"Als der Krieg kam, hatte ich mit Hitler nichts mehr zu tun" - goedoc
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Zwar ber<strong>ich</strong>tet Frau Schild über ihre Bestür<strong>zu</strong>ng anges<strong>ich</strong>ts <strong>der</strong> äußeren Erscheinung<br />
von Herrn Sengewald, doch wir erfahren n<strong>ich</strong>ts über Ursachen, die<br />
näheren Umstände und den politischen Kontext <strong>der</strong> nationalsozialistischen Verfolgung<br />
ihres Lehrers. Wie auch bei an<strong>der</strong>en Themen, von denen im folgenden<br />
noch die Rede sein wird, blendet sie die Verfolgungs- und Vern<strong>ich</strong>tungspolitik<br />
des „Dritten Re<strong>ich</strong>es 44<br />
aus und vermeidet es, sie beim Namen <strong>zu</strong> nennen.<br />
Im August 1937 heiratete Erika Schild, 21jährig, Egon Schild, einen gutsituierten,<br />
zehn Jahre älteren Mann, <strong>der</strong> einen w<strong>ich</strong>tigen Posten in <strong>der</strong> Speditionsbranche<br />
bekleidete. Mit dieser Heirat gelang ihr <strong>der</strong> Sprung in eine gesellschaftl<strong>ich</strong><br />
angesehenere Position. Sie gab ihren Beruf auf und war bis in<br />
die späten fünfziger Jahre n<strong>ich</strong>t <strong>mehr</strong> berufstätig. Ende 1938 <strong>kam</strong> ihre älteste<br />
Tochter, Elisabeth, <strong>zu</strong>r Welt.<br />
Egon Schild <strong>hatte</strong> im Rahmen seiner Tätigkeit in <strong>der</strong> Speditionsbranche <strong>mit</strong><br />
<strong>der</strong> staatl<strong>ich</strong> forcierten Emigration <strong>der</strong> jüdischen Bevölkerung <strong>zu</strong> tun, die im<br />
Jahr 1938 von <strong>der</strong> NSDAP noch massiver als bisher vorangetrieben wurde.<br />
Genauere Details über die Tätigkeit ihres Mannes, in wessen Auftrag er handelte<br />
und welche Aufgaben er konkret <strong>zu</strong> erfüllen <strong>hatte</strong>, erfahren wir jedoch<br />
n<strong>ich</strong>t. Er war entwe<strong>der</strong> fur den Transport des Eigentums jüdischer Emigranten<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en <strong>zu</strong>rückgelassenen Besitz <strong>zu</strong>ständig:<br />
„es war übrigens so mein Mann war ja, Spediteur n<strong>ich</strong> ... und dann sollten ja die Juden, das<br />
damals, das Land verlassen dürfen <strong>ich</strong> glaube <strong>mit</strong> fünftausend Mark und äh Klamotten die sie tragen<br />
konnten und sonst n<strong>ich</strong>ts ne und diese Juden, des warn alles sehr re<strong>ich</strong>e, Meyer und große<br />
Kaufhäuser und Grünewald und un Salomon und Löwenberg und so (1) und mein Mann sollte damals,<br />
diese Juden, äh, exportiern also äh äh ausreisen ihnen ihre äh es gab damals so=so nen Kistenverschlag<br />
da kommt- soviel = konnten = se = <strong>mit</strong>nehmen" (21 / 39)<br />
Es ist an<strong>zu</strong>nehmen, daß Herr Schild in die „Arisierung 44<br />
jüdischen Besitzes,<br />
d.h. die Beschlagnahme und den Zwangsverkauf jüdischen Vermögens an<br />
„Arier 44 , verwickelt war 2 . Bei diesen Geschäften machten n<strong>ich</strong>t nur Staat und<br />
Partei erhebl<strong>ich</strong>e Gewinne, son<strong>der</strong>n auch diverse Unternehmen. Frau Schild<br />
will an dieser Stelle aber auch deutl<strong>ich</strong> machen, daß es ihrem Mann unangenehm<br />
war, s<strong>ich</strong> am jüdischen Eigentum <strong>zu</strong> bere<strong>ich</strong>ern. Er sei deshalb froh gewesen,<br />
diese Aufgabe an seinen Freund Otto delegieren <strong>zu</strong> können. In direktem<br />
Anschluß an das obige Zitat fahrt sie fort:<br />
„und mein Mann war ja Spediteur und das wollte er n<strong>ich</strong>t, er sachte das kann <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t <strong>ich</strong> kann<br />
den Leuten n<strong>ich</strong>t diese Sachen da, wegnehmen o<strong>der</strong>, wollte er n<strong>ich</strong> und dieser Otto <strong>der</strong> fiel<br />
immer=<strong>der</strong>=war, immer, ganz re<strong>ich</strong> o<strong>der</strong> ganz arm und <strong>der</strong> fiel immer auf die Füße ... und Otto<br />
<strong>der</strong> war Feuer und Flamme dafür, <strong>der</strong> hat son, Fingerspitzengefühl dafür gehabt un son Geruch<br />
was lukrativ war un mein Mann überhaupt n<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong> mein Mann war eher ein Künstler ... und<br />
sacht das kann <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t, und Otto sachte dann mach <strong>ich</strong> das und mein Mann hat ihn dann angelernt<br />
und ihm das beigebracht, also die Berechnung und das Verpacken" (22/4)<br />
Auf welcher Seite Frau Schilds Sympathie liegt, auf <strong>der</strong> Seite des Freundes,<br />
<strong>der</strong> „Fingerspitzengefühl 44 dafür <strong>hatte</strong>, was „lukrativ 44 war, o<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Seite<br />
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