti ge Zwe cke! Dann noch eine<br />
Fest stel lung: die Kon kur renz ar beit auf<br />
den ver schie de nen Or ga ni sa tio nen viel<br />
ge gen ein an der, aber auf grund des Sys -<br />
tems schärfs ter Zen tra li sa ti on und ei nes<br />
im men sen Pa pier krie ges. Kommt als<br />
Ergebnis ein ziemlich lückenloses Wissen<br />
um die Din ge an ei ner Stel le (oder<br />
zwei) he raus, ohne dass sich die ein zel -<br />
nen Glie der des Ge samt ver hält nis ses<br />
be wusst sind.<br />
Da rauf muss te ich eben falls Rüc ksicht<br />
nehmen! Die letzten Beweise konnte nur<br />
die Ver hand lung lie fern. (Zug um Zug<br />
...)<br />
Für mich steht fest: Puhl mann Op fer.<br />
Hal tung vor Ge richt ein wand frei. Feh -<br />
ler? Ja, ge nug und schwe re; aber zu ur -<br />
tei len ohne den Me cha nis mus ge nau zu<br />
ken nen ist kin disch. „Ossi“ war ihm<br />
mehr als ein Bru der - das war der fol -<br />
gen schwers te Feh ler; Du kannst Dir ja<br />
vor stel len, was „Ossi“ al les wuss te.<br />
„Fast“ al les!<br />
Dann wur de „Wera“ (Chi le nin) zum<br />
Zu sam men klap pen ge bracht. Wenn ich<br />
ernst lich ge ar bei tet hät te! Sie hat mehr<br />
ge sagt als ge wusst! Preis: sie ist in ih -<br />
rer Hei mat.<br />
Weiter die wichtigsten Wiener Leute<br />
schrie ben Pro to kol le von 100 - 200 und<br />
mehr Sei ten. Dar un ter auch Fritz sche;<br />
setz te sich an die Ma schi ne und schrieb<br />
sein Pro to koll selbst mit ca. 120 Sei ten.<br />
Fol ge: St. Pöl ten, Krems, Kla gen furt,<br />
Graz: die To des ur tei le; und de ren teil -<br />
weise schon Vollstreckung (diese Wo -<br />
che in der Zei tung die 3 Krem ser; in<br />
Zei tung kommt nur trop fen wei se!). Sein<br />
Auf tre ten als Zeu ge ge gen mich war po -<br />
si tiv, das heißt, er sag te wort wört lich<br />
das, was ich sag te. Ge ra de das und wie<br />
er auf trat, lässt nur zwei Schlüs se<br />
übrig: mei nen Ver dacht oder er hat ei -<br />
nen Knacks be kom men.<br />
Bei „Wal li“, glau be ich, woll te man es<br />
so ma chen. Si cher ist si cher, denn Pu.<br />
sag te mir, er lern te W. durch „Ossi“<br />
ken nen. Kon kur renz weiß von Wal li viel<br />
oder al les; laut Pu.<br />
Auf grund von all dem nahm ich Stel -<br />
lung im Pro zess; ver band mein Schic -<br />
ksal mit dem von mei ner Frau auf ent -<br />
we der - vie ler (nicht zu of fen) bis Eu rer<br />
Hil fe, und es hat ge klappt. Doch nicht<br />
ich verkannte eure Schwierigkeiten.<br />
Aber Ein satz von Euch konn te und<br />
muss te ich ver lan gen - nicht um mei net -<br />
wil len! (Nach dem Mot to: „Das La chen<br />
ist der Gü ter höch stes nicht, der Übel<br />
grö ß tes aber ist die Schuld“)<br />
Kurz noch zum Pro zess: Mi schung von<br />
ab sto ßen der Ko mö die und kal ter Ver -<br />
nich tung. Raf fi nier te Aus nüt zung für<br />
Abschreckung der Öffentlichkeit.<br />
Schwie rig keit be züg lich Hal tung: öf -<br />
fent li che Ver hand lung, die nicht öf fent -<br />
lich war; da durch aber Mög lich keit<br />
und Ge fahr, dein Wort je der zeit öf fent -<br />
lich aus nüt zen zu kön nen, ohne dass du<br />
selbst dieselbe Möglichkeit hattest.<br />
Von dem Stand punkt schien mei ne Hal -<br />
tung in Be zug S. M. und Welt an schau -<br />
ung et was un ge schickt und be la stend<br />
war, aber die ein zig trag ba re. Des halb<br />
auch ver zich te te ich vor Schluss auf<br />
eine Bit te um Le ben und Ehre (wie alle<br />
übri gen ha ben).<br />
Gruß an alle Freun de Euer Alex.*<br />
* Dec kna me von <strong>Franz</strong> Hai der<br />
Quelle:<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>…<br />
Im Zucht haus Gars ten war <strong>Franz</strong> Hai der von 1942 bis 1945 in haf tiert.
<strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong> als Landeshauptmannstellvertreter:<br />
Seite 15<br />
Die Wiedererrichtung der Landesverwaltung<br />
Das unmittelbare Kriegsende<br />
zeich ne te sich im Lau fe des 5. Mai<br />
ab. Die Ar mee der USA hat Linz,<br />
Steyr, Enns be setzt - be freit und war<br />
bis nach Grein vor ge drun gen. Drü -<br />
ber der Enns hiel ten die deut schen<br />
Truppen weiterhin ihre Verteidi -<br />
gungs stel lung, erst am 8. Mai ge lang<br />
es der amerikanischen Armee über<br />
die Enns brü cke vor zu drin gen. Die<br />
deut schen Trup pen be ka men noch<br />
Be feh le, sich nach dem Wes ten ab zu -<br />
set zen. Nach der Ka pi tu la ti on von 8.<br />
auf den 9. Mai ge rie ten mehr als<br />
600.000 Mann in die ame ri ka ni sche<br />
Gefangenschaft.<br />
Die Rote Ar mee hat bis zum 10./12.<br />
Mai das Untere Mühlviertel (äußerste<br />
Grenze Freistadt, Neumarkt, Pregarten,<br />
Gaisbach-Wartberg, die Bahn li nie zur<br />
Felda ist ent lang bis zur Do nau) be setzt.<br />
Nach dem Zu sam men bruch des na -<br />
tionalsozialistischen Regimes durch die<br />
Be set zung Ober ös ter reichs durch die<br />
ame ri ka ni schen und sow je ti schen Ar -<br />
meen sah es in Ober ös ter reich durch<br />
Flie ger an grif fe und Kampf hand lun gen<br />
ver hee rend aus, etwa 10.000 Woh nun -<br />
gen wa ren völ lig zer stört, etwa 16.000<br />
Woh nun gen wa ren be schä digt. 3.000<br />
Men schen wur den Op fer von Bom ben -<br />
an grif fen und Kriegs hand lun gen. Auf<br />
ös ter rei chi schem Bo den be fan den sich<br />
etwa 177.000 aus län di sche Ar bei te rin -<br />
nen und Ar bei ter, etwa 86.000<br />
KZ-Häft lin ge, 10.000 Flücht lin ge, die<br />
die deut sche Ar mee vom Schwar zen<br />
Meer über den gan zen Bal kan he rauf -<br />
trie ben, und die schon er wähn ten deut -<br />
schen Trup pen, die zur Ka pi tu la ti on auf<br />
un se rem Bo den ge zwun gen wor den wa -<br />
ren. Die oberösterreichische Bevölke -<br />
rung hat te sich auf die se Wei se ver dop -<br />
pelt.<br />
Oberösterreich in den<br />
Nachkriegswirren<br />
Ei ni ge tau send Ober ös ter rei cher hat -<br />
ten das Glück aus den Höh len der KZs<br />
und der Ge fäng nis se zu ent kom men. Ei -<br />
ni ge hun dert hat ten nicht mehr das<br />
Glück, heim zu kom men, weil sie in den<br />
KZs und Ge fäng nis sen ent we der durch<br />
den elek tri schen Draht, durch Ku geln<br />
der KZ-Auf se her, durch Knüp peln oder<br />
Fallbeile getötet worden waren.<br />
Weit über 200.000 wa ren in das<br />
deut sche Heer ein ge zo gen wor den, da -<br />
von wa ren etwa 37.000 in die sem Krieg<br />
gefallen oder in Lazaretten oder in<br />
Kriegs ge fan gen schaft ge stor ben.<br />
In un se rem Land wa ren die Stra ßen,<br />
die Brü cken, die Bahn kör per, die Lo ko -<br />
mo ti ven, die Bahn wag gons (Gü ter oder<br />
Per so nen) durch die Kriegs ein wir kun -<br />
gen arg be schä digt wor den oder un -<br />
brauchbar geworden. Viele Betriebe<br />
stan den still, die Kriegs pro duk ti on wur -<br />
de ein ge stellt - klar und na tür lich. Es<br />
ent stand die Fra ge, was über haupt pro -<br />
du ziert wer den soll te, es fehl ten die<br />
Rohstof fe für die le bens wich ti ge Pro -<br />
duk ti on. Man wuss te auch nicht, wo hin<br />
mit den Ar beits kräf ten. Vo rerst wur den<br />
zum Bei spiel die Frau en dienst ver -<br />
pflich tet. Wenn sie die ser Auf ga be<br />
nicht nach ge kom men wa ren, wur den<br />
sie be straft. Dies ging bis zum Ar beits -<br />
erziehungslager. Jetzt waren sie die ers -<br />
ten, die ent las sen wur den.<br />
Durch den Zu sam men bruch war die<br />
Ver sor gung stark ge stört. Vor al lem<br />
wa ren die oh ne hin sehr we ni gen Le -<br />
bens mit tel zum Teil in die Hän de der<br />
Besatzungsarmeen gelangt, so weit sie<br />
nicht nur von den Nicht-An säs si gen an -<br />
ge eig net wur den. Es hät te die hier an -<br />
säs si ge Be völ ke rung, die zehn tau sen -<br />
den total abgemagert waren, ehemaligen<br />
KZ-Häft lin ge, und die zur Ar beit<br />
ge zwun ge nen aus län di schen Ar bei te -<br />
rin nen, de ren Zahl schon ge nannt wur -<br />
de, er nährt und ver sorgt wer den müs -<br />
sen. Erst ab dem 24. Mai 1945 gab es<br />
eine geregelte Lebensmittelkartenaus -<br />
ga be.<br />
Neuaufbau der Landesregierung<br />
Die Le bens mit tel, die für eine Wo -<br />
che aus ge ge ben wor den wa ren, hät ten<br />
bei ei nem nor ma len Le ben für. ein ein -<br />
halb Tage ge reicht. Es muss ten die Bar -<br />
rie ren der Be sat zun gen über wun den<br />
wer den. Die Si tua ti on er schien un über -<br />
wind bar. Um die se Si tua ti on zu meis -<br />
tern, war man der Mei nung, dass man<br />
alle demokratischen Kräfte zum Aufbau<br />
heranziehen musste. Die amerikanische<br />
Be sat zungs macht war auf grund ih rer<br />
Auf fas sung zu die ser Zeit nicht be reit<br />
gewesen, von ihrer Leitlinie abzuzie -<br />
hen.<br />
Auf grund der Vor spra che des Dr.<br />
Ko ref und sei nen po li ti schen Freun den<br />
an 5. Mai bei den vor läu fi gen Stadt -<br />
kom man dan ten der ame ri ka ni schen Ar -<br />
mee, kam es erst am 8. Mai zur Be auf -<br />
tra gung des Stadt ober haup tes von Linz.<br />
Ob wohl die Ame ri ka ner die Be tä ti gung<br />
von po li ti schen Par tei en ver bo ten hat te,<br />
stell te Dr. Ko ref trotz dem den Stadt rat<br />
nach par tei po li ti schen Ge sichts punk ten<br />
zusammen. Aus dem Bürgermeister,<br />
vier Mit glie dern der SPÖ, vier Mit glie -<br />
dern der christlich-sozialen Partei und<br />
zwei von der KP Ober ös ter reich wur de<br />
der Stadtrat gebildet.<br />
Im Lan des maßstab gab es be trächt li -<br />
che Schwie rig kei ten bis zur Bil dung ei -<br />
ner demokratisch zusammengesetzten<br />
Lan des re gie rung. Es ist selbst ver ständ -<br />
lich, dass sich die ein zel nen Funk tio nä -<br />
re der seit 1933 und 1938 ver bo te nen<br />
Par tei en in den letz ten Mo na ten, be son -<br />
ders in den letz ten Ta gen, be ra ten hat -<br />
ten, wie und wer an die Spit ze der Par -<br />
tei lei tung oder in den öf fent li chen Kör -<br />
per schaf ten tä tig sein wür de, wenn das<br />
NS-Regime zusammengebrochen war.<br />
Wie sollten die wiederzugelassenen de -<br />
mokratischen Parteien auf dieser Basis<br />
funk tio nie ren? Wie soll ten die künf ti -<br />
gen Ge werk schaf ten mit ih ren Auf ga -<br />
ben funk tio nie ren? Die Re gie rungs bil -<br />
dung war durch Dr. Ren ner schon ge -<br />
klärt, das heißt es gab eine de mo kra ti -<br />
sche Zusammensetzung der drei Partei -<br />
en, die ja auch die Grund la ge der Re gie -<br />
rung Ren ners war.<br />
Recht ku ri os schien auch die Tä tig -<br />
keit ei ni ger so zial de mo kra ti scher Funk -<br />
tionäre, wie der ehemalige Chefredak -<br />
teur des Tag blat tes, Dr. Alois Ober -<br />
hummer, der ehemalige Gewerkschaftsse<br />
kre tär Hans Ot ten ba cher und noch ei -<br />
ni ge Ge sin nungs ge nos sen, die beim<br />
Lin zer Bi schof Dr. Flie ßer vor spra chen<br />
und die sen er such ten, ei nen Christ -<br />
lich-So zia len, der kein Fa schist ge we -<br />
sen war, für die Neu bil dung der Lan -<br />
des re gie rung vor zu schla gen. Der Bi -<br />
schof Flie ßer no mi nier te den Hof rat Dr.<br />
Jo sef Ze hent ner, der die Funk ti on ei nes<br />
Landeshauptmannstellvertreters ein -<br />
neh men soll te. Dr. Ober hum mer und<br />
Dr. Ze hent ner ver such ten in ei ge ner<br />
Re gie im Land haus ihre Tä tig keit auf -<br />
zu neh men. Sie soll kei ne zwei Tage ge -<br />
dau ert ha ben.<br />
Die Neukonstituierung der KPÖ<br />
Die kom mu nis ti schen Funk tio nä re,<br />
etwa zwi schen 30 und 40, tra ten trotz<br />
Verbot der Amerikaner am Nachmittag<br />
des 14. Mai in ei nem Hin ter zim mer des<br />
Gast hau ses „Zum Grü nen Stern“ in der<br />
Lessingstraße zu einer Beratung zusammen,<br />
die un ter dem Vor sitz von Jo sef<br />
Mitter tagte. Dort wurde eine provisorische<br />
Stadt lei tung ge wählt, die vor läu fig<br />
auch die Auf ga ben des Lan des über -<br />
nahm. <strong>Franz</strong> Hai der war nicht an we -<br />
send, kei ner wuss te, was mit ihm war<br />
und wo er sich be fand.<br />
Nach dem er nach Linz zu rüc kge -
Seite 16<br />
kom men war, er zähl te er, dass er nach<br />
sei ner Ent las sung aus der Haft an stalt<br />
Gars ten so fort nach Steyr ge gan gen<br />
war, wo er bei der Kon sti tu ie rung der<br />
Be zirks lei tung von Steyr an we send ge -<br />
we sen war. Dann fuhr er nach Wien<br />
zum ZK der KPÖ und er hielt dort den<br />
Auf trag, in Ober ös ter reich tä tig zu wer -<br />
den. Man wuss te da mals auch noch<br />
nicht, was mit dem Lan des ob mann der<br />
KP Ober ös ter reich, Sepp Teufl, der im<br />
KZ Maut hau sen fest ge hal ten wor den<br />
war, ge sche hen war. Erst spä ter wur de<br />
in Er fah rung ge bracht, dass Teufl mit<br />
sei nen Ka mer aden vom 28. auf den 29.<br />
April ge tö tet wor den war.<br />
Bei die ser Zu sam men kunft wur den<br />
für den Lin zer Stadt rat Brunn Otto für<br />
die Auf ga ben der Er näh rung, Ver sor -<br />
gung mit Bedarfsartikeln (Wirtschafts -<br />
amt, Er näh rungs amt, Markt amt, Volks -<br />
kü che) und Ram mers tor fer <strong>Franz</strong> für<br />
den Be reich Woh nungs ver ge bung ein -<br />
schließlich der Arbeiterlager, gewählt.<br />
Die amerikanische Armee erstellte in<br />
Ober ös ter reich am 14. Mai 1945 eine<br />
Militärregierung aus Offizieren aus ih -<br />
ren Rei hen mit 13 Ress orts. De nen wur -<br />
den Fachberater beigegeben, die aus<br />
dem Stande der oberösterreichischen<br />
Landesbeamten waren, die später als zivi<br />
le Lan des re gie rung wirk sam wur den.<br />
Am 17. Mai 1945 durch die An ord nung<br />
Nr. 2 das von Lan des haupt mann Dr.<br />
Eigl vor ge schla ge ne Be am ten ka bi nett<br />
bestätigt. Die amerikanische Militärre -<br />
gie rung in Ober ös ter reich war nach den<br />
Worten des Generalmajor Handlege<br />
Rein hart, um den Beamten Autorität zu<br />
verleihen, sehr bemüht.<br />
Die Bewegung „Freies<br />
Osterreich“<br />
Durch die Schaf fung ei ner Be am ten -<br />
re gie rung fühl ten sich die Wi der stands -<br />
or ga ni sa tio nen über gan gen. Am Sonn -<br />
tag vor mit tag des 10. Juni 1945 tra ten<br />
trotz Ver bot, die ein zel nen Be zirks -<br />
gren zen zu ver las sen, un ter dem Vor sit -<br />
ze von Dr. Hans Chr. Bro da (der spä te re<br />
Justizminister der österreichischen<br />
Bun des re gie rung) die Ver tre ter der Wi -<br />
der stands or ga ni sa tio nen - ös ter rei chi -<br />
sche Frei heits be we gung von Ober ös ter -<br />
reich zu ei ner vor be rei te ten Sit zung für<br />
das am Nachmittag tagende Plenum<br />
zusammen.<br />
An we send wa ren: Dr. Blum, Linz;<br />
Jo sef Plie seis, Bad Ischl; <strong>Franz</strong> Ha zoth,<br />
Linz; <strong>Franz</strong> Hai der, Linz; Ste fan Fi -<br />
scher, Steyr; Prof. Erich Zde nek, Steyr;<br />
Dr. Jo sef Bi schof, Steyr; Dr. Jo sef Ko -<br />
fer, Gries kir chen; Dr. Leo pold Weis -<br />
mann, Vöc kla bruck; Graf Carl Georg<br />
Stürgkh, Ried; Dr. Hans Chr. Bro da,<br />
Linz; spä ter: Dr. Rit schel, Brau nau; Ing.<br />
Pro has ka, Brau nau.<br />
Auf die ser Be ra tung wur de der Zu -<br />
sammenschluss der Bewegung „Freies<br />
Osterreich“ in Oberösterreich getätigt<br />
und da rü ber ließ man der ame ri ka ni -<br />
schen Militärregierung einen- Bericht<br />
zu kom men. Der wei te re Zweck der Sit -<br />
zung war, eine Platt form als Grund la ge<br />
für die weitere Tätigkeit der österreichischen<br />
Frei heits be we gung fest zu le gen<br />
und eine vor läu fi ge Ei ni gung über die<br />
bei der Ple nums-Voll ver samm lung<br />
stattfindende Repräsentanten-Wahl zu<br />
erzielen. Die einzelnen Vertreter der<br />
Be zir ke und Or ga ni sa tio nen be rich te ten<br />
über den Stand ihrer Tätigkeiten.<br />
Es wur de der Wunsch aus ge spro -<br />
chen, dass in der ös ter rei chi schen Frei -<br />
heits be we gung nur sol che Per so nen tä -<br />
tig sein soll ten, die tat säch lich für die<br />
Befreiung Österreichs gekämpft hatten.<br />
„Herr Hai der gab da ge gen zu be den -<br />
ken, dass die ser Stand punkt eine Spit ze<br />
ge gen jene dar stel len könn te, die das<br />
Glück hatten, trotz aktiver Beteiligung<br />
an den österreichischen Freiheitskämp -<br />
fen nicht ge fasst und ge maß re gelt wor -<br />
den zu sein.“ (Aus dem Lin zer Pro to -<br />
koll)<br />
Minimalprogramm erarbeitet<br />
Es wur de ein Mi ni mal pro gramm mit<br />
einem zusätzlichen internen Arbeitspro -<br />
gramm für die österreichische Freiheits -<br />
be we gung aus ge ar bei tet. In die sem war<br />
unter anderem enthalten: „Man sollte<br />
auf die Not wen dig keit der Ver an ke rung<br />
einer österreichischen Landesregierung<br />
im Volks wil len hinweisen. Man müss te<br />
auch den Ame ri ka nern klar ma chen,<br />
dass sie die Aufgaben der Militärregierung<br />
nur mit Un ter stüt zung des Vol kes<br />
eben in der Form der ös ter rei chi schen<br />
Frei heits be we gung be wäl ti gen kön -<br />
nen.“<br />
Es wur de ein Vor schlag des Exe ku -<br />
tionsausschusses ausgearbeitet, deren<br />
Vor sit zen der Lud wig Ber na schek sein<br />
soll te. Dr. Bro da soll te als ge schäfts füh -<br />
render Vorsitzender tätig sein.<br />
In der Lan des aus schuss sit zung am<br />
Nach mit tag des 10. Juni 1945 nah men<br />
weitere Delegierte aus den oberösterrei -<br />
chischen Bezirken teil. Nicht vertreten<br />
wa ren die Be zir ke Freis tadt und Perg.<br />
Das vor ge leg te Mi ni mal pro gramm wur -<br />
de durch weitere Vorschläge ergänzt<br />
und dieses mit Einstimmigkeit ange -<br />
nom men.<br />
In der wei te ren Dis kus si on wur de<br />
fest ge stellt, dass sich in der Ober ös ter -<br />
rei chi schen Lan des re gie rung ei ni ge<br />
Mit glie der be fan den, die der NSDAP<br />
angehört hatten, die ausgewechselt wer -<br />
den soll ten.<br />
Die Art der Über tra gung des Pro -<br />
gramms der Frei heits be we gung an die<br />
amerikanische Militärregierung sollte<br />
dem Exe ku tions aus schuss über las sen<br />
wer den.<br />
Der Lan des aus schuss wur de aus 28<br />
Per so nen no mi niert. Der Exe ku tions -<br />
aus schuss setz te sich aus fol gen den<br />
Herren zusammen: Bernaschek, Reisetbau<br />
er, Hai der, Dr. Blum, Dr. Ho fer, Dr.<br />
Weismann, Fischer, Plieseis, Lindner,<br />
Dr. Bro da.<br />
Der Ar beits plan des Exe ku tions aus -<br />
schusses der oberösterreichischen Frei -<br />
heits be we gung dien te als Grund la ge für<br />
ihre Tätigkeit.<br />
Wäh rend der Zu sam men kunft der<br />
Vertreter der Freiheitsbewegung in<br />
Ried, gab es eine Aus spra che un ter dem<br />
Vor sitz von Dr. Bro da zwi schen den<br />
Vertretern der Sozialdemokraten und<br />
den Kom mu nis ten von Ober ös ter reich.<br />
Zweck die ses Ge sprä ches war die Mög -<br />
lichkeit eines Zusammenschlusses der<br />
So zial de mo kra ten und Kom mu nis ten<br />
zu einer einheitlichen Arbeiterpartei.<br />
Die se Idee wur de von Dr. Bro da und<br />
dem späteren SPÖ-Nationalrat Wimber<br />
ger Alois stark ver tre ten. Ber na -<br />
schek Lud wig wand te sich ge gen die sen<br />
Zu sam men schluss. <strong>Franz</strong> Hai der be grü -<br />
ß te die sen Vor schlag, weil man ab war -<br />
ten müss te, da die se In itia ti ve von den<br />
zen tra len Füh run gen der bei den Par tei -<br />
en aus ge hen muss te. (Am 11. Au gust<br />
1945 trat in ei nem Schrei ben die Lan -<br />
des lei tung der KP Ober ös ter reich an<br />
den pro vi so ri schen Par teivor stand der<br />
SP Ober ös ter reich mit dem Vor schlag<br />
he ran, eine Ak tions ein heit bei der Par -<br />
tei en durch zu füh ren, um eine ein heit li -<br />
che Arbeiterbewegung zu schaffen.<br />
Dieser Vorschlag wurde von dem Partei<br />
vorstand der SPÖ Oberösterreich<br />
abgelehnt.)<br />
Misstrauische Militärregierung<br />
Die amerikanische Militärregierung<br />
wuss te be reits am 11. Juni 1945 von der<br />
am 10. Juni in Ried durch ge führ ten<br />
Grün dungs ver samm lung des Lan des -<br />
ausschusses der österreichischen Frei -<br />
heits be we gung. Der Aus schuss wur de<br />
für den 15. Juni zur Mi li tär re gie rung<br />
be foh len. Aus dem Ge dächt nis pro to koll<br />
vom 30. Juni 1945 von Dr. Blum heißt<br />
es unter anderem:<br />
„Bei die ser Sit zung (Snook und Har -<br />
ti gan) wur de uns das Il le ga le un se res<br />
Tuns vor ge hal ten, un ter Vor la ge un se -<br />
res Min dest pro gramms be ka men wir<br />
aber die Zu si che rung, dass die Mi li tär -<br />
re gie rung un se re Wün sche sach lich<br />
prü fen und uns nach die ser Prü fung zur<br />
Be kannt ga be ih rer Ent schei dung wie -<br />
der zusammenrufen werde.“...<br />
„Am 29. Juni wur de dann der Exe ku -<br />
tiv aus schuss neu er dings zur Mi li tär re -<br />
gie rung ge ru fen. An we send wa ren wie -<br />
der um Snook und Har ti gan, au ßer dem<br />
der Lei ter des CIC und au ßer dem Lan -<br />
des haupt mann Dr. Eigl, der schon bei<br />
der ers ten Be spre chung am 15. Juni zu -
Seite 17<br />
gegen gewesen war.“ ...<br />
„Dann gab er in län ge ren Aus füh -<br />
run gen sei ne Ent schei dung be kannt. Es<br />
sei für die Mi li tär re gie rung un mög lich,<br />
dass sie eine Be tä ti gung des Aus schus -<br />
ses als Be we gung oder als Grup pe oder<br />
als Ein heit aner ken nen und zu las sen<br />
kön ne. Jede Art der Mit ar beit bei der<br />
Militärregierung sei nur möglich als<br />
Ein zel per son und die se Mit ar beit sei<br />
durch aus er wünscht. Es kön ne sich da -<br />
bei in ers ter Li nie um die Hil fe zur Säu -<br />
be rung des Lan des von den Nazi und<br />
den Deut schen han deln, und für die se<br />
Mitarbeit bitte er jeden Österreicher als<br />
Ein zel per son. Zu die sem Zweck sei der<br />
CIC er heb lich er wei tert und aus ge baut<br />
wor den, und mit die ser Stel le soll ten<br />
wir als Einzelpersonen<br />
zusammenarbeiten.“ ...<br />
“Weitere Versuche unsererseits, die<br />
Aussprache auf eine andere Basis zu<br />
brin gen und un ter Auf zäh lung vor -<br />
dringlicher Probleme die Mitarbeit als<br />
Ein zel per son für we nig zwec kmä ßig<br />
nach zu wei sen, blie ben er folg los. Snook<br />
be stand wie der holt auf sei nem Wil len,<br />
keinerlei Gruppenarbeit zu gestatten.<br />
In fol ge des sen ver zich te ten wir auf die<br />
Vor le gung des vor be rei te ten Me mo ran -<br />
dums, das un se re kon kre ten Wün sche<br />
und For de run gen ent hielt, und Ber na -<br />
schek gab zum Schluss un se rem Be dau -<br />
ern Aus druck, dass un se re auf rich ti gen<br />
Be mü hun gen als Ös ter rei cher und De -<br />
mo kra ten, der Mi li tär re gie rung und<br />
dem Lande weiterzuhelfen, hiermit als<br />
gescheitert anzusehen seien..“ ...<br />
Am 6. Au gust 1945 wur de von der<br />
ame ri ka ni schen Mi li tär re gie rung der<br />
Voll zugs be fehl N 28 er las sen (sie he<br />
Do ku men te). Der Voll zugs be fehl be -<br />
stimm te, dass der Lan des haupt mann<br />
mit der Zu stim mung der ame ri ka ni -<br />
schen Militärregierung einen Beirat zu<br />
er nen nen habe, der „in je der Hin sicht<br />
die ge sam te Be völ ke rung von Ober ös -<br />
terreich zu repräsentieren habe“, unter<br />
an de rem, „die Pflicht des Bei ra tes sei<br />
es, den Lan des haupt mann in al len die<br />
Wohl fahrt und die In ter es sen des Vol -<br />
kes betreffenden Fragen zu beraten“.<br />
Die ser Be fehl kam durch die Ver haf -<br />
tung des Lan des haupt man nes Dr. Eigl<br />
am 22. 8. 1945 nicht mehr zum Tra gen.<br />
Ohne den Lan des haupt mann war die<br />
Be ru fung des Bei ra tes nicht mög lich.<br />
Parteien endlich legalisiert<br />
In den nächs ten Ta gen und Wo chen<br />
über stürz ten sich die Er eig nis se. Am<br />
11. Sep tem ber 1945 hat te der Al li ier te<br />
Rat in Wien un ter an de rem den be ste -<br />
hen den an ti fa schis ti schen de mo kra ti -<br />
schen Parteien Österreichs gestattet,<br />
ihre Tä tig keit in ganz Ös ter reich aus zu -<br />
üben.<br />
Dazu erließ die amerikanische Militärregierung<br />
den allgemeinen Befehl N<br />
3 vom 19. Sep tem ber 1945, der die Tä -<br />
tigkeit der demokratischen Parteien er -<br />
laub te.<br />
Die Lan des lei tung der KP Ober ös -<br />
ter reich hat te so fort nach dem Zu sam -<br />
men bruch des NS-Re gimes (das heißt<br />
sie hat te sich we der in der Zeit des Fa -<br />
schis mus noch in der Zeit des Na tio nal -<br />
so zia lis mus ab brin gen las sen, ihre Tä -<br />
tig kei ten fort zu set zen trotz der gro ßen<br />
Ge fah ren) so fort un ge ach tet des Ver bo -<br />
tes in er höh tem Maße fort ge setzt, in den<br />
Be trie ben, den Ge mein den und Städ ten<br />
und in den Be zir ken. In der vor lie gen -<br />
den Ar beit über <strong>Franz</strong> Hai der wer den<br />
Zu sam men künf te, Be triebs ar bei ter kon -<br />
fer en zen usw. angeführt.<br />
Es wur de so fort am 1. Juni 1945 eine<br />
illegale Tageszeitung „Österreichische<br />
Nachrichten“ herausgebracht. Trotz eif -<br />
ri gen Su chens (Haus su chun gen) durch<br />
CIC wur de der Her stel lungs ort nicht<br />
ge fun den.<br />
An der ers ten Län der kon fe renz, die<br />
vom 24. bis 27. Sep tem ber in Wien tag -<br />
te, nah men un ter an de rem <strong>Franz</strong> Hai -<br />
der, Kam me rer Fritz, Pe trak Wil li teil,<br />
die auch in der Kom mis si on mit ar bei te -<br />
ten. Dort wur de im We sent li chen die<br />
An er ken nung der pro vi so ri schen<br />
Staatsregierung als die Voraussetzung<br />
für eine ein heit li che Ver wal tung und<br />
die ra sches te Durch füh rung von Wah -<br />
len als die wich tigs te gesehen.<br />
Die zweite Länderkonferenz<br />
An der 2. Län der kon fe renz, die vom<br />
9. bis 11. Ok to ber in Wien tag te, war<br />
<strong>Franz</strong> Hai der wie der mit an de ren sei ner<br />
Parteifreunde dabei.<br />
Diese Konferenz beschäftigte sich<br />
vor wie gend mit den Vor be rei tun gen<br />
des Na tio nal rats und den Land tags wah -<br />
len sowie inwieweit die ehemaligen Na -<br />
tio nal so zia lis ten sich an den Wah len<br />
be tei li gen dür fen.<br />
Auf grund der Zu las sung der po li ti -<br />
schen Par tei en am 19. Sep tem ber (in<br />
der Ami zo ne Ober oster reich-Sow jet -<br />
union wa ren die se be reits seit dem April<br />
1945 erlaubt), richtete Staatskanzler Dr.<br />
Ren ner in ei nem Schrei ben vom 5. Ok -<br />
to ber 1945 die Wei sun gen über die Be -<br />
stel lung ei ner Lan des re gie rung nach<br />
den Be stim mun gen der pro vi so ri schen<br />
Ver fas sung an den Lan des haupt manns -<br />
tellvertreter von Oberösterreich. Die<br />
zah len mä ßi ge Zu sam men set zung der<br />
Mitglieder soll proportional der Stärke<br />
der Par tei en vor ge nom men wer den.<br />
Unter anderem gab es Gespräche mit<br />
den Ver tre tern der Mi li tär re gie rung, die<br />
am 26. 10. 1945 die of fi ziel le Er laub nis<br />
zur Bestellung einer demokratischen<br />
Landesregierung gab.<br />
An die Spit ze der Lan des re gie rung<br />
wur de Dr. Hein rich Glei ß ner (ÖVP) be -<br />
ru fen. Als Lan des haupt manns tell ver tre -<br />
ter wur de Dr. <strong>Franz</strong> Lo ren zo ni (ÖVP),<br />
Lud wig Ber na schek (SPÖ), und <strong>Franz</strong><br />
Hai der (KPÖ), dazu drei Lan des rä te der<br />
ÖVP und zwei der SPÖ be stellt. Die<br />
Zu sam men set zung war 5:3:1. Sie he<br />
Stel lung nah men der KP in der Neu en<br />
Zeit und an de ren ober ös ter rei chi schen<br />
Zei tun gen, die an schlie ßend bei ge ge -<br />
ben sind.<br />
Am 29. Ok to ber wur de die fei er li che<br />
Ein set zung der neu en Lan des re gie rung<br />
durch die amerikanische Militärregierung<br />
vor ge nom men.<br />
Am 30. Ok to ber hielt die Lan des re -<br />
gie rung ihre ers te Sit zung ab. Sie be -<br />
schlos sen, für die vol le Ein heit des Lan -<br />
des sich ein zu set zen, den Ab bau der<br />
De mar ka tions li nie an zu stre ben und<br />
durch all ge mei ne Wah len eine vom<br />
Volk be stell te Lan des re gie rung zu<br />
schaf fen. <strong>Franz</strong> Hai der wur de das Re fe -<br />
rat für Woh nungs- und Sied lungs we -<br />
sen, allgemeine Fürsorge etc. übertra -<br />
Feier des 50. Geburtstages von <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong> mit zahlreichen KommunistIn -<br />
nen aus Ober ös ter reich und Süd böh men am Bahn hof Bud weis im Jah re 1957.
Seite 18<br />
gen.<br />
Die se Auf ga be nahm <strong>Franz</strong> Hai der<br />
sehr ernst wie alle Auf ga ben, die er in<br />
sei nem Le ben über nom men hat te. Es<br />
klingt wie eine Anek do te: „Es war<br />
schon spät in der Nacht, die Lich ter in<br />
al len Fens tern wa ren bis auf ei nes er lo -<br />
schen, der Nacht por tier dach te, dass da<br />
je mand das Licht nicht ab ge dreht hat te.<br />
Als er die sen Raum be trat, sah er zu sei -<br />
nem gro ßen Ers tau nen, dass dort vor<br />
ihm ein Berg von Ak ten lag. Da vor sass<br />
der Lan des haupt manns tell ver tre ter<br />
<strong>Franz</strong> Hai der und ar bei te te. Das war<br />
<strong>Franz</strong> Hai der wie immer.<br />
Schicksalwahl 1945<br />
Am 9. No vem ber 1930 wa ren die<br />
letzten Landtagswahlen vor der faschis -<br />
ti schen und na tio nal so zia lis ti schen Pe -<br />
ri ode. Am 25. No vem ber 1945 wur de in<br />
Ober ös ter reich nach 15 Jah ren wie der<br />
gewählt (Nationalrats-, Bundesratsund<br />
Land tags wah len).<br />
Es waren demokratische Wahlen, die<br />
KP wur de bei ih rer Wahl wer bung von<br />
der Ami-Wehrmacht behindert. Nach<br />
die sen de mo kra ti schen Wah len in<br />
Ober ös ter reich wur de das Land Ober -<br />
österreich in fünf Wahlkreise eingeteilt.<br />
Die KP Ober ös ter reich hat bei die ser<br />
Wahl 12.391 Stim men be kom men, das<br />
wa ren 2,8 Pro zent. Es wa ren 48 Man da -<br />
te zu vergeben. Wäre Oberösterreich<br />
ein Wahl kreis ge we sen, wäre die KP<br />
mit einem gut gesicherten Mandat im<br />
Landtag vertreten gewesen. Ja, wenn es<br />
nicht eine be stimm te Demokratie gäbe.<br />
Am 13. De zem ber 1945 trat der ge -<br />
wähl te Land tag zu sei ner ers ten Sit zung<br />
der 16. Gesetzgebungszeit zusammen.<br />
Lan des haupt mann Dr. Glei ß ner führ te<br />
in sei ner Er öff nungs re de un ter an de rem<br />
aus:<br />
„Ich habe aber auch die Fest stel lung<br />
zu machen, dass die oberösterreichische<br />
Be völ ke rung selbst, ihre Ver tre ter in<br />
der bis her igen Lan des re gie rung und die<br />
Beamtenschaft eine Arbeitsfreudigkeit<br />
an den Tag leg ten, die von dem wie der -<br />
erwachten Lebenswillen Österreichs<br />
Zeug nis ab legt. Ich dan ke dem aus der<br />
Lan des re gie rung schei den den Lan des -<br />
hauptmannstellvertreter <strong>Haider</strong> für seine<br />
ehrliche gewissenhafte Mitarbeit in<br />
der Landesregierung ...“<br />
Quelle:<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>…<br />
<strong>Franz</strong> Hai der am Lan des par tei tag im Fe bru ar 1946:<br />
„Auf dem Weg nach vorwärts…“<br />
In ei ner aus führ li chen Grund satz -<br />
rede umriss der damalige KPÖ-Lan -<br />
des ob mann <strong>Franz</strong> Hai der beim 1.<br />
(auch als 13. be zeich ne ten) Lan des -<br />
parteitag der KPÖ-Oberösterreich<br />
am 23. Fe bru ar 1946 die Ent wic -<br />
klung, die 1938 zum Un ter gang Ös -<br />
terreichs als selbständiger Staat ge -<br />
führt hat te und den brei ten Wi der -<br />
stand der KPÖ ge gen die Hit ler dik -<br />
ta tur.<br />
Im zwei ten Teil die ser Rede ging<br />
Hai der auf die Ent wic klung nach der<br />
Be frei ung im Mai 1945 so wie die Si tua -<br />
ti on und Rol le der KPÖ in der Grün -<br />
dungs pha se der zwei ten Re pub lik ein.<br />
Nach ste hend ein Aus zug über die Pha se<br />
von der Be frei ung bis nach der No vem -<br />
ber wahl:<br />
”In Ober do nau wird ge stan den und<br />
ge kämpft", hat te Ei gru ber noch ver kün -<br />
det, als er selbst schon längst in die Ber -<br />
ge ge flo hen war. Die Ver bre cher woll -<br />
ten, dass ihre Op fer nicht über leb ten.<br />
Ta ge lang don ner ten die Ka no nen auf<br />
Linz. Nur der to ta len Auf lö sung des<br />
„totalen Staates" nebst dem Eingreifen<br />
we ni ger be herz ter Män ner ist es zu ver -<br />
dan ken, dass die Dör fer und Städ te<br />
Ober ös ter reichs nicht völ lig zer stört<br />
wur den. Ös ter reich aber hat te nicht die<br />
Kraft ge habt, sich selbst zu be frei en;<br />
wir wur den von au ßen be freit.<br />
Der faschistische Machtapparat war<br />
zu sam men ge bro chen, doch die Pfei ler<br />
der neu en Ord nung fehl ten. Die Ver tre -<br />
ter der neu en Par tei en über ga ben der<br />
Be sat zungs macht die Schlüs sel von<br />
Stadt und Land. So fort aber wur de jede<br />
po li ti sche Be we gung ver bo ten. Nur<br />
klei ne Scha ren un se rer Ge nos sen ver -<br />
such ten, eine Or ga ni sa ti on zu bil den.<br />
Stärker waren diese Organisationen in<br />
Steyr, Bad IschI, Wels, Ried und Goi -<br />
sern.<br />
Aber wirkliche Organe einer ak -<br />
tions fä hi gen Ar bei ter klas se fehl ten.<br />
Eine un ge heu re Um wäl zung hat te sich<br />
voll zo gen, aber es war eine Um wäl zung<br />
ohne Re vo lu ti on … So war die Ar bei -<br />
ter klas se in ei nem un vor stell ba ren Aus -<br />
ma ße ato mi siert und ak tions un fä hig.<br />
Es ging um Le ben und Ar beit. Im<br />
Heiz haus wur den Werk zeu ge und Ma -<br />
schi nen Tag und Nacht be wacht. Kaum<br />
ein Dut zend Lo ko mo ti ven wa ren be -<br />
triebs fä hig. Die Stadt hun ger te.<br />
Zwangs ar bei ter und Ge fan ge ne ver -<br />
lang ten stür misch die Rüc kbe för de -<br />
rung.<br />
Da mals sam mel ten sich die ak tivsten<br />
Kämp fer für die de mo kra ti sche Er neue -<br />
rung aus al len Par tei en, durch die In itia -<br />
ti ve un se rer Ge nos sen, in der KZ-Ver -<br />
ei ni gung. Sie war ein ers ter Ver such,<br />
die Legalität zu erzwingen. Immer mehr<br />
wuch sen un se re Sor gen und un se re An -<br />
stren gun gen. Hun der te KZler woll ten<br />
heim nach Wien, Niederösterreich,<br />
Stei er mark. Aus den Lin zer Ei sen- und<br />
Stahl wer ken ka men die Män ner um Rat<br />
und Hil fe, da mit die Ar beit in dem gro -<br />
ßen Be trie be wie der neu or ga ni siert<br />
wer de. Da ne ben wur de im mer dring li -<br />
cher der Kampf um die Li qui die rung<br />
des Na tio nal so zia lis mus, der Kampf ge -<br />
gen Sa bo ta ge der Kriegs ver bre cher, die<br />
alle noch ihre lei ten den Pos ten in ne hat -<br />
ten.<br />
Wenn ich an die Tage zu rüc kden ke,<br />
als der Ring der Frei heit um Linz auf<br />
sechs Ki lo me ter be grenzt war, wie nie -<br />
mand ohne ei nem Aus weis der Mi li tär -<br />
re gie rung die Fahrt zur ers ten Kon fe -<br />
renz der oberösterreichischen Freiheits -<br />
be we gung nach Ried wa gen woll te und<br />
die Stim mung dort ei ner klei nen Re vo -<br />
lution glich, wie damals alle demokrati -<br />
schen Kräfte unseres Landes darum<br />
kämpften, dass die Beamten-Regierung<br />
in eine de mo kra ti sche Lan des re gie rung<br />
um ge wan delt wer de, so weiß ich, wie<br />
je der von uns da mals kämp fen muss te,<br />
um we nigs tens den Schat ten ei ner le ga -<br />
len Po si ti on zu er rei chen.<br />
Der Oberkommandierende der ameri<br />
ka ni schen Streit kräf te in Ober ös ter -<br />
reich, Co lo nel Snook, er klär te da mals<br />
den Ver tre tern der Frei heits be we gung:<br />
„Ich weiß, es gibt in Ös ter reich noch<br />
kei ne De mo kra tie, es gibt nur eine in di -<br />
viduelle Freiheit, und als Österreicher<br />
kön nen Sie mit ar bei ten."<br />
Dies war die Lage. Die ÖVP hielt<br />
sich an die Po si ti on in der Lan des haupt -<br />
mann schaft, die SPÖ wahr te ihre Stel -<br />
lung in der Ge mein de, wir aber muss ten<br />
uns neue Waf fen schmie den. Wir ga ben<br />
eine illegale Zeitung heraus. Die „Ös -<br />
terreichischen Nachrichten", schlicht<br />
und ein fach ab ge zo gen, ga ben un se ren<br />
Ge nos sen in den Be trie ben Rat und Hil -<br />
fe und wur den zum schar fen Schwert<br />
ge gen die Sa bo teu re der De mo kra tie<br />
und die Fein de des Vol kes. Die Zei tung<br />
hing am schwar zen Brett der Lin zer Ei -<br />
sen wer ke und gab den ent schei den den<br />
Ans toß, dass die Kriegs ver bre cher von<br />
ih ren Di rek tions-Ses seln ins Nazi-La -<br />
ger nach Gla sen bach ka men.<br />
Die Par tei be sitzt nur ei nen Raum in<br />
der Beth le hem stra ße 7, aber sie wächst.<br />
An fangs Juni fin det eine Be triebs ar bei -
ter-Kon fe renz mit 80 Ver trau ens män -<br />
nern aus al len Lin zer Be trie ben statt.<br />
Ver bin dungs ko mi tees der drei de mo -<br />
kratischen Parteien entstehen auf unsere<br />
Initiative, zerfallen wieder, werden neu<br />
geschaffen. Ein Partei-Ausschuss an<br />
der Seite der Militärregierung wird ge -<br />
plant, tritt je doch erst mit der Le ga li tät<br />
der Par tei en in Ak ti on. Zwi schen So -<br />
zial de mo kra ten und Kom mu nis ten bil -<br />
den sich die so ge nann ten Ein heits par -<br />
tei en. Man strei tet um Na men und Pro -<br />
gramm, doch wirk li che, prak ti sche Auf -<br />
bauarbeit wird wenig geleistet.<br />
Schließ lich wur de auch Linz selbst<br />
vom schar fen Mes ser der De mar ka -<br />
tionslinie zerschnitten. Das stellte die<br />
Partei vor neue Schwierigkeiten. Da -<br />
mals schuf eine un ver ant wort li che Flüs -<br />
ter pro pa gan da eine Pa nik stim mung und<br />
eine Zeit des In ter reg nums nörd lich der<br />
Do nau. Die kom mu nis ti sche Par tei ist<br />
es, die mit al len Mit teln um die Ord -<br />
nung kämpft. Die „Ös ter rei chi schen<br />
Nachrichten" verlegen ihren Sitz nach<br />
Ur fahr. Ein be waff ne ter Selbst schutz<br />
ge gen plün dern de Aus län der wird auf -<br />
ge stellt und ar bei tet mit den schwa chen<br />
Polizeikräften zusammen. Nach dem<br />
Vor bild der Wie ner Re gie rung wird auf<br />
Grund von Par tei ver ein ba run gen eine<br />
neue Zivilverwaltung gebildet.<br />
Ohne Er fah rung über neh men un se re<br />
Ge nos sen die schwie ri gen Ress orts der<br />
Er näh rung und Für sor ge, sie ar bei ten<br />
ver ant wort lich in der Wirt schaft und in<br />
der Ge mein de. Rasch er holt sich, dank<br />
der Ar beit un se rer Par tei, das Le ben im<br />
Mühlviertel wieder. Ein neues Theater<br />
wird er öff net, das Kino kann wie der<br />
spie len, die Kin der hei me und In va li -<br />
den-Er ho lungs stät ten be gin nen ihre se -<br />
gensreiche Tätigkeit.<br />
Endlich werden die Parteien erlaubt.<br />
Die erste Landeskonferenz unserer Par -<br />
tei, die im gro ßen Rat haus-Saal statt fin -<br />
det, spie gelt un se ren Kampf und un se -<br />
ren Op fer wil len. Al ter Kampf geist paart<br />
sich mit neu en Men schen. So wol len<br />
wir an die Lö sung der neu en Auf ga ben<br />
ge hen.<br />
Endlich mussten die Mitglieder der<br />
Be am ten-Re gie rung, von de nen die<br />
Hälfte mitsamt dem Landeshauptmann<br />
bereits verhaftet war, abtreten. Auf<br />
Grund der Par tei en ver ein ba rung wur de<br />
eine neue Lan des re gie rung ge bil det.<br />
Zum ers ten Mal zieht ein Kom mu nist in<br />
die oberösterreichische Landesregie -<br />
rung ein.<br />
Ein wei te rer Schritt vor wärts ist die<br />
Bewilligung unserer Parteipresse. Die<br />
„Neue Zeit" wird zum wich tigs ten In -<br />
strument unseres Kampfes, zum wert -<br />
voll sten Hel fer beim Auf bau un se rer<br />
Par tei. So zieht un se re Par tei in den<br />
Wahl kampf.<br />
Der Charakter dieser Wahlen spielt<br />
bei der Be ur tei lung des Wahl er geb nis -<br />
ses die grö ß te Rol le. Die Par tei war or -<br />
ga ni sa to risch nicht ge nug ge fes tigt, um<br />
alle Möglichkeiten einer Wahl auszu -<br />
schöp fen. Fa schis ten und Re ak tio nä re<br />
ta ten sich zu sam men, um eine wüs te<br />
Het ze ge gen die Rote Ar mee zu ent fa -<br />
chen. Den noch wis sen wir, dass im gro -<br />
ßen Krieg der Geis ter um die Neu ord -<br />
nung der Welt eine Wahl schlacht kein<br />
Endsieg ist.<br />
Vor drei zehn Jah ren war un se re Par -<br />
tei klein und un be deu tend, we ni ge spür -<br />
ten ihre mo ra li sche und geis ti ge Kraft.<br />
Dreizehn Jahre Faschismus, sieben Jah -<br />
re schlimms te Bar ba rei und sechs Jah re<br />
Krieg, die se gan ze Zeit ei ner scho -<br />
nungs lo sen Ver fol gung un se rer Ge nos -<br />
sen hat uns ge ra de hier in Ober ös ter -<br />
reich wertvollstes Blut gekostet. Dieses<br />
Blut fehl te im neu en Kampf. Und in fol -<br />
ge ei ner Jahr zehn te lan gen ver lo ge nen<br />
Pro pa gan da konn ten nur die Mu tigs ten<br />
und die Kühns ten, die wirk lich Su chen -<br />
den und die ehr lich Rin gen den in die ser<br />
Zeit den Weg zu un se rer Partei und zu<br />
unseren Idealen finden.<br />
So be deu te ten die Wah len für uns le -<br />
diglich einen zeitlichen Abschnitt. Erst<br />
nach den Wah len be gann die Par tei<br />
rich tig zu wach sen. Die Haupt schwä -<br />
chen auf po li ti schem Ge biet wur den<br />
über wun den. Die or ga ni sa to ri sche und<br />
ideo lo gi sche Fes ti gung der Par tei wur -<br />
de ver stärkt. So ge hen wir an die neu en<br />
Auf ga ben he ran. Ös ter reich muss den<br />
An schluss fin den an die fort schritt li che -<br />
re Ent wic klung der eu ro päi schen<br />
Staaten.<br />
Ver glei chen wir die Ent wic klung in<br />
der CSR, in Ju go sla wien, in Bul ga rien,<br />
so se hen wir, wie sich eine voll kom men<br />
neue po li ti sche und wirt schaft li che<br />
Ord nung stür misch ent fal tet. Die se<br />
Völ ker ha ben sich im Feu er des an ti fa -<br />
schistischen Kampfes eine fortschrittli -<br />
che, wahr haft de mo kra ti sche, volks ver -<br />
bun de ne Exe ku ti ve ge schaf fen.<br />
In Ös ter reich aber, das nicht die<br />
Kraft hat te, sie selbst zu be frei en, ver su -<br />
chen immer noch reaktionäre Kräfte mit<br />
dem geis ti gen Rüst zeug der Ver gan gen -<br />
heit ihre Macht zu fes ti gen und aus zu -<br />
bau en, ei nen Sturm bock zu schaf fen ge -<br />
gen die fort schritt li che Ent wic klung un -<br />
seres Landes.<br />
Aber je dem sei es ge sagt: Wer eine<br />
fortschrittliche Entwicklung will, wer<br />
ei nen fried li chen und de mo kra ti schen<br />
Weg will, muss mit uns für eine de mo -<br />
kra ti sche, fort schritt li che, volks ver bun -<br />
de ne Exe ku ti ve und Be am ten schaft<br />
kämp fen, um eine Exe ku ti ve, die völ lig<br />
ge rei nigt ist von Ver tre tern an ti de mo -<br />
kratischer, faschistischer Tendenzen.<br />
Soll denn die De mo kra tie nichts als<br />
eine For ma li tät sein? Für die An hän ger<br />
der Pro porz-De mo kra tie be deu tet sie<br />
Seite 19<br />
frei lich nicht mehr als ein Re chen exem -<br />
pel. Wir aber glau ben nicht an die<br />
Wahl-Arith me tik, son dern an die neu en<br />
For men.<br />
Be deu te ten über 12.000 Kom mu nis -<br />
ten-Stim men im Lan de nichts für die<br />
Mit wir kung am Wie der auf bau? Ha ben<br />
die se 12.000 Stim men ge ra de in<br />
schwers ter Zeit kein Recht auf Ver tre -<br />
tung? Sol len wie der die al ten, star ren<br />
For men ei ner Wahl ord nung gel ten oder<br />
die hö he re Not wen dig keit des le ben di -<br />
gen Le bens?<br />
Nur die Kon zen tra ti on al ler de mo -<br />
kratischen, aller aufbauwilligen Kräfte<br />
wird Wirt schaft und Le ben Ös ter reich<br />
wie der er heb lich in Schwung brin gen.<br />
Die gro ßen Wer ke un se res Lan des, die<br />
Ei sen- und Stahl wer ke von Linz, die<br />
Steyr-Wer ke, die gewaltigen Werke der<br />
che mi schen In du strie in Linz, die Wer -<br />
ke in Eben see, in Len zing, die Ni be lun -<br />
gen-Wer ke, die zahl rei chen Pro duk -<br />
tionsstellen unserer Energiewirtschaft,<br />
ver lan gen end lich nach ei ner küh nen<br />
Pla nung. Aus die sen gi gan ti schen Rüst -<br />
kam mern der Kriegs in du strie sol len<br />
macht vol le Werkstätten des Friedens<br />
entstehen.<br />
Und so ist uns al len klar wie Kris tall:<br />
Nur das Volk selbst kann der Be sit zer<br />
die ser Wer ke sein. Das ist die ein zi ge<br />
Garantie, dass alle diese Maschinen<br />
nicht für den Krieg und für das Mo no -<br />
pol ka pi tal, son dern für Frie den und<br />
Volk pro du zie ren wer den. Ge nos sen,<br />
wir ste hen in die sem Kampf al lein.<br />
Aber wir fra gen nicht da nach, wir fra -<br />
gen auch nicht nach West und Ost. Wir<br />
fra gen nach Ober ös ter reich, wir fra gen,<br />
was brau chen un se re Ar bei ter, un se re<br />
Bau ern, was braucht un ser Volk.<br />
Die Rohstof fe, die wir brau chen, den<br />
Ab satz, den wir ver lan gen, kön nen uns<br />
vor al lem un se re süd öst li chen und öst li -<br />
chen Nach barn bie ten. Die Wirt schaft<br />
der Sow jet-Union kann uns eine gro ße<br />
Hil fe sein. Aber eben so wie wir er ken -<br />
nen müs sen, wo die ech ten Part ner un -<br />
se rer Wirt schaft sind, müs sen wir uns<br />
auch auf unsere eigenen Kräfte besin -<br />
nen, nicht ewig war ten oder spe ku lie ren<br />
auf die Hil fe von drau ßen; das ist der<br />
reale Ausweg für unsere Wirtschaft, das<br />
ist der Weg des Wie der auf bau es.<br />
Die gan ze Welt er kennt heu te an,<br />
dass die Sow jet-Union eine Frie dens -<br />
macht ist. So le sen wir in ei nem Ar ti kel<br />
von Wil li am Man del in „The New Re -<br />
pub lic", den der Lin zer „Welt spie gel"<br />
zitiert: „Von russischer Seite unter dem<br />
heutigen System besteht keinerlei Ge -<br />
fahr ei nes An griffs krie ges. Russ land<br />
be sitzt alle die Rohstof fe, die es<br />
braucht, und ist be reit, uns al les, was<br />
wir brau chen, im Tau schweg, zu lie -<br />
fern. Das rus si sche Sys tem, die Er hö -<br />
hung der Kauf kraft im Ver hält nis zur
Seite 20<br />
Er hö hung der Er zeu gung, lie fert ei nen<br />
dau ernd auf nah me fä hi gen in ne ren<br />
Markt. Russ land tä tigt nur Aus lands -<br />
ver käu fe, die für die Ein hal tung sei nes<br />
Pro duk tions pla nes not wen dig sind oder<br />
um Ein käu fe aus zu glei chen. Aus die -<br />
sem Grun de kennt die Sow jet-Union<br />
kei nen im per ia lis ti schen Drang nach<br />
Aus lands märk ten. Das rus si sche Sys -<br />
tem schafft kein über flüs si ges Ka pi tal,<br />
das schließlich mangels ertragreicher<br />
In ves ti tions mög lich kei ten ge zwun gen<br />
wäre, auszuwandern. Aus diesem<br />
Grund braucht die Sowjet-Union weder<br />
Kolonien noch Einflusszonen, sie<br />
braucht lediglich Sicherheit.“<br />
Das müs sen die po li ti schen Er wä -<br />
gun gen sein, die für Ös ter reich maß -<br />
geb lich sind: Die Freund schaft al ler de -<br />
mo kra ti schen Völ ker zu ge win nen, die<br />
Freund schaft je nes Vol kes vor al lem,<br />
das durch sei ne Op fer, durch sei nen<br />
Hel den mut den bar ba ri schen Fa schis -<br />
mus zu Bo den zwang. Das wäre Ös ter -<br />
reichs wirk li che Freund schafts po li tik<br />
an Stel le der ver stärk ten Het ze, die heu -<br />
te um kurzsichtige Parteiinteressen wil -<br />
len die wahren Interessen des österrei -<br />
chi schen Volkes gefährdet.<br />
Wenn wir so die wich ti gen Pro ble me<br />
unseres Lande betrachten, müssen wir<br />
fest stel len: Auf dem Weg nach vor -<br />
wärts ge hen wir Kom mu nis ten al lein.<br />
Diese Tatsache macht unseren Weg<br />
zwar schwie rig, soll aber un se re Her zen<br />
nur noch mu ti ger ma chen. Dar um ap -<br />
pel lie re ich an die Ge nos sen des Par tei -<br />
ta ges: Die ser Par tei tag muss uns die<br />
Mit tel ge ben, den Weg in die Zu kunft<br />
nun auch wirk lich zu be schrei ten.<br />
Quelle:<br />
Um Ober ös ter reich. Der 13. ober ös -<br />
terreichische Landesparteitag der KPÖ,<br />
Ver lag Neue Zeit, 1946<br />
<strong>Franz</strong> Hai der und die „Neue Zeit“ in Linz<br />
Im Visier der<br />
US-Besatzungsbehörde<br />
Ganz an ders wur de bei ei nem<br />
Verstoß der kommunistischen Ta -<br />
ges zei tung in Linz ge gen die US-Mi -<br />
li tär vor schrif ten vor ge gan gen. Re -<br />
dak teur <strong>Franz</strong> Hai der zi tier te in ei -<br />
nem Ar ti kel vom 20. Mai 1946, „Lin -<br />
zer Polizeisäuberung“, den amerika -<br />
ni schen Ober leut nant Eu ge ne S.<br />
Ryan, der an geb lich be haup tet hat te,<br />
dass der Polizeireservist Josef Leher<br />
von dem Linzer Polizeidirektor<br />
Brückner unter anderem deswegen<br />
ent las sen wur de, weil er Mit glied der<br />
KPÖ war.<br />
Brüc kner selbst be stritt den Vor wurf,<br />
da die Ent las sung von Po li zei re ser vi -<br />
sten einem Erlass des Bundesministeri -<br />
ums für In ne res ent sprach: Le her hät te<br />
als gelernter Schuhmacher einen Beruf<br />
und au ßer dem wäre er zu alt ge we sen<br />
(44 Jah re). Auch Ryan und der Dol met -<br />
scher be strit ten die se Aus sa ge, und Hai -<br />
der gab schließ lich zu, Ryan falsch zi -<br />
tiert zu ha ben. Auf Grund la ge des Be -<br />
fehls 200, Art. II, Sec. 41 wur de er von<br />
einen einfachen Militärgericht zu zwei<br />
Mo na ten Ge fäng nis ver ur teilt.<br />
Erst nach Ver ur tei lung Hai ders<br />
schaltete der Militärkommandant für<br />
Ober ös ter reich, Oberst Lloyd M. Han -<br />
na, die IH 3 ein. Bis da hin hat te Han na<br />
die Vor un ter su chung selbst ge lei tet. Im<br />
Laufe der „militärischen“ Beweisauf -<br />
nah me war ein Ter min zur Ein ver nah -<br />
me des He raus ge bers und In ha bers des<br />
Permits, Hans Kerschbaumer, verein -<br />
bart wor den. Kersch bau mer kam aber<br />
nicht - wie ver spro chen um 11 Uhr,<br />
son dern erst um 15 Uhr. Trotz Auf for -<br />
de rung von Oberst Han na ent schul dig te<br />
er sich auch nicht für sei ne Un höf lich -<br />
keit in der Neu en Zeit.<br />
Die Entlassung Kerschbaumers<br />
Aus die sem Grund wur de am 21.<br />
Juni 1946 vom Pub li ca tions Board die<br />
so for ti ge Ent las sung Kersch bau mers<br />
aus ge spro chen; die Ver let zung pres se -<br />
rechtlicher Vorschriften spielte bei der<br />
Ur teils be grün dung kei ne Rol le. An -<br />
schei nend hat te Han na ei nen Vor wand<br />
ge sucht, Kersch bau mer zu ent las sen; ob<br />
aus ei nem la ten ten An ti kom mu nis mus<br />
he raus oder aus Grün den ob rig keit li -<br />
chen Machtanspruches der amerikani -<br />
schen Be sat zungs macht ist nicht ein -<br />
deutig verifizierbar. Die entsprechen -<br />
den Ak ten in hal te deu ten aber da rauf<br />
hin, dass Kersch bau mer vor al lem we -<br />
gen der Ver let zung der Be sat zungs au to -<br />
ri tät ge hen muss te und nicht weil er<br />
Kom mu nist war. Im Fall des So zia lis ten<br />
Ober hum mers hat te sich der ver ant -<br />
wort li che He raus ge ber wäh rend der<br />
gan zen Un ter su chung un ter wür fig ver -<br />
hal ten und „muss te“ da her auch nicht<br />
aus ge wech selt wer den. Aus ge hend von<br />
der prin zi piell - wenn auch nicht durch -<br />
ge hend - an ti kom mu nis ti schen Hal tung<br />
bei US-Mi li tärs seit 1946 kann an ge -<br />
nom men wer den, dass die Tat sa che,<br />
dass ein Kom mu nist von der Ent las sung<br />
be trof fen war, die Ent schei dung zu min -<br />
dest erleichtert hat<br />
Ver gleicht man die Er geb nis se um<br />
Pol lak und Hai der, so liegt der Schluss<br />
nahe, dass seit Mai/Juni 1946 auf die<br />
Durchsetzung presserechtlicher Bestim<br />
mun gen von der ame ri ka ni schen<br />
Be sat zungs macht, aber nicht von al len<br />
ISB-Of fi zie ren verzichtet wurde, wenn<br />
sich die Haupt stoß rich tung der pub li zis -<br />
tischen Aktivitäten des Beschuldigten<br />
ge gen die UdSSR und nur aus nahms -<br />
wei se ge gen die USA rich te te. Nicht<br />
mehr die 1945 pos tu lier te ge rech te Be -<br />
hand lung al ler Ver stö ße ge gen von den<br />
Alliierten gesetzte presserechtlichen<br />
Nor men war ober stes Ziel der US-Pres -<br />
se über wa chung, son dern die ein deu ti ge<br />
Be vor zu gung von Ein zel per so nen oder<br />
po li ti schen Grup pie run gen, die in ers ter<br />
Li nie Pro pa gan da ge gen die sow je ti -<br />
sche Be sat zungs macht und die KPÖ be -<br />
trieben, degradierte jene „Presseverfahren“<br />
zu Ali bi hand lun gen. Die se Ent -<br />
wic klung wur de auch von der ISB<br />
selbst als Ver stoß ge gen bis her durch -<br />
ge setz te Prin zi pien ver stan den, doch<br />
konn te sie sich als un ter ge ord ne tes Or -<br />
gan ge gen das ame ri ka ni sche Ober kom -<br />
man do nicht durch set zen.<br />
Antikommunistische<br />
Stoßrichtung<br />
Da her ist es kei nes wegs ver wun der -<br />
lich, dass ei ni ge Mo na te nach der Ver -<br />
ur tei lung Hai ders und der Nicht-Ver ur -<br />
teilung Pollaks der machtpolitisch motivier<br />
te Ver zicht auf Über wa chungs funk -<br />
tio nen ge gen über der ös ter rei chi schen<br />
Presse bereits als oberste Maxime der<br />
US-Po si ti on ge gen über Li zenz zei tun -<br />
gen re spek ti ve der übri gen Pres se ge -<br />
festigt war.<br />
An ders wäre es nicht zu er klä ren,<br />
dass der bis dato - aus ame ri ka ni scher<br />
Sicht - schärfste antiamerikanische Ar -<br />
ti kel über ras si sche Un gleich heit in den
USA kom men tar- und kon se quenz los<br />
zur Kennt nis ge nom men wur de. (Un se -<br />
re Welt, No vem ber 1946, S. 24 ff; der<br />
Verfasser beschäftigte sich vor allem<br />
mit der un aus ge wo ge nen so zia len<br />
Struk tur der USA, wo bei er be son ders<br />
die ras si sche Dis kri mi nie rung der Ita -<br />
liener als Beispiel herausarbeitete und<br />
auch nä her auf vor han de ne an ti se mi tis -<br />
tische Tendenzen einging. Im Dezember<br />
1946, S. 21 ff wur de der Grund ton<br />
der Artikelserie „Amerikanische Tatsachen“<br />
et was ge mä ßig ter, wenn auch die<br />
„Benachteiligung“ der Neger kritisiert<br />
wur de.)<br />
Der überaus kritisch gehaltene Bericht<br />
war in dem so zia lis ti schen Ju gend -<br />
magazin „Unsere Welt“ erschienen,<br />
wur de von den Ame ri ka nern aber nicht<br />
ein mal vor das Sub-Com mit tee for<br />
Press and En ter tain ment in der Al li ier -<br />
ten Kom mis si on ge bracht, wie es die<br />
ISB ge for dert hat te, um den treu es ten<br />
Ver bün de ten in der ideo lo gi schen und<br />
pro pa gan dis ti schen Kon fron ta ti on mit<br />
der Sow jet union, die SPÖ, nicht zu des -<br />
avou ie ren und da mit der kom mu nis ti -<br />
schen Propaganda Material für antiameri<br />
ka ni sche An grif fe zu lie fern. (In tern<br />
hat te aber die SPÖ wahr schein lich<br />
selbst Kon se quen zen ge setzt, denn nach<br />
der zwei ten Num mer im De zem ber<br />
1946 wur de das Ju gend ma ga zin „Un se -<br />
re Welt“ ein ge stellt.)<br />
Auslegung der Pressefreiheit<br />
Ungeklärt ist, ob der umstrittene<br />
Aufsatz von einem emigrierten Öster -<br />
rei cher ge schrie ben wur de, oder ob der<br />
ver ant wort li che Re dak teur der Aus ga -<br />
be, Pe ter Stras ser, wie er spä ter mit teil -<br />
te, den Ar ti kel ver fasst hat te. (NA-RG<br />
260/888/Fol der: Un se re Welt, La due an<br />
De pu ty US High Commissioner-Memo,<br />
17. Fe bru ar 1947. Ganz aus ge schlos sen<br />
ist es aber nicht, dass der in kri mi nier te<br />
Artikel von einem emigrierten Österrei -<br />
cher ge schrie ben wur de oder dass zu -<br />
min dest In for ma tio nen an Stras ser ge -<br />
lang ten, da er sehr eng mit dem US-Le -<br />
gal Of fi cer und So zia lis ten Dr. Jo sef T.<br />
Si son be freun det war.)<br />
Der totale Antikommunismus sollte<br />
bei vereinzelten kritischen Stimmen aus<br />
dem La ger der Ver bün de ten nicht auf -<br />
ge ge ben wer den und hat te 1946/1947<br />
absolute Priorität erlangt. In erster Linie<br />
wollte das amerikanische Oberkomman<br />
do in Ös ter reich den Kom mu nis -<br />
mus auf pro pa gan dis ti scher Ebe ne tref -<br />
fen, wann und wo im mer es mög lich<br />
war. Die sem Ziel muss ten sich die noch<br />
immer gültigen presserechtlichen Bestim<br />
mun gen, die die ISB an satz wei se<br />
durch zu set zen ver such te, un ter ord nen<br />
und wur den in der Pra xis für An ti kom -<br />
mu nis ten auf ge ho ben, so weit jene in<br />
das po li ti sche Kon zept der US-Be sat -<br />
zungs macht pass ten.<br />
In lo gi scher Kon se quenz stell te sich<br />
da her die Fra ge, ob die Be stim mun gen<br />
in der „Deklaration über die Pressefrei -<br />
heit in Ös ter reich“ von 1. Ok to ber 1945<br />
über haupt noch gel ten soll ten, oder ob<br />
sie nicht die an ti kom mu nis ti sche und<br />
an ti sow je ti sche Pro pa gan da hin der ten,<br />
da laut Ar ti kel 1 Abs. c die de mo kra ti -<br />
sche Pres se „von der Ver öf fent li chung<br />
böswilligen Materials abstehen soll,<br />
welches gegen die Besatzungsmächte<br />
oder eine der sel ben ge rich tet ist und den<br />
Zweck ver folgt, Zwie spalt zwi schen<br />
den Al li ier ten zu säen oder das Miss -<br />
trau en und die Feind schaft des ös ter rei -<br />
chi schen Vol kes ge gen die Be sat zungs -<br />
mäch te oder eine der sel ben oder ge gen<br />
die Trup pen in Ös ter reich zu er zeu gen“.<br />
Die se Form der kon trol lier ten Pres -<br />
sefreiheit, der de jure politische Neutra -<br />
li tät ver ord net wor den war - so weit sie<br />
die Interessen der Alliierten in Osterreich,<br />
aber auch im Aus land be traf -,<br />
stör te nicht nur Os car Pol lak, der das<br />
Privileg der Alliierten auf die Darstel -<br />
lung in ter al li ier ter Kon flik te un be dingt<br />
bre chen woll te, son dern auch den Lei ter<br />
der In tel li gen ce Coor di na ti on, Kretz -<br />
mann. Wäh rend Pol lak eine „Selbst be -<br />
auf sich ti gung“ der ös ter rei chi schen<br />
Pres se und eine da mit von den Al li ier -<br />
ten un ab hän gi ge Pres se frei heit an streb -<br />
te, woll te Kretz mann das De kret aus an -<br />
de ren Grün den „be sei ti gen“: Für ihn re -<br />
präsentierten die alliierten Pressevor -<br />
schrif ten in ers ter Li nie nicht eine Ein -<br />
schrän kung der Sou ver äni tät des „be -<br />
freiten“ Österreichs, sondern ein Hin -<br />
der nis auf dem Weg zu ei ner ef fek ti ve -<br />
ren, weil to ta len ideo lo gi schen Kriegs -<br />
füh rung ge gen die sow je ti sche Be sat -<br />
zungs macht.<br />
Beginnender "Kalter Krieg"<br />
Ar ti kel 1c des De krets vom 1. Ok to -<br />
ber 1945, das fast zur Gän ze auf ei nem<br />
ame ri ka ni schen Ent wurf ba sier te, hin -<br />
der te sei ner Auf fas sung nach noch zahl -<br />
rei che ÖVP- und SPÖ-nahe Zei tun gen,<br />
voll auf eine an ti kom mu nis ti sche und<br />
an ti sow je ti sche Li nie um zu schwen ken.<br />
Daher sollten Artikel in kommunisti -<br />
schen Pub li ka tio nen über Miss stän de,<br />
die durch US-Be sat zungs trup pen ver ur -<br />
sacht wor den wa ren, zum An lass ge -<br />
nom men wer den, um de ren Ver ur tei -<br />
lung im Al li ier ten Rat zu for dern.<br />
Da dies je doch die Sow jets mit ab so -<br />
lu ter Si cher heit eben so ab leh nen wür -<br />
den wie die Ame ri ka ner die For de rung<br />
der Sow jets nach Ent las sung Pol laks,<br />
soll te das De kret ge mein sam für nutz los<br />
er klärt und die Auf he bung der re strik ti -<br />
ven Be stim mun gen durch ge setzt wer -<br />
ten. Mit diesem raffinierten Schachzug<br />
soll te den Sow jets auf je den Fall ge -<br />
scha det wer den, denn ent we der stimm -<br />
Seite 21<br />
ten sie ei ner Auf he bung zu, was eine<br />
ver stärk te an ti sow je ti sche Pro pa gan da<br />
in den Print me dien der Koa li tions par -<br />
tei en zur Fol ge hät te, oder sie lehn ten<br />
den ame ri ka ni schen An trag, der pa the -<br />
tisch und schein bar de mo kra tisch-li be -<br />
ral for mu liert war, ab, was sie aber zum<br />
Gegner der Pressefreiheit stempelte.<br />
Der Vor schlag wur de wirk lich im Al li -<br />
ier ten Rat durch ge zo gen, doch stell ten<br />
sie nicht nur die völ lig per ple xen Sow -<br />
jets, son dern auch die Bri ten ge gen die<br />
US-Initiative.<br />
Es ist wich tig, dass der for mal ein -<br />
wand freie An trag der Ame ri ka ner auf<br />
Gewährung echter Pressefreiheit - unter<br />
.Beachtung der österreichischen Geset -<br />
ze - nicht als selbst lo ser Schritt zur Ver -<br />
wirk li chung ei ner de mo kra ti schen, plu -<br />
ra lis ti schen und un ab hän gi gen Pres se<br />
gedeutet werden darf. Diese scheinbare<br />
Pressefreiheit sollte mithelfen, die zu<br />
jenem Zeitpunkt verstärkt lancierten an -<br />
ti ame ri ka ni schen Ar ti kel durch an ti -<br />
sow je ti sche Be rich te in nicht-kom mu -<br />
nistischen österreichischen Parteizeitun<br />
gen zu kom pen sie ren.<br />
Wäh rend be reits 1945 der Be griff<br />
„Pressefreiheit“ durch alliierte Beschrän<br />
kun gen und eine an fangs - vor al -<br />
lem in der US-Besatzungszone Westös -<br />
ter reichs - ri go ros ge hand hab te Nach -<br />
zensur keineswegs österreichbezogen<br />
und un ab hän gig, son dern „un po li tisch<br />
von den Alliierten interpretiert worden<br />
war, so hat te auch 1947 der Ter mi nus<br />
nicht jene Be deu tung, die ihm heu te zu -<br />
kommt: Die österreichische Presse, die<br />
auf grund der da ma li gen Er fah run gen<br />
als groß teils pro-west lich und an ti kom -<br />
mu nis tisch ein ge ord net wer den konn te,<br />
sollte nicht von der alliierten Kontrolle<br />
be freit wer den, son dern zur Stär kung<br />
der an ti kom mu nis ti schen Pro pa gan da<br />
die nen. Die po li ti schen Ent wic klun gen<br />
hätten eine Neutralität österreichischer<br />
Print me dien, die auch heu te noch als re -<br />
la tiv und kei nes falls ab so lut an ge se hen<br />
wer den kann, bis 1955 nie mals zu ge las -<br />
sen.<br />
Steigerung antikommunistischer<br />
Propaganda<br />
1947 be ab sich tig ten die Ame ri ka ner<br />
die Auf he bung al ler pres se recht li chen<br />
Restriktionen nicht als logische Fortset -<br />
zung ih rer ree du ka tions po li ti schen<br />
Über le gun gen, die 1945 zur tem po rä ren<br />
Über wa chung der ös ter rei chi schen Zei -<br />
tun gen ge führt hat ten, son dern sie woll -<br />
ten Frei heit zur Stei ge rung der an ti kom -<br />
mu nis ti schen Pro pa gan da, denn die<br />
Mehr zahl der Print me dien war be reits<br />
prowestlich determiniert. Diese Prämis -<br />
se er mög lich te es auch der US-Besat -<br />
zungs macht, schein bar völ lig un ei gen -<br />
nüt zig eine Auf he bung der al li ier ten<br />
Kon trol le zu for dern. Zwar konn ten sie
Seite 22<br />
sich nicht durch set zen, da Bri ten und<br />
Sow jets den Vor schlag ab lehn ten, aber<br />
der US-Vor stoß im Al li ier ten Rat hat te<br />
schließ lich doch noch die von Kretz -<br />
mann ge wünsch te Sig nal Wir kung,<br />
weil da durch de fac to das De kret vom<br />
1. Ok to ber 1945 zum to ten Recht er -<br />
klärt wur de.<br />
Ob wohl die of fi ziel le Auf he bung der<br />
pres se recht li chen Be schrän kun gen erst<br />
im Juni 1955 er folg te, war der Ar ti kel<br />
1c in der Pra xis seit 1946/47 nicht mehr<br />
gültig, da eine interalliierte Einigung in<br />
den meis ten Ein zel fäl len nicht mehr er -<br />
zielt wer den konn te Poi lak hat te das<br />
von ihm be kämpf te Pri vi leg der Al li ier -<br />
ten ge bro chen und durf te mit in di rek ter<br />
Zu stim mung der Ame ri ka ner sei ne In -<br />
ter pre ta ti on von Pres se frei heit ver wirk -<br />
lichen.<br />
So be frem dend es klin gen mag, aber<br />
der Ver zicht der ISB auf Nach zen sur<br />
war durch ideo lo gi sche Nach jus tie rung<br />
auf to ta le an ti kom mu nis ti sche Pro pa -<br />
gan da be wirkt wor den und wur de nicht<br />
als weiterer Schritt zur antifaschisti -<br />
schen Um er zie hung und Neu ge stal tung<br />
der österreichischen Presse gesetzt.<br />
Quellen:<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>…<br />
Oliver Rathkolb, Politische Propa -<br />
ganda der amerikanischen Besatzungsmacht<br />
in Ös ter reich 1945 bis 1950. Ein<br />
Bei trag zur Ge schich te des Kal ten Krie -<br />
ges in der Pres se-, Kul tur- und Rund -<br />
funk po li tik, Dis ser ta ti on, Wien, 1981.<br />
Friedrich Hausjell, Österreichische<br />
Ta ges zei tungs jour na lis ten am Be ginn<br />
der Zwei ten Re pub lik (1945 - 1947).<br />
Eine kol lek tiv bio gra phi sche Ana ly se<br />
ih rer be ruf li chen und po li ti schen Her -<br />
kunft., Dis ser ta ti on, Salz burg, 1985<br />
In der Zi vil ver wal tung Mühl vier tel:<br />
Gespaltenes Oberösterreich<br />
<strong>Franz</strong> Hai der war vom 16. De -<br />
zem ber 1947 bis zum 27. Juli 1952<br />
im politischen Beirat der Zivil Ver -<br />
wal tung Mühl vier tel tä tig. Frau Ga -<br />
briele Hindringer berichtet in ihrer<br />
Ar beit „Das Kriegs en de und der<br />
Wiederaufbau demokratischer Ver -<br />
hältnisse in Oberösterreich im Jahre<br />
1945“ über die bevorstehende Beset -<br />
zung des gesamten Mühlviertels (von<br />
Freis tadt, Schwert berg bis an die<br />
bayrische Grenze).<br />
„Als sich an fangs Juli das Ge rücht<br />
verbreitete, es werde eine Änderung der<br />
Be sat zungs zo nen vor ge nom men bzw.<br />
das Mühl vier tel von der Ro ten Ar mee<br />
besetzt, löste diese Nachricht Schre -<br />
cken und Angst un ter der Be völ ke rung<br />
aus und hat te ei nen Flücht lings strom<br />
zur Fol ge, der sich vor al lem über Linz<br />
er goss. Un ter den ca. 900 Fa mi lien, die<br />
vor den Rus sen die Flucht er grif fen, be -<br />
fan den sich in der Haupt sa che Reichs -<br />
deutsche, ehemalige Parteigenossen,<br />
die von den Rus sen eine weit schlim me -<br />
re Be hand lung be fürch te ten.<br />
Verstärkt wurde diese Massenbewegung<br />
noch durch die Wei sung der ame -<br />
ri ka ni schen Mi li tär re gie rung an ihre<br />
Sol da ten, alle an Nord ufer der Do nau<br />
vor An ker lie gen den Schlepp schif fe so -<br />
fort nach Bay ern in die ame ri ka ni sche<br />
Zone zu brin gen. Alle ent behr li chen<br />
Wa gen der Mühl kreis bahn wur den<br />
nach Linz ge bracht, alle La ger häu ser<br />
geräumt, Saatgut, Vieh, Maschinen, ja<br />
so gar Stra ßen be leuch tung, kurz al les<br />
be weg li che Gut wur de von den ame ri -<br />
ka ni schen Trup pen ab trans por tiert.<br />
Änderung der Besatzungszonen<br />
Da sich die amerikanische Militärregie<br />
rung über die Vor gän ge in Schwei -<br />
gen hüll te und nicht be reit war, ein deu -<br />
ti ge Er klä run gen ab zu ge ben, ob wohl<br />
dies wesentlich zur allgemeinen Beru -<br />
hi gung bei ge tra gen hät te, wuch sen die<br />
im Um lauf be find li chen Ge rüch te so<br />
weit, dass man be fürch te te, die Rus sen<br />
wür den auch die Lan des haupt stadt Linz<br />
und weitere Teile von Oberösterreich<br />
be set zen. Nach dem Be richt des Sit -<br />
zungs pro to kolls des Lin zer Stadt ra tes<br />
vom 3. Juli 1945 er klär te Lan des haupt -<br />
mann Dr. Eigl so gar dem ame ri ka ni -<br />
schen Mi li tär kom man dan ten, dass er<br />
un ter den herr schen den Ver hält nis sen<br />
de mis sio nie ren wol le. Auch Bür ger -<br />
meis ter Dr. Ko ref be schloss, sich im<br />
Falle eines Rücktrittes des Landes -<br />
haupt mann die sem Schritt an zu schlie -<br />
ßen...“<br />
„Die se Än de rung der Be sat zungs zo -<br />
nen war auf Be trei ben der Rus sen<br />
durch ge führt wor den, die das ge sam te<br />
Mühl vier tel für sich be an spruch ten.<br />
Durch das Ab kom men „über die Be sat -<br />
zungs zo nen von Oster reich und die<br />
Ver wal tung der Stadt Wien“, wel ches<br />
am 9. Juli 1945 vom Be ra ten den Aus -<br />
schuss für eu ro päi sche An ge le gen hei -<br />
ten (EAC: Eu ro pe an Ad vi so ry Com -<br />
mis si on) un ter zeich net wor den war,<br />
wur den die De mar ka tions li nien neu<br />
fest ge legt. In die sem Ab kom men wur -<br />
den Nie der ös ter reich und der auf dem<br />
lin ken Do nau ufer ge le genen Teil von<br />
Ober ös ter reich so wie das Bur gen land<br />
zur rus si schen Be sat zungs zo ne er klärt,<br />
Salz burg und der rechts der Do nau ge -<br />
legene Teil von Oberösterreich (dieser<br />
in klu si ve des stei ri schen Aus seer Lan -<br />
des) zur ame ri ka ni schen, Ti rol und<br />
Vor arl berg zur fran zö si schen, Kärn ten,<br />
Ost ti rol und die Stei er mark zur bri ti -<br />
schen Zone. Die Stadt Wien wur de von<br />
den Streit kräf ten al ler vier Mäch te ge -<br />
meinsam besetzt ...“<br />
„Durch das Ab kom men am 9. Juli<br />
1945 er reich ten die Rus sen nun im Ver -<br />
hand lungs we ge die Aus deh nung ih rer<br />
Zone auf das gan ze Mühl vier tel, muss -<br />
ten da für aber die Oststei er mark räu -<br />
men, die der eng li schen Be sat zungs zo -<br />
ne zu ge schla gen wur de ...“<br />
Eigene Verwaltung für das<br />
Mühlviertel<br />
„Als im Juni zu erst nur ge rüch te wei -<br />
se eine rus si sche Be set zung des Mühl -<br />
vier tels be fürch tet wor den war, traf<br />
auch die pro vi so ri sche Lan des re gie rung<br />
Vor be rei tun gen und Maß nah men, da -<br />
mit im Be set zungs fal le eine für die Ver -<br />
wal tung des Mühl vier tels zu stän di ge<br />
Be hör de vor han den wäre, die für die<br />
Auf recht er haltung der Ord nung sor gen<br />
und die In ter es sen der Be völ ke rung der<br />
Besatzungsmacht gegenüber vertreten<br />
könn te. Frei lich konn ten die se Vor be -<br />
rei tun gen nur ein Pro vi so ri um be deu -<br />
ten, denn bei ei ner rus si schen Be set -<br />
zung war die pro vi so ri sche Staats re gie -<br />
rung in Wien aus schon be kann ten<br />
Grün den für das Mühl vier tel zu stän dig.<br />
Mit te Juni wur de der spä te re Staats -<br />
be auf trag te für das Mühl vier tel, Jo hann<br />
Blöchl, von sei nem Be sitz in Las berg<br />
über die De mar ka tions li nie nach Ur fahr<br />
ge schmug gelt, wo sich im Hau se der<br />
Fran zö si schen Schwes tern die füh ren -<br />
den Män ner der Par tei en zu ei ner Be -<br />
spre chung ein ge fun den hat ten und an
Blöchl mit der Bit te he ran tra ten, er<br />
möge sich für den Auf bau ei ner zi vi len<br />
Ver wal tung und für die Funk ti on ei nes<br />
Vor sit zen den zur Ver fü gung stel len ...“<br />
„In der ersten gemeinsamen Sitzung<br />
zwi schen der rus si schen Be sat zungs be -<br />
hör de und Her ren der Zi vil ver wal tung<br />
am 2. Au gust 1945 be stimm te der rus si -<br />
sche Stadt kom man dant von Ur fahr die<br />
Er rich tung fol gen der Ab tei lun gen in -<br />
ner halb der Ver wal tung: Land wirt -<br />
schaft, Ge sund heits we sen, Er näh rung,<br />
Ge rich te, Für sor ge, Wirt schaft und<br />
Ver kehr. Be son de ren Wert schie nen die<br />
Rus sen auf die Er rich tung ei nes um -<br />
fangreichen Polizeiapparates zu legen,<br />
denn der Stadt kom man dant ver füg te<br />
fer ner eine Ab tei lung für Staats po li zei,<br />
Gendarmerie, Kriminalpolizei und<br />
Geheime Polizei.<br />
Die Rus sen wa ren be strebt, eine von<br />
ih nen ab hän gi ge Lan des ver wal tung im<br />
Mühl vier tel zu er rich ten und jede Ein -<br />
fluss nah me der pro vi so ri schen Lan des -<br />
re gie rung aus zu schal ten ...“<br />
„Da die Rus sen die pro vi so ri sche<br />
Staats re gie rung in Wien aber als le ga le<br />
ös ter rei chi sche Re gie rung aner kannt<br />
hat ten, war es not wen dig, zur Re ge lung<br />
der Ver wal tungs auf ga ben und zur An -<br />
er ken nung ei ner Zi vil ver wal tung Mühl -<br />
vier tel die Ge neh mi gung der pro vi so ri -<br />
schen Staats re gie rung ein zu ho len. In ei -<br />
ner Sit zung der pro vi so ri schen Zi vil ver -<br />
wal tung, an der auch die Be zirks haupt -<br />
leute teilnahmen, wurde daher der Beschluss<br />
ge fasst, eine Ab ord nung nach<br />
Wien zu schicken ...“<br />
Staatsbeauftragter Blöchl<br />
„Die Ab ord nung setz te sich zu sam -<br />
men aus den Her ren Blöchl, Dr. Blum,<br />
Dr. Hirsch und dem Lan des haupt mann<br />
Dr. Eigl. Sie wur den vom Staats kanz ler<br />
Ren ner in Wien emp fan gen, um mit ihm<br />
ge mein sam über die Er rich tung ei ner<br />
Ver wal tungs be hör de für das Mühl vier -<br />
tel auf Oberster Landesebene zu beraten<br />
...“<br />
„Die bei die ser Be spre chung fest ge -<br />
legten Grundsätze bekamen zunächst<br />
die Form ei nes Re gie rungs be schlus ses,<br />
in dem es hieß:<br />
‘Die österreichische Staatsregierung<br />
be stellt zur Wahr neh mung der zi vi len<br />
Ver wal tung in dem von der Ro ten Ar -<br />
mee besetzten Teil Oberösterreichs im<br />
Ein ver neh men mit dem Herrn Lan des -<br />
haupt mann von Ober ös ter reich den<br />
Herrn Jo hann Blöchl als Staats be auf -<br />
trag ten . . .<br />
„Dieser einfache Regierungsbe -<br />
schluss wur de er wei tert und mit 7. Au -<br />
gust 1945 zum Ver fas sungs ge setz er ho -<br />
ben. In die sem Ge setz wur de aber aus -<br />
drüc klich da rauf hin ge wie sen, dass die<br />
ver fas sungs mä ßi ge Ein heit des Lan des<br />
Oberösterreich nicht beeinträchtigt<br />
werde und dass der Staatsbeauftragte<br />
im Na men des Lan des haupt man nes von<br />
Oberösterreich zusammen mit seinen<br />
Bei sit zern die Be fug nis se ei nes pro vi -<br />
so ri schen Lan des aus schus ses aus zu -<br />
üben habe. Durch die Be stel lung des<br />
Staatsbeauftragten im Einvernehmen<br />
mit der oberösterreichischen Landesregie<br />
rung wur de der Wil le zum Aus druck<br />
ge bracht, die Ver bin dung mit dem<br />
südlichen<br />
Oberösterreich<br />
aufrechtzuerhalten ...“<br />
Herr Blöchl be rief auf grund des Ge -<br />
set zes tex tes und des Re gie rungs be -<br />
schlus ses ei nen Lan des aus schuss, der<br />
sich aus drei Parteivertretern zusammensetzte.<br />
Die personelle Zusammen -<br />
set zung der ZVM: Lan des aus schuss,<br />
-bei rat und Amt; sie setz ten sich aus den<br />
Ress orts zu sam men: 1. Ho heits ver wal -<br />
tung, per sön li che An ge le gen heit, Or ga -<br />
ni sa ti on In ne res und Ge mein de an ge le -<br />
gen hei ten; 2. Er zie hung und Auf klä -<br />
rung; 3. Si cher heit; 4. Wirt schaft, 5.<br />
Land wirt schaft; 6. Holz- und Forst wirt -<br />
schaft; 7. Er näh rung; 8. So zia le Für sor -<br />
ge und Um sied lung; 9. Fi nan zen und<br />
Ver mö gens rüc kga be; 10. Ver kehr und<br />
Post; 11. und die Lei tung des Amtes.<br />
Sitz der ZVM Urfahr, Rudolfstraße 3<br />
Beträchtliche Schwierigkeiten<br />
Die ZVM hat te mit be trächt li chen<br />
Schwie rig kei ten zu kämp fen in je der<br />
Rich tung. Der Aus schuss ver än der te<br />
sich im Lau fe der zehn Jah re des Be ste -<br />
hens (Ab gang durch Tod, Pen sio nie run -<br />
gen oder die Mit glie der wur den mit an -<br />
de ren Auf ga ben be traut, der Lan des aus -<br />
schuss und sei ne Bei räte wur den ver rin -<br />
gert). Nur der Staatsbeauftragte Blöchl<br />
ver blieb bis zur Auf lö sung der ZVM im<br />
Jah re 1955.<br />
In der Zeit vom 16. 12. 1947 bis zum<br />
27. Juli 1952 ge hör te <strong>Franz</strong> Hai der dem<br />
po li ti schen Bei rat an. Dr. phil. Erich<br />
Leimlehner berichtet in seinem Buch<br />
„Das Kriegs en de und die Fol gen der<br />
sowjetischen Besetzung im Mühlviertel<br />
1945 bis 1955“ über den Auf tritt von<br />
<strong>Franz</strong> Hai der. Dort heißt es un ter an de -<br />
rem:<br />
„Differenzen bei der Zusammenar -<br />
beit des Aus schus ses der ZVM<br />
Von Zeit punkt der ers ten Land tags -<br />
wah len an, als die Kom mu nis ten nur<br />
696 von 76.551 Stim men im Mühl vier -<br />
tel und da mit null Man da te er hiel ten,<br />
hät ten sie nach de mo kra ti schen Ge pflo -<br />
gen hei ten ei gent lich kein An recht mehr<br />
auf Sitz und Stim me im Aus schuss der<br />
ZVM ge habt. Trotz dem wa ren die<br />
Kommunisten bis zuletzt im politischen<br />
Aus schuss der ZVM ver tre ten.<br />
Dies war na tür lich nur mit Rüc ksicht<br />
auf die sowjetische Besatzungsmacht<br />
ge sche hen, die ei ner voll stän di gen Eli -<br />
mi nie rung der Kom mu nis ten im Mühl -<br />
Seite 23<br />
vier tel nicht gleich gül tig ge gen über ge -<br />
standen wäre.<br />
Auf Grund der Ge schäfts ord nung<br />
des Aus schus ses, die in al len Fra gen<br />
Ein stim mig keit ver lang te, wä ren nun<br />
die Kom mu nis ten in die Lage ge kom -<br />
men, die Ar beit des Aus schus ses durch<br />
ihr Veto zu blo ckie ren.<br />
Aus die ser Si tua ti on he raus kam es<br />
im Früh jahr 1949 zu ei ner hef ti gen<br />
Aus ein an ders et zung zwi schen den Ver -<br />
tre tern der OVP und de nen der SPÖ ei -<br />
ner seits und den Kom mu nis ten, ver tre -<br />
ten durch <strong>Franz</strong> Hai der, an der er seits.<br />
Aus gangs punkt des Strei tes bil de te ein<br />
von <strong>Franz</strong> Hai der na mens der KP-Frak -<br />
ti on ge stell ter An trag be züg lich der Be -<br />
sat zungs kos tens teu er.<br />
Landesbeirat <strong>Haider</strong> führte unter an -<br />
de rem zu die sem Punkt aus: ‘Der Pro -<br />
test breitester Volksschichten beweist,<br />
dass die werk tä ti gen Schich ten im Staa -<br />
te nicht im stan de sind, das enor me Aus -<br />
maß dieser Besatzungssteuer zu ertra -<br />
gen. Es liegt völ lig klar, dass die se<br />
Steu er ein nah men nicht zur De ckung<br />
der Be sat zungs kos ten ver wen det wer -<br />
den, son dern zur Er rich tung ei ner<br />
Wehr macht und dies muss ener gisch<br />
ab ge lehnt wer den. Dies ist der An trag,<br />
den ich im Na men mei ner Frak ti on an<br />
den Herrn Staatsbeauftragten richte, zur<br />
Wei ter lei tung an die Bun des re gie rung,<br />
be tref fend der von der Re gie rung be -<br />
schlos se nen und dem Par la ment ein ge -<br />
reich ten Vorschläge der Be sat zungsteu -<br />
er. ‘<br />
ZVM muss Stellung beziehen<br />
Hai der mein te, dass die ZVM als öf -<br />
fentliche Körperschaft zu diesem Pro -<br />
blem Stel lung zu be zie hen habe. Se bin -<br />
ger (ÖVP) hak te nun ge ra de hier mit der<br />
Be mer kung ein, dass die ZVM le dig lich<br />
eine Ver wal tungs be hör de sei und des -<br />
halb mit so hoch po li ti schen Din gen<br />
nichts zu tun hät te und au ßer dem die<br />
KP die sen An trag hät te ein brin gen sol -<br />
len, da mit sich die an de ren Par tei en da -<br />
mit hät ten be schäf ti gen können.<br />
Auch Prof. De muth von der so zia lis -<br />
tischen Fraktion pflichtete diesem Ar -<br />
gu ment Se bin gers bei und be kräf tig te,<br />
dass die ZVM keine gesetzgebende<br />
Kör per schaft sei, da her könn te sie sich<br />
auch nicht mit der Fra ge der Be sat -<br />
zungssteuer beschäftigen. Dies sei Sa -<br />
che des Par la ments. Und nun sei ner seits<br />
auf ein Pro blem ein ge hend fuhr Prof.<br />
De muth fort, dass, wenn schon ein<br />
Schrei ben an die Lan des re gie rung und<br />
an die Bun des re gie rung ge rich tet wer -<br />
de, eine Pro te stre so lu ti on ver fasst wer -<br />
den soll te, die sich über die Zu stän de an<br />
der Demarkationslinie befasste. Dabei<br />
müss ten die Fra gen auf ge wor fen wer -<br />
den, warum Telefongespräche nach<br />
Ober ös ter reich - Süd im mer noch über -
Seite 24<br />
wacht wür den und warum die<br />
Brückenkontrollen immer noch<br />
stattfänden.<br />
Aus der wei te ren Dis kus si on er ga -<br />
ben sich zwei prin zi piel le Stand punk te:<br />
Die Ver tre ter der ÖVP und SPÖ wei -<br />
ger ten sich in ih ren Vo ten, ei nen An trag<br />
zu bil li gen, der ei nen Ap pell an die<br />
Bun des re gie rung zur Fol ge ge habt hät -<br />
te. Die KP woll te, dass der Aus schuss<br />
der ZVM eine sol che Re so lu ti on be -<br />
schlie ßen soll te. Hai der be schul dig te<br />
die bei den an de ren Par tei en noch, die<br />
Be sat zungs steu er nur als Wahl pro pa -<br />
gan da zu be nüt zen, da 1949 ein Wahl -<br />
jahr wäre. Man spre che doch von der<br />
„Russen-Steuer“, in Wirklichkeit werde<br />
die se aber nur für den Auf bau ei ner<br />
Wehrmacht in Österreich benützt.<br />
Im Verlaufe der Auseinandersetzung<br />
prall ten die An sich ten der art hef tig auf -<br />
ein an der und gip fel ten schließ lich im<br />
Vor wurf Hai ders, dass man es hier in<br />
der ZVM mit „Heimwehrdiktatur“ zu<br />
tun habe, als der Staats be auf trag te zwar<br />
über alle gestellten Anträge abstimmen<br />
las sen woll te, aber den Vor schlag der<br />
Kom mu nis ten nicht als ers ten zur Ab -<br />
stim mung brach te.<br />
Schließ lich wur de die ser Ta ges ord -<br />
nungs punkt vo rerst an die Ob män ner -<br />
kon fe renz ver wie sen und ver tagt. Um<br />
die Wo gen zu glät ten und ein gu tes Ein -<br />
ver neh men im Aus schuss wie der her zu -<br />
stellen, richtete der Staatsbeauftragte in<br />
der Fol ge ein Schrei ben an die Par tei ob -<br />
män ner, in dem er im we sent li chen aus -<br />
führ te, dass es der Zi vil ver wal tung<br />
Mühlviertel unter schwierigen Verhält -<br />
nis sen in den vier Jah ren ih res Be ste -<br />
hens ge lun gen sei, ihre Auf ga be recht<br />
und schlecht zu er fül len. Dies sei aber<br />
auf die po li ti sche Zu sam men ar beit der<br />
drei Par tei en zu rüc kzu füh ren, so wie auf<br />
das gute Einvernehmen mit der Be sat -<br />
zungs macht.<br />
Verwaltung, keine Gesetzgebung<br />
In letz ter Zeit sei en nur An trä ge ge -<br />
stellt wor den, die Pro ble me be han del -<br />
ten, für die die Zi vil ver wal tung Mühl -<br />
vier tel nicht zu stän dig sei und sie auch<br />
nicht zu lö sen ver mö ge. Die Zi vil Ver -<br />
wal tung sei eine Ver wal tungs ein rich -<br />
tung, ihr stün de kei ne Ge setz ge bung zu.<br />
An der er seits wür de man ja in ei ner frei -<br />
en De mo kra tie le ben und es stün de je -<br />
dem frei, in Ver samm lun gen Re so lu tio -<br />
nen be schlie ßen zu las sen und die se an<br />
zuständige Stellen weiterzuleiten. Zu -<br />
stän dig aber sei en für die ge plan te Be -<br />
sat zungs steu er wohl die Re gie rung und<br />
das Par la ment. Wenn nun von den Par -<br />
tei en An trä ge von der Art, wie dies in<br />
den letz ten Sit zun gen der Fall ge we sen<br />
sei, ge stellt wer den, so sei er ger ne be -<br />
reit, die se an die zu stän di ge Stel le in<br />
seiner Eigenschaft als Staatsbeauftrag -<br />
ter wei ter zu lei ten. Er wür de es aber im<br />
Interesse einer ersprießlichen Zusammen<br />
ar beit und im Hin blick auf die Ge -<br />
bo te der Rüc ksicht nah me ge gen über<br />
der Be sat zungs be hör de für zwec kmä -<br />
ßig hal ten, dass es kei nen Sinn habe, im<br />
Ausschuss über Probleme<br />
abzustimmen, die von dem Forum nicht<br />
erledigt werden könnten.<br />
Auf der Sit zung vom 20. April 1949<br />
konn te Blöchl die sen Ta ges punkt mit<br />
der Er klä rung er öff nen, dass er auf sein<br />
Schrei ben hin po si ti ve Ant wor ten von<br />
der ÖVP und SPÖ er hal ten habe, dass<br />
aber die KPÖ das The ma „Be sat zungs -<br />
steu ern“ noch mals dis ku tie ren möch te.<br />
Lan des bei rat Hai der (KP) führ te nun<br />
in sei ner Stel lung nah me aus, dass der<br />
In halt des Schrei bens mit den An schau -<br />
un gen der KP-Frak ti on nicht ver ein bar<br />
sei. Der po li ti sche Aus schuss habe sich<br />
nach der Mei nung der KP nicht nur mit<br />
ver wal tungs tech ni schen Din gen zu be -<br />
fas sen. Es sei zwar für die Mühl viert ler<br />
Be völ ke rung äu ßerst frucht brin gend,<br />
wenn der Aus schuss die se ver wal tungs -<br />
tech ni schen Auf ga ben gut er fül le, aber<br />
sei ne Frak ti on sei der Mei nung, dass<br />
man auch die se Auf ga be nicht voll und<br />
ganz er fül len kön ne, wenn man sich der<br />
Not wen dig keit ent schla ge, zu den po li -<br />
ti schen Dingen Stellung zu nehmen.<br />
Nicht unerhebliches Gewicht…<br />
Prof. De muth (SPÖ) stell te, „nach -<br />
dem ja so wie so kei ne Ei ni gung er zielt<br />
wird“, den An trag, das Pro blem end gül -<br />
tig an die Ob män ner kon fe renz zu ver -<br />
wei sen. Die ser An trag wur de nun zur<br />
Ab stim mung ge bracht und er reich te Ei -<br />
nig keit.<br />
In der Ob män ner kon fe renz konn te<br />
aber of fen bar auch kei ne Ei ni gung er -<br />
zielt wer den, weil das Pro blem auf der<br />
Sit zung vom 17. 5. 1949 wie der zur<br />
Spra che kam. Die bei den Par tei en SPÖ<br />
und ÖVP hat ten aber in zwi schen ihre<br />
Tak tik, sol chen Vor stö ßen sei tens der<br />
KP ge gen über zu tre ten, ge än dert ...“<br />
„Konn te die KP zwar nur auf ein<br />
kleines Häuflein Stimmen zählen, so<br />
stand doch auch wie der eine Macht hin -<br />
ter ihr, die ih rer Stim me nicht un er heb -<br />
li ches Ge wicht ver lieh. Des halb war die<br />
Par tei auch nicht so leicht aus dem Aus -<br />
schuss hin aus zu bugs ie ren.<br />
Dies wur de auch of fen kun dig, als<br />
der Staatsbeauftragte auf der Sitzung<br />
vom 4. Au gust 1949 ei nen der ar ti gen<br />
Versuch startete. Sicherlich hing es eng<br />
mit den vor aus ge gan ge nen Rei be rei en<br />
zu sam men, dass Blöchl in der ge nann -<br />
ten Sit zung den An trag ein brach te, den<br />
po li ti schen Aus schuss bei der ZVM<br />
nach den be vor ste hen den Wah len vom<br />
9. 10. 1949 nach dem wirk li chen Wahl -<br />
er geb nis zu sam men zu stel len. Auf die -<br />
sen An trag rea gier te die KPÖ denn<br />
auch gleich sehr emp find lich. Lan des -<br />
bei rat Hai der führ te aus, dass der An -<br />
trag des Staatsbeauftragten derzeit kei -<br />
ne rea le Be rech ti gung habe, son dern es<br />
müs se erst nach dem Wahl er geb nis<br />
über die Zu sam men set zung des Aus -<br />
schus ses der ZVM durch den Herrn<br />
Staatsbeauftragten entschieden werden.<br />
Und wie der zum Mit tel grei fend, Fra -<br />
gen der Bun des po li tik in die De bat te zu<br />
brin gen, mein te Hai der: ‘Es liegt nicht<br />
im Interesse des Mühlviertels, dass ge -<br />
ra de in dem Mo ment, wo über die end -<br />
gül ti ge Fas sung des Staats ver tra ges ver -<br />
han delt wird, sich die OVP mit dem<br />
drin gen den Wunsch, in den Nord at lan -<br />
tik pakt auf ge nom men zu wer den, be -<br />
fasst. Dies be deu tet den Staats ver trag<br />
zu sa bo tie ren. Die KPÖ hal te es da her<br />
aus po li ti schen Grün den nicht für glüc -<br />
klich, für eine Um bil dung der ZVM zu<br />
spre chen, da die se Um bil dung je der zeit<br />
nach dem Wahl er geb nis vorgenommen<br />
werden kann. Die Zivilverwaltung<br />
wurde gebildet auf Grund der<br />
besonderen Verhältnisse in Ober ös ter -<br />
reich...“<br />
„Auf den Vor wurf Hai ders, dass die -<br />
ser An trag Blöchls ‘offensichtlich<br />
Wahlpropaganda’ sei, ver deut lich te<br />
Blöchl den wah ren Hin ter grund die ses<br />
An tra ges:<br />
‘Bei der Zu sam men set zung des Aus -<br />
schus ses der ZVM, der ja ei gent lich den<br />
de mo kra ti schen Ge pflo gen hei ten nicht<br />
ent spricht und auch nicht dem Wil len<br />
der Wäh ler - we nigs tens nicht ent spro -<br />
chen hat - ha ben wir, um über die Klip -<br />
pe zu kom men, be schlos sen, dass die<br />
Ge schäfts ord nung die Ein stim mig keit<br />
erfordere, um zu Beschlüssen zu gelan -<br />
gen. Nun glau be ich, dass die ZVM mit<br />
die ser Ge schäfts ord nung nicht durch -<br />
kommt, son dern dass es schon an der<br />
Zeit ist, Mehrheitsbeschlüsse zu<br />
fordern’ ...“<br />
„Nach dem Ge setz 125 wer de ich mit<br />
den Par tei en ver han deln, und ich wer de,<br />
wenn die KPÖ durch fal len soll te,<br />
selbstverständlich einen Vertreter der<br />
KPÖ ha ben wol len. Es muss aber über<br />
die Ge schäfts Ord nung ab ge stimmt<br />
wer den, und es müs sen dann nach dem<br />
Wil len der Wäh ler die Be schlüs se ge -<br />
fasst wer den. Es liegt mir voll stän dig<br />
fern (..), dass ich vor ha be oder dass ich<br />
den Wunsch hät te, dass die KPÖ im<br />
Aus schuss der ZVM nicht ver tre ten<br />
wäre ...“<br />
Blöchls Erinnerungen<br />
Ein Ab schnitt in den Le bens er in ne -<br />
run gen Blöchls deu tet da rauf hin, dass<br />
die An ge le gen heit doch hoch in tern in<br />
münd li chen Aus ein an ders et zun gen au -<br />
ßer halb der Sit zun gen des Aus schus ses<br />
eine ‘friedliche Lö sung ge fun den hat te.<br />
Blöchl stellt näm lich aus der Er in ne -
ung den Kom mu nis ten fol gen des<br />
Zeug nis aus:<br />
‘Ich muss auch den in der Zi vil ver -<br />
wal tung ver tre te nen Kom mu nis ten das<br />
Zeug nis aus stel len, dass sie im mer echt<br />
österreichisch und als gute Österreicher<br />
han del ten. So hat ten wir nur ei nes im<br />
Auge: un se re Auf ga be zu er fül len, die<br />
da rin be stand, un se rem so schwer be -<br />
dräng ten Mühl vier tel zu hel fen und<br />
über die Do nau hin weg Fa den um Fa -<br />
den zu knüp fen zum Band ei nes wie der -<br />
vereinten Oberösterreichs.’„<br />
<strong>Franz</strong> Hai der be müh te sich, alle po li -<br />
ti schen Fra gen, die für un ser Land<br />
wichtig oder eine Gefahr bedeuteten,<br />
ei ner Lö sung zu zu füh ren, sie in alle Fo -<br />
rums, die ihm zu gäng lich wa ren - so<br />
auch die ZVM - hin ein zu tra gen, um die<br />
Men schen dort für die Lö sung der Fra -<br />
gen zum ge mein sa men Han deln zu ge -<br />
win nen.<br />
<strong>Franz</strong> Hai der wand te sich auch ent -<br />
schie den ge gen die vor han de nen Auf -<br />
fas sun gen, die es in der Lan des or ga ni -<br />
sa ti on der KP Ober ös ter reich gab. Be -<br />
son ders bei den Mühl viert ler Ge nos sen<br />
galt es, sich der Si tua ti on an zu pas sen<br />
und eine Lan des lei tung Mühl vier tel zu<br />
er rich ten. Er ver trat die Auf fas sung,<br />
Oberösterreich ist ein einheitliches ge -<br />
schlossenes Land. Seine geschichtliche<br />
Ent wic klung weist uns da rauf hin, und<br />
wenn es vor über ge hend ge trennt wur -<br />
de, es wird bald wie der die Zeit kom -<br />
men, wo es ver eint sein wird. Das war<br />
sei ne Auf fas sung, für die er entschieden<br />
eintrat.<br />
Quelle:<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>…<br />
<strong>Franz</strong> Hai der als Ge mein de rat von Linz:<br />
Ein aufrechter Arbeitervertreter<br />
<strong>Franz</strong> Hai der ge hör te dem Lin zer<br />
Gemeinderat als Vertreter der KPÖ<br />
bzw. KLS (Kom mu nis ten und Links -<br />
so zia lis ten) vom 15. No vem ber 1955<br />
bis zum plötz li chen Ab le ben am 15.<br />
März <strong>1968</strong> an. In die sem Zeit raum<br />
war er 1955 im Ver fas sungs aus -<br />
schuss, 1955 bis 1967 im Fi nanz-, Ju -<br />
gend für sor ge-, Schul- und Kul tur -<br />
aus schuss und von 1961 bis 1967 in<br />
der Personalkommission mit bera -<br />
tender Stimme tätig.<br />
Er nahm sei ne Tä tig keit als Ge mein -<br />
de rat sehr ernst, au ßer er war krank oder<br />
hat te be son de re be ruf li che Auf ga ben<br />
oder Ur laub, was ihn an der Ge mein de -<br />
rattätigkeit hinderte. Sonst war er immer<br />
anwesend. Er bereitete sich immer<br />
gründ lich vor und ver such te in sei nen<br />
Re den, nicht nur zu sei nen ob li ga ten<br />
Ge mein de rats-The men Stel lung zu neh -<br />
men, son dern er nahm auch im Ple num<br />
des Gemeinderats zu zentralen politi -<br />
schen Bundesfragen Österreichs Stellung<br />
und ver such te da bei die Zu sam -<br />
men hän ge dar zu le gen. Nicht nur, dass<br />
er ver such te die gro ßen Fra gen wie<br />
Krieg und Frie den, ös ter rei chi sche<br />
Neut ra li tät, Fa schis mus und Neo na zis -<br />
mus, die bei sei nen Kol le gen gro ßes<br />
Miss fal len aus lös ten, zu be han deln. Sie<br />
tra ten ihm auch mit nicht sach li chen<br />
oder mir iro ni schen Zwi schen ru fen ent -<br />
ge gen.<br />
Professor Max Lotteraner schreibt<br />
hier in die ser Ar beit über <strong>Franz</strong> Hai der:<br />
„Im Linzer Gemeinderat achtete ich ihn<br />
Seite 25<br />
ob sei ner Un ver dros sen heit, mit der er<br />
den Stand punkt ei ner klei nen Min der -<br />
heit, wie sie die KPÖ im Lin zer Ge -<br />
meinderat darstellte, nachdrücklich ver -<br />
trat. Er hat te es wahr lich nicht leicht,<br />
sich Ge hör zu ver schaf fen. Doch er war<br />
ein aufrechter Arbeitervertreter. Sein<br />
Klas sen be wusst sein präg te ihn. Für ihn<br />
war das Marx’sche Prin zip im mer ent -<br />
scheidend, dass das gesellschaftliche<br />
Sein das Be wusst sein be stimmt.“<br />
Sein Auftreten im Gemeinderat so<br />
wie auch bei anderen Gelegenheiten<br />
entsprach seiner festen innerlichen<br />
Über zeu gung ei nes Kom mu nis ten, die<br />
Men schen für ein ge mein sa mes Vor ge -<br />
hen zum Nut zen al ler zu ge win nen,<br />
auch für jene, die es noch nicht wahr ha -<br />
ben woll ten.<br />
<strong>Franz</strong> Hai der hielt nach sei ner Wahl<br />
in den Ge mein de rat von Linz am 15.<br />
No vem ber 1955 sei ne ers te und we ni ge<br />
Tage vor sei nem Tod am 11. März <strong>1968</strong><br />
sei ne letz te Rede. Um fang reich ist die<br />
Zahl sei ner Re den und Zwi schen ru fe,<br />
die er in den fast 13 Jah ren im Lin zer<br />
Gemeinderat hielt.<br />
Quelle:<br />
Peter Kammerstätter, <strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong>…<br />
Von 1955 bis zu sei nem Tode im Jah re <strong>1968</strong> war <strong>Franz</strong> Hai der Mit glied des<br />
Linzer Gemeinderates. Im Bild: Das Linzer Rathaus.
Seite 26<br />
<strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong> im Linzer Gemeinderat:<br />
„Eine gründliche Beratung aller Probleme…“<br />
<strong>Franz</strong> Hai der bei der Kon sti tu ie -<br />
rung des Linzer Gemeinderates am<br />
15. No vem ber 1955.<br />
Bür ger meis ter Dr. Ko ref: Eine weitere<br />
Wort mel dung? Zum Wor te hat sich<br />
noch Herr Ge mein de rat Hai der ge mel -<br />
det.<br />
Ge mein de rat Hai der: Sehr ge ehr te Da -<br />
men und Her ren! Un se re Stadt, heu te<br />
ei nes der grö ß ten In du strie zen tren Ös -<br />
ter reichs, hat durch die letz te Wahl eine<br />
Arbeitermehrheit bekommen. Wir hof -<br />
fen, dass es da durch leich ter sein wird,<br />
den be rech tig ten For de run gen der ar -<br />
bei ten den Men schen von Linz ent spre -<br />
chend Ge hör zu ver schaf fen. Wir Kom -<br />
mu nis ten wer den über all – so auch in<br />
der Lin zer Ge mein de stu be – al les un -<br />
ter stüt zen, was der ar bei ten den Be völ -<br />
ke rung zug ute kommt. Wir wer den uns<br />
aber ge gen al les wen den, was zu ih rem<br />
Scha den ist.<br />
Es ist lei der mein al ter Freund Al bin<br />
Geb hardt ge we sen – er ist im Au gen -<br />
blick nicht hier —, der in sei nen Aus -<br />
füh run gen da rauf hin ge wie sen hat, dass<br />
es viel leicht auch ge lin gen wird, die<br />
bei den Kom mu nis ten zu ei ner po si ti ven<br />
Mitarbeit zu bringen. Vielleicht wird<br />
un ser Freund Al bin sich doch er in nern,<br />
dass un se re Frak ti on in den ver gan ge -<br />
nen Jah ren rund 60 An trä ge ge stellt<br />
hat. Viel leicht wird er ei nen Wi der -<br />
spruch entdecken in seinem eigenen Be -<br />
richt, da er selbst be ton te, dass die gro -<br />
ße Zahl der Be schlüs se ein stim mig<br />
durch ge führt wur de; und da rin liegt ein<br />
star kes Maß an Mit ar beit. Wir sind der<br />
Mei nung, dass es kein be son ders gu tes<br />
Omen ist, wenn man be reits die kon sti -<br />
tu ie ren de Sit zung so be ginnt.<br />
Viel leicht war es wit zig ge meint, aber<br />
uns scheint, man muss auch bei ei nem<br />
Witz bei der Wahr heit blei ben und die<br />
Lei stun gen al ler aner ken nen, auch die<br />
einer Minderheit, einer kleinen Frakti -<br />
on. Ich be dau re es be son ders des halb,<br />
weil ich den Herrn Vizebürgermeister<br />
sehr gut aus der Sport be we gung her<br />
ken ne und weil er das Ge setz des Spor -<br />
tes, das „fair play“, auch ken nen müss -<br />
te. Es wird für die Zu kunft nur gut sein,<br />
wenn in der Lin zer Ge mein de stu be eine<br />
Op po si ti on be steht, und mir scheint,<br />
dass mit Opposition eine positive Mit -<br />
ar beit sehr wohl zu ver ein ba ren ist. Sie<br />
wird mei ner Mei nung nach die gan ze<br />
Tä tig keit nur be le ben. Nur sol len wir<br />
uns vor De ma go gie hü ten. Sie wür de<br />
die Mit ar beit und die Ar beit auf kei nen<br />
Fall be le ben.<br />
Mehrere Zwischenrufe: Ah, ah!<br />
Ge mein de rat Hai der: Vielleicht über -<br />
las sen wir das der Zu kunft. Viel leicht<br />
sind Ta ten bes ser als Wor te, Wor te<br />
spre chen sich oft sehr leicht aus.<br />
Wenn Öster reich durch den Ab schluss<br />
des Staats ver tra ges in eine neue Ära<br />
ein ge tre ten ist, dann soll sich das nicht<br />
nur im Rah men der Re gie rungs po li tik<br />
aus wir ken, son dern be son ders in der<br />
un ter sten un mit tel ba ren Zel le der De -<br />
mo kra tie, in der Ver wal tung der Ge -<br />
mein we sen, und da rauf ha ben ja die<br />
ver schie de nen Wahl pro gram me der<br />
Par tei en wäh rend des Wahl kamp fes<br />
hin rei chend hin ge wie sen. Ich möch te<br />
des halb hier nicht das gan ze Pro gramm<br />
un se rer Par tei, das si cher lich al len Ge -<br />
mein de rä ten be kennt ist, wie der ho len.<br />
Aber eine ent schei den de Auf ga be wird<br />
es sein, da für zu sor gen, dass die se Pro -<br />
gramme keine leeren Versprechungen<br />
blei ben, son dern dass viel mehr die<br />
Durch füh rung ra schest und tat kräf tigst<br />
in die Wege ge lei tet wird. Und es wird<br />
ge ra de nach dem Ab schluss des Staats -<br />
ver tra ges not wen dig sein, we ni ger mit<br />
Be grif fen und Schlag wör tern he rum zu -<br />
wer fen, son dern sich ehr lich zu der<br />
Freiheit, die Osterreich bekommen hat,<br />
zu be ken nen, und es wun dert mich, es<br />
wun dert mich sehr, dass der Ver tre ter<br />
der Freiheitlichen Partei Österreichs,<br />
wie sie jetzt heißt, hier er klärt hat, Ös -<br />
ter reich hät te noch nicht sei ne Frei heit<br />
bekommen.<br />
Zwischenruf Gemeinderat Dr. Steinsky:<br />
Noch nicht ganz!<br />
Ge mein de rat Hai der: Mir scheint,<br />
wenn das Volk am 15. Mai und auch<br />
spä ter ge ju belt hat, wenn das Par la -<br />
ment ein stim mig – au ßer den Stim men<br />
des VdU – die Neut ra li täts er klä rung<br />
be schlos sen hat, dann ist die se Zeit ge -<br />
kom men, und es wird an uns lie gen, sie<br />
zu nüt zen und die Frei heit zu schüt zen<br />
und nicht hier zu er klä ren, sie sei noch<br />
nicht ge kom men.<br />
Zwischenruf Gemeinderat Dr. Steinsky:<br />
Ihre Frei heit viel leicht!<br />
Ge mein de rat Hai der: Es ist mehr als<br />
eine gefährliche Spielerei, ja es ist<br />
Hoch ver rat, wenn man sich heu te nicht<br />
zur Frei heit, die Öster reich, das Volk<br />
vor al lem, wie rich tig ge sagt wur de, er -<br />
run gen hat, be kennt. Und wer steht letz -<br />
ten En des da hin ter? Es ste hen jene da -<br />
hinter, die Österreich bereits einmal in<br />
Un frei heit- und Krieg ge führt ha ben<br />
und wir ha ben al len Grund, al les zu<br />
tun, da mit es Oster reich nie mehr pas -<br />
siert. Der Staats ver trag hat au ßer dem<br />
fest ge stellt, dass Öster reich ein de mo -<br />
kratischer Staat ist.<br />
Und bei den Mos kau er Ver hand lun gen<br />
ha ben sich die Her ren der Re gie rungs -<br />
delegation verpflichtet, jede Diskrimi -<br />
nie rung ös ter rei chi scher Staats bür ger<br />
zu verhindern’. Wir emp fin den da her<br />
die In haf tie rung des ehe ma li gen Po li -<br />
zei di rek tors von Ur fahr, des Po li zei ra -<br />
tes Grün ber ger, der jah re lang ge treu -<br />
lich sei ne Pflicht zum. Woh le der Be völ -<br />
ke rung er füllt hat, als eine sol che un -<br />
ver ständ li che Dis kri mi nie rung und als<br />
ei nen of fen sicht li chen Ver stoß ge gen<br />
die per sön li che Si cher heit ei nes Bür -<br />
gers und ei nes ver dien ten 3eam ten un -<br />
se rer Stadt. Die Stim mung brei ter Krei -<br />
se un se rer Be völ ke rung, die wir hö ren<br />
sol len und müs sen, ist ein deut li cher<br />
Be weis da für. Wir rich ten da her an den<br />
Herrn Bür ger meis ter den Ap pell ge ra de<br />
auf Grund des § 8 des Ge mein de sta tu -<br />
tes entsprechende Schritte einzuleiten<br />
und die sen Fall ra schest im Sin ne der<br />
Mei nung der Be völ ke rung von Linz aus<br />
der Welt zu schaf fen.<br />
Die se neue Pe ri ode, die durch den<br />
Staatsvertrag in Osterreich eingeleitet<br />
wur de, der un ser Land von den Fes seln<br />
der Be sat zung be freit und uns die Ver -<br />
fü gungs ge walt über ei nen neu en, ge -<br />
wal ti gen Reich tum ge ge ben hat, er füllt<br />
die Men schen mit der Hoff nung auf ein<br />
schö ne res und bes se res Le ben. Und die<br />
Men schen, die Wäh ler, er war ten da her<br />
ohne Zwei fel, dass ge ra de von den ge -<br />
wähl ten Volks ver tre tern, den Man da ta -<br />
ren der Ge mein de, eine wahr haft so zia -<br />
le Po li tik ge trie ben wird. Sie hof fen,<br />
dass nichts ge gen ihre In ter es sen, ge -<br />
gen die In ter es sen der brei ten Mas sen<br />
ge schieht, und das be son ders auf dem<br />
Ge bie te der Ta ri fe und der Ge büh ren;<br />
denn die Lage der ar bei ten den Men -<br />
schen ist auf Grund der wach sen den<br />
Teue run gen – das ha ben die letz ten Ak -<br />
tio nen, die Streiks bei der Bun des bahn<br />
und an ders wo be wie sen – heu te so, dass<br />
sie kei ne neu en Be la stun gen er tra gen<br />
kön nen.<br />
Und die se Be we gung geht wei ter und<br />
die Ge mein de kann auf ih rem Ge biet<br />
viel mit hel fen, dass das Real ein kom men<br />
der ar bei ten den Men schen nicht ver -<br />
klei nert wird. Die Ge mein de Wien hat<br />
zum Bei spiel be reits be schlos sen, dass
Seite 27<br />
<strong>Franz</strong> <strong>Haider</strong> berichtet der KPÖ-Landesdelegiertenkonferenz im Jah re 1961.<br />
den An ge stell ten eine Son der lei stung,<br />
ein Son der zu schlag, be wil ligt wird. Es<br />
wäre auch für un se re Ge mein de mög -<br />
lich, den Ge mein de be dien ste ten die se<br />
Son der zu la ge zu ge ben; wir wür den das<br />
sehr be grü ßen.<br />
Die Ge mein de muss mit gu tem Bei spiel<br />
vor an ge hen und alle schlech ten Bei -<br />
spie le mei den. Neh men wir die Grund -<br />
ge bühr für elek tri schen Strom, die<br />
durch wegs und all ge mein als un so zial<br />
emp fun den wird, da be kannt ist, dass<br />
wir den Strom bil lig ins Aus land lie fern,<br />
ver gli chen mit dem Preis, den die Kon -<br />
su men ten in Öster reich be zah len müs -<br />
sen. Hier müss te mit Hil fe der Ge mein -<br />
de bei den zu stän di gen Ste llen, in dem<br />
Fall der ESG, ra schest eine Er mä ßi -<br />
gung oder Ab schaf fung der Grund ge -<br />
bühr für den Ar bei ter haus halt, für den<br />
Kleinhaushalt erreicht werden, wie es<br />
in Wien zu ei nem gro ßen Teil der Fall<br />
ist.<br />
Neh men wir die Loge der al ten Men -<br />
schen, der Rent ner, der Ge mein de be -<br />
für sorg ten, der In va li den, aber auch<br />
der Ar beits lo sen, de ren Zahl zum Glück<br />
nicht sehr groß ist, und al ler, die wirt -<br />
schaft lich schwach ge stellt sind: Für sie<br />
bedeutet der kommende Winter eine<br />
neue gro ße Sor ge. Hel fen wir die sen<br />
Menschen mit einer verstärkten Einwin -<br />
te rungs- und Brenn ma te ri al aus hil fe;<br />
sie ver die nen es und wer den uns dank -<br />
bar sein.<br />
In unserer weiteren Tätigkeit steht<br />
zwei fel los an der Spit ze die Ent fal tung<br />
des so zia len Wohn bau es, von Woh nun -<br />
gen mit trag ba ren Miet zin sen, da mit<br />
Ba ra cke ne lend und Woh nungs not ver -<br />
schwin den. Herr Bür ger meis ter-Stell -<br />
ver tre ter Dr. Walk hat da rauf hin ge wie -<br />
sen, dass das für die Stadt Linz eine<br />
gro ße Auf ga be ist und dass die se Auf ge -<br />
be von Ge sell schaf ten und Be trie ben<br />
ge löst wer den soll. Mir scheint, wir<br />
müs sen stär ke res Ge wicht da rauf le gen,<br />
dass hier Bund und Land, dass al les zu -<br />
sam men hilft, vor al lem jene, die Geld<br />
ha ben.<br />
Wir un ter stüt zen auch al les, was in die -<br />
ser Rich tung liegt: Neue Schul bau ten<br />
zur Ab hil fe der Schul raum not, aber<br />
auch die Ge wäh rung von Frei lern mit tel<br />
für die Schü ler - ohne Un ter schied.<br />
Wei te re gro ße Auf ga ben – und das wur -<br />
de heu te schon ei ni ge Maie ge sagt –<br />
ste hen in der Sor ge um Mut ter und Kind<br />
vor uns, in ei ner groß an ge leg ten Hil fe<br />
für die Ju gend auf kul tu rel lem und<br />
sport li chem Ge biet. Aber uns scheint,<br />
dass dazu auch ge hört, den Schutt und<br />
Schmutz und Schund weg zu räu men, der<br />
sich in den letz ten zehn Jah ren be son -<br />
ders hier in Linz ab ge la gert hat und der<br />
vie le jun ge Ge hir ne ver gif tet hat und<br />
noch weiter vergiftet.<br />
Die Ge mein de Linz selbst als eine star -<br />
ke wirt schaft li che Kraft mit ih rem Ein -<br />
fluss auf die gro ßen Be trie be, die in ih -<br />
rem Be reich lie gen, kann auch er folg -<br />
reich mithelfen, wenn bestimmte Maßnah<br />
men ge trof fen wer den, um die heu ti -<br />
ge Voll be schäf ti gung und Kon junk tur<br />
si chern zu hel fen und vor al lem auch,<br />
um die Mas sen kauf kraft der Lin zer Be -<br />
völ ke rung zu he ben. Und sol che Maß -<br />
neh men sind zwei fel los die Schaf fung<br />
neu er Ar beits mög lich kei ten durch den<br />
so zia len Woh nungs bau, durch den Bau<br />
von Schu len und die An wen dung von<br />
In ves ti tio nen. Wir sind uns be wusst,<br />
dass das Geld kos tet. Die Mit tel aber<br />
kön nen auf ge bracht wer den, wenn die<br />
volle finanzielle Autonomie der Ge -<br />
mein de er reicht wird, wenn alle Steu -<br />
ern, die ihr zu kom men, auch wirk lich –<br />
be son ders von der gro ßen In du strie –<br />
ihr zu flie ßen und wenn das Bun des prä -<br />
zi pu um end lich zu Fall ge bracht wird.<br />
Unsere Kommunistische Partei ist hier<br />
im Gemeinderat eine Minderheit; wir<br />
er klä ren aber aus drüc klich noch ein -<br />
mal, wir sind be reit, al les zu un ter stüt -<br />
zen, was zum Woh le der ar bei ten den<br />
Men schen un se rer Stadt ge macht wird.<br />
Die Wäh ler ver lan gen die Mit ar beit al -<br />
ler Man da ta re, ob Mehr heit oder Min -<br />
der heit, im Ge mein de rat – wir den ken<br />
auch in den Aus schüs sen – sie ver lan -<br />
gen eine gründ li che Be ra tung al ler<br />
Pro ble me, al ler Vor schlä ge und An trä -<br />
ge, die in die sem Haus ge stellt wer den.<br />
Denn nichts ist ei nem wirk lich de mo -<br />
kratischen Gemeinwesen schädlicher,<br />
als eine for ma le Ab stim mungs ma schi -<br />
ne rie. Wich tig er scheint uns auch, al les<br />
zu tun, um die Wäh ler, die Be völ ke rung<br />
von Linz selbst an ei ner stän di gen Mit -<br />
ar beit zu in ter es sie ren.<br />
Ge stat ten Sie mir ei nen Hin weis auf die<br />
Tat sa che, dass un se re Lan des haupt -<br />
stadt einige Vertreter im Nationalrat<br />
hat – vor al lem un se ren Herrn Bür ger -<br />
meis ter Dr. Ko ref selbst —, de ren ober -<br />
ste Auf ga be es sein muss, dort die In ter -<br />
essen der Gemeindebewohner zu ver -<br />
tre ten, die in viel sei ti ger Wei se und aufs<br />
engs te mit der Ge setz ge bung ver knüpft<br />
sind. Alle Par tei en ha ben heu te im We -<br />
sent li chen ihr Wahl pro gramm kür zer<br />
oder län ger wie der holt und ha ben<br />
grund sätz li che Er klä run gen ab ge ge -<br />
ben.<br />
Es wird da von ab hän gen, wie sich jede<br />
ein zel ne der ein zel nen Par tei en an die<br />
Wor te von heu te hält, um Ta ten für<br />
mor gen da raus zu ma chen. Wir hof fen,<br />
dass die se grund sätz li che. Stel lung nah -<br />
me be ach tet wird, um eine ge deih li che,<br />
den In ter es sen der Be völ ke rung die nen -<br />
de Zu sam men ar beit zu er rei chen und<br />
um auch uns als Min der heit zu be fä hi -<br />
gen, zum Woh le der Ge mein de, der<br />
Men schen in un se rer Staat, al les zu tun,<br />
um un se rer Ver ant wor tung ge gen über<br />
den Wäh lern ge recht zu wer den. (Bei -<br />
fall Gemeinderat Kerschbaumer!)<br />
Quelle:<br />
Amts blatt der Lan des haupt stadt<br />
Linz, Jahr gang 1955, Num mer 16
Seite 28<br />
Rede von <strong>Franz</strong> Hai der beim 18. Par tei tag der KPÖ:<br />
Es gilt, alle demokratischen Kräfte zu vereinen…<br />
Die West mäch te ha ben durch den<br />
Bruch des Pots da mer Ab kom mens, das<br />
ein einheitliches, friedliebendes, demokra<br />
ti sches Deutsch land vor sah, den Im -<br />
perialismus und Militarismus in West -<br />
deutsch land wie der zum Le ben er -<br />
weckt. Mit ten im Her zen Eu ro pas ist<br />
ein ge fähr li cher Atom kriegs herd ent -<br />
stan den.<br />
Am 8. Juli 1960 ent hüll te der aus<br />
Westdeutschland geflüchtete Presseof -<br />
fi zier, Ma jor Bru no Win zer, auf ei ner<br />
Konferenz in Berlin die Blitzkriegsplä -<br />
ne West deutsch lands ge gen die DDR:<br />
„Über fall auf die DDR von Nord, West<br />
und Süd, Tren nung der DDR von Po len<br />
und der CSSR und Durch marsch ohne<br />
Wi der stand durch das neut ra le Ös ter -<br />
reich.“ Da mit wur den die von Ge nos sen<br />
Walter Ulbricht bereits enthüllten<br />
Kriegspläne des westdeutschen Kriegs -<br />
ministeriums bestätigt: Vorbereitung ei -<br />
ner Millionenarmee, Raketen- und<br />
Atom be waff nung, im mer stär ke re Um -<br />
stel lung der Wirt schaft auf Rü stung und<br />
Krieg, psychologische Kriegsführung.<br />
Kamm hu ber, der Chef der west deut -<br />
schen Luftwaffe, erklärte bereits im<br />
März 1957: „Die nahe Zu kunft wird uns<br />
schon die Waf fen brin gen, die un se re<br />
Geg ner ra di kal ver nich ten. Ich mei ne,<br />
die ato ma re Be waff nung der Bun des -<br />
wehr. Dann ist der Geg ner to ter als tot.“<br />
In zwi schen ha ben die ge wal ti gen<br />
Ver än de run gen in der welt po li ti schen<br />
Lage schon man chen Strich durch die se<br />
Rech nung ge macht, aber noch sind die<br />
Plä ne nicht auf ge ge ben. Ihre Plä ne und<br />
der Ein fluss des west deut schen Im per -<br />
ia lis mus in Ös ter reich sind auch wei ter -<br />
hin die stärks te Be dro hung der wirt -<br />
schaft li chen und po li ti schen Un ab hän -<br />
gig keit, Neut ra li tät und de mo kra ti schen<br />
Ent wic klung Österreichs.<br />
Die Einfuhr westdeutscher Waren ist<br />
be reits fünf mal so groß wie un se re Aus -<br />
fuhr nach West deutsch land. Im mer<br />
stär ker wird der Ein fluss des west deut -<br />
schen Ka pi tals durch Be tei li gun gen an<br />
der ös ter rei chi schen In du strie. Zir ka<br />
zwei Dut zend west deut scher In du strie -<br />
be triebs grün dun gen gibt es al lein in den<br />
letzten Jahren in Oberösterreich. Ein<br />
sol cher deut scher Un ter neh mer in<br />
Gmun den er klärt gro ß spu rig: „Ich wer -<br />
de da für sor gen, dass die Ver hält nis se<br />
ge nau so wer den, wie in mei nen vier<br />
westdeutschen Betrieben, ich habe ge -<br />
nug Ka pi tal, um Be trie be in Österreich<br />
zusammenzukaufen.“<br />
Li zenz ver trä ge und Pro duk tions ab -<br />
kom men mit der ös ter rei chi schen Gro ß -<br />
in du strie sind eine an de re ge fähr li che<br />
Me tho de der west deut schen Durch drin -<br />
gung, wie z.B. die Ent wic klung ei ner<br />
neu en Kunst fa ser in Len zing mit Hil fe<br />
westdeutscher Experten.<br />
Eine Flut von Schund- und Kriegs li -<br />
te ra tur strömt zu uns nach Ös ter reich.<br />
SS- und Sol da ten tref fen fin den mit Be -<br />
teiligung westdeutscher Generäle statt.<br />
Wir ha ben da ge gen er folg rei che Ak tio -<br />
nen in Gmun den, Wels und an de ren Or -<br />
ten ge macht. Im Som mer soll ein gro ßes<br />
Soldatentreffen im Innviertel, in Rie -<br />
dau, durch ge führt wer den. Die Grenz -<br />
ge bie te des Inn- und Mühl vier tels wer -<br />
den im mer mehr zum Tum mel platz für<br />
west deut sche Agen ten und Kriegs ver -<br />
bre cher, die - wie z. B. die rech te Hand<br />
des ehemaligen Gauleiters Eigruber,<br />
Peterseil - immer frecher erklären: „Ös -<br />
ter reich ge hört schon uns, mit der auf -<br />
ge wer te ten Mark werden wir euch<br />
auffressen.“<br />
Eine sol che Ent wic klung war nur<br />
mög lich durch die Un ter stüt zung der re -<br />
aktionären Kräfte in Österreich. Bis<br />
heu te wur de die DDR nicht aner kannt,<br />
ob wohl die se al lein von den bei den<br />
deutschen Staaten unsere Neutralität<br />
fei er lich be stä tigt hat. Es ist an der Zeit,<br />
das an de re Deutsch land, das Deutsch -<br />
land des Frie dens, an zu er ken nen.<br />
Ganz be son ders aber tritt die of fe ne<br />
west deut sche Agen tur in Ös ter reich, die<br />
FPÖ, her vor. 1949 vom ehe ma li gen<br />
SP-In nen ni nis ter als VDU aus der Tau -<br />
fe ge ho ben, hat die se Par tei von al lem<br />
An fang an als neo fa schis ti sche und<br />
neo na zis ti sche Agen tur des west deut -<br />
schen Im per ia lis mus ge wirkt. Sie hat<br />
die Un ter stüt zung der Re gie rungs koa li -<br />
ti on und des ös ter rei chi schen Ka pi tals.<br />
Nicht zu letzt durch un se ren Kampf hat<br />
sie 1955 bei den Land tags wah len sechs<br />
von ih ren zehn Mandaten verloren.<br />
Ihr Bun des ob mann, Pe ter, ein<br />
SS-An ge hö ri ger, be trach tet das schein -<br />
hei li ge Be kennt nis zur ös ter rei chi schen<br />
Eigenstaatlichkeit nur als „zeitbedingte<br />
Nach kriegs kon zes si on, an de ren Stel le<br />
ein deut scher Staat in ei nem grö ße ren<br />
ver ein ten Eu ro pa tre ten soll“. Die FPÖ<br />
tritt scheinheilig als Verfechterin des<br />
Rechtsstaates auf, benützt die Entartung<br />
der Koa li tions de mo kra tie, um als<br />
Schein op po si ti on mit dem Na zisch lag -<br />
wort der „po li ti schen Neu ord nung“ Ös -<br />
terreichs die Demokratie zu<br />
unterhöhlen und zu zerstören.<br />
Die se Ideo lo gie kommt auch deut -<br />
lich in ih rer Füh rung zum Aus druck. In<br />
der auf dem letz ten Par tei tag ge wähl ten<br />
Bun des lei tung sind 25 ex po nier te, pro -<br />
minente Machthaber Hitler-Deutsch -<br />
lands, der NSDAP, der SS so wie hohe<br />
Of fi zie re der Hit ler-Wehr macht. Ihre<br />
Befehlsstelle ist eindeutig Bonn. Von<br />
dort be zie hen sie: Ras sen hass und An ti -<br />
se mi tis mus, Re van che geist und wü ten -<br />
den An ti kom mu nis mus. Als wir im Lin -<br />
zer Gemeinderat anlässlich der antise -<br />
mi tis ti schen Stö rungs ver su che ge gen<br />
die Auf füh rung des Schau spiels der<br />
„Anne Frank“ ihre Hal tung scho nungs -<br />
los an pran ger ten, zo gen sie wü tend aus<br />
der Ge mein de stu be aus. Die Inn viert ler<br />
Bur schen ver ei ne ver lan gen das Ha ken -<br />
kreuz in den Kriegs aus zeich nun gen.<br />
Seit Jah ren ist in Roit ham bei Gmun den<br />
ein ideo lo gi sches Zen trum des Neo na -<br />
zis mus mit den Zeit schrif ten „Die Platt -<br />
form“ und die „Grenz mark“. In ei ner<br />
Auf la ge von 5000 Stück die nen sie un -<br />
ver hüllt dem Zweck der Schu lung le ga -<br />
ler und illegaler neonazistischer Kader.<br />
Der He raus ge ber Striegl ist Agent der<br />
west deut schen Ost ab wehr und hat noch<br />
kei nen An klä ger im Kreis ge richt Wels<br />
ge fun den. Aber im sel ben Kreis ge richt<br />
werden öffentliche Mandatare<br />
angeklagt, weil sie gegen Kriegs- und<br />
Schundliteratur aufgetreten sind.<br />
Die FPÖ för dert alle die se Ös ter reich<br />
feind li chen, an ti de mo kra ti schen Um -<br />
trie be; sie ver langt die Frei las sung des<br />
Kriegsverbrechers Major Reder aus der<br />
ita lie ni schen Haft, nennt die An kla ge<br />
ge gen den Mas sen mör der Eich mann<br />
eine Ver leum dung und stem pelt sich<br />
da mit selbst zur Eich mann-Par tei.<br />
Un se re Auf ga be als Kom mu nis ten<br />
ist es, alle de mo kra ti schen und an ti fa -<br />
schistischen Kräfte zusammenzuschließen<br />
zu ge mein sa men Ak tio nen, wie bei<br />
der Schil ler-Fei er in Wien und bei der<br />
Ak ti on ge gen den BHJ in Linz, wo Sei -<br />
te an Sei te die Ju gend li chen von der<br />
FÖJ, der SJ und ka tho li sche Ju gend li -<br />
che mit So zia lis ten und Kom mu nis ten<br />
den Neo na zis ten ge zeigt ha ben, dass für<br />
sie in Ös ter reich kein Platz ist. Es gilt,<br />
alle demokratischen Kräfte zu<br />
vereinen....<br />
Quelle:<br />
Pro to koll des 18. Par tei ta ges der<br />
KPÖ, Wien, 1961