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Drogen in Europa - SMP-Clan

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26 Lebensgeschichte<br />

Lebensgeschichte<br />

27<br />

ke<strong>in</strong> Geld unterschlagen. Me<strong>in</strong> Chef merkte nichts. In der<br />

Rückfallzeit lernte ich im Spielkas<strong>in</strong>o im <strong>Europa</strong>center <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong> Heidi kennen. Sie sollte me<strong>in</strong>e große Liebe werden.<br />

Nach kurzer Zeit schon wusste ich, dass ich mit dieser Frau<br />

leben muss. Sie war der erste Mensch <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Leben, dem<br />

ich tief vertrauen konnte. Warum das so war, kann ich nicht<br />

genau sagen, es war e<strong>in</strong>fach so. Sie hat so e<strong>in</strong>e Ausstrahlung,<br />

der ich mich e<strong>in</strong>fach nicht entziehen konnte. Trotzdem<br />

hörte ich nicht mit dem Tr<strong>in</strong>ken und Spielen auf. Ich ließ<br />

mich von me<strong>in</strong>er Frau scheiden, verkaufte das Haus, zog mit<br />

Heidi zusammen nach Hamburg.<br />

sich nur denken kann ... u.a. Schädelbasisbruch und die<br />

Lendenwirbelsäule. Die Ärzte sagten, dass ich nur überlebt<br />

hätte, weil ich so besoffen war. Jetzt konnte mich auch me<strong>in</strong><br />

Chef nicht mehr halten. Er musste mich kündigen. Und<br />

damit fiel ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> tiefes Loch. Ich hatte ke<strong>in</strong>e Arbeit, ke<strong>in</strong><br />

Geld und ke<strong>in</strong>e Frau mehr. Also soff ich wieder, als ich aus<br />

dem Krankenhaus kam.<br />

Aber ich wusste auch, wenn ich jetzt nichts mache, geht es<br />

immer weiter bergab mit mir, und ich entschloss mich zu<br />

e<strong>in</strong>er Entgiftung <strong>in</strong> den Alsterdorfer Anstalten. Von dort aus<br />

An e<strong>in</strong>em verlängerten Wochenende im Sommer 1997 führte<br />

ich im ukra<strong>in</strong>ischen Dnepropetrowsk Verhandlungen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em mafios geführten Betrieb. Beim Abschluss kamen die<br />

Fragen: »Woman? Good food? Dr<strong>in</strong>k?« Wir landeten irgendwo<br />

am Dnepr, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Billardraum. Das war der Anfang<br />

e<strong>in</strong>er langen Geisterbahnfahrt. Ich soff und spielte wie <strong>in</strong><br />

alten Zeiten. In Polen verspielte ich während e<strong>in</strong>er<br />

Dienstreise 20.000 Mark von der Firmenkreditkarte. Um das<br />

Geld wieder zurückzugew<strong>in</strong>nen, jagte ich mit dem Auto<br />

nach Deutschland, klaute aus dem Firmentresor alles Geld.<br />

Raste wieder nach Polen, denn <strong>in</strong> Deutschland hatte ich<br />

Ich sprang <strong>in</strong> me<strong>in</strong> Auto und raste los. Der Polizei fiel ich<br />

durch me<strong>in</strong>e Fahrweise auf. Sie verfolgten mich. Wir lieferten<br />

uns e<strong>in</strong>e Verfolgungsjagd, wie im Film. Als sie mich<br />

hatten, sahen sie, dass die Täterbeschreibung der Verkäufer<strong>in</strong>nen<br />

auf mich passte, und nahmen mich fest. Ich hatte nur<br />

noch e<strong>in</strong>s im Kopf, ich wollte weiter tr<strong>in</strong>ken und machte den<br />

Dorfpolizisten klar, dass ich Alkoholiker b<strong>in</strong> und jede<br />

Stunde e<strong>in</strong> Bier tr<strong>in</strong>ken musste. Die Polizisten riefen e<strong>in</strong>e<br />

Ärzt<strong>in</strong> an, die ihnen gestattete, für mich Bier zu kaufen. So<br />

bekam ich dann <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Zelle <strong>in</strong> dieser Nacht jede Stunde<br />

e<strong>in</strong>e Büchse Bier. Das war sehr amüsant. Der Schlüssel dreh-<br />

Passfotos des jungen Erwachsenen: l<strong>in</strong>ks 16, rechts 15 Jahre alt<br />

Jürgen (r.) mit Schulfreunden auf e<strong>in</strong>er Reise nach Dänemark<br />

Urlaubsreise 1995: Jürgen <strong>in</strong> der Affenstadt <strong>in</strong> Thailand<br />

te sich im Schloss, die Tür öffnete sich und e<strong>in</strong> Polizist<br />

reichte mir e<strong>in</strong> Bier. Der folgende Prozess brachte mir 3<br />

Jahre Knast.<br />

Konfirmation 1967: Jürgen vor der evang. Stadtkirche <strong>in</strong> Delmenhorst<br />

Me<strong>in</strong>e Alkoholprobleme wurden immer größer, Angstphasen<br />

kamen dazu. Me<strong>in</strong> Chef merkte, was mit mir los war, und<br />

auch vor Heidi konnte ich me<strong>in</strong>e Sucht nicht mehr verbergen.<br />

Me<strong>in</strong> Chef hielt noch zu mir, weil ich gute Arbeit leistete,<br />

aber für Heidi wurde das Zusammenleben mit mir zur<br />

Qual. E<strong>in</strong>es Tages, es war im Frühjahr 1994, wollte sie mich<br />

verlassen. »Wenn du mich verlässt, mache ich Schluss«,<br />

warnte ich sie. Trotzdem packte sie ihre Sachen, verließ die<br />

Wohnung. Mit e<strong>in</strong>er Flanke über das Treppengeländer<br />

sprang ich ihr h<strong>in</strong>terher, 12 Meter <strong>in</strong> die Tiefe und landete<br />

vor ihren Füßen. Ich lag zwei Wochen im Sankt Georg<br />

Krankenhaus im Koma. Es war alles gebrochen, was man<br />

Familienfeier 1971: kurz vor dem geschmissenen Abitur<br />

nahm ich wieder Kontakt mit me<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong> Heidi auf. Ich<br />

schaffte es, dass sie es noch e<strong>in</strong>mal mit mir probieren wollte.<br />

Aus der Kl<strong>in</strong>ik zog ich direkt zu ihr. Sie wohnte <strong>in</strong>zwischen<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> und ich g<strong>in</strong>g auf Arbeitssuche. Wieder hatte<br />

ich Erfolg. Nach zwei Monaten fand ich e<strong>in</strong>e mir entsprechende<br />

Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Speditionsfirma im Osten, die mir e<strong>in</strong><br />

sehr gutes Gehalt bot. Dort wussten sie, dass ich trockener<br />

Alkoliker b<strong>in</strong>. Sie brauchten me<strong>in</strong>e Arbeitskraft und me<strong>in</strong>e<br />

Erfahrung und sie vertrauten mir. Ich arbeitete mich gut e<strong>in</strong>.<br />

Bald gab es ke<strong>in</strong>e Leitungssitzung mehr ohne mich. Bei<br />

allen Entscheidungen, die die Firma betrafen, hatte ich e<strong>in</strong><br />

Wort mitzureden.<br />

Urlaubsreise 1994: Jürgen auf dem Weg durch Dead Valley (USA)<br />

mich <strong>in</strong> den Kas<strong>in</strong>os sperren lassen, verspielte das Geld restlos.<br />

Ich traute mich nicht mehr zur Arbeit und auch nicht<br />

mehr nach Hause, legte mich e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Hotel ab. Da<br />

es kurz vor Weihnachten war, wollte ich Weihnachtsgeschenke<br />

kaufen, hatte aber ke<strong>in</strong> Geld mehr. Ich kam auf die<br />

idiotische Idee: »Du könntest ja e<strong>in</strong>en Laden überfallen«. Ich<br />

fuhr am 23. Dezember 1997 nach Bremen, trank mir Mut an.<br />

Im Baumarkt <strong>in</strong> Bassum kaufte ich e<strong>in</strong>en Hammer und e<strong>in</strong><br />

Messer, stürmte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Boutique und rief: »Überfall, Geld<br />

her!« Als die Frauen schrieen, bekam ich Angst und lief weg.<br />

Me<strong>in</strong>e vielen Fürsprecher schafften es, dass die 3 Jahre zur<br />

Bewährung ausgesetzt wurden. Die Firma, der ich so übel<br />

mitgespielt hatte, stellte mich sogar wieder e<strong>in</strong>. Alles war<br />

wieder im Werden. Nur me<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> Heidi spielte nicht<br />

mehr mit. Damit kam ich nicht klar. Habe im März 1998 vier<br />

Wochen am Stück getrunken. Angstzustände plagten mich,<br />

ich wusste nicht weiter. Ich habe dann bei SYNANON das<br />

erste Mal um Aufnahme gebeten.<br />

Hier wurde ich sehr schnell Chef des Zweckbetriebes Clean<br />

up. Die Arbeit war gut, aber irgendwie wurde es mir wieder<br />

langweilig. Ich f<strong>in</strong>g an, Geld auf me<strong>in</strong>e Seite zu schaffen. Im<br />

Sommer 1999, an e<strong>in</strong>em Freitagnachmittag, b<strong>in</strong> ich dann<br />

mit 10.000 Mark von SYNANON abgehauen. Von e<strong>in</strong>em<br />

Taxi ließ ich mich nach Polen fahren, verspielte alles, fuhr<br />

zurück nach Berl<strong>in</strong>, mietete mich im Forum-Hotel e<strong>in</strong> und<br />

soff. Ich hatte fürchterliche Angst. Als das Geld alle war,<br />

meldete ich mich wieder, mit furchtbar schlechtem Gewissen,<br />

bei SYNANON.<br />

SuchtReport 1/2002<br />

SuchtReport 1/2002

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