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"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc

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Ihre Distanz <strong>zu</strong> ihrem Herkunftsmilieu wirft auch ein neues L<strong>ich</strong>t auf die<br />

fast schwärmerische Bewun<strong>der</strong>ung, die Frau Schild noch heute fur ihren ehemaligen<br />

Lehrer hegt: Obwohl er wie ihr Vater Mitglied <strong>der</strong> SPD war, konnte<br />

sie s<strong>ich</strong> <strong>mit</strong> ihm, <strong>der</strong> nach dem Zweiten Weltkrieg eine w<strong>ich</strong>tige kommunalpolitische<br />

Rolle spielte, le<strong>ich</strong>ter identifizieren. Ihm gegenüber empfindet sie<br />

Dankbarkeit, weil er ihr <strong>zu</strong> ihrem Aufstieg aus dem Herkunftsmilieu verholten<br />

hat.<br />

Hier deutet s<strong>ich</strong> ein Strukturmoment dieser Biographie an: Erika Schild ist<br />

angetrieben von dem Bedürfnis, ihr Herkunftsmilieu, dessen sie s<strong>ich</strong> schämt,<br />

hinter s<strong>ich</strong> <strong>zu</strong> lassen, sozial auf<strong>zu</strong>steigen und ein höheres Sozialprestige als<br />

ihre Eltern <strong>zu</strong> erre<strong>ich</strong>en. Hier, so können wir vermuten, boten s<strong>ich</strong> für Erika<br />

Schild vor allem zwei Wege an: Der Aufstieg über eine eigene Berufslaufbahn<br />

o<strong>der</strong> über eine ,,gute Partie 44 , d.h. über eine Ehe.<br />

2.1.3 Die Vorkriegszeit: Der soziale Aufstieg<br />

1933 verließ Erika Schild nach <strong>der</strong> Mittleren Reife das Gymnasium, obwohl<br />

sie eigentl<strong>ich</strong> das Abitur angestrebt <strong>hatte</strong>. Statt dessen besuchte sie nun die<br />

Höhere Handelsschule. Die geplante Schulkarriere war da<strong>mit</strong> für Erika Schild<br />

beendet. Diese Statuspassage war für sie problematisch, da ihr weiteres Fortkommen<br />

nun behin<strong>der</strong>t <strong>zu</strong> sein schien. Ihre Ausführungen über die genaueren<br />

Umstände dieses Schulabbruchs bleiben allerdings unklar:<br />

„meine Mutter war gestorben und <strong>ich</strong> <strong>kam</strong> <strong>zu</strong>r Höheren Handelsschule <strong>ich</strong> mußte also dies <strong>ich</strong><br />

konnte kein Abitur machen abgebrochen = und = da wollt <strong>ich</strong> aber auch n<strong>ich</strong> sein mein Vater<br />

wollte überhaupt daß <strong>ich</strong> in die Partei ginge und mögl<strong>ich</strong>st so auf die Spinnerei o<strong>der</strong> jedenfalls in<br />

die Fabrik und <strong>mit</strong> für die, un = so, das alles wollt <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t m<strong>ich</strong> genierte das sogar eigentl<strong>ich</strong>**<br />

(17 /30)<br />

Wir erfahren, daß die Mutter gestorben war und Erika daraufhin die Schule<br />

wechselte. Der Text legt die Interpretation nahe, daß durch den Tod <strong>der</strong> Mutter<br />

<strong>der</strong> weitere Besuch des Gymnasiums unmögl<strong>ich</strong> wurde bzw. daß <strong>der</strong> Vater ihn<br />

n<strong>ich</strong>t gestattete. Sein Wunsch war, wie Frau Schild hier andeutet, daß seine<br />

Tochter in „die Partei 44 , die SPD also, eintreten und danach als Arbeiterin <strong>zu</strong>m<br />

Unterhalt <strong>der</strong> Familie beitragen sollte. Der Vater <strong>hatte</strong> also fur Erika einen Lebensweg<br />

vor Augen, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> proletarischen Tradition <strong>der</strong> Familie stand.<br />

Doch ,/ias alles 44<br />

genierte sie. Kategorisch lehnte sie alles ab, was <strong>mit</strong> dem proletarischen<br />

Milieu und <strong>der</strong> politischen Überzeugung ihres \&ters <strong>zu</strong> tun <strong>hatte</strong>.<br />

Nach Abschluß <strong>der</strong> Höheren Handelsschule im Jahre 1933 begann sie n<strong>ich</strong>t,<br />

in einer Fabrik <strong>zu</strong> arbeiten, son<strong>der</strong>n nahm eine Stelle als „Hilfe 44<br />

in einer Konditorei<br />

an. Es ist ihr w<strong>ich</strong>tig <strong>zu</strong> betonen, daß dies ein „sehr feines jüdisches 44<br />

Geschäft war:<br />

„unser ganz, feines Konfitürengeschäft <strong>ich</strong> weiß jeden Morgen, mußt <strong>ich</strong> da die einzelnen Pralinen<br />

putzen, <strong>mit</strong> nem ganz feinen Staubtuch da<strong>mit</strong> „des immer" wirkl<strong>ich</strong> wahr dann wurde jeden<br />

Tag neu, auf silbernen Tabletts geputzt** (18/33)<br />

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