23.11.2013 Aufrufe

(Notizen Juni) - Lehranstalt für systemische Familientherapie

(Notizen Juni) - Lehranstalt für systemische Familientherapie

(Notizen Juni) - Lehranstalt für systemische Familientherapie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DE WAAL ><br />

drücken oder dem Klienten ermöglichen wollen,<br />

bedeutsame Unterschiede in seinem Leben zu markieren<br />

oder zu erfahren, bzw. als Erfahrung zu vermitteln,<br />

Sollten wir das überhaupt (auf diese Weise)?<br />

Aber wir müssen hier bedenken: Das Pathetische zu<br />

ermöglichen heißt Gelegenheiten zur Wahl eher zu verringern,<br />

wir vermehren damit nicht Möglichkeiten, wir<br />

schränken sie ein – etwa, wenn wir einen Übergang von<br />

einer Lebensphase zur<br />

anderen durch Rituale<br />

markieren. Übergangsrituale<br />

sind pathetische<br />

Ereignisse, zumindest<br />

im Kern, hat man sich<br />

dazu entschieden, werden<br />

sie riskiert, und<br />

man liefert sich ihnen<br />

aus, sie markieren immer ein Tor zum Unbekannten, das<br />

durchschritten und erfahren wird (man denke nur an die<br />

Rituale der Initiation junger Männer in den Status des<br />

Erwachsenen). Das kann nicht wieder ungeschehen<br />

gemacht werden. Das bezeichnet jetzt überhaupt den<br />

Unterschied zwischen dem pathetischen dem skeptischen<br />

Vorgehen. Wer skeptisch vorgeht, erwägt, verwirft,<br />

wählt aus, wer pathetisch vorgeht, hat entschieden.<br />

Was heißt Neutralität bezüglich dem Pathetischen und<br />

dem Skeptischen – denn das sind ja nicht zwei therapeutische<br />

Interventionsformen, die einander irgendwie<br />

gleichwertig gegenüberstehen, sondern zwei grundverschiedene<br />

Formen der Wahrnehmung?<br />

VERSUCH EINER STANDORTBESTIMMUNG in bezug auf das<br />

Pathetische in der Therapie: Wir sind in der Therapie<br />

immer mit zwei grundsätzlich verschiedenen Möglichkeiten<br />

befasst, mit „Erfahrung“ umzugehen:<br />

Entweder wir „verwenden“ und ändern damit bereits<br />

gemachte Erfahrungen – wir erinnern und reflektieren<br />

könnten wir hier oberbegrifflich sagen – wir erzeugen<br />

damit Vieldeutigkeit und stellen Gültigkeit in Frage,<br />

oder wir inszenieren oder ermöglichen zumindest neue<br />

Erfahrungen, die zumeist unmittelbar und als solche erst<br />

einmal eindeutig und absolut erlebt werden, „das<br />

geschieht mir jetzt“ – das wäre der Unterschied zwischen<br />

reflektieren und erleben. Natürlich tun wir immer auch<br />

beides, weil die „Begegnung“ als solche bereits eine<br />

neue Erfahrung darstellt. Die ist uns allerdings nicht<br />

immer vollständig zugänglich und absichtsvoll handhabbar,<br />

wie immer wir „Beziehung“ als solche werten oder<br />

verstehen.<br />

DAS PATHETISCHE, WIE ES HIER VERSTANDEN<br />

WIRD (NÄMLICH ALS TEIL ABSICHTSVOLL GESTAL-<br />

TETER PSYCHOTHERAPIE) KANN ALS ERFAHRUNG<br />

EINGESTUFT WERDEN, UND ZWAR ALS ERFAHRUNG<br />

DES KLIENTEN, NICHT DES THERAPEUTEN.<br />

Hier mein Verfahrensvorschlag:<br />

Das Pathetische, wie es hier verstanden wird (nämlich als<br />

Teil absichtsvoll gestalteter Psychotherapie) kann als<br />

Erfahrung eingestuft werden, und zwar als Erfahrung des<br />

Klienten, nicht des Therapeuten. Genauer gesagt natürlich<br />

– weil sich ja spontane Ereignisse und damit auch<br />

Erfahrung seitens des Therapeuten nicht direkt beeinflussen<br />

lassen – ist damit die absichtsvolle Herstellung<br />

einer Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung <strong>für</strong> den<br />

Klienten gemeint. Damit ist also explit die pathetische<br />

Pose des Therapeuten ausgeschlossen.<br />

Was aber wenn der Therapeut selbst ergriffen ist (früher<br />

war ja das „tränende Auge“ und die „belegte Stimme“ ein<br />

durchaus beliebtes Stilmittel der therapeutischen Einflussnahme)?<br />

Dann sollte er selbstreflexiv sein und nicht<br />

weihevoll. Natürlich kann der Therapeut bewegt sein<br />

von dem, was passiert, aber das ist nicht Gegenstand und<br />

Absicht der Therapie. Das Pathetische, das hier gemeint<br />

ist, ist ein Angebot <strong>für</strong> den Klienten, keine Sensation des<br />

Therapeuten. So ist das mit (<strong>systemische</strong>r) Therapie vereinbar.<br />

Trotzdem bleibt – auch wenn wir hier die Position des<br />

Therapeuten als die eines verantwortungsvollen Skeptikers<br />

definieren, der das Pathetische ermöglicht, nicht<br />

absichtlich erfährt – seine verantwortungsvolle Situation<br />

08 SYSTEMISCHE NOTIZEN 02/04

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!