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„ “<br />
Deutung zufolge – auf die Bloßstellung des Verkünders als von einem Familienverband<br />
isoliert, als ,abgeschnitten‘, zielt.<br />
Sure „Die Fülle“<br />
Wahrlich wir geben dir Fülle (kawthar)!<br />
So bete zu deinem Herrn und opfere!<br />
Dein Hasser ist der Abgeschnittene!<br />
Mit der triumphalen Eingangsfeststellung einer besonderen Privilegierung des Angesprochenen<br />
stellt die Sure zugleich die Bewältigung einer Krise fest: Der in der Anfangsaussage<br />
in Wir-Rede konstatierte Gunsterweis Gottes (V.: „Fülle“) ist zwar unbestimmt<br />
belassen, durch die morphologische Intensivform kawthar aber deutlich als<br />
großzügig und beglückend gekennzeichnet. Er ist am ehesten im Sinne einer spirituellen<br />
Erfüllung, verkörpert in der neu eröffneten Kra zur Verkündigung, zu verstehen.<br />
Diese Ermächtigung des Verkünders durch spirituelle Fülle wiegt den mit V. – in<br />
Projektion auf einen aggressiven Gegner – in Erinnerung gebrachten Mangel an Einbettung<br />
in einen schützenden und mächtigen Familienclan (nasab) auf. Die Erfahrung<br />
göttlich gewährter, geistiger Privilegierung des Individuums tritt an die Stelle genealogisch<br />
verbürgten Elitebewusstseins. 16 Die hier für den angesprochenen Nachsprecher,<br />
„du“, attestierte Selbstrealisierung als in einer direkten Verbindung zu Gott stehend, verweist<br />
ihn unter die von der „Sorge um das Selbst“ epimeleia heautou, 17 erfüllten Frommen<br />
der Spätantike.<br />
Die Auseinandersetzung geht weiter: In der nur wenig späteren – bereits an ein<br />
öffentliches „ihr“ gerichteten – Sure al-takāthur, „Die Gier nach Fülle“, schlägt der<br />
Verkünder mit einer polemischen Ansprache zurück: Die paganen Angesprochenen –<br />
das ist sein Vorwurf – befinden sich ihrerseits in einer Mangelsituation, sie sind von<br />
der Obsession für die Mehrung (und damit Erhöhung des Ansehens) ihrer Familienverbände<br />
so ,in Bann gehalten‘, dass sie sich dem Ahnenkult hingeben, „die Gräber<br />
aufsuchen“, 18 statt in die eigene eschatologische Zukun zu schauen:<br />
Q „Die Gier nach Fülle“<br />
Euch hält in Bann die Gier nach Fülle,<br />
bis hin dazu, dass ihr sogar die Grabmäler aufsucht!<br />
16 Siehe dazu Neuwirth b, –.<br />
17 Siehe dazu Stroumsa , –.<br />
18 Gedacht ist mit Wahrscheinlichkeit an den<br />
spätantiken Brauch, Gedächtnismähler an den<br />
Grabstätten der Ahnen abzuhalten. Familiengräberkomplexe,<br />
verbunden mit Räumen für<br />
kollektive Mähler, sind vielfach bekannt, so etwa im<br />
palästinischen Bet Guvrin oder im nabatäischen Petra.<br />
– Zu der üblichen Deutung des Verses im Sinne<br />
von „bis ihr ins Grab sinkt“ siehe den Kommentar<br />
zur Sure, Neuwirth b, –.