GRÜNDUNG, INNOVATION UND BILDUNG _ TITELTHEMA: GRÜNDERLAND WIE KLEINSTKREDITE EXISTENZGRÜNDUNGEN MÖGLICH MACHEN Bühne frei für gute Ideen Da ist der Arbeitslosengeld-II-Empfänger, der sich mit einem kleinen Elektrobetrieb selbstständig machen will. Oder die alleinerziehende Mutter, die als Fotografin tätig werden möchte. Oder der Mann mittleren Alters, der sich nach einer Jahre zurückliegenden Privatinsolvenz eine neue Existenz aufbauen möchte. Sie alle brauchen einen Kredit, um die Existenzgründung zu meistern. Doch bei den Hausbanken ist da kaum etwas zu machen. Das <strong>NRW</strong>/EU.Mikrodarlehen schafft hier seit November 2008 Abhilfe. 01 20 prospect
01 Birgit Neyer und Britta Schulz (v. l.) sind erste Ansprechpartnerinnen für Existenzgründer 02 Werner Kindsmüller und Martin Helfrich (v. l.) entwickelten das <strong>NRW</strong>/EU.Mikrodarlehen > __________________________________________________________ „Wir hatten schon oft genug Fälle, wo wir Leute mit guten Ideen vor uns hatten, denen wir nicht helfen konnten“, berichtet Britta Schulz. Sie berät und betreut Existenzgründer im STARTER CENTER <strong>NRW</strong> bei der Handwerkskammer in Münster. Birgit Neyer hat als Mitarbeiterin der Wirtschaftsförderung Münster dieselben Erfah rungen gemacht: „Das waren alles Fälle, in denen eine Finanzierung über die jeweilige Hausbank nicht zustande kam, weil Sicherheiten oder Eigen - kapital fehlten. Den <strong>Bank</strong>en war deshalb das Risiko zu groß.“ Eine Chance für gute Ideen „Wenn jemand eine gute Idee hat, dann sollte es nicht am Geld scheitern“, sagen Werner Kindsmüller und Martin Helfrich von der <strong>NRW</strong>.BANK. Gemeinsam mit 26 von 75 STARTER- CENTERN <strong>NRW</strong> – verteilt über das ganze Bundesland – testen sie derzeit in einer zweijährigen Pilotphase die Vergabe von Mikrodarlehen. Es handelt sich hierbei um Kleinstkredite mit einem Volumen zwischen 5.000 und 25.000 Euro für Gründer. Solche Kredite gab es bisher nur in Form des KfW-StartGelds, das über die Hausbank beantragt wird. Die Hausbank übernimmt dabei 20 Prozent des Risikos. Erscheint ihr das Risiko zu hoch, lehnt sie ab. „Die Kleinstgründer brauchen eine überschaubare Basisausstattung, ein Büro, einen PC oder ein Fahrzeug und Material. Um an Kapital zu kommen, blieb diesen Gründern früher nur noch die Überziehung des eigenen Kontos“, erklärt Martin Helfrich. So eine Kontokorrent - finanzierung ist teuer: Mitunter werden mehr als 18 Prozent Zinsen fällig. „Mit aktuell 6,5 Prozent Zinsen ist das Mikrodarlehen in dieser Risikoklasse extrem günstig. Aber um es klar zu sagen: Hier geht es nicht um einen Prozentpunkt mehr oder weniger, sondern darum, dass überhaupt ein Kredit vergeben wird“, betont Martin Helfrich. Anfang November 2008 startete das <strong>NRW</strong>/EU.Mikrodarlehen, zwei Wochen später lag der erste Antrag vor. „Wenn die Testphase ein Erfolg wird, werden die STARTERCENTER <strong>NRW</strong> das Mikrodar - lehen anbieten“, so Werner Kindsmüller. Den Anstoß für diese Idee hatte 2006 die Verleihung des Friedensnobelpreises an Muhammad Yunus gegeben. Die von ihm gegründete Grameen <strong>Bank</strong> in Bangladesch vergibt Kleinstkredite, um über günstiges Kapital den erfolgreichen Betrieb von Mini-Unternehmungen zu ermöglichen. „Aus unserer Sicht werden Mikrodarlehen auch hier bei uns einen positiven Effekt haben“, erklärt Werner Kindsmüller, „wir können damit ideenreiche Menschen in das Wirtschaftsgeschehen zurückholen, die ohne dieses Darlehen keine Chance bekommen würden.“ Darlehen inklusive Beratung „Die Beantragung des Darlehens läuft ausschließlich über die STAR- TER CENTER <strong>NRW</strong>“, erläutert Britta Schulz, „wir begleiten die Antragsteller bis zur Auszahlung.“ Dabei muss ein schlüssiger Businessplan präsentiert werden, der exakt geprüft wird. „Wenn uns die Idee tragfähig erscheint, befürworten wir eine Finanzierung durch die <strong>NRW</strong>.BANK“, so Birgit Neyer. Ist das Darlehen bewilligt, muss der Kreditnehmer für die Laufzeit einen Coach hinzuziehen. „Im Detail ist das von Region zu Region anders organisiert“, erklärt Werner Kindsmüller. In Münster setzt man zum Beispiel auf Unternehmensberater, die für das KfW Gründercoaching akkreditiert sind. Birgit Neyer: „Die meisten Antragsteller sind keine Kaufleute. Da muss jemand da sein, wenn die ersten 02 Probleme auftauchen. Unser Ziel ist es, das Risiko eines mög lichen Scheiterns zu minimieren. Aus der Erfahrung wissen wir, dass die ersten drei Jahre die kritischsten sind.“ Außerdem hilft der Coach bei organisatorischen Fragen oder im Marketing. „Wir setzen insgesamt auf eine hohe Verbindlichkeit“, stellt Werner Kindsmüller die Strategie dar, „hier wird direkt eine Verpflichtung eingegangen, etwas zu verdienen, um das Darlehen zurückzuzahlen.“ Eine Verbindlichkeit, die Gründer gerne annehmen: „Unsere Erfahrung ist, dass diejenigen, die für ein Mikrodarlehen in Frage kommen, hochmotiviert und leistungsbereit sind“, stellt Britta Schulz fest, „sie wollen etwas ändern und beweisen dabei Kreativität.“ Und jemand, der über fünf Jahre erfolgreich sein Mikro - darlehen zurückgezahlt hat, ist dann wieder ein interessanter Kunde für die Hausbanken. Werner Kindsmüller: „Er hat dann ja be wiesen, dass er es kann.“ __________________________________________ < > MEHR INFOS UNTER www.startercenter.nrw.de www.nrwbank.de/de/existenzgruendungs-und-mittelstands portal prospect 21