Albvereinsblatt_2012-3.pdf
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Familien-Lehrgang »Land Art«<br />
Künstlerin Natur<br />
Von Dr. Eva Walter<br />
Aufmerksamen Wanderern wird nicht entgehen, was kleine<br />
und große Künstler so alles am Wegesrand erschaffen haben.<br />
Vor allem im Umkreis unseres Wanderheims Eninger Weide<br />
halte man die Augen offen. »Land Art« nennt sich das, und<br />
ist vor allem bei Familienwanderungen beliebt. Doch wie anpacken?<br />
So bot der Fachbereich Familien einen Fortbildungslehrgang<br />
mit der Natur- und Umweltpädagogin Karin Zahn<br />
an: »Die Natur ist eine Künstlerin - du auch!«. Die blühende,<br />
aber leider verregnete Frühlingslandschaft der Eninger Weide<br />
war Schau- und Wirkplatz.<br />
Man spricht auch im Deutschen von »Land Art«, wenngleich<br />
die Ursprünge dieser Kunstbewegung bei US-amerikanischen<br />
Avantgardekünstlern der 1960er Jahre liegen. Entstanden aus<br />
der Weigerung, dem Kunstmarkt weiter Spekulationsobjekte<br />
zu liefern, schufen Künstler in abgelegenen Landstrichen<br />
großartige Landschaftsskulpturen – exklusiv, nicht käuflich<br />
zu erwerben, nicht transportabel oder galerie-tauglich. Nicht<br />
einmal das Fotografieren war gestattet. Wer diese Kunstwerke<br />
betrachten wollte, musste weit hinaus wandern.<br />
Einen anderen Ansatz verfolgt die europäische Variante seit<br />
den 1970er Jahren, die eher als »Natur Kunst« zu bezeichnen<br />
ist. Hier steht nicht Gesellschafts- oder Konsumkritik<br />
im Mittelpunkt, sondern die Kunstproduktion unter freiem<br />
Himmel, das Erleben der Natur in ihrem Wandel und ihrer<br />
Vergänglichkeit. Der große Meister der europäischen »Land<br />
Art« ist der Schotte Andy Goldsworthy (geb. 1956). Er nutzt<br />
nur Naturmaterialien vor Ort (z. B. Steine, Blüten, Blätter,<br />
Muscheln, Holz, Eiszapfen). Formen und Farben fügt er in<br />
Harmonie zu fragilen Objekten und fotografiert sie. Dann<br />
überlässt er sie wieder der Natur und ihrem Rhythmus. Er<br />
hinterlässt keine Spuren. Was bleibt, sind seine hochwertigen<br />
Fotos. Sein künstlerisches Schaffen hat aber auch eine esoterische<br />
Komponente, denn auch der Ort des Schaffens mit seiner<br />
Ausstrahlung, Mystik und Spiritualität ist von Bedeutung.<br />
Referentin Karin Zahn machte im Lehrgang zunächst mit der<br />
historischen Entwicklung von »Land Art« vertraut und zeigte<br />
Fotos von Goldsworthys Objekten. Gleich war die Frage<br />
da: Wie macht man das? Und die Erinnerungen kamen an<br />
viele Stunden Handarbeit beim Legen der Blütenteppiche an<br />
Fronleichnam.<br />
Beim ersten Spaziergang stimmte die Lehrgangsleiterin erst<br />
einmal auf das Erfühlen der Natur ein, auf Entspannung und<br />
Wahrnehmung. So öffnete sich der Horizont für die Schönheit<br />
einer Walderdbeerenblüte oder für die Regentropfen an<br />
den jungen, frischen Buchenblättern.<br />
Jeder Seminarteilnehmer suchte sich eine passende Stelle,<br />
um sein ganz persönliches Werk mit bloßen Händen aus dem,<br />
was ringsherum so herumlag, zu gestalten. Aus der geschärften<br />
Wahrnehmung entstanden – im strömenden Regen rund<br />
um die Eninger Weide – Unikate, nur wenige Meter voneinander<br />
entfernt, mit den gleichen Ausgangsstoffen. Jeder fand<br />
in aller Stille seinen eigenen kreativen Ausdruck, in einer Mischung<br />
aus Natur-Erfahrung, Erkundung, Werkeln auf dem<br />
16 • Blätter des Schwäbischen Albvereins • 3 /<strong>2012</strong>